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Informationen zum Dokument  BGer 6B_587/2020  Materielle Begründung
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BGer 6B_587/2020 vom 12.10.2020
 
 
6B_587/2020
 
 
Urteil vom 12. Oktober 2020
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Bundesrichter Muschietti,
 
Gerichtsschreiber Matt.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Tanja Schneeberger
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
 
Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
mehrfacher, teilweise versuchter Betrug; Landesverweisung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
 
des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer,
 
vom 31. März 2020 (SST.2019.195).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________ wird vorgeworfen, durch wahrheitswidrige Angaben gegenüber der öffentlichen Arbeitslosenkasse unrechtmässig Gelder erhältlich gemacht resp. dies teilweise versucht zu haben. Am 7. Mai 2019 verurteilte ihn das Bezirksgericht Laufenburg wegen mehrfachen, teilweise versuchten Betrugs zu 100 Tagessätzen à Fr. 80.-- Geldstrafe als Zusatzstrafe zu einem Strafbefehl vom 28. August 2018. Das Bezirksgericht verwies A.________ für 5 Jahre des Landes. Auf seine Berufung hin bestätigte das Obergericht des Kantons Aargau den erstinstanzlichen Entscheid am 31. März 2020.
1
B. Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt A.________, er sei freizusprechen und von einer Landesverweisung sei abzusehen. Eventualiter sei die Sache an das Obergericht, subeventualiter an das Bezirksgericht zurückzuweisen. A.________ ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. Obergericht und Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau verzichten auf eine Stellungnahme.
2
 
Erwägungen:
 
1. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, die Arbeitslosenkasse hinsichtlich seiner Arbeitstätigkeit in den Monaten August und September 2018 getäuscht zu haben. Er macht aber geltend, es fehle an Arglist.
3
 
1.1.
 
1.1.1. Gemäss Art. 146 Abs. 1 StGB macht sich des Betruges schuldig, wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt.
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Die Täuschung ist arglistig, wenn der Täter ein Lügengebäude errichtet oder sich besonderer Machenschaften bedient. Bei einfachen falschen Angaben wird Arglist bejaht, wenn deren Überprüfung nicht zumutbar oder nicht bzw. nur mit besonderer Mühe möglich ist und wenn der Täter das Opfer von der möglichen Überprüfung abhält oder nach den Umständen voraussieht, dass dieses die Überprüfung der Angaben aufgrund eines besonderen Vertrauensverhältnisses unterlassen werde. Massgebend ist, wie der Täter die dem Opfer zur Verfügung stehenden Möglichkeiten des Selbstschutzes einschätzt. Ob die Täuschung arglistig ist, hängt nicht davon ab, ob sie gelingt. Wenn das Opfer der Täuschung nicht erliegt, entfällt Arglist deswegen nicht notwendigerweise. Die Täuschung ist aber nicht arglistig, wenn das Opfer den Irrtum mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit hätte vermeiden können. Der Tatbestand erfordert aber nicht, dass das Opfer die grösstmögliche Sorgfalt walten lässt und alle erdenklichen Vorkehren trifft, um den Irrtum zu vermeiden. Arglist scheidet nur bei Leichtfertigkeit des Opfers aus, welche das betrügerische Verhalten des Täters in den Hintergrund treten lässt. Die zum Ausschluss der Strafbarkeit des Täuschenden führende Opferverantwortung kann nur in Ausnahmefällen bejaht werden (BGE 143 IV 302 E. 1; 135 IV 76 E. 5.1 f.; 128 IV 18 E. 3a; 126 IV 165 E. 2a; Urteil 6B_1324/2018, 6B_22/2019 vom 22. März 2019 E. 3.2).
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1.1.2. Hat der Täter sämtliche subjektiven Tatbestandsmerkmale erfüllt und seine Tatentschlossenheit manifestiert, ohne dass alle objektiven Tatbestandsmerkmale verwirklicht sind, liegt ein Versuch im Sinne von Art. 22 Abs. 1 StGB (BGE 140 IV 150 E. 3.4; 137 IV 113 E. 1.4.2; je mit Hinweisen). Zum Versuch gehört folglich der Entschluss des Täters, eine Straftat zu begehen, und die Umsetzung dieses Entschlusses in eine Handlung. Der Täter muss mit der Ausführung der Tat begonnen haben (BGE 140 IV 150 E. 3.4; Urteil 6B_1159/2018 vom 18. September 2019 E. 2.2.2, nicht publ. in BGE 145 IV 424).
6
1.1.3. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h. willkürlich im Sinne von Art. 9 BV ist, und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG und Art. 105 Abs. 2 BGG). Willkür liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist oder mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht. Dass eine andere Lösung oder Würdigung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 143 IV 241 E. 2.3.1; 141 IV 369 E. 6.3; je mit Hinweisen). Die Willkürrüge muss explizit vorgebracht und substantiiert begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Auf ungenügend begründete Rügen oder rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 145 I 26 E. 1.3; 144 V 50 E. 4.2).
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Was der Täter wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft sogenannte innere Tatsachen und ist Tatfrage. Als solche prüft sie das Bundesgericht nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür (Art. 9 BV; Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 144 IV 345 E. 2.2.3; 141 IV 369 E. 6.3; je mit Hinweisen).
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1.2.
 
