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Informationen zum Dokument  BGer 1C_409/2020  Materielle Begründung
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BGer 1C_409/2020 vom 16.11.2020
 
 
1C_409/2020
 
 
Urteil vom 16. November 2020
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Chaix, Präsident,
 
Bundesrichter Kneubühler, Bundesrichterin Jametti,
 
Gerichtsschreiber Dold.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
1. Susanne Müller,
 
2. Bettina Faraj,
 
3. Micha Siegrist,
 
4. Albert Rüetschi,
 
5. Leo Keller,
 
Beschwerdeführer,
 
alle vertreten durch Rechtsanwalt Oskar Gysler,
 
gegen
 
Stadt Aarau, Rathausgasse 1, 5000 Aarau,
 
handelnd durch den Stadtrat Aarau,
 
Rathausgasse 1, 5000 Aarau,
 
Regierungsrat des Kantons Aargau,
 
Regierungsgebäude, 5001 Aarau,
 
handelnd durch das Departement Volkswirtschaft und Inneres des Kantons Aargau, Generalsekretariat,
 
Frey-Herosé-Strasse 12, 5001 Aarau.
 
Gegenstand
 
Abstimmungsbeschwerde
 
i.S. Nutzungsplanung der Stadt Aarau,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
 
des Kantons Aargau, 2. Kammer, vom 10. Juni 2020
 
(WBE.2020.128).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Der Einwohnerrat Aarau beriet an seiner Sitzung vom 27. August 2018 über die Revision der Bau- und Nutzungsordnung (BNO) und fasste folgenden Beschluss: "Der Einwohnerrat beschliesst die Revision der Nutzungsplanung mit Ausnahme der genehmigten Teilrückweisungsanträge zu § 3 Abs. 1, § 3 Abs. 4, § 16 Abs. 4, § 17 Abs. 8, § 18 Abs. 4, § 52 und Anhang 2 [...]." Über den zurückgewiesenen Teil der BNO beschloss der Einwohnerrat Aarau an seiner Sitzung vom 28. Oktober 2019. Am 31. Oktober 2019 wurde dieser Beschluss im kantonalen Amtsblatt veröffentlicht und dem fakultativen Referendum unterstellt.
1
Gegen die Unterstellung des Beschlusses unter das fakultative Referendum in der publizierten Form erhoben Susanne Müller, Bettina Faraj, Micha Siegrist, Albert Rüetschi und Leo Keller Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Aargau. Dieser wies das Rechtsmittel am 18. März 2020 ab.
2
Auf eine von den genannten Personen dagegen erhobene Beschwerde trat das Verwaltungsgericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 10. Juni 2020 nicht ein. Die fünftägige Beschwerdefrist habe am 21. März 2020 zu laufen begonnen und am 25. März 2020 geendet. Die Beschwerde sei am 24. April 2020 der Post übergeben worden und erweise sich demnach als verspätet.
3
B. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ans Bundesgericht vom 13. Juli 2020 beantragen Susanne Müller, Bettina Faraj, Micha Siegrist, Albert Rüetschi und Leo Keller, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und die Sache zur materiellen Beurteilung ans Verwaltungsgericht zurückzuweisen.
4
Die Stadt Aarau beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Der Regierungsrat hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
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Erwägungen:
 
 
1.
 
Angefochten ist ein Nichteintretensentscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau. Inhaltlich rügten die Beschwerdeführer im vorinstanzlichen Verfahren eine Verletzung politischer Rechte. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten in der Form der Stimmrechtsbeschwerde gemäss Art. 82 lit. c BGG ist deshalb zulässig. Das angefochtene Urteil ist kantonal letztinstanzlich und entspricht den Anforderungen von Art. 88 BGG. Die Beschwerdeführer sind unbestrittenermassen in Aarau stimmberechtigt und damit gemäss Art. 89 Abs. 3 BGG zur Beschwerde legitimiert. Die Sachurteilsvoraussetzungen sind im Übrigen erfüllt. Auf die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist grundsätzlicheinzutreten.
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2.
 
Streitgegenstand ist einzig, ob das Verwaltungsgericht zu Recht auf die Beschwerde nicht eintrat. Trifft dies zu, so hat es dabei sein Bewenden. Erweist sich das angefochtene Urteil hingegen als rechtswidrig, so ist die Sache zu weiterer Beurteilung des Falls zurückzuweisen (BGE 135 II 38 E. 1.2 S. 41).
7
 
3.
 
