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Informationen zum Dokument  BGer 8C_385/2020  Materielle Begründung
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BGer 8C_385/2020 vom 04.11.2020
 
 
8C_385/2020
 
 
Urteil vom 4. November 2020
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Abrecht,
 
Gerichtsschreiberin Polla.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich, Zürcherstrasse 8, 8400 Winterthur,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Gemeinde Maur, vertreten durch die Sozialbehörde, Zürichstrasse 8, 8124 Maur, vertreten durch Rechtsanwalt Kurt Berger,
 
Beschwerdegegnerin 1,
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwältin Stephanie Schwarz,
 
Beschwerdegegnerin 2.
 
Gegenstand
 
Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosenentschädigung; Rückerstattung),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 4. Mai 2020 (AL.2019.00128).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________ meldete sich am 24. August 2015 bei der Arbeitslosenversicherung zur Arbeitsvermittlung und zum Leistungsbezug an. Am 28. September 2015 erfolgte zudem die Anmeldung bei der Invalidenversicherung, welche mit Verfügung vom 19. Februar 2018 einen Rentenanspruch verneinte. Mit Beschluss vom 16. Oktober 2017 schrieb das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich einen von der Versicherten gegen die Generali Allgemeine Versicherungen AG und der AXA Versicherungen AG als zuständige Krankentaggeldversicherer geführten Prozess durch Vergleich (vom 27. Juni 2017) erledigt ab.
1
Die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich bejahte mit Verfügung vom 16. März 2018 einen Anspruch auf Arbeitslosentaggeld für die Zeit vom 24. August bis 22. September 2015. Für den Zeitraum vom 23. September 2015 bis 31. August 2016 verneinte sie einen solchen infolge fehlender Vermittlungsfähigkeit und vom 1. September 2016 bis 23. August 2017 mangels Verdienstausfalls bzw. aufgrund der Anrechnung von Krankentaggeldern. Damit einhergehend forderte sie die vom 1. September 2016 bis 23. August 2017 ausgerichtete Arbeitslosenentschädigung in der Höhe von insgesamt Fr. 33'029.20 zurück, davon Fr. 19'829.75 von der Sozialbehörde der Gemeinde Maur, an welche A.________ die Taggeldleistungen bis Ende März 2017 abgetreten hatte (Abtretungserklärung vom 8. Oktober 2015), und Fr. 13'199.45 von der Versicherten für ab 1. April 2017 direkt erhaltene Arbeitslosenentschädigung. Die von der Gemeinde und der Versicherten dagegen erhobenen Einsprachen wies die Arbeitslosenkasse mit Einspracheentscheid vom 8. April 2019 ab, wobei sie für den neu festgelegten Zeitraum vom 1. September 2016 bis 5. Mai 2017 den Rückforderungsbetrag auf Fr. 24'195.45 festsetzte und hiervon Fr. 4365.70 von A.________ und den übrigen Betrag von der Gemeinde zurückforderte.
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B. In Gutheissung der von der Gemeinde Maur dagegen geführten Beschwerde hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich den Einspracheentscheid vom 8. April 2019 auf, nachdem es A.________ zuvor zum Verfahren beigeladen hatte.
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C. Die Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei der Einspracheentscheid vom 8. April 2019 zu bestätigen.
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Die Gemeinde Maur und A.________ lassen auf Abweisung der Beschwerde schliessen. A.________ ersucht überdies um unentgeltliche Rechtspflege.
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Erwägungen:
 