1.2.1. Dem angefochtenen Urteil liegt folgender, unbestrittener Sachverhalt zugrunde:
9
Der seit Ende 2017 bei der Arbeitslosenkasse angemeldete Beschwerdeführer gab auf dem Formular "Angaben der versicherten Person" für die Monate August und September 2018 an, nicht arbeitstätig zu sein, obwohl er seit dem 1. August 2018 in einem Anstellungsverhältnis stand; der entsprechende Vertrag wurde am 30. Juli 2018 unterzeichnet und sah eine Probezeit von zwei Monaten vor. In einem E-Mail vom 5. September 2018 erklärte der Beschwerdeführer gegenüber der Sachbearbeiterin der Arbeitslosenkasse, dass die Festanstellung per 1. Oktober 2018 gelte. Dies bestätigte er in einem persönlichen Gespräch mit dem RAV-Berater vom 10. September 2018. Die Arbeitslosenkasse und das RAV forderten den Beschwerdeführer umgehend auf, zwecks Leistungsabmeldung den Arbeitsvertrag einzureichen. Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer nicht nach. Gestützt auf seine Angaben hat die Arbeitslosenkasse die Leistungen für August und September 2018 falsch berechnet und Fr. 212.-- zu Unrecht ausbezahlt. Wären die wahrheitswidrigen Angaben nicht rechtzeitig bemerkt worden, so hätte der Gesamtschaden gemäss Vorinstanz Fr. 10'082.10 betragen.
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1.2.2. Die Vorinstanz begründet ausführlich und überzeugend, weshalb sie das Verhalten des Beschwerdeführers als arglistig im Sinne von Art. 146 StGB beurteilt. Eine Verletzung von Bundesrecht ist nicht ersichtlich.
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Der Vorinstanz ist zuzustimmen, dass angesichts der bis dato tadellosen Zusammenarbeit des Beschwerdeführers mit den Behörden von deren Seite kein Anlass bestand, die Richtigkeit der Angaben in den Formularen "Angaben der versicherten Person" für die Monate August und September 2018 in Zweifel zu ziehen. Dies gilt ebenso für die wahrheitswidrigen Behauptungen im E-Mail und im Beratungsgespräch Anfang September 2018, wonach die Festanstellung erst per 1. Oktober 2018 gelten sollte. Es kann auch nicht gesagt werden, dass die Behörden ihre elementarsten Sorgfaltspflichten verletzt hätten. Sie haben im Gegenteil umgehend auf die Mitteilung des Beschwerdeführers zum Vertragsabschluss reagiert und eine Kopie des Arbeitsvertrages verlangt. Hingegen konnten die Behörden angesichts der falschen Angaben in den Formularen und mangels früherer Bekanntgabe des Vertrages keine Kenntnis davon haben, dass dieser bereits am 30. Juli 2018 unterzeichnet worden war und eine Festanstellung per 1. August 2018 vorsah. Zudem hat der Beschwerdeführer Informationen - den Arbeitsvertrag - zurückgehalten und die Behörden aktiv daran gehindert, die Täuschung zu erkennen, indem er Anfangs September 2018 einerseits behauptete, die Festanstellung gelte, anders als zunächst gedacht, nicht ab August 2018, sondern erst ab Oktober 2018. Andererseits kam er der Aufforderung zur Einreichung des Vertrages nicht sogleich nach. Dass die Behörden zunächst dennoch wie gewohnt Leistungen erbrachten, kann ihnen unter dem Gesichtspunkt der Opfermitverantwortung nicht als leichtfertig vorgeworfen werden, zumal sie, wie dargestellt, keinen besonderen Anlass zum Misstrauen hatten. Gleiches gilt für die Tatsache, dass sie sich nicht auch telefonisch beim Arbeitgeber über einen möglichen früheren Vertragsbeginn erkundigten. Es kann jedenfalls nicht gesagt werden, dass das betrügerische Verhalten des Beschwerdeführers aufgrund möglicher Unterlassungen der Behörden geradezu in den Hintergrund treten würde, sodass Arglist ausnahmsweise zu verneinen wäre. Ohnehin ist dem Beschwerdeführer grundsätzlich entgegen zu halten, dass es vorliegend, auch unter Berücksichtigung der Höhe der Entschädigung, um einen Routinefall im Rahmen der Arbeitslosenversicherung, mithin um ein ausgesprochenes Massengeschäft, geht. Darauf weist die Vorinstanz zutreffend hin. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung waren daher nach dem Prinzip von Treu und Glauben keine ausserordentlichen Vorkehrungen zu erwarten (vgl. in Bezug auf Sozialhilfebetrug: Urteil 6B_1076/2010 vom 21. Juni 2011 E. 9.2.2.3 und betreffend eine Fahrzeugversicherung: BGE 143 IV 302 E. 1.3.4).
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1.2.3. Die Vorinstanz bejaht auch vorsätzliches Handeln des Beschwerdeführers, namentlich bezüglich Vermögensschaden sowie Bereicherungsabsicht, zu Recht resp. ohne Willkür. Sie setzt sich dabei mit sämtlichen, in der Beschwerde teilweise wiederholten Einwänden auseinander und verwirft diese nachvollziehbar. Dies gilt insbesondere für das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er in den Formularen irrtümlich angegeben habe, im August und September 2018 nicht gearbeitet zu haben, weil er geglaubt habe, erst mit dem erfolgreichen Absolvieren der Probezeit einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Die Vorinstanz beurteilt diese Erklärung zu Recht als Schutzbehauptung, zumal der Beschwerdeführer auch gegenüber dem RAV-Berater ausdrücklich angab, die Festanstellung gelte, anders als zunächst gedacht, nicht ab August 2018, sondern ab Oktober 2018. Es handelte sich mithin nicht um ein einmaliges Versehen. Dass der Beschwerdeführer dies in "holprigem" Deutsch erklärte, entlastet ihn, jedenfalls unter Willkürgesichtspunkten, nicht. Dies gilt ebenso für die Tatsache, dass er damit rechnen musste, dass die Behörden den Arbeitsvertrag einverlangen würden.
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Nicht zu beanstanden ist nach dem Gesagten schliesslich, dass die Vorinstanz annimmt, der Beschwerdeführer habe hinsichtlich der nicht erhältlich gemachten Leistungen - er wurde teilweise mit Einstelltagen sanktioniert, und die Behörden erkannten in der Folge ihren Fehler - das Stadium des Versuchs erreicht. Wenn er wiederum vorbringt, er habe die Formulare von August und September 2018 irrtümlich falsch ausgefüllt, ist er nicht zu hören. Ferner ist ohne Belang, weshalb es zu Einstelltagen kam, mithin, dass der Beschwerdeführer von sich aus mitteilte, er habe ein früheres Arbeitsverhältnis selbst gekündigt. Dies steht mit den falschen Angaben zur Arbeitstätigkeit im August und September 2018 in keinem Zusammenhang. Insbesondere kann nicht gesagt werden, der Beschwerdeführer hätte damit die unrechtmässig geltend gemachten Arbeitslosenentschädigungen vermindern wollen. Unerfindlich ist schliesslich, weshalb die vorinstanzliche Einschätzung, wonach es ohne die Verfügung von Einstelltagen und die Entdeckung der falschen Angaben durch die Behörden auch für September 2018 zur vollen Auszahlung von Arbeitslosengeldern gekommen wäre, unzutreffend sein soll.
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Die vorinstanzlichen Schuldsprüche sind rechtens und zu bestätigen.
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2. Der Beschwerdeführer wendet gegen die Landesverweisung und macht einen Härtefall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB geltend. Dass Katalogtaten gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. e StGB vorliegen, bestreitet er nicht.
16
 
