BGer 1C_594/2020 | |||
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BGer 1C_594/2020 vom 02.11.2020 |
1C_594/2020 |
Urteil vom 2. November 2020 |
I. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Chaix, Präsident,
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Bundesrichter Haag, Merz,
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Gerichtsschreiber Dold.
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Verfahrensbeteiligte | |
1. A.________ Limited,
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2. B.________ AG,
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Beschwerdeführerinnen,
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beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Michael Mráz,
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gegen
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Bundesanwaltschaft,
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Guisanplatz 1, 3003 Bern.
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Gegenstand
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Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an die Ukraine; Herausgabe von Beweismitteln,
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Beschwerde gegen den Entscheid
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des Bundesstrafgerichts, Beschwerdekammer,
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vom 13. Oktober 2020 (RR.2020.98-99).
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Sachverhalt: | |
A. Das Nationale Antikorruptionsbüro der Ukraine führt eine Untersuchung gegen den ehemaligen Leiter des staatlichen Fiskaldienstes, C.________. Der Verdacht betrifft die Annahme eines Angebots, eines Versprechens oder den Erhalt eines ungerechtfertigten Vorteils durch eine Dienstperson nach ukrainischem Recht. Das Nationale Antikorruptionsbüro gelangte mit ergänzendem Rechtshilfeersuchen vom 9. Oktober 2018 an die Schweiz und ersuchte unter anderem um Herausgabe von Bankunterlagen zu Konten bei der Bank D.________ AG, der Bank E.________ AG und der Bank F.________ SA (heute: Bank G.________ AG), lautend auf die A.________ Limited, die B.________ AG und die H.________ Ltd.
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Die Bundesanwaltschaft erliess am 26. November 2018 eine Eintretensverfügung und forderte die drei Banken mit Editionsverfügungen vom 23. Januar 2019 auf, ihr die Unterlagen zu den drei Konten einzureichen. Die Banken kamen dieser Aufforderung nach.
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Mit Schlussverfügungen vom 9. März 2020 ordnete die Bundesanwaltschaft die Herausgabe der Unterlagen der Konten bei der Bank D.________ AG und der Bank E.________ AG an die ukrainischen Behörden an. Eine von der A.________ Limited und der B.________ AG dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesstrafgericht mit Entscheid vom 13. Oktober 2020 ab (Dispositiv-Ziffer 3). Weiter wies es ein Ausstandsgesuch ab, soweit es dieses nicht als gegenstandslos geworden abschrieb (Dispositiv-Ziffer 1). Den Antrag auf Beizug der Akten betreffend eine Strafanzeige, die der an der A.________ Limited und der B.________ AG wirtschaftlich Berechtigte gegen die Unterzeichner des Rechtshilfeersuchens bei der Bundesanwaltschaft eingereicht hatte, wies es ebenfalls ab (Dispositiv-Ziffer 2).
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B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht vom 26. Oktober 2020 beantragen die A.________ Limited und die B.________ AG, der Entscheid des Bundesstrafgerichts sei aufzuheben und die Rechtshilfe zu verweigern. Eventualiter sei die Sache zur neuen Beurteilung an das Bundesstrafgericht zurückzuweisen.
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Es wurde kein Schriftenwechsel durchgeführt.
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Erwägungen: | |
1. Die Beschwerdeführerinnen beantragen, es seien die Akten des Bundesstrafgerichts und der Bundesanwaltschaft beizuziehen. Wie aus den nachfolgenden Erwägungen hervorgeht, erweist sich dies nicht als erforderlich. Der Antrag wird abgewiesen.
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2. | |
2.1. Gemäss Art. 84 BGG ist gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen die Beschwerde nur zulässig, wenn er unter anderem eine Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich betrifft und es sich um einen besonders bedeutenden Fall handelt (Abs. 1).
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Ein besonders bedeutender Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im Ausland schwere Mängel aufweist (Abs. 2; BGE 145 IV 99 E. 1 S. 104 ff. mit Hinweisen).
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Art. 84 BGG bezweckt die wirksame Begrenzung des Zugangs zum Bundesgericht im Bereich der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen. Ein besonders bedeutender Fall ist deshalb mit Zurückhaltung anzunehmen. Dem Bundesgericht steht insofern ein weiter Ermessensspielraum zu (zum Ganzen: BGE 145 IV 99 E. 1.2 S. 104 f. mit Hinweisen).
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Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Begründung der Rechtsschrift in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass ein besonders bedeutender Fall nach Artikel 84 vorliegt, so ist auszuführen, warum diese Voraussetzung erfüllt ist (BGE 145 IV 99 E. 1.5 S. 107 mit Hinweisen).
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Erachtet das Bundesgericht eine Beschwerde auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen als unzulässig, so fällt es gemäss Art. 107 Abs. 3 BGG - abgesehen von einem hier nicht gegebenen Ausnahmefall - den Nichteintretensentscheid innert 15 Tagen seit Abschluss eines allfälligen Schriftenwechsels.
