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Informationen zum Dokument  BGer 2C_771/2020  Materielle Begründung
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BGer 2C_771/2020 vom 24.09.2020
 
 
2C_771/2020
 
 
Urteil vom 24. September 2020
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichter Zünd,
 
Bundesrichterin Aubry Girardin,
 
Gerichtsschreiber Brunner.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Isabelle Chassé,
 
gegen
 
Eidgenössische Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Amtshilfe DBA (CH-HU),
 
Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I,
 
vom 31. August 2020 (A-4843/2019).
 
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Am 25. Februar 2019 (bzw. 20. Mai 2019) ersuchte die ungarische Steuerverwaltung (National Tax and Customs Administration, Central Liaison Office; CLO) die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) gestützt auf Art. 26 des Abkommens vom 12. September 2013 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und Ungarn zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (DBA CH-HU; SR 0.672.941.81) um die amtshilfeweise Übermittlung näher bezeichneter Informationen zur Besteuerung von A.________. Das Ersuchen betrifft den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2016 und steht im Zusammenhang mit einem Konto, das A.________ bei der B.________ SA hält. Die ungarische Steuerverwaltung vermutet, dass unversteuertes Einkommen auf dieses Konto transferiert worden sei.
 
1.2. Mit Schlussverfügung vom 19. August 2019 erklärte die ESTV, den ungarischen Steuerbehörden die ersuchte Amtshilfe zu leisten. Das Bundesverwaltungsgericht wies die von A.________ dagegen erhobene Beschwerde mit Urteil vom 31. August 2020 ab. Dieses Urteil ficht A.________ mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 16. September 2020 beim Bundesgericht an.
 
 
2.
 
Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt (Art. 84a BGG). Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder aus anderen Gründen ein besonders bedeutender Fall vorliegt, so ist in der Beschwerdeschrift in gedrängter Form darzulegen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 139 II 404 E. 1.3 S. 410).
 
 
3.
 
Bezüglich des Eintretens führt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, die Europäische Union habe ein "Rechtsstaatsverfahren" gegen Ungarn eröffnet; in Ungarn würden rechtsstaatliche Prinzipien in diversen Belangen nicht respektiert. Vorliegend sei daher die Frage zu klären, ob und inwieweit das völkerrechtliche Vertrauensprinzip gegenüber diesem Land überhaupt greifen könne. Für den konkreten Fall leitet die Beschwerdeführerin daraus ab, dass die schweizerischen Steuerbehörden nicht auf die Richtigkeit der Angaben der ungarischen Steuerbehörden zur Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips (Art. 6 lit. a des Protokolls zum DBA CH-HU) hätten vertrauen dürfen und eine nähere Überprüfung der Angaben im Amtshilfeersuchen hätten vornehmen müssen.
 
3.1. Die Vorinstanz verneinte eine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips mit einer doppelten Begründung:
 
3.1.1. Zum einen erwog sie, die ungarischen Steuerbehörden hätten gemäss eigenen Angaben innerstaatlich eine Untersuchung betreffend ein Bankkonto in der Schweiz durchgeführt und die Beschwerdeführerin dazu auch befragt. Selbst wenn sie bei dieser Befragung nach einem Konto mit der in einer Ziffer unzutreffenden IBAN-Nr. xxx gefragt hätten, stehe fest, dass auf ein nicht deklariertes Bankkonto in der Schweiz Bezug genommen worden sei und dass die Beschwerdeführerin dessen Existenz zwar bestätigt, die entsprechenden Unterlagen indessen nicht eingereicht habe, weil das Konto mittlerweile geschlossen sei und sie darauf nicht mehr zugreifen könne (E. 3.2.2 des angefochtenen Entscheids). Auf die Angaben der ungarischen Steuerbehörden könne nach dem Vertrauensprinzip vertraut werden (E. 2.4 und E. 3.2.2 des angefochtenen Entscheids).
 
3.1.2. Zum anderen argumentierte die Vorinstanz, das Subsidiaritätsprinzip gelte nach der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung nicht als verletzt, wenn die Frist zur Abgabe der Steuererklärung zum Zeitpunkt des Amtshilfeersuchens im ersuchenden Staat abgelaufen sei und Zweifel an der Selbstdeklaration bestünden, sofern sich die Informationen im ersuchten und nicht im ersuchenden Staat befänden; auch diese Voraussetzungen seien vorliegend erfüllt (E. 3.2.4 des angefochtenen Entscheids).
 
3.2. Die Tragweite des von der Vorinstanz mit der ersten Eventualbegründung angerufenen Vertrauensprinzips ist vom Bundesgericht für den Bereich der internationalen Amtshilfe in Steuersachen bereits wiederholt erörtert worden (BGE 146 II 150 E. 7.1 S. 179 f., mit Hinweisen auf die Rechtsprechung); der Rechtsprechung lassen sich insbesondere auch Kriterien dazu entnehmen, unter welchen Umständen vom Vertrauensprinzip abzuweichen ist, wenn eine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips gerügt wird (vgl. Urteil 2C_28/2017 vom 16. April 2018 E. 2.1.3, nicht publ. in: BGE 144 II 206). Insofern beanstandet die Beschwerdeführerin vorliegend die Anwendung feststehender Kriterien der Rechtsprechung auf den konkreten Einzelfall; darin liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (Urteile 2C_618/2020 vom 12. August 2020 E. 2.1.1; 2C_829/2019 vom 8.Oktober 2019 E. 3.1.2; 2C_588/2018 vom 13. Juli 2018 E. 4.2).
 
Auch dass sonst ein besonders bedeutender Fall vorliegen könnte (Art. 84 Abs. 2 BGG), ist nicht ersichtlich: Die Beschwerdeführerin bezieht sich in ihrer Eingabe im Wesentlichen auf Einwände, die vonseiten des Europäischen Parlaments gegenüber der Einhaltung von Rechtsstaatlichkeitsstandards in Ungarn gehegt werden und die zur Er öffnung eines Verfahrens nach Art. 7 Abs. 1 des Vertrags über die Europäische Union geführt haben. Sie legt jedoch in keiner Art und Weise dar, inwiefern in ihrem konkreten Fall das Unterlaufen solcher rechtsstaatlicher Standards - und insofern ein schwerer Mangel des ausländischen Steuerverfahrens (vgl. BGE 139 II 340 E. 4 S. 342 f.) - zu befürchten wäre. Der Hinweis allein, dass sie als Kulturschaffende in Ungarn Nachteile zu gewärtigen hätte, die weit über die steuerlichen Konsequenzen hinausgingen, genügt mangels näherer Substanziierung nicht, um insoweit ernsthafte Bedenken zu wecken.
 
3.3. Damit ist vorliegend in Bezug auf die erste Eventualbegründung der Vorinstanz (vgl. E. 3.1.1 hiervor) weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung noch ein besonders bedeutender Fall dargetan. Bezüglich der zweiten Eventualbegründung (vgl. E. 3.1.2) wird das Vorliegen der Eintretensvoraussetzungen nicht rechtsgenüglich behauptet.
 
 
4.
 
Auf die Beschwerde ist aufgrund vorstehender Erwägungen nicht einzutreten. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens sind der Beschwerdeführerin zu überbinden (Art. 65 f. BGG).
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 24. September 2020
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Der Gerichtsschreiber: Brunner
 
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