2.1.
 
2.1.1. Das Gericht verweist den Ausländer, der wegen Betruges verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der Strafe für 5-15 Jahre aus der Schweiz (Art. 66a Abs. 1 lit. e StGB). Die obligatorische Landesverweisung wegen einer Katalogtat im Sinne von Art. 66a Abs. 1 StGB greift grundsätzlich unabhängig von der konkreten Tatschwere (BGE 144 IV 332 E. 3.1.3). Sie muss unabhängig davon ausgesprochen werden, ob es beim Versuch geblieben ist und ob die Strafe bedingt, unbedingt oder teilbedingt ausfällt (BGE 144 IV 168 E. 1.4.1).
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Von der Anordnung der Landesverweisung kann nur "ausnahmsweise" unter den kumulativen Voraussetzungen abgesehen werden, dass sie (1.) einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und (2.) die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind (Art. 66a Abs. 2 StGB; sog. Härtefallklausel). Die Härtefallklausel dient der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV; BGE 145 IV 364 E. 3.2; 144 IV 332 E. 3.1.2; je mit Hinweisen). Sie ist restriktiv anzuwenden (BGE 144 IV 332 E. 3.3.1). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich zur kriteriengeleiteten Prüfung des Härtefalls im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB der Kriterienkatalog der Bestimmung über den "schwerwiegenden persönlichen Härtefall" in Art. 31 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201) heranziehen. Zu berücksichtigen sind namentlich der Grad der (persönlichen und wirtschaftlichen) Integration, einschliesslich familiärer Bindungen des Ausländers in der Schweiz bzw. in der Heimat, Aufenthaltsdauer und Resozialisierungschancen. Ebenso ist der Rückfallgefahr und wiederholter Delinquenz Rechnung zu tragen. Das Gericht darf auch vor dem Inkrafttreten von Art. 66a StGB begangene Straftaten berücksichtigen (BGE 146 IV 105 E. 3.4.1; 144 IV 332 E. 3.3.2; je mit Hinweisen).
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Die Sachfrage entscheidet sich mithin in einer Interessenabwägung nach Massgabe der "öffentlichen Interessen an der Landesverweisung". Nach der gesetzlichen Systematik ist die obligatorische Landesverweisung anzuordnen, wenn die Katalogtaten einen Schweregrad erreichen, sodass die Landesverweisung zur Wahrung der inneren Sicherheit notwendig erscheint. Diese Beurteilung lässt sich strafrechtlich nur in der Weise vornehmen, dass massgebend auf die verschuldensmässige Natur und Schwere der Tatbegehung, die sich darin manifestierende Gefährlichkeit des Täters für die öffentliche Sicherheit und auf die Legalprognose abgestellt wird (Urteil 6B_560/2020 vom vom 17. August 2020 E. 1.1.1 mit Hinweisen).
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2.1.2. Von einem schweren persönlichen Härtefall im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB ist bei einem Eingriff von einer gewissen Tragweite in den Anspruch des Ausländers auf das in Art. 13 BV und Art. 8 EMRK verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens auszugehen. Das Recht ist berührt, wenn eine staatliche Entfernungs- oder Fernhaltemassnahme eine nahe, echte und tatsächlich gelebte familiäre Beziehung einer in der Schweiz gefestigt anwesenheitsberechtigten Person beeinträchtigt, ohne dass es dieser ohne Weiteres möglich bzw. zumutbar wäre, ihr Familienleben andernorts zu pflegen (BGE 144 I 266 E. 3.3, 91 E. 4.2 und E. 5.1; 144 II 1 E. 6.1). Zum geschützten Familienkreis gehört in erster Linie die Kernfamilie, d.h. die Gemeinschaft der Ehegatten mit ihren minderjährigen Kindern. Das Verhältnis zu volljährigen Kindern fällt nur dann unter das geschützte Familienleben, wenn ein über die üblichen familiären Beziehungen bzw. emotionalen Bindungen hinausgehendes, besonderes Abhängigkeitsverhältnis besteht; namentlich infolge von Betreuungs- oder Pflegebedürfnissen bei körperlichen oder geistigen Behinderungen und schwerwiegenden Krankheiten (BGE 145 I 227 E. 5.3; 144 II 1 E. 6.1; Urteil 6B_396/2020 vom 11. August 2020 E. 2.4.3 f.).
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Art. 66a StGB ist EMRK-konform auszulegen. Die Interessenabwägung im Rahmen der Härtefallklausel von Art. 66a Abs. 2 StGB hat sich daher an der Verhältnismässigkeitsprüfung nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu orientieren (BGE 145 IV 161 E. 3.4).
21
 
