BGer 6B_1170/2019 | |||
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BGer 6B_1170/2019 vom 23.11.2020 |
6B_1170/2019 |
Urteil vom 23. November 2020 |
Strafrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, Präsident,
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Bundesrichterinnen Jacquemoud-Rossari, van de Graaf,
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Gerichtsschreiber Traub.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Kenad Melunovic,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
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Frey-Herosé-Strasse 20, Wielandhaus, 5001 Aarau,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Strafzumessung,
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Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, vom 5. September 2019 (SST.2019.60).
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Sachverhalt: | |
A. A.________ wird u.a. vorgeworfen, ab Sommer 2015 bis zu seiner Verhaftung am 4. Juli 2016 verschiedene Drogen in grossen Mengen u.a. hergestellt, erworben, veräussert und konsumiert resp. zu entsprechenden Widerhandlungen Anstalten getroffen zu haben. Aus den Drogengeschäften habe er einen Gewinn von mindestens Fr. 21'545.-- gezogen.
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Mit Urteil vom 25. Oktober 2018 sprach das Bezirksgericht Bremgarten A.________ schuldig: des mehrfachen qualifizierten Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz (Gefährdung der Gesundheit vieler Menschen), des qualifizierten Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz (Gewerbsmässigkeit), des mehrfachen Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz, der mehrfachen Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes, der mehrfachen Geldwäscherei (Art. 305bis Ziff. 1 StGB) und des mehrfachen Vergehens gegen das Waffengesetz (Art. 33 Abs. 1 WG).
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Dafür belegte es ihn mit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren, einer bedingten Geldstrafe von 360 Tagessätzen (Probezeit: drei Jahre) und einer Busse von Fr. 3'000.--.
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B. A.________ reichte Berufung ein und verlangte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf drei Jahre (davon acht bis höchstens zwölf Monate unbedingt). Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten führte Anschlussberufung und beantragte eine Erhöhung der Freiheitsstrafe auf sieben Jahre.
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Das Obergericht des Kantons Aargau sprach A.________ schuldig: der qualifizierten Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, der mehrfachen Geldwäscherei, der mehrfachen Widerhandlung gegen das Waffengesetz sowie der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19a Ziff. 1 BetmG).
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Das Obergericht erhöhte die Freiheitsstrafe auf sechs Jahre (Urteil vom 5. September 2019).
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C. A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Er verlangt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Freiheitsstrafe auf drei Jahre festzusetzen. Eventuell sei die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Erwägungen: | |
1. Die Beschwerde richtet sich gegen die vorinstanzliche Strafzumessung.
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1.1. Die vorinstanzlichen Erwägungen zur Strafzumessung lauten zusammengefasst wie folgt (angefochtenes Urteil S. 19-24) :
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Es handle sich um einen schweren Fall im Sinn von Art. 19 Abs. 2 lit. a BetmG. Sei damit ein Qualifikationsgrund gegeben, komme der dafür gegebene verschärfte Strafrahmen (1 bis 20 Jahre Freiheitsstrafe) zur Anwendung. Die zusätzlich vorliegende Gewerbsmässigkeit (Art. 19 Abs. 2 lit. c BetmG) führe zu einer Straferhöhung innerhalb des verschärften Strafrahmens.
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Menge und Art der gehandelten Drogen - und damit das Ausmass der gesundheitlichen Gefährdung Dritter - seien verschuldenserhöhend zu veranschlagen: Der Beschwerdeführer habe bis zu seiner Verhaftung über einen Zeitraum von rund einem Jahr mit mindestens 5'357 Gramm reinem Amphetamin, mindestens 76,5 Gramm reinem Kokain und 50 LSD-Trips gehandelt. Überdies habe er zum Verkauf von 9,2 Gramm reinem Kokain und 446 LSD-Trips Anstalten getroffen. Diese Mengen überträfen die vom Bundesgericht für die Annahme einer qualifizierten Widerhandlung festgelegten Mindestmengen (BGE 145 IV 312 E. 2.1.3 S. 317) um das 148-fache (Amphetamin), beinahe das Fünffache (Kokain) und um das Zweieinhalbfache (LSD). Das Verschulden sei insgesamt mittelschwer bis schwer.