3.1. Art. 1 Abs. 1 der Verordnung vom 20. März 2020 über den Stillstand der Fristen in Zivil- und Verwaltungsverfahren zur Aufrechterhaltung der Justiz im Zusammenhang mit dem Coronavirus (COVID-19) (AS 2020 849; nachfolgend COVID-19-Verordnung) sieht vor, dass der Fristenstillstand mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung beginnt und bis und mit dem 19. April 2020 dauert, soweit nach dem anwendbaren Verfahrensrecht des Bundes oder des Kantons gesetzliche oder von den Behörden oder Gerichten angeordnete Fristen über die Ostertage stillstehen. Die Verordnung trat laut ihrem Art. 2 am 21. März 2020 in Kraft.
8
3.2. Der Entscheid des Regierungsrats wurde den Beschwerdeführern am 20. März 2020 zugestellt. Ihre Beschwerde sandten sie am 24. April 2020 ans Verwaltungsgericht. Entscheidend für die Einhaltung der Frist im vorinstanzlichen Verfahren ist somit, ob das kantonale Verfahrensrecht über die Ostertage einen Fristenstillstand vorsieht. Ein solcher hätte gestützt auf Art. 1 Abs. 1 der COVID-19-Verordnung automatisch vom 21. März bis am 19. April 2020 gedauert.
9
3.3. Das Verwaltungsgericht legte dar, der gemäss § 18 Abs. 1 und Abs. 2 (gemeint ist wohl: § 28 Abs. 1 und 2 des Gesetzes des Kantons Aargau vom 4. Dezember 2007 über die Verwaltungsrechtspflege [Verwaltungsrechtspflegegesetz; VRPG; SAR 271.200]) i.V.m. Art. 145 Abs. 1 ZPO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich geltende Fristenstillstand greife im vorliegenden Verfahren nicht. Dies ergebe sich aus § 72 Abs. 2 des Gesetzes des Kantons Aargau vom 10. März 1992 über die politischen Rechte (GPR; SAR 131.100) und § 42 Abs. 1 der Verordnung des Kantons Aargau vom 25. November 1992 über die politischen Rechte (VGPR; SAR 131.111).
10
3.4. Die Beschwerdeführer führen eine lange Liste von Gesetzesbestimmungen an, gegen die das Verwaltungsgericht mit dieser Auslegung verstossen haben soll. Zum Teil legen sie freilich nicht dar, worin die Verletzung der betreffenden Bestimmungen liegen soll, weshalb darauf nicht einzutreten ist (Art. 42 Abs. 2 und Art. 106 Abs. 2 BGG). Soweit die Beschwerde hinreichend begründet ist, richtet sie sich im Wesentlichen auf drei Kritikpunkte. Zunächst sind die Beschwerdeführer der Auffassung, der Zeitpunkt der Zustellung sei rechtsmissbräuchlich gewesen (E. 4 hiernach). Weiter bezeichnen sie die Rechtsmittelbelehrung des Regierungsrats als mangelhaft, weil sie keinen Hinweis darauf enthalten habe, dass der Fristenstillstand nicht gelte (E. 5 hiernach), und schliesslich rügen sie, § 42 Abs. 1 VGPR widerspreche übergeordnetem Recht (E. 6 hiernach).
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3.5. Im Rahmen der Beschwerde in Stimmrechtssachen prüft das Bundesgericht nicht nur die Auslegung von Bundesrecht und kantonalem Verfassungsrecht frei, sondern auch diejenige anderer kantonaler Vorschriften, welche den Inhalt des Stimm- und Wahlrechts normieren oder mit diesem in engem Zusammenhang stehen (Art. 95 lit. d BGG; BGE 141 I 221 E. 3.1 S. 224 mit Hinweis).
12
 
4.
 
