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Informationen zum Dokument  BGer 6F_22/2020  Materielle Begründung
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BGer 6F_22/2020 vom 12.11.2020
 
 
6F_22/2020, 6F_23/2020
 
 
Urteil vom 12. November 2020
 
 
Strafrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Denys, Präsident,
 
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari,
 
Bundesrichter Muschietti,
 
Gerichtsschreiber Held.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
6F_22/2020
 
A.A.________,
 
Gesuchsteller,
 
und
 
6F_23/2020
 
B.A.________,
 
Gesuchstellerin,
 
gegen
 
Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Franziskanerhof, Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn,
 
Gesuchsgegnerin.
 
Gegenstand
 
Revisionsgesuche gegen das Urteil des Schweizerischen Bundesgerichts 6B_448/2020 und 6B_449/2020 vom 22. Juli 2020.
 
 
Erwägungen:
 
1. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn nahm am 30. Januar 2020 ein Strafverfahren gegen eine bei der Veranlagungsbehörde tätige Revisorin des Steueramts des Kantons Solothurn und allfällige mitbeteiligte Dritte wegen Verdachts auf Amtsmissbrauch, ungetreue Geschäfts- bzw. Amtsführung und Prozessbetrug nicht an die Hand. Eine dagegen gerichtete Beschwerde wies die Vorinstanz mit Beschluss vom 25. März 2020 ab.
 
Die Gesuchsteller erhoben beide Beschwerde in Strafsachen (Verfahren 6B_448/2020 und 6B_449/2020). Das Bundesgericht vereinigte die Verfahren und wies die Beschwerden am 22. Juli 2020 ab, soweit es auf diese eintrat.
 
2. Die Gesuchsteller gelangen mit jeweils identischen Eingaben vom 3. August 2020 (13 Seiten), 24. August 2020 (11 Seiten) und 7. September 2020 (31 Seiten) an das Bundesgericht und beantragen sinngemäss die Revision des bundesgerichtlichen Urteils vom 22. Juli 2020. Sie rügen eine Verletzung von Verfahrensvorschriften und der Europäischen Menschenrechtskonvention. Im vereinigten Verfahren 6B_448/2020 und 6B_449/2020 seien einzelne Anträge unbeurteilt geblieben (Art. 121 Abs. 1 lit. c BGG) und das Bundesgericht habe in den Akten liegende erhebliche Tatsachen aus Versehen nicht berücksichtigt. Zudem würde das Bundesgericht im Falle der Abweisung der Revisionsgesuche Art. 13 und Art. 14 i.V.m. Art. 6 EMRK verletzen, was einen Revisionsgrund gemäss Art. 122 BGG begründe.
 
3. Die beiden Revisionsgesuche 6F_22/2020 und 6F_23/2020 betreffen denselben Lebenssachverhalt und identische Rechtsfragen, weshalb es angezeigt ist, die beiden Revisionsverfahren gestützt auf Art. 71 BGG i.V.m. Art. 24 Abs. 2 lit. b BZP zu vereinigen und in einem einzigen Urteil zu erledigen.
 
4. Entscheide des Bundesgerichts erwachsen am Tag ihrer Ausfällung in Rechtskraft (Art. 61 BGG). Das Bundesgericht kann auf seine Urteile nur zurückkommen, wenn einer der in den Art. 121 ff. BGG abschliessend aufgeführten Revisionsgründe vorliegt. Allfällige Revisionsgründe sind in gedrängter Form darzulegen (vgl. Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art. 121 - 123 BGG) und müssen sich auf das zu revidierende Urteil beziehen (Urteil 6F_30/2020 vom 28. Oktober 2020 E. 2). Die Revision eröffnet dem Gesuchsteller nicht die Möglichkeit, die Rechtslage erneut zu diskutieren und eine Wiedererwägung des bundesgerichtlichen Urteils zu verlangen, das er für rechtlich unrichtig hält (Urteil 6F_24/2020 vom 12. Oktober 2020 E. 5.3). Ob im konkreten Fall ein Grund zur Revision vorliegt, ist eine Frage der materiellen Beurteilung (Urteil 6F_20/2018 vom 27. Juli 2018 E. 2 mit Hinweis).
 
 
5.
 
Die Revisionsgesuche genügen nicht den gesetzlichen Formvorschriften gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG i.V.m Art. 121 ff. BGG und erweisen sich im Übrigen als unbegründet. Selbst wenn die Gesuchsteller formell konkrete Revisionsgründe anrufen, zeigen sie nicht auf, inwieweit das Urteil vom 22. Juli 2020Anlass für eine Revision gesetzt haben soll, sondern ersuchen mit ihren sehr umfangreichen und teils schwer verständlichen Vorbringen in der Sache um Wiedererwägung des bundesgerichtlichen Urteils, was unzulässig ist. Zudem wenden sie sich in der Sache überwiegend nicht gegen das Urteil des Bundesgerichts, sondern setzen mit ihrer Kritik an der Nichtanhandnahmeverfügung und dem dieser zugrunde liegenden Strafverfahren an.
 