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Ausserhalb des Bereichs der harten Drogen habe der Beschwerdeführer mit 526 Gramm MDMA, 7 Kilogramm Marihuana, 500 Ecstasy-Tabletten und 250 2C-B-Tabletten gehandelt resp. Anstalten dazu getroffen. Diese erhebliche Menge wirke sich zusätzlich in mittlerem Mass verschuldenserhöhend aus.
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Mittelstark verschuldenserhöhend zu veranschlagen seien auch der hohe Organisationsgrad des gewerbsmässig und raffiniert handelnden Beschwerdeführers, seine Beweggründe und das erhebliche Mass an deliktischer Entscheidungsfreiheit und Selbständigkeit. Er habe sich des Darknets bedient und dort verschiedene Shops eingerichtet und ein Bitcoin-Konto eröffnet. Den Drogenhandel habe er während eines Jahres sehr intensiv betrieben und auch andere Personen gegen Entlöhnung eingesetzt, insbesondere um Drogen in die Schweiz einzuführen und hier zu lagern. Sein Vorgehen sei sehr planmässig und durchdacht gewesen. So habe er einen Gewinn von mindestens Fr. 21'545.-- erzielt (Fr. 10'725.-- aus dem Verkauf von MDMA, Marihuana, Ecstasy und 2C-B-Tabletten; Fr. 9'200.-- aus dem Verkauf von Amphetamin; Fr. 1'395.-- aus dem Verkauf von Kokain und Fr. 225.-- aus dem Verkauf von LSD -Trips). Er habe mit beachtlicher krimineller Energie, gewinnsüchtig und namentlich nicht aus finanzieller Not gehandelt. Selbst habe er immer wieder Drogen konsumiert, das mindere seine Verantwortung für die qualifizierten Widerhandlungen aber nicht. Denn der Drogenhandel habe höchstens in untergeordnetem Mass zur Finanzierung des Eigenkonsums beigetragen. Damit scheide eine Strafmilderung nach Art. 19 Abs. 3 lit. b BetmG aus.
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Insgesamt sei von einem mittelschweren bis schweren Tatverschulden auszugehen. Mit Blick auf den Strafrahmen von einem bis zwanzig Jahren Freiheitsstrafe sei eine solche von sieben Jahren angemessen.
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Was die Täterkomponenten angehe, seien die Vorstrafen (Geldstrafen von bis zu 90 Tagessätzen) leicht straferhöhend zu berücksichtigen, auch wenn sie schon mehrere Jahre zurücklägen. Weiter hätten die Aussagen des Beschwerdeführers (vollständige Geständigkeit) die Strafverfolgung wesentlich vereinfacht. Dies sei strafmindernd zu berücksichtigen, wenn auch nicht in einem Umfang, wie dies bei einem von Anfang an geständigen, einsichtigen und reuigen Täter möglich wäre. Seit der Untersuchungshaft sei der Beschwerdeführer drogenabstinent. Er sei eine Beziehung eingegangen und gehe wieder einer geregelten Arbeit nach. Der Arbeitgeber stelle ihm ein gutes Zeugnis aus. Diese Veränderungen seien positiv zu würdigen, ausserordentliche Umstände lägen jedoch nicht vor. Die Strafempfindlichkeit sei nicht erhöht; der Strafvollzug betreffe ihn nicht über das in vergleichbaren Fällen übliche Mass hinaus. Insgesamt überwögen die positiven die negativen Täterkomponenten, weshalb es sich rechtfertige, die verschuldensangemessene Strafe von sieben Jahren um ein Jahr auf sechs Jahre zu mindern.