4.1. Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, die Zustellung vom 12. Juni 2020 sei rechtsmissbräuchlich gewesen, wobei sie wohl stattdessen den 19. März 2020 meinen, als der Regierungsrat seinen Entscheid versandte. Zur Begründung machen sie geltend, der Regierungsrat habe seinen einer fünftägigen Beschwerdefrist unterliegenden Entscheid just auf dem absoluten Höhepunkt der allgemeinen Verunsicherung wegen der Corona-Krise per A-Post Plus zugestellt.
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4.2. Das Rechtsmissbrauchsverbot gilt als allgemeiner Rechtsgrundsatz in der ganzen Rechtsordnung mit Einschluss des öffentlichen Rechts sowie des Prozess- und Vollstreckungsrechts (BGE 128 III 201 E. 1c S. 206 mit Hinweisen). Rechtsmissbrauch liegt unter anderem vor, wenn ein Rechtsinstitut zweckwidrig zur Verwirklichung von Interessen verwendet wird, die nicht in dessen Schutzbereich liegen (BGE 138 III 401 E. 2.2 S. 403 mit Hinweisen). Ebenfalls missbräuchlich sind Verfahrensschritte, die einzig dazu dienen, die Gegenpartei zu schikanieren oder ohne Verfolgung sonstiger Interessen eine Verzögerung des Verfahrens zu erreichen (BGE 138 III 542 E. 1.3.1 S. 543; zum Ganzen: Urteil 1C_590/2013 vom 26. November 2014 E. 7.2 f.; je mit Hinweisen).
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4.3. Das Vorgehen des Regierungsrats war keineswegs rechtsmissbräuchlich. Vielmehr war er gehalten, das Verfahren beförderlich zu führen, wozu auch gehört, einen gefällten Entscheid ohne unnötige Verzögerungen zu versenden. Die Beschwerdeführer machen zudem auch gar nicht geltend, dass die erst am 24. April 2020 erfolgte Einreichung ihrer Beschwerde auf die Zustellung des regierungsrätlichen Entscheids inmitten der Corona-Krise zurückzuführen gewesen wäre. Wie sie selbst darlegen, waren sie einfach der Auffassung, aufgrund eines Stillstands der Fristen bis dahin Zeit zu haben. Ihre Rüge des Rechtsmissbrauchs ist somit unbegründet.
15
 
5.
 
5.1. Die Beschwerdeführer kritisieren, der Regierungsrat habe sie entgegen den Anforderungen von § 26 Abs. 4 VRPG in der Rechtsmittelbelehrung nicht darauf hingewiesen, dass ausnahmsweise kein Fristenstillstand gelte.
16
5.2. Gemäss § 26 Abs. 1 VRPG sind Entscheide den Parteien mit Rechtsmittelbelehrung schriftlich zu eröffnen. Abs. 4 sieht weiter vor, dass die Rechtsmittelbelehrung die Rechtsmittelinstanz, die Rechtsmittelfrist und die Erfordernisse von Schriftform, Antrag und Begründung der Beschwerdeschrift nennen sowie Auskunft über die Geltung von Rechtsstillstandsfristen geben muss.
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5.3. Diese Bestimmung des kantonalen Rechts steht nicht in einem engen Zusammenhang mit dem Stimm- und Wahlrecht, sondern gilt in der Verwaltungsrechtspflege des Kantons Aargau allgemein. Ihre Anwendung wird vom Bundesgericht deshalb nur auf Willkür (Art. 9 BV) geprüft (s. E. 3.5 hiervor). Willkür in der Rechtsanwendung liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft; dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht; zudem ist erforderlich, dass der Entscheid nicht nur in der Begründung, sondern auch im Ergebnis willkürlich ist (BGE 145 II 32 E. 5.1 S. 41; 142 V 513 E. 4.2 S. 516; je mit Hinweisen).
18
5.4. § 26 Abs. 4 VRPG so auszulegen, dass die Rechtsmittelbelehrung mit einem entsprechenden Hinweis versehen wird, wenn die Beschwerdefrist im konkreten Fall an einem Datum abläuft, an dem Fristenstillstand gilt ("Gerichtsferien" an Ostern, im Sommer und an Weihnachten), nicht aber, wenn im betreffenden Verfahren generell kein Fristenstillstand zum Tragen kommt, erscheint nicht willkürlich. Zwar könnte es für den Rechtssuchenden als nützlich erscheinen, auch darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass im betreffenden Verfahren kein Fristenstillstand gilt (vgl. etwa Art. 145 Abs. 3 ZPO), doch ist die gegenteilige Lösung jedenfalls vertretbar. Das Ergebnis einer solchen Auslegung erweist sich auch in der konkreten Anwendung keineswegs als stossend, wie sich an Hand der Rechtsmittelbelehrung des Regierungsrats im vorliegenden Fall zeigt:
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"Gegen diesen Entscheid kann innert einer nicht erstreckbaren Frist von 5 Tagen seit Zustellung beim Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, Obere Vorstadt 40, 5000 Aarau, Beschwerde geführt werden."
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Der Rechtssuchende, der sich einzig auf den Wortlaut dieser Rechtsmittelbelehrung verlässt, wird innerhalb der Frist von 5 Tagen Beschwerde führen. Der Rechtssuchende hingegen, der sich darauf nicht verlässt, weil er sich die Frage nach einem allenfalls geltenden Fristenstillstand stellt, wird dagegen zwangsläufig weitere rechtliche Nachforschungen anstellen. Ein direkt aus dem fehlenden Hinweis auf die Nichtgeltung des Fristenstillstands entstehender Nachteil ist somit weder im einen noch im andern Fall ersichtlich.
21
 