5.1. Der in den Eingaben geltend gemachte Revisionsgrund gemäss Art. 122 BGG setzt voraus, dass kumulativ der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem endgültigen Urteil festgestellt hat, dass die EMRK oder die Protokolle dazu verletzt worden sind (lit. a), eine Entschädigung nicht geeignet ist, die Folgen der Verletzung auszugleichen (lit. b) und die Revision notwendig ist, um die Verletzung zu beseitigen (lit. c). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
 
5.2. Soweit die übrigen angerufenen Revisionsgründe überhaupt sachbezogen begründet werden, erweisen sich die Vorbringen als unzutreffend. Gemäss Art. 121 lit. c BGG kann die Revision eines Entscheids des Bundesgerichts verlangt werden, wenn einzelne Anträge unbeurteilt geblieben sind. Anträge im Beschwerdeverfahren sind Begehren, mit denen die Aufhebung oder Änderung des Rechtsverhältnisses, wie es die (jeweilige) Vorinstanz festgelegt hat, angestrebt wird. Hiervon zu unterscheiden sind die erhobenen Rügen, die der Begründung der Anträge dienen, jedoch keine Rechtsbegehren sind (vgl. Urteile 8F_8/2020 vom 7. Juli 2020 E. 3.3.1; 2F_17/2017 vom 4. September 2018 E. 3.1). Unzutreffend ist der Einwand, das Bundesgericht habe das unter Ziff. V und VI gestellte Haupt- und Eventualbegehren übergangen festzustellen, die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, eventualiter die Vorinstanz, habe diverse von ihnen aus der BV und EMRK abgeleitete Verfahrensrechte wie das Willkürverbot, das rechtliche Gehör und die Pflicht zur Begründung (beide auch aus Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK) sowie den verfassungsmässigen Anspruch der [damaligen] Beschwerdeführer ein ihnen allfälligerweise zustehendes Recht auf Revision der erfolgten Veranlagung sowie des Einspracheverfahrens durch Verfolgung und Bestrafung der Steuerrevisorin verletzt. Die Gesuchsteller weisen zutreffend darauf hin, dass es sich bei ihren Anträgen (teilweise) um "Anträge in der Sache selbst handelt, also materieller Natur". Hierauf konnte das Bundesgericht aufgrund fehlender Beschwerdelegitimation der Gesuchsteller (und damaligen Beschwerdeführer) gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff. 5 BGG nicht eintreten. Zudem hat es die grundsätzlich unzulässigen Feststellungsanträge als Anträge auf Aufhebung des obergerichtlichen Beschlusses entgegengenommen und die geltend gemachten Verletzungen von Verfahrensrechten - soweit dies in Anwendung der "Star-Praxis" möglich war (vgl. BGE 141 IV 1 E. 1.1; Urteil 6B_856/2018 vom 19. August 2019 E. 2.1, nicht publ. in: BGE 145 IV 433; je mit Hinweisen) - in Erwägung 8 seines Urteils einlässlich behandelt. Das von den Gesuchstellern auch jetzt wieder geltend gemachte Recht auf Revision des Steuerentscheides ist zudem nicht Gegenstand des Strafverfahrens. Die Revisionsgesuche sind in diesem Punkt offensichtlich unbegründet.
 
Soweit die Gesuchsteller den Revisionsgrund gemäss Art. 121 lit. d BGG bemühen, gehen ihre Ausführungen an der Sache vorbei. Sie zeigen nicht auf, welche in den Akten liegenden Tatsachen das Bundesgericht in seinem Urteil vom 22. Juli 2020 aus Versehen nicht berücksichtigt haben soll. Sie verkennen, dass das Bundesgericht sich mangels fehlender Beschwerdelegitimation aus prozessualen Gründen mit den Vorbringen und den diesen zugrunde liegenden Tatsachen nicht auseinander gesetzt hat. Von einem Versehen im Sinne des Art. 121 lit. d BGG kann mithin keine Rede sein. Zudem beziehen sich die Vorbringen im Revisionsgesuch nicht auf in den Akten liegende erhebliche Tatsachen im Sinne dieser Bestimmung, sondern auf eine allenfalls unzutreffende rechtliche Würdigung, die keinen Revisionsgrund darstellen würde.
 
6. Die Revisionsgesuche sind abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind den unterliegenden Gesuchstellern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Verfahren 6F_22/2020 und 6F_23/2020 werden vereinigt.
 
2. Die Revisionsgesuche werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.- werden den Gesuchstellern zu gleichen Teilen unter solidarischer Haftung für den ganzen Betrag auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 12. November 2020
 
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Denys
 
Der Gerichtsschreiber: Held
 
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