BGer 8C_579/2020 | |||
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BGer 8C_579/2020 vom 06.11.2020 |
8C_579/2020 |
Urteil vom 6. November 2020 |
I. sozialrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Maillard, Präsident,
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Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione, Bundesrichter Abrecht,
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Gerichtsschreiberin Durizzo.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Matthias Wiget,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich, Zürcherstrasse 8, 8400 Winterthur,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Arbeitslosenversicherung
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(Arbeitslosenentschädigung, Beitragszeit),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 20. Juli 2020 (AL.2020.00131).
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Sachverhalt: | |
A. A.________, geboren 1979, war für die B.________ AG in Nigeria beschäftigt. Nach der Kündigung durch die Arbeitgeberin per 30. September 2019 meldete er sich am 16. Dezember 2019 beim Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) zur Arbeitsvermittlung an und ersuchte am 20. Dezember 2019 um Arbeitslosenentschädigung ab 16. Dezember 2019. Mit Verfügung vom 14. Januar 2020 und Einspracheentscheid vom 3. April 2020 lehnte das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Zürich, Arbeitslosenkasse (ALK), den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung ab. Zur Begründung wurde angeführt, dass es zufolge des Wegzugs aus der Schweiz am 31. Dezember 2017 und seitheriger Beschäftigung in Nigeria nach der seit 1. Juli 2018 geltenden Rechtslage an der erforderlichen Ausübung einer beitragspflichtigen Beschäftigung während sechs Monaten in der Schweiz und an einem Grund zur Befreiung von der Beitragszeit fehle.
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B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 20. Juli 2020 ab.
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C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen. Er beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides, die Zusprechung von Arbeitslosenentschädigung ab 16. Dezember 2019. Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
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Erwägungen: | |
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
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2. Streitig ist, ob die vorinstanzlich bestätigte Ablehnung des Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung mangels Erfüllung der Beitragszeit vor Bundesrecht standhält. Zur Frage steht dabei die Anwendbarkeit von Art. 14 Abs. 3 AVIG in der ab 1. Juli 2018 geltenden Fassung.
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3. Das kantonale Gericht hat die Bestimmung über die für den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung erforderliche Voraussetzung der Erfüllung der Beitragszeit beziehungsweise diesbezüglicher Befreiung (Art. 8 Abs. 1 lit. e AVIG) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt hinsichtlich der für die Beitragszeit geltenden Rahmenfrist, welche zwei Jahre vor dem ersten Tag, für den sämtliche Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, beginnt (Art. 9 Abs. 1 sowie Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 AVIG). Richtig wiedergegeben wird auch die Regelung von Art. 13 Abs. 1 AVIG, wonach die Beitragszeit erfüllt hat, wer innerhalb dieser Rahmenfrist während mindestens zwölf Monaten eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat (Art. 13 Abs. 1 AVIG). Zutreffend dargelegt wird schliesslich die Bestimmung von Art. 14 Abs. 3 AVIG in den bis 30. Juni 2018 (AS 2002 685 ff., 699) beziehungsweise ab 1. Juli 2018 geltenden Fassungen. Danach sind Schweizer, die nach einem Auslandaufenthalt von über einem Jahr in einem Staat, der sowohl ausserhalb der Europäischen Gemeinschaft als auch der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) liegt, in die Schweiz zurückkehren, während eines Jahres von der Erfüllung der Beitragszeit befreit, sofern sie sich über eine entsprechende Beschäftigung als Arbeitnehmer im Ausland ausweisen können. Nach der seit 1. Juli 2018 in Kraft stehenden Fassung von Abs. 3 wird für die Anspruchsberechtigung zusätzlich eine beitragspflichtige Beschäftigung in der Schweiz während mindestens sechs Monaten vorausgesetzt.
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Richtig sind auch die vorinstanzlichen Ausführungen zu den intertemporalrechtlichen allgemeinen Grundsätzen, die mangels einer ausdrücklichen Regelung in der zuletzt genannten Bestimmung von Art. 14 Abs. 3 AVIG anwendbar sind. Danach gelten in zeitlicher Hinsicht diejenigen Rechtssätze, die bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes in Kraft stehen (BGE 141 V 657 E. 3.5.1 S. 661; 126 V 134 E. 4b S. 136; Urteil 8C_706/2019 vom 28. August 2020 E. 7.1, zur Publikation vorgesehen). Hervorzuheben ist die diesbezügliche Praxis zu den sogenannten zusammengesetzten Tatbeständen, das heisst bei Rechtsnormen, die den Eintritt der vorgesehenen Rechtsfolge von der Verwirklichung mehrerer subsumtionsrelevanter Sachverhaltselemente abhängig machen. In diesen Fällen ist für die Entscheidung der intertemporalrechtlichen Anwendbarkeit rechtsprechungsgemäss massgeblich, unter der Herrschaft welcher Norm sich der Sachverhaltskomplex schwergewichtig, überwiegend ereignet hat (BGE 126 V 134 E. 4b S. 136). Eine echte Rückwirkung, die nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig wäre, ist darin nicht zu erblicken. Nach der Rechtsprechung ist eine gesetzliche Ordnung nur dann in diesem Sinne rückwirkend, wenn sie auf Sachverhalte angewendet wird, die sich abschliessend vor Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht haben (BGE 126 V 134 E. 4a S. 135; vgl. auch Urteil 8C_706/2019 vom 28. August 2020 E. 7.1, zur Publikation vorgesehen). Zu ergänzen ist überdies im Speziellen hinsichtlich der Erfüllung der Beitragszeit, dass bei Fehlen einer gesetzlichen Übergangsbestimmung praxisgemäss die bei der Anmeldung zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung geltenden Bestimmungen anzuwenden sind (Urteil C 154/04 vom 12. Juli 2005 E. 2.3).