2.2.
 
2.2.1. Der Beschwerdeführer migrierte mit 18 Jahren während des Kosovo-Krieges in die Schweiz und lebt nunmehr seit 27 Jahren hier. Er hat einen 23-jährigen und einen 10-jährigen Sohn aus erster Ehe, die das Schweizer Bürgerrecht besitzen und zu denen gemäss vorinstanzlicher Feststellung ein guter, mithin regelmässiger Kontakt resp. eine enge familiäre Bindung besteht. Der Beschwerdeführer lebt zudem nach eigenen Angaben seit rund fünf Jahren mit einer Schweizerin und deren 17-jährigen Sohn zusammen in einer Familiengemeinschaft. Er hat ferner einen grossen Freundeskreis. Beruflich verfügt der Beschwerdeführer über keine abgeschlossene Ausbildung, er war aber während mindestens 19 Jahren arbeitstätig. Er selber spricht von und begründet eine fast lückenlose Arbeitstätigkeit, was der Vorinstanz nicht bekannt zu sein scheint. Jedenfalls aber bestand nie eine Sozialhilfeabhängigkeit. Schliesslich ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer wegen Urkundenfälschung und Fälschung von Ausweisen vorbestraft ist. Er wurde deswegen zu 40 Tagessätzen Geldstrafe bedingt verurteilt. Diese Strafe wurde wegen der vorliegend beurteilten Straftat widerrufen und eine Gesamtstrafe von 100 Tagessätzen gebildet.
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2.2.2. Der Beschwerdeführer moniert nach dem Gesagten zu Recht, dass die Anordnung einer Landesverweisung unter den gegebenen Umständen als unverhältnismässig erscheint. Angesichts der Tatsache, dass er während nunmehr 27 Jahren in der Schweiz lebt, somit den weitaus grössten Teil seines Lebens hier verbracht hat und verwurzelt ist, kann den Kinder- und Jugendjahren im Kosovo - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - keine überragende Bedeutung mehr zukommen. Sodann wiegt die unbestrittenermassen enge Beziehung zu den Söhnen, insbesondere zum erst 10-Jährigen, mit Blick auf die Annahme eines Härtefalls sowie ein zu gewichtendes privates Interesse des Beschwerdeführers und seines Sohnes schwer. Daran ändert nichts, dass er über kein gerichtlich geregeltes Besuchsrecht verfügt, nachdem eine autoritative Regelung offenbar aufgrund der Einigung der Ehegatten nicht erforderlich war. Ferner lebt der Beschwerdeführer in einer langjährigen Beziehung zu einer Schweizerin, deren Wahrhaftigkeit die Vorinstanz nicht in Frage stellt. Dies gilt ebenso für die Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers jedenfalls während der weit überwiegenden Zeit seiner Anwesenheit in der Schweiz. Sein Interesse an einem Verbleib wiegt daher, nicht zuletzt angesichts der sehr langen Aufenthaltsdauer sowie der familiären Bindungen zu hier gefestigt aufenthaltsberechtigten Personen schwer. Die Vorinstanz verneint einen Härtefall mithin zu Unrecht.