1. Die Arbeitslosenkasse richtet sich in ihrer Beschwerde gegen den vorinstanzlich verneinten Rückerstattungsanspruch und ersucht um Bestätigung ihres Einspracheentscheids, weshalb sie ihr Rechtsbegehren auch gegen die Versicherte richtet und diese Teil des streitigen materiellen Rechtsverhältnisses ist. Die Versicherte ist daher in diesem Verfahren Gegenpartei und nicht bloss Beigeladene. Es kann hier mit Blick auf das Nachfolgende offen gelassen werden, ob die Vorinstanz zu Recht den nur von der Gemeinde Maur im vorinstanzlichen Verfahren angefochtenen Einspracheentscheid der Arbeitslosenkasse auch in Bezug auf die im Rubrum als Beigeladene aufgeführte Versicherte aufhob, die sich vernehmen liess und eigene Anträge stellte (vgl. § 14 des kantonalzürcherischen Gesetzes über das Sozialversicherungsgericht vom 7. März 1993 [GSVGer; LS 212.81]; Urteil 9C_198/2017 vom 29. August 2017 E. 3.2 mit weiteren Hinweisen und 9C_806/2007 vom 20. Oktober 2008 E. 4.1 f., in: SZS 2009 S. 131).
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2. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, falls allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 138 I 274 E. 1.6 S. 280 mit Hinweis). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG).
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3. Streitig und zu prüfen ist, ob, die Vorinstanz die Unrechtmässigkeit des Leistungsbezugs und damit den Rückerstattungsanspruch der Arbeitslosenkasse in Verletzung von Bundesrecht verneint hat.
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4.
 
4.1. Die Vorinstanz erwog, die Versicherte habe mit zwei Krankentaggeldversicherern einen Vergleich abgeschlossen, wonach sie auf der Basis einer 80%-igen Arbeitsunfähigkeit für die Zeit vom 1. September 2016 bis 5. Mai 2017 Krankentaggelder erhalte, unter Abzug der in diesem Zeitraum ausgerichteten Arbeitslosenentschädigung. Der Vergleich beinhalte eine Gesamtleistungsdauer von 730 Tagen (abzüglich einer Wartefrist von 14 Tagen und 88 bereits ausgerichteten Taggeldern). Im die streitige Rückforderung betreffenden Zeitraum vom 1. September 2016 bis 23. August 2017 sei bei einem Taggeldansatz von Fr. 75.75 für 247 Tage vom 1. September 2016 bis 1. Mai 2017 eine Krankentaggeldentschädigung ausgerichtet und vom Gesamtbetrag von Fr. 54'783.33 seien Fr. 20'438.05 für ausbezahlte Arbeitslosenentschädigung abgezogen worden. Dies entspreche beim genannten Taggeldansatz knapp 270 Taggeldern nach VVG. Damit liege keine Überentschädigung vor, weshalb sich der Leistungsbezug bei der Arbeitslosenversicherung nicht als unrechtmässig erweise. Zudem sei die Versicherte am 1. September 2016 (Beginn der Krankentaggeldleistungen) bereits bei der Invalidenversicherung angemeldet und nicht offensichtlich vermittlungsunfähig gewesen, weshalb sich auch unter diesem Aspekt keine Rückerstattungspflicht ergebe.
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4.2. Die Beschwerde führende Arbeitslosenkasse wendet dagegen ein, aufgrund der Regelung von Art. 28 Abs. 2 AVIG komme der Leistungspflicht der Arbeitslosenversicherung gegenüber derjenigen der Krankentaggeldversicherung nach VVG subsidiären Charakter zu. Art. 28 Abs. 1 und Abs. 4 AVIG wie auch Art. 73 Abs. 1 KVG begründeten eine direkte Leistungspflicht der jeweiligen Versicherung. Gegenüber dem Krankentaggeldversicherer sei sie nicht vorleistungspflichtig. An dieser Koordinationsregelung ändere nichts, dass sich die versicherte Person bei der Invalidenversicherung angemeldet und letztlich gestützt auf eine festgestellte Arbeitsfähigkeit von 80 % keinen Anspruch auf Invalidenrente habe. Die beiden beteiligten Krankentaggeldversicherer hätten daher zu Unrecht anlässlich des mit der Versicherten abgeschlossenen Vergleichs die von September 2016 bis April 2017 ausgerichteten Arbeitslosentaggelder abgezogen, wobei sie von der ärztlich attestierten vollständigen (bis 31. August 2016) bzw. 80%-igen (ab 1. September 2016) Arbeitsunfähigkeit ausgegangen seien. Die Frage des Arbeitsunfähigkeitsgrads der Versicherten im Zusammenhang mit Art. 15 Abs. 2 AVIG und Art 15 Abs. 3 AVIV trete bei dieser Konstellation in den Hintergrund. Die Vorleistungspflicht nach Art. 70 Abs. 2 lit. b und Art. 15 Abs. 3 AVIV greife erst ab Ende des Krankentaggeldanspruchs am 5. Mai 2017. Die Vorinstanz verkenne, dass die Arbeitslosenkasse systemfremd während des gesamten Zeitraums in faktischer Vorleistung ein volles Taggeld ausgerichtet habe, obwohl die Beschwerdegegnerin nur im Umfang von 20 % dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden sei. Die Ausführungen des kantonalen Gerichts zur Überentschädigung gingen dabei fehl. Art. 69 ATSG (Überentschädigung) sei hier nicht anwendbar Die Voraussetzungen für eine Wiedererwägung nach Art. 53 ATSG seien erfüllt.
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5.
 