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4. Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen hat der Beschwerdeführer die Beitragszeit während der hier massgeblichen Rahmenfrist mangels beitragspflichtiger Beschäftigung in der Schweiz während mindestens sechs Monaten, welche Voraussetzung gemäss Art. 14 Abs. 3 AVIG in der seit 1. Juli 2018 in Kraft stehenden Fassung verlangt wird, nicht erfüllt. Das kantonale Gericht bestätigte aus diesem Grund die Ablehnung eines Anspruchs auf Arbeitslosenentschädigung durch das AWA.
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Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die Vorinstanz zu Unrecht die neue Fassung der erwähnten Bestimmung mit diesem zusätzlichen Erfordernis zur Anwendung gebracht habe statt die bis 30. Juni 2018 gültig gewesene. Sinn und Zweck der Bestimmung von Art. 14 Abs. 3 AVIG sowohl in der alten wie auch in der neuen Fassung sei, Schweizern die Rückkehr aus dem Ausland - die zur Zeit wegen der durch die Corona-Pandemie beeinträchtigten ausserordentlichen wirtschaftlichen Lage ohnehin noch zusätzlich erschwert sei - durch Befreiung von der Beitragspflicht zu erleichtern. Dieses gesetzgeberische Ziel werde jedoch vereitelt, wenn die neue Fassung auf Fälle angewendet werde, in denen die Aufnahme einer Beschäftigung im Ausland vor deren Inkrafttreten erfolgt sei. Die per 1. Juli 2018 geänderten Anspruchsvoraussetzungen dürften zudem auch mit Blick auf das Gebot von Treu und Glauben nicht rückwirkend zur Anwendung gelangen. Er habe, so der Beschwerdeführer weiter, bei seiner Auswanderung auf die damals geltende Gesetzesordnung vertraut, zumal er bis dahin während 20 Jahren lückenlos Beiträge an die Arbeitslosenversicherung entrichtet habe.
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5. Es steht zunächst für das Bundesgericht verbindlich fest, dass der Beschwerdeführer innerhalb der dafür massgeblichen Rahmenfrist (vom 16. Dezember 2017 bis 15. Dezember 2019) jedenfalls nicht während mindestens sechs Monaten in der Schweiz beschäftigt war. Eine diesbezügliche offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellung wird nicht gerügt. Dass das kantonale Gericht bei der Beurteilung der Anspruchsberechtigung mit der Anwendung von Art. 14 Abs. 3 AVIG in der seit 1. Juli 2018 in Kraft stehenden Fassung Bundesrecht verletzt haben sollte, lässt sich nicht erkennen. Praxisgemäss war hinsichtlich der Erfüllung der Beitragszeit auf die bei der Anmeldung zum Bezug von Arbeitslosenentschädigung am 20. Dezember 2019 geltenden Bestimmungen abzustellen (oben E. 3). Nachdem die Rechtsprechung die Frage der zeitlichen Geltung diesbezüglich bereits entschieden hat, bleibt kein Raum für eine Gesetzesauslegung in dem vom Beschwerdeführer beantragten Sinne. Aus dem von ihm angeführten Urteil BGE 123 V 25 mit allgemeinen Erwägungen zur intertemporalrechtlichen Geltung einer Norm (E. 3b S. 29; i.c. Art. 85bis Abs. 1 IVV, verrechnungsweise Drittauszahlung bei Nachzahlung von Invalidenrenten) lässt sich nichts zu seinen Gunsten ableiten. Zudem wurde keine unzulässigerweise rückwirkend geltende Regelung zur Anwendung gebracht (oben E. 3). Daran ändert nichts, wie von der Vorinstanz zu Recht erkannt, dass sich bezüglich einer von insgesamt sieben Anspruchsvoraussetzungen - nämlich der Rahmenfrist für die Beitragszeit - der Sachverhalt teilweise unter altem Recht verwirklicht hatte. Liegt kein Verstoss gegen das Rückwirkungsverbot vor, vermochte indessen auch der Vertrauensgrundsatz der Anwendung der am 1. Juli 2018 in Kraft getretenen Rechtsänderung nicht entgegenzustehen (BGE 130 I 26 E. 8.1 S. 60 mit Hinweisen; Urteil 2C_340/2020 vom 16. September 2020 E. 6.1). Es besteht praxisgemäss kein Anspruch auf Beibehaltung einer einmal geltenden Rechtsordnung (BGE 145 II 140 E. 4 S. 145). Nicht erkennbar ist schliesslich, dass die Vorinstanz bei ihrer Beurteilung zu Unrecht eine Bestimmung der Verordnung über Massnahmen im Bereich der Arbeitslosenversicherung im Zusammenhang mit dem Coronavirus (COVID-19) ausser Acht gelassen hätte. Der angefochtene Entscheid lässt sich damit nicht beanstanden.
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6. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, V. Kammer, und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 6. November 2020
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Maillard
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Die Gerichtsschreiberin: Durizzo
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