6.
 
6.1. Die Beschwerdeführer bringen vor, die Bestimmung von § 42 Abs. 1 VGPR, wonach die Rechtsstillstandsfristen nicht anwendbar seien, widerspreche übergeordnetem Recht. In der Verordnung könne nicht geändert werden, was gemäss Gesetz gelte. Gemäss § 74 GPR sei der Regierungsrat zwar mit dem Vollzug des Gesetzes beauftragt. Es werde ihm jedoch nicht die Kompetenz eingeräumt, die gesetzlichen Fristen zu verkürzen. § 72 Abs. 2 GPR verweise auf die Vorschriften der Verwaltungsrechtspflege, soweit dies mit der besonderen Natur des Wahl- und Abstimmungsverfahrens vereinbar sei. Diese Vereinbarkeit könne in Bezug auf den Fristenstillstand ohne Weiteres bejaht werden. Denn in zahlreichen anderen Kantonen würden längere Beschwerdefristen gelten (10, 20 oder 30 Tage). Gemäss § 28 Abs. 1 und 2 VRPG i.V.m. Art. 145 ZPO gelte deshalb der Fristenstillstand. Im Übrigen gehöre § 42 Abs. 1 VGPR zu den Schlussbestimmungen der Verordnung. Es widerspreche Treu und Glauben, auf diese Weise eine Bestimmung, die die Geltung der Rechtsstillstandsfristen ausschliesse, im letzten Abschnitt der Verordnung zu verstecken.
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6.2. Die von den Beschwerdeführern zitierten Bestimmungen des kantonalen Rechts haben folgenden Wortlaut:
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§ 72GPR Weitere Vorschriften
24
1 Bei Verfahren über Stimmrechts-, Wahl- und Abstimmungsbeschwerden wer den weder Verfahrenskosten erhoben noch Parteientschädigungen zugesprochen. Von der Kostenbefreiung ausgenommen sind mutwillige und trölerische Beschwerden.
25
2 Im Übrigen sind die Vorschriften des Gesetzes über die Verwaltungs rechtspflege anwendbar, soweit dies mit der besonderen Natur des Wahl- und Abstimmungsverfahrens vereinbar ist.
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§ 74GPR Vollzug
27
1 Der Regierungsrat ist mit dem Vollzug beauftragt.
28
2 Er erlässt insbesondere Ausführungsbestimmungen betreffend den poli tischen Wohnsitz, die Organisation, den Versand von Werbematerial, die Anordnung und Durchführung (Stimmabgabe, Auszählung) der Wahlen und Abstimmungen sowie das Initiativ- und Referendumsrecht. Zudem ordnet er das Übergangsrecht.
29
§ 42VGPR Berechnung der Fristen
30
1 Für die Berechnung der Fristen gelten sinngemäss die Vorschriften der Gesetzgebung über die Verwaltungsrechtspflege; die Rechtsstillstandsfristen kommen nicht zur Anwendung.
31
§ 28VRPG Fristen
32
1 Für die Berechnung der Fristen, deren Unterbruch und die Wieder herstellung gegen die Folgen der Säumnis gilt die Zivilprozessordnung.
33
2 Die Vorschriften über die Rechtsstillstandsfristen gelten nur im Verfahren vor den Verwaltungsjustizbehörden; abweichende Bestimmungen in anderen Er lassen bleiben vorbehalten.
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6.3. Dreh- und Angelpunkt der Kritik der Beschwerdeführer ist die Frage, ob der Verweis von § 72 Abs. 2 GPR auf das VRPG auch für den Fristenstillstand gilt oder ob dies mit der besonderen Natur des Wahl- und Abstimmungsverfahrens nicht vereinbar ist. Wie bereits aus dem Gesetzeswortlaut der Bestimmung hervorgeht, geht es um Besonderheiten des Wahl- und Abstimmungsverfahrens, weshalb insofern von einem engen Zusammenhang mit dem Stimm- und Wahlrecht auszugehen ist. Das Bundesgericht prüft deshalb die Auslegung dieser Bestimmung frei (s. E. 3.5 hiervor und Urteil 1C_203/2011 vom 1. Juli 2011 E. 2.4 mit Hinweisen).
