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Informationen zum Dokument  BGer 2C_847/2020  Materielle Begründung
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BGer 2C_847/2020 vom 10.11.2020
 
 
2C_847/2020
 
 
Urteil vom 10. November 2020
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichter Donzallaz, Beusch
 
Gerichtsschreiber Kocher.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Kantonales Steueramt Zürich, Dienstabteilung Recht, Bändliweg 21, 8090 Zürich,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich und direkte Bundessteuer, Steuerperiode 2017,
 
Beschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 2. Abteilung,
 
vom 26. August 2020 (SB.2020.00079, SB.2020.00080).
 
 
Erwägungen:
 
1. 
 
1.1. A.________ (nachfolgend: der Steuerpflichtige) wurde vom Steueramt des Kantons Zürich (KStA/ZH) für die Staats- und Gemeindesteuern des Kantons Zürich sowie die direkte Bundessteuer, Steuerperiode 2017, nach pflichtgemässem Ermessen veranlagt. Die Einsprache blieb erfolglos (Einspracheentscheid vom 3. September 2019, zugestellt am selben Tag). Dagegen erhob der Steuerpflichtige am 18. Mai 2020 Rechtsmittel an das Steuerrekursgericht des Kantons Zürich. Nach Gewährung des rechtlichen Gehörs zu den Fragen der Rechtzeitigkeit der Eingabe und des Beschwerdewillens trat das Steuerrekursgericht mit Verfügung vom 25. Juni 2020 auf die Rechtsmittel nicht ein, dies aufgrund unentschuldigter Versäumnis der Rechtsmittelfrist und fehlender Rechtsmittelanträge. Das Steuerrekursgericht kam zum Ergebnis, dass der Steuerpflichtige zwar Arztzeugnisse vorlege, welche die Arbeitsunfähigkeit testierten, dies aber bezogen auf die Jahre 2017 und 2018. Etwaige entschuldbare Verhinderungsgründe für den Zeitraum der Rechtsmittelfrist (4. September bis 3. Oktober 2019), die ihn oder eine Vertretung vom rechtzeitigen Handeln hätten abhalten können, bringe er nicht vor.
 
 
1.2.
 
1.2.1. Die Zustellung der Verfügung vom 25. Juni 2020 erfolgte am 2. Juli 2020. Mit Rechtsmitteln vom 5. August 2020 wandte der Steuerpflichtige sich an das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, wobei er beantragte, die Steuer sei neu zu berechnen. Zur Begründung verwies er auf die unterbliebenen Abzüge und insbesondere auf seine schweren Lebensumstände (schwere Erkrankung der Ehefrau, eigene psychische Erkrankung, Mobbing am Arbeitsplatz mit nachfolgendem Verlust der Arbeitsstelle, beruflicher Wiedereinstieg). Das Verwaltungsgericht forderte den Steuerpflichtigen auf, innerhalb einer zehntägigen Nachfrist eine verbesserte Beschwerdeschrift einzureichen, ansonsten auf die Sache nicht eingetreten werde, fehle doch jede Auseinandersetzung mit den Gründen für das vorinstanzliche Nichteintreten (Verfügung im Verfahren SB.2020.00079 / SB.2020.00080 vom 7. August 2020). Der Steuerpflichtige antwortete am 19. August 2020 dahingehend, dass die willkürlich veranlagte Steuerschuld neu zu berechnen sei. Die gesundheitliche Beeinträchtigung könne er nicht belegen; es sei ihm damals alles über den Kopf gewachsen.
 
1.2.2. Mit einzelrichterlicher Verfügung vom 26. August 2020 trat das Verwaltungsgericht auf die Beschwerden nicht ein. Es erwog, die Eingabe vom 5. August 2020 sei verspätet erfolgt. Im Übrigen wäre auf die Rechtsmittel ohnehin nicht einzutreten gewesen. So habe der Steuerpflichtige sich in seinen Eingaben vom 5. August 2020 bzw. vom 19. August 2020 mit den Gründen für das vorinstanzliche Nichteintreten nicht auseinandergesetzt. Insbesondere habe er nicht aufgezeigt, dass und weshalb er erst sieben Monate nach Ablauf der Rechtsmittelfrist reagiert habe. Der Steuerpflichtige und seine Ehefrau hätten sich zwar offenbar seit dem Jahr 2016 in einer schwierigen Lage befunden. Die geschilderten Umstände beträfen aber den Zeitraum von 2016 bis längstens Juni 2019. Eine entschuldbare Verhinderung im interessierenden Zeitraum (4. September bis 3. Oktober 2019) werde weder behauptet noch sei eine solche ersichtlich.
 