5.1. Art. 28 Abs. 2 AVIG legt fest, dass Krankentaggeldleistungen eines Versicherers nach dem VVG von der Arbeitslosenentschädigung abzuziehen sind. Um beim Zusammentreffen verschiedener sachlich kongruenter Leistungsansprüche eine Überentschädigung zu verhindern, kann grundsätzlich eine solche zu Unrecht erhaltene Leistung der Arbeitslosenversicherung aufgrund der im Nachhinein für denselben Zeitraum entrichteten Krankentaggelder nach dem VVG gestützt auf Art. 95 Abs. 1 AVIG in Kombination mit Art. 53 Abs. 1 ATSG) zurückgefordert werden (BGE 142 V 448). Nach Art. 28 Abs. 2 und 4 AVIG ist die Arbeitslosenversicherung subsidiär leistungspflichtig zur privaten Versicherung, die den Erwerbsausfall infolge Krankheit deckt (BGE 128 V 176 E. 5 S. 181; ARV 2017 S. 72, 8C_791/2016 E. 2.1.2 mit Hinweis). Der Privatversicherer ist nicht davon befreit, die vertraglich geschuldeten Leistungen zu erbringen, weil die Arbeitslosenversicherung der versicherten Person im Hinblick auf eine mögliche Kostenübernahme durch die Invalidenversicherung provisorische Vorschüsse ausgerichtet hat (BGE 144 III 136 E. 4 S. 139 ff.).
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5.2. Nach Art. 15 Abs. 2 Satz 1 AVIG gilt der körperlich oder geistig Behinderte als vermittlungsfähig, wenn ihm bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage, unter Berücksichtigung seiner Behinderung, auf dem Arbeitsmarkt eine zumutbare Arbeit vermittelt werden könnte (BGE 136 V 195 E. 3.1 S. 197 f.). Die Kompetenz zur Regelung der Koordination mit der Invalidenversicherung ist in Art. 15 Abs. 2 Satz 2 AVIG dem Bundesrat übertragen worden. Dieser hat in Art. 15 Abs. 3 AVIV festgelegt, dass ein Behinderter, der unter der Annahme einer ausgeglichenen Arbeitsmarktlage nicht offensichtlich vermittlungsunfähig ist, und der sich bei der Invalidenversicherung (oder einer anderen Versicherung nach Art. 15 Abs. 2 AVIV) angemeldet hat, bis zum Entscheid der anderen Versicherung als vermittlungsfähig gilt. In diesem Sinne ist die Arbeitslosenversicherung im Rahmen der intersystemischen Leistungskoordination vorleistungspflichtig für Leistungen, deren Übernahme durch die Arbeitslosenversicherung, die Krankenversicherung, die Unfallversicherung oder die Invalidenversicherung umstritten ist (Art. 70 Abs. 2 lit. b ATSG; vgl. zum Begriff der intersystemischen Leistungskoordination Art. 63 Abs. 1 ATSG; Urteil 8C_751/2018 vom 6. Mai 2019 E. 4.2.1; MARC HÜRZELER, in: Basler Kommentar, Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts, 2020, N. 5 f. zu Art. 63 ATSG und N. 1 zu Art. 70 ATSG; FRÉSARD-FELLAY/FRÉSARD, in: Commentaire Romand, Loi sur la partie générale des assurances sociales, Commentaire, 2018, N. 10 f. zu Art. 63 ATSG).
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Art. 70 Abs. 2 ATSG kommt im Verhältnis zwischen der Arbeitslosenversicherung und den Krankentaggeldversicherern nach VVG jedoch nicht zur Anwendung, weil Art. 69 ATSG die Frage der intersystemischen Koordination zwischen Sozialversicherern betrifft (vgl. RKUV 2005 Nr. KV 350 S. 42, K 107/04 E. 5 und 7; UELI KIESER, ATSG-Kommentar, 3. Aufl. 2015, N. 7 zu Art. 69 ATSG; BGE 144 III 136 E. 4.3 in fine S. 143; ARV 2019 S. 97, 8C_625/2018 E. 5.2 E; Urteil 8C_791/2016 vom 27. Januar 2017 E. 5.1).
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6.
 