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Nach Art. 109 BGG entscheidet die Abteilung in Dreierbesetzung über Nichteintreten auf Beschwerden, bei denen kein besonders bedeutender Fall vorliegt (Abs. 1). Der Entscheid wird summarisch begründet. Es kann ganz oder teilweise auf den angefochtenen Entscheid verwiesen werden (Abs. 3).
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2.2. Zwar geht es hier um die Übermittlung von Informationen aus dem Geheimbereich und damit um ein Sachgebiet, bei dem die Beschwerde nach Art. 84 Abs. 1 BGG insoweit möglich ist. Es handelt sich jedoch um keinen besonders bedeutenden Fall.
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Das Bundesstrafgericht legte unter anderem dar, dass gemäss dem Rechtshilfeersuchen der Leiter des staatlichen Fiskaldienstes, C.________, eine Steuerrückerstattung an die Gesellschaft I.________ über ca. EUR 30 Mio. organisierte, wobei letztendlich der die Beschwerdeführerinnen kontrollierende J.________ davon begünstigt worden sei. Es gebe Hinweise darauf, dass C.________ für seine Mitwirkung an der Steuerrückerstattung Gelder erhalten habe, die von den Konten der Beschwerdeführerinnen über solche von J.________ kontrollierten Gesellschaften an die K.________ Limited gelangt seien. Letztere habe ihren Sitz auf den Britischen Jungferninseln und werde gemäss dem Gesuch von C.________ kontrolliert, obwohl ihm dies in seiner Position als Staatsbeamter gemäss ukrainischem Recht nicht erlaubt sei. Das Bundesstrafgericht erwog, die C.________ vorgeworfenen Handlungen würden prima vista den Tatbestand der passiven Bestechung (Art. 322quater StGB) erfüllen, bzw., falls die Steuerrückerstattungen rechtmässig gewesen sein sollten, den Tatbestand der Vorteilsannahme (Art. 322sexies StGB). Die Voraussetzung der beidseitigen Strafbarkeit sei damit erfüllt (Art. 5 Abs. 1 lit. a des Europäischen Übereinkommens vom 20. April 1959 über die Rechtshilfe in Strafsachen [EUeR; SR 0.351.1] und Art. 64 Abs. 1 IRSG [SR 351.1]). Die Herausgabe der Kontounterlagen sei verhältnismässig, weil diese für das ausländische Verfahren potenziell erheblich seien. Eine angebliche politische Motivation des ukrainischen Strafverfahrens geltend zu machen seien die Beschwerdeführerinnen nicht legitimiert, da sie nicht Beschuldigte seien (Art. 2 IRSG). Auch bestünden keine Anhaltspunkte, dass sich die Ukraine nicht an das Spezialitätsprinzip halte (Art. 67 IRSG).
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Die Beschwerdeführerinnen wenden ein, es sei gleich zu entscheiden wie im Verfahren betreffend die H.________ Ltd., wo gemäss der rechtskräftigen Schlussverfügung der Bundesanwaltschaft die Rechtshilfe verweigert worden sei. Es ist allerdings entgegen ihrer Auffassung weder willkürlich (Art. 9 BV) noch rechtsungleich (Art. 8 Abs. 1 BV), wenn das Bundesstrafgericht diese eine andere Person betreffende Schlussverfügung nicht als massgebend ansah und sich darauf beschränkte zu prüfen, ob die die Beschwerdeführerinnen betreffenden Schlussverfügungen bundesrechtskonform sind. In dieser Hinsicht erscheint weiter nicht entscheidend, ob J.________ die L.________ Limited, über deren Konten Gelder an die K.________ Limited geflossen sein sollen, beherrscht oder nicht, so dass auf die betreffende Kritik an der vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellung nicht einzugehen ist (Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Erwägungen des Bundesstrafgerichts zum Verhältnismässigkeitsprinzip entsprechen der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 136 IV 82 E. 4 S. 85 ff.; 128 II 407 E. 6.3.1 S. 422 f.; je mit Hinweisen). Insoweit, als die Beschwerdeführerinnen geltend machen, das ausländische Strafverfahren sei politisch motiviert, setzen sie sich mit den Erwägungen im angefochtenen Entscheid zur Legitimation, diese Rüge vorzubringen, nicht auseinander, weshalb auf das Vorbringen ebenfalls nicht weiter einzugehen ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; s. im Übrigen BGE 133 IV 40 E. 7.2 S. 47; Urteile 1C_252/2020 vom 19. Juni 2020 E. 3.5; 1C_613/2017 vom 18. Dezember 2017 E. 1.2; je mit Hinweisen).
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Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich auch nicht in anderer Hinsicht. Der angefochtene Entscheid überzeugt.
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3. Auf die Beschwerde ist nicht einzutreten. Damit wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. Der Beschwerde kommt im vorliegenden Fall ohnehin schon von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung zu (Art. 103 Abs. 2 lit. c BGG).
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Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführerinnen die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Beschwerdeführerinnen, der Bundesanwaltschaft, dem Bundesstrafgericht, Beschwerdekammer, und dem Bundesamt für Justiz, Fachbereich Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 2. November 2020
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Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Chaix
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Der Gerichtsschreiber: Dold
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