1.3. Mit Eingabe vom 10. Oktober 2020 erhebt der Steuerpflichtige beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, worin er sinngemäss die Aufhebung der angefochtenen Verfügung vom 26. August 2020 (unter Nichtigerklärung der Veranlagungsverfügung und Neuvornahme der Veranlagung) verlangt. Er verweist auf berufliche, private und gesundheitliche Schwierigkeiten, die bis im August 2020 angehalten hätten. Der Zustand habe sich erst mit der - nicht näher zeitlich umschriebenen - Auflösung des bisherigen Arbeitsverhältnisses und der neuen beruflichen Perspektive entspannt.
 
1.4. Der Abteilungspräsident als Instruktionsrichter (Art. 32 Abs. 1 BGG [SR 173.110]) hat von Instruktionsmassnahmen, insbesondere von einem Schriftenwechsel (Art. 102 Abs. 1 BGG), abgesehen.
 
2. 
 
2.1. Die Voraussetzungen der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1, Art. 90 und Art. 100 Abs. 1 BGG in Verbindung mit Art. 146 DBG [SR 642.11] und Art. 73 StHG [SR 642.14]) sind gegeben. Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.
 
2.2. Der Streitgegenstand kann vor Bundesgericht, verglichen mit dem vorinstanzlichen Verfahren, zwar eingeschränkt (minus), nicht aber ausgeweitet (plus) oder geändert (aliud) werden (Art. 99 Abs. 2 BGG; BGE 143 V 19 E. 1.1 S. 22). Die Vorinstanz hat zulässigerweise einzig beurteilt, ob auf die Eingabe vom 5. August 2020 einzutreten sei. Soweit der Steuerpflichtige darüber hinaus Anträge stellt, sprengt dies den Rahmen des Verfahrens. Nichtigkeit eines Entscheids könnte zwar in jedem Stadium des Verfahrens vorgebracht werden, doch reichen die vom Steuerpflichtigen vorgebrachten Gründe offensichtlich nicht für eine Nichtigkeit der Veranlagungsverfügungen.
 
2.3. Das Bundesgericht wendet das Bundesgesetzesrecht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG; BGE 146 IV 88 E. 1.3.2 S. 92) und prüft es mit uneingeschränkter (voller) Kognition (Art. 95 lit. a BGG; BGE 145 I 239 E. 2 S. 241).
 
2.4. Im Unterschied zum Bundesgesetzesrecht geht das Bundesgericht der Verletzung verfassungsmässiger Individualrechte (einschliesslich der Grundrechte) und des rein kantonalen und kommunalen Rechts nur nach, falls und soweit eine solche Rüge in der Beschwerde überhaupt vorgebracht und ausreichend begründet worden ist (qualifizierte Rüge- und Begründungsobliegenheit gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 146 I 62 E. 3 S. 65).
 
2.5. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 146 IV 114 E. 2.1 S. 118).
 
 
3.
 
3.1. Die Vorinstanz ist auf die Eingabe vom 5. August 2020 nicht eingetreten, da diese ihres Erachtens verspätet erfolgt war. In einer Eventualbegründung hat sie sich darüber hinaus mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Frist im Verfahren vor dem Steuerrekursgericht gewahrt worden sei. Auf diesen Eventualaspekt ist hier nicht weiter einzugehen: Gemäss Vorinstanz war die 30-tägige Frist zur Erhebung der Beschwerde an das Verwaltungsgericht am Montag, 3. August 2020 verstrichen. Dies bleibt im bundesgerichtlichen Verfahren unwidersprochen (Art. 105 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 106 Abs. 2 BGG), sodass das Bundesgericht davon auszugehen hat, die Beschwerde sei verspätet erfolgt.
 
 
3.2.
 