6.1. In Übereinstimmung mit dem soeben Ausgeführten besteht unter den Parteien Einigkeit darüber, dass die ausgerichteten Leistungen nicht in Anwendung der Überentschädigungsregelung nach Art. 69 ATSG zurückforderbar sind.
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6.2. Der Beschwerdeführerin ist nach dem Gesagten zuzustimmen, dass die Koordination zwischen der Arbeitslosenversicherung und einer (privaten) Krankentaggeldversicherung gestützt auf Art. 28 Abs. 2 und Abs. 4 AVIG (in Verbindung mit Art. 73 Abs. 1 KVG) und der dort statuierten Subsidiarität der Arbeitslosenversicherung insofern zu Lasten der Kranktentaggeldversicherung zu erfolgen hat, als bei gleichzeitigem Bezug von Arbeitslosenentschädigung und Krankentaggeldern nach VVG, diese von den Arbeitslosentaggeldern in Abzug gebracht werden, um eine Überentschädigung zu verhindern (BGE 128 V 176 E. 5 S. 181; ARV 2004 S. 50, C 303/02 E. 3.1 und E. 5; THOMAS NUSSBAUMER, Arbeitslosenversicherung, in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, 3. Aufl. 2016, S. 2395 Rz. 437). Dabei werden insbesondere weder Vorleistungspflichten festgelegt, noch bestehen sonstige Koordinationsbestimmungen (ARV 2019 S. 182, 8C_481/2018 E. 4.2.2 mit weiterem Hinweis).
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Hieraus ergibt sich, dass die Krankentaggeldversicherer die für den Zeitraum von September 2016 bis April 2017 gemäss Vergleich vom 27. Juni 2017 ausgerichteten Taggelder der Arbeitslosenversicherung im Umfang von Fr. 20'438.05 nicht von den ihrerseits geschuldeten und mit Fr. 18'710.25 bezifferten Krankentaggeldern (für eine Arbeitsunfähigkeit von 80 %) hätten in Abzug bringen dürfen (vgl. Beschluss des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 16. Oktober 2017 E. 1.2 S. 3). Dieser zivilrechtliche Vergleich kann der Arbeitslosenkasse im Rahmen des Sozialversicherungsrechts nicht entgegengehalten werden (Vgl. Urteil 4A_239/2020 vom 5. August 2020 E. 9.2; BGE 140 III 278 E. 4.2.1. S. 283 - 284 mit Hinweisen).
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6.3.
 