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Schliesslich ist ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Fernhaltung des Beschwerdeführers nicht ersichtlich. Die ihm zur Last gelegten Verfehlungen, welche mit 40 resp. 60 Tagessätzen Geldstrafe geahndet wurden, bewegen sich vielmehr im untersten möglichen Bereich des Strafrahmens sowohl bezüglich der Urkundenfälschung (Vorstrafe) als auch des Betruges. Mit Bezug auf letztere, hier beurteilte Straftat ist nach dem in Erwägung 1 vorstehend Gesagten im Übrigen von einer geringen kriminellen Energie auszugehen und ein kleiner Schaden entstanden resp. vom Beschwerdeführer in Kauf genommen worden. Jedenfalls aber kann nicht gesagt werden, die Katalogtaten würden einen derartigen Schweregrad erreichen, dass die Landesverweisung zur Wahrung der inneren Sicherheit notwendig erschiene. Auch die von der Vorinstanz erwähnten, nicht näher bezifferten Schulden des Beschwerdeführers begründen kein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Landesverweisung. Deren Anordnung verletzt Bundesrecht.
24
 
3.
 
Die Beschwerde ist insofern gutzuheissen, als von einer Landesverweisung abzusehen ist. Im Übrigen ist die Beschwerde abzuweisen.
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Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die Verfahrenskosten grundsätzlich im Rahmen seines Unterliegens zu tragen. Indes ist sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gutzuheissen, soweit es nicht infolge Obsiegens abzuschreiben ist. Es sind keine Verfahrenskosten zu erheben. Angesichts der Bestätigung der Verurteilung ist die vorinstanzliche Regelung der Verfahrenskosten trotz teilweiser Gutheissung der Beschwerde zu bestätigen.
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Der Kanton Aargau hat dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin für das vorinstanzliche sowie für das bundesgerichtliche Verfahren eine teilweise Parteientschädigung auszurichten. Im Übrigen ist der Rechtsvertreterin ein amtliches Honorar aus der Bundesgerichtskasse auszurichten (Art. 64 und Art. 66 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird insoweit gutgeheissen, als von einer Landesverweisung abgesehen wird. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.
 
2. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
 
3. Der Kanton Aargau bezahlt der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers für das vorinstanzliche sowie das bundesgerichtliche Verfahren je Fr. 1'500.-- Parteientschädigung. Die Rechtsvertreterin wird zudem aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'500.-- entschädigt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 12. Oktober 2020
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Der Gerichtsschreiber: Matt
 
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