3.2.1. Auf eine verspätete Beschwerde ist gemäss Art. 133 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 140 Abs. 4 und Art. 145 Abs. 2 DBG bzw. Art. 50 Abs. 1 StHG in Verbindung mit den entsprechenden Normen des harmonisierten Steuerrechts des Kantons Zürich nur einzutreten, wenn die steuerpflichtige Person einerseits nachweist, dass sie oder ihre Vertretung unverschuldet - etwa durch Militär- oder Zivildienst, Krankheit, Landesabwesenheit oder andere erhebliche Gründe - an der rechtzeitigen Einreichung verhindert war (materielle Voraussetzung) und anderseits das Rechtsmittel innert 30 Tagen nach Wegfall der Hinderungsgründe eingereicht wurde (formelle Voraussetzung; Urteil 2C_566/2020 vom 10. Juli 2020 E. 4.3.1).
 
3.2.2. Wird eine Krankheit als Hinderungsgrund angerufen, muss die Beeinträchtigung praxisgemäss derart erheblich ausfallen, dass die steuerpflichtige Person durch sie davon abgehalten wird, innert Frist zu handeln oder eine Drittperson mit der notwendigen Vertretung zu betrauen (BGE 119 II 86 E. 2 S. 87; 112 V 255 E. 2a S. 255 f.). Der Nachweis der hinreichend schweren Krankheit unterliegt nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zwar keiner festen Beweisregel. Wird eine Erkrankung als Grund für die versäumte Frist angerufen, so kommt aber in der Praxis einem zeitnah erstellten, aussagekräftigen Arztzeugnis, dem zufolge das Fristversäumnis gar nicht oder höchstens leicht verschuldet ist, ausschlaggebende Bedeutung zu. Die Beweislast hierfür trägt die zur Prozesshandlung verpflichtete Person, denn diese leitet aus dem unverschuldeten Hindernis Rechte ab (Urteil 2C_566/2020 vom 10. Juli 2020 E. 4.3.2).
 
3.2.3. Der Steuerpflichtige bringt im bundesgerichtlichen Verfahren vor, er habe im vorinstanzlichen Verfahren "scheinbar nicht alles datiert oder nicht vollständig datiert. Die beruflichen, privaten und gesundheitlichen Ereignisse hielten bis August 2020 an. Mein Zustand bessert sich seit Auflösung meines Arbeitsverhältnisses und neuen beruflichen Perspektiven" (vorne E. 1.2.2). Dies genügt nicht, um aufzuzeigen, dass die Vorinstanz auf die verspätete Beschwerde hätte eintreten müssen. Fristwiederherstellungsgesuche sind ohnehin bei der Behörde einzureichen, vor welcher eine fristgebundene Rechtsvorkehr hätte ergriffen werden müssen (iudex a quo; Urteil 2C_886/2017 vom 2. November 2017 E. 2.2), hier also vor dem Verwaltungsgericht. Dieses hat - wenn auch im Zusammenhang mit dem Verfahren vor Steuerrekursgericht - festgehalten, dass die vorgebrachten Einschränkungen bis längstens im Juni 2019 nachgewiesen seien. Der Steuerpflichtige bringt nicht vor, er habe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, etwa in der Beschwerdeergänzung vom 19. August 2020, auf Umstände hingewiesen, die den Zeitraum bis zum 3. August 2020 hätten betreffen können. Praxisgemäss wäre dieser Nachweis im Wesentlichen nur mit einem zeitnah erstellten Arztzeugnis zu erbringen gewesen (vorne E. 3.2.2). Ein solches Attest hat der Steuerpflichtige nicht vorgelegt.
 
3.2.4. Die Vorinstanz hat daher bundesrechtskonform erkannt, auf die Beschwerde vom 5. August 2020 sei mangels Wahrung der gesetzlichen Frist nicht einzutreten. Die Beschwerde erweist sich folglich als unbegründet, weshalb sie abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann.
 
 
4.
 
Nach dem Unterliegerprinzip (Art. 65 und Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG) sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens grundsätzlich dem Steuerpflichtigen aufzuerlegen. Mit Blick auf die besonderen Umstände kann von einer Kostenverlegung abgesehen werden (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG). Dem Kanton Zürich, der in seinem amtlichen Wirkungskreis obsiegt, ist keine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Für das bundesgerichtliche Verfahren werden keine Kosten erhoben.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 2. Abteilung, und der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 10. November 2020
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Der Gerichtsschreiber: Kocher
 
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