6.3.1. In grundsätzlicher Hinsicht hat das Gericht sodann - entgegen den Darlegungen in der Beschwerde - zutreffend erwogen, dass die Arbeitslosenversicherung im streitbetroffenen Zeitraum gegenüber der Invalidenversicherung koordinationsrechtlich aufgrund der Anmeldung bei derselben (bei erfülltem Wartejahr am 16. Mai 2016 und nicht offensichtlicher Vermittlungsunfähigkeit) vorleistungspflichtig war. Die Beschwerdegegnerin hat im Rahmen der Vorleistung so lange Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung, bis mit Entscheid der Invalidenversicherung der Schwebezustand beendet wird (vgl. BGE 142 V 380 E. 3.2 S. 382; 136 V 195 E. 7.4 S. 205; ARV 2011 S. 55, 8C_651/2009; E. 4.2 hiervor). Wenn die Beschwerdeführerin eine Vorleistungspflicht erst ab dem 6. Mai 2017 gelten lassen will, geht dies daher insoweit fehl, als sie gegenüber der Versicherten jedenfalls im Umfang der über deren Krankentaggeldanspruch nach VVG hinaus allfällig bestehenden Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung vorleistungspflichtig blieb (vgl. BGE 144 III 136 E. 4.3 S. 143 und Urteil 8C_625/2018 vom 22. Januar 2019 E. 5.3 in: ARV 2019 S. 97). Die in diesem Sinne grundsätzlich bestehende Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung endete erst mit der leistungsablehnenden Verfügung der Invalidenversicherung vom 19. Februar 2018, die eine Arbeitsfähigkeit von 80 % in der angestammten wie in einer leidensangepassten Tätigkeit festhielt. Durch die bis 31. März 2017 bestandene Abtretung der Arbeitslosenversicherungsleistungen an die bevorschussende Gemeinde, war diese im soeben skizzierten Umfang berechtigte Leistungsempfängerin derselben.
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6.3.2. Hinsichtlich der konkreten Situation ergibt sich Folgendes: Nach dem Gesagten besteht eine Vorleistungspflicht der Arbeitslosenkasse in der Höhe der Differenz zwischen dem an die Gemeinde Maur und die Versicherte bezahlten vollen Arbeitslosentaggeld im Betrag von insgesamt Fr. 24'195.45 (Fr. 19'829.75 an die Gemeinde und Fr. 4365.70 an die Versicherte) und dem davon in Abzug zu bringenden Krankentaggeldanspruch der Versicherten im Zeitraum vom 1. September 2016 bis 5. Mai 2017 von Fr.18'710.25 (247 Tage mit einem Taggeldansatz von Fr. 75.75), was Fr. 5485.20 ergibt. Hinzu kommt jedoch, dass sich die Versicherte während des gesamten hier interessierenden Zeitraums für 20 % dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellte und in diesem zeitlichen Umfang einen Zwischenverdienst bei der B.________ GmbH in der Höhe von monatlich Fr. 1040.- brutto erzielte, den die Arbeitslosenkasse zu Recht in ihre Berechnung miteinbezog.
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Hieraus erhellt, dass auch unter dem Aspekt der Vorleistungspflicht der Arbeitslosenversicherung gegenüber der Invalidenversicherung vorliegend kein Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung im hier interessierenden Zeitraum bestand. Dies weil durch den erzielten Zwischenverdienst von monatlich Fr. 1040.- der Restbetrag von Fr. 5485.20 konsumiert wurde.
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6.3.3. Auch wenn es der Intention des Art. 28 Abs. 2 AVIG entspricht, Taggelder der Kranken- oder Unfallversicherung, die Erwerbsersatz darstellen, von der Arbeitslosenentschädigung abzuziehen, um beim Zusammentreffen verschiedener sachlich kongruenter Leistungsansprüche eine Überentschädigung zu verhindern, bedarf es in concreto keiner Überentschädigung, wie die Vorinstanz anzunehmen scheint, damit die Arbeitslosenversicherung ihre Leistungspflicht nach Kenntnis der Krankentaggeldleistungen überprüft. Durch diese Koordinationsregelung zwischen der Kranken- und der Arbeitslosenversicherung soll die Leistungspflicht