35
6.4. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer wird in § 42 Abs. 1 VGPR weder eine gesetzliche Frist verkürzt noch in anderer Weise eine Ausnahme von der gesetzlichen Regelung geschaffen. Vielmehr handelt es sich um eine Konkretisierung bzw. detaillierende Ausführung der bereits im Gesetz angelegten Ausnahme, wonach der Verweis auf die Vorschriften des Verwaltungsrechtspflegegesetzes nicht gilt, soweit dies mit der besonderen Natur des Wahl- und Abstimmungsverfahrens nicht vereinbar ist. Der Regierungsrat ist gestützt auf § 91 Abs. 2 KV/AG (SR 131.227) und § 74 GPR zum Erlass einer solchen Ausführungsbestimmung auf Verordnungsebene befugt (vgl. BGE 136 I 29 E. 3.3 S. 33; vgl. auch BGE 141 II 169 E. 4.3.1 S. 175; je mit Hinweisen). Dass § 74 Abs. 2 GPR, der Themenbereiche aufzählt, in denen der Regierungsrat Ausführungsbestimmungen erlässt, nicht auch das Beschwerdeverfahren nennt, ist nicht entscheidend, denn es handelt sich lediglich um eine beispielhafte Aufzählung. Zudem entspricht der Ausschluss der Rechtsstillstandsfristen klar der gesetzlichen Zielsetzung. Die Frist für Stimmrechtsbeschwerden sowie Wahl- und Abstimmungsbeschwerden an das Verwaltungsgericht beträgt gemäss § 71 Abs. 2 Satz 3 lediglich fünf Tage. Es erschiene geradezu widersprüchlich, wenn bei einer derart kurzen Beschwerdefrist die Rechtsstillstandsfristen zur Anwendung kämen. Sowohl kurze Beschwerdefristen als auch Ausnahmen vom Rechtsstillstand sind Ausdruck besonderer Dringlichkeit. Dass in anderen Kantonen teils längere Beschwerdefristen gelten, wie die Beschwerdeführer einwenden, ist insoweit unmassgeblich. Das Argument schliesslich, § 42 VGPR sei im letzten Abschnitt der Verordnung "versteckt" worden, ist zwar nachvollziehbar, denn die Platzierung dieser Norm leuchtet unter systematischen Gesichtspunkten nicht ein. Indes kann sich - abgesehen von hier nicht gegebenen Ausnahmen - niemand auf fehlende Rechtskenntnis berufen, insbesondere nicht eine anwaltlich vertretene Person (BGE 136 V 331 E. 4.2.3.1 S. 336 f.; 124 V 215 E. 2b/aa S. 220; Urteil 2C_1113/2018 vom 8. Januar 2019; je mit Hinweisen). Die Kritik der Beschwerdeführer am angefochtenen Entscheid ist deshalb auch in dieser Hinsicht unbegründet.
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7. Die Beschwerde ist aus diesen Erwägungen abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
37
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens den Beschwerdeführern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht zuzusprechen (Art. 68 Abs. 1-3 BGG).
38
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens von Fr. 1'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Stadt Aarau, dem Regierungsrat des Kantons Aargau und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 16. November 2020
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Chaix
 
Der Gerichtsschreiber: Dold
 
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