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1.2. Der Beschwerdeführer rügt, die vorinstanzliche Strafzumessung trage dem Leitgedanken der Resozialisierung nicht Rechnung. Wenn die Vorinstanz allein von Sühne und Vergeltung als Strafzwecken ausgehe, so missachte dies Bundesrecht. Zudem sei sein rechtliches Gehör verletzt: Die Vorinstanz setze sich nicht mit dem im Berufungsverfahren geltend gemachten Aspekt auseinander, dass eine unbedingte Freiheitsstrafe spezial- oder generalpräventiv notwendig sein müsse. Hier treffe weder das eine noch das andere zu. Zwar stelle die Vorinstanz zu Recht fest, dass er nach einer kurzen Phase der Delinquenz und seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im März 2017 wieder ins normale Leben zurückgefunden habe. Soweit sie aber festhalte, der Resozialisierungsgedanke könne nicht zu einer "Unterschuldstrafe" führen, verkenne sie, dass ein vorwiegend an Vergeltung und Sühne orientiertes Strafsystem nicht mit dem modernen Konzept der spezialpräventiven Resozialisierung vereinbar sei. Er sei bereits vollständig resozialisiert. Der unbedingte Vollzug einer sechsjährigen Freiheitsstrafe würde diesen Effekt zunichte machen. Gerade in einer solchen Situation seien die Wirkungen der Strafe auf das Leben des Täters (Art. 47 Abs. 1 StGB) zu berücksichtigen. Ansonsten verkomme die Strafe zum Selbstzweck, diene sie nur der Vergeltung. Eine teilbedingte Strafe von drei Jahren trage neben dem Verschulden und Gesichtspunkten der Vergeltung sowie der Generalprävention auch der Wirkung auf sein Leben Rechnung.
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Der Beschwerdeführer beanstandet die vorinstanzliche Strafzumessung zunächst unter übergeordneten Gesichtspunkten. Er wirft die Fragen auf, ob das Anliegen der Resozialisierung genügend berücksichtigt worden ist, ob spezial- und generalpräventive Aspekte in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen und ob die Vorinstanz den Strafzweck der Vergeltung übermässig gewichtet hat. Diese Vorbringen sind nicht justiziabel, soweit sie die vorinstanzliche Strafzumessung aus allgemeiner rechtspolitischer Warte kritisiert. Die Bundesrechtskonformität der Strafzumessung ist im Einzelfall auch nicht direkt anhand von Strafzwecktheorien überprüfbar.
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1.3. Der Beschwerdeführer anerkennt ein mittelschweres bis schweres Verschulden. Er macht aber geltend, in seinem umfassenden Geständnis, das er im Untersuchungsverfahren abgelegt habe, manifestiere sich tätige Reue. Die Vorinstanz anerkenne die Geständigkeit zwar als strafmindernd (angefochtenes Urteil S. 23). Sie messe diesem Umstand indes unsachgemäss wenig Bedeutung zu, wenn sie das erstinstanzlich ausgefällte Strafmass von fünf auf sechs Jahre erhöhe. Denn wenn er geschwiegen hätte, wäre die Anklage weit weniger umfangreich ausgefallen.
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Das Gericht berücksichtigt das objektive und subjektive Verschulden des Täters, dessen Vorleben und persönliche Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf sein Leben (Art. 47 Abs. 1 und 2 StGB; BGE 141 IV 61 E. 6.1.1 S. 66). Bei der Gewichtung der verschiedenen Strafzumessungsfaktoren und bei der Bestimmung des konkreten Strafmasses hat das Sachgericht einen weiten Ermessensspielraum. Das Bundesgericht überprüft auf Beschwerde hin nur, ob die Vorinstanz den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, ob sie von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgegangen ist oder wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen resp. falsch gewichtet und dadurch ihr Ermessen überschritten oder missbraucht hat (BGE 144 IV 313 E. 1.2 S. 319; 136 IV 55 E. 5.6 S. 61; 134 IV 17 E. 2.1 S. 19 f.).
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Die Vorinstanz hat berücksichtigt, dass die Geständigkeit die Strafverfolgung wesentlich vereinfacht und verkürzt habe. Dem vom Beschwerdeführer darüber hinaus geltend gemachten Umstand, dass der Anklagevorwurf ohne seine Kooperation weniger umfangreich ausgefallen wäre, steht die - für das Bundesgericht verbindliche (Art. 105 Abs. 1 BGG) - Feststellung der Vorinstanz gegenüber, der Beschwerdeführer sei nicht von Anfang an und aus freien Stücken geständig gewesen. Insofern gewichtet die Vorinstanz den wesentlichen Aspekt der Geständigkeit nicht derart gering, dass im Ergebnis von einem Ermessensmissbrauch gesprochen werden müsste.
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2. Die Beschwerde muss mithin abgewiesen werden. Ausgangsgemäss trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2. Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von Fr. 3'000.--.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 23. November 2020
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Denys
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Der Gerichtsschreiber: Traub
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