der einzelnen Systeme aufeinander abgestimmt werden. Wie bereits dargelegt (E. 6.2 hiervor), kommen aufgrund des in Art. 28 Abs. 2 AVIG festgelegten subsidiären Charakters der Leistungspflicht der Arbeitslosenversicherung ALV-Leistungen nur insoweit in Betracht, als die Taggelder der Krankenversicherung, soweit diese Erwerbsersatz darstellen, niedriger sind als die Taggelder der Arbeitslosenversicherung. Diese Subsidiaritätsordnung greift unabhängig von der Frage einer tatsächlich bestehenden Überentschädigung. Soweit die Vorinstanz eine gegenteilige Ansicht vertritt, verletzt sie Bundesrecht.
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6.3.4. Die an die Versicherte wie auch an die Gemeinde Maur ausgerichtete Arbeitslosenentschädigung erfolgte durch die fehlende Leistungspflicht der Arbeitslosenversicherung demnach zu Unrecht. Hierauf konnte die Arbeitslosenkasse - nachdem sie vom Abschluss des Vergleichs zwischen den Krankentaggeldversicherer und der Versicherten Kenntnis erhalten hatte - unter dem Titel der Wiedererwägung (Art. 53 Abs. 2 ATSG) zurückkommen (vgl. BGE 142 V 448 E. 5.4 S. 456) und die Rückerstattung der an die Gemeinde Maur und die Versicherte geleisteten Beträge verlangen. Somit durfte sie die vom 1. September 2016 bis 23. August 2017 ausgerichtete Arbeitslosenentschädigung in der Höhe von insgesamt Fr. 33'029.20 zurückfordern, davon Fr. 19'829.75 von der Sozialbehörde der Gemeinde Maur, an welche A.________ die Taggeldleistungen bis Ende März 2017 abgetreten hatte (Abtretungserklärung vom 8. Oktober 2015), und Fr. 13'199.45 von der Versicherten für ab 1. April 2017 direkt erhaltene Arbeitslosenentschädigung.
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7. Dem Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten den Beschwerdegegnerinnen je zur Hälfte aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Dem Gesuch der Versicherten um unentgeltliche Rechtspflege kann jedoch entsprochen werden (Art. 64 BGG; BGE 125 V 201 E. 4a S. 202). Somit wird ihr Anteil an den Gerichtskosten vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen und ihrer Rechtsvertreterin eine Entschädigung aus der Bundesgerichtskasse bezahlt. Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG hingewiesen, wonach sie der Gerichtskasse Ersatz zu leisten hat, wenn sie später dazu in der Lage ist. Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an die Vorinstanz zurückgewiesen (Art. 68 Abs. 5 BGG).
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 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird gutgeheissen. Der Entscheid des Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich vom 4. Mai 2020 wird aufgehoben und der Einspracheentscheid der Arbeitslosenkasse vom 8. April 2019 bestätigt.
 
2. Der Beschwerdegegnerin 2 wird die unentgeltliche Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren gewährt und Rechtsanwältin Stephanie Schwarz wird als unentgeltliche Anwältin bestellt.
 
3. Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 500.- werden den Beschwerdegegnerinnen je zur Hälfte auferlegt, der Anteil der Beschwerdegegnerin 2 indessen vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.
 
4. Der Rechtsvertreterin der Beschwerdegegnerin 2 wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1000.- ausgerichtet.
 
5. Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des vorangegangenen Verfahrens an das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich zurückgewiesen.
 
6. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) und dem Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 4. November 2020
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Die Gerichtsschreiberin: Polla
 
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