VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 8C_584/2020  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 15.01.2021, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 8C_584/2020 vom 17.12.2020
 
 
8C_584/2020
 
 
Urteil vom 17. Dezember 2020
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichterin Heine, Bundesrichter Abrecht,
 
Gerichtsschreiberin Durizzo.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
Öffentliche Arbeitslosenkasse des Kantons Bern, Lagerhausweg 10, 3018 Bern,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Arbeitslosenversicherung (Einstellung in der Anspruchsberechtigung),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 19. August 2020 (200 20 460 ALV).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________, geboren 1979, war seit 2006 als Redaktor bei der B.________ AG beschäftigt. Nachdem er die Stelle am 29. August 2019 per 31. Dezember 2019 gekündigt hatte, meldete er sich am 18. Dezember 2019 zur Arbeitsvermittlung an und ersuchte um Arbeitslosenentschädigung. Das Amt für Arbeitslosenversicherung des Kantons Bern, Arbeitslosenkasse, stellte ihn mit Verfügung vom 14. Februar 2020 für 36 Tage ab 1. Januar 2020 in der Anspruchsberechtigung ein wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit. Mit Einspracheentscheid vom 15. Mai 2020 reduzierte sie die Einstelldauer auf 26 Tage.
1
B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 19. August 2020 ab.
2
C. A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei von der Einstellung in der Anspruchsberechtigung abzusehen.
3
Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
4
 
Erwägungen:
 
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
5
2. Es wird zunächst in formeller Hinsicht geltend gemacht, sowohl der Einspracheentscheid wie auch der hier angefochtene Entscheid seien mangelhaft, weil die jeweiligen Rechtsmittelbelehrungen nicht unterschrieben worden seien. Es wird indessen nicht näher dargetan und ist nicht erkennbar, inwiefern dadurch Bundesrecht verletzt worden sein sollte und dem Beschwerdeführer daraus ein Nachteil erwachsen wäre.
6
3. Gerügt wird aus formeller Sicht weiter, die Vorinstanz habe ihre Begründungspflicht verletzt. Sie habe sich nach überlangen grundsätzlichen Erwägungen nicht hinreichend konkret mit seinem Fall befasst.
7
Die Anforderungen an die Begründung der beim Bundesgericht beschwerdeweise anfechtbaren Entscheide ergeben sich aus Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG und dienen vorab der Umsetzung des verfassungsrechtlichen Gehörsanspruchs nach Art. 29 Abs. 2 BV. Den Parteien sollen jene Tatsachen und Rechtsnormen zur Kenntnis gebracht werden, die für eine Erkennung der Tragweite des Entscheids und dessen sachgerechte Anfechtung massgeblich sind (vgl. zum Ganzen: BGE 139 V 496 E. 5.1 S. 503 f.; 138 IV 81 E. 2.2 S. 84; 136 I 229 E. 5.2 S. 236; Urteile 6B_1011/2014 vom 16. März 2015 E. 1.6.2; 2C_961/2014 vom 8. Juli 2015 E. 7.1; Bernhard Ehrenzeller in: Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 3. Aufl., 2018, Art. 112 N. 8).
8
Inwiefern der angefochtene Entscheid diesen Anforderungen im vorliegenden Fall nicht zu genügen vermöchte und der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen wäre, sich dagegen sachgerecht zu wehren, ist nicht erkennbar.
9
4. Materiell ist streitig, ob die vorinstanzliche Bestätigung der Einstellung in der Anspruchsberechtigung für 26 Tage durch die Arbeitslosenkasse vor Bundesrecht standhält. Zur Frage steht dabei insbesondere, ob das kantonale Gericht bei der Feststellung des Sachverhalts den Untersuchungsgrundsatz oder Beweiswürdigungsregeln verletzt habe.
10
Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und die dazu ergangene Rechtsprechung über die Einstellung in der Anspruchsberechtigung wegen selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit durch Kündigung trotz Zumutbarkeit des Verbleibens am Arbeitsplatz (Art. 30 Abs. 1 lit. a AVIG; Art. 44 lit. b AVIV; BGE 124 V 62 E. 3b S. 63) zutreffend dargelegt. Richtig sind auch die Ausführungen über die nach Massgabe des Verschuldens zu bemessende (Art. 30 Abs. 3 Satz 3 AVIG) Einstellungsdauer (Art. 45 Abs. 3 und 4 AVIV). Es wird darauf verwiesen.
11
Hervorzuheben ist, dass die behauptete Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des bisherigen Arbeitsverhältnisses vor dem Hintergrund des Art. 16 Abs. 1 AVIG zu beurteilen ist, wonach grundsätzlich jede Arbeit zumutbar ist, es sei denn, einer der in Abs. 2 dieser Bestimmung abschliessend aufgelisteten Ausnahmetatbestände liege vor (BGE 124 V 62 E. 3b S. 63). Ein schlechtes Arbeitsklima oder Spannungen zwischen der versicherten Person und Arbeitskollegen oder Vorgesetzten begründen keine Unzumutbarkeit (vgl. BGE 124 V 234 E. 4b/bb S. 239 mit Hinweis). Sie können allenfalls im Rahmen der Verschuldensbeurteilung Berücksichtigung finden (SVR 1997 ALV Nr. 105 S. 324 E. 2a; Urteile 8C_742/2013 vom 27. November 2013 E. 4.1; C 133/03 vom 29. Oktober 2003 E. 3.2). Eine Unzumutbarkeit kann sich indessen nach der Rechtsprechung aus (allenfalls durch die Situation am Arbeitsplatz bedingten) gesundheitlichen Gründen ergeben. Diese sind allerdings durch ein eindeutiges ärztliches Zeugnis zu belegen. Bei der Frage der Unzumutbarkeit des Verbleibens am Arbeitsplatz ist praxisgemäss ein strenger Massstab anzulegen (BGE 124 V 234 E. 4b/bb S. 238 mit Hinweisen; Urteil 8C_665/2018 vom 15. April 2019).
12
 
5.
 
5.1. Die Vorinstanz stellte fest, der Beschwerdeführer habe ohne Zusicherung einer neuen Stelle gekündigt. Angesichts des Umstands, dass die Medienbranche unter einem grossen Druck stehe und vergleichbare Stellen kaum zur Verfügung stünden, wäre es ihm zuzumuten gewesen, trotz des angespannten Verhältnisses mit der ihm vorgesetzten Person an der langjährigen Arbeitsstelle zu verbleiben. Eine psychisch bedingte Unzumutbarkeit sei mangels einer entsprechenden fachärztlichen Bescheinigung nicht ausgewiesen.
13
5.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die von ihm vorgebrachten Gründe für seine Kündigung, das heisst eine schwere Belastungssituation an seinem Arbeitsplatz durch Mobbing und die dadurch bedingte gesundheitliche Beeinträchtigung, zu Unrecht nicht weiter abgeklärt und dementsprechend nicht einzelfallgerecht gewürdigt worden seien. Es hätte insbesondere die zuständige Personalverantwortliche als Zeugin einvernommen werden müssen. Die Umstände, die zur Kündigung geführt hätten, seien auch Thema der Beratungsgespräche bei der Arbeitslosenversicherung gewesen. Die entsprechenden Akten hätten von Amtes wegen beigezogen werden müssen. Des Weiteren habe die Vorinstanz auch auf eine Einholung einer Bescheinigung seiner Ehefrau verzichtet, die als Ärztin über seinen Gesundheitszustand hätte Auskunft geben können. Hätte die Vorinstanz die beantragten Beweise abgenommen, hätte sie daraus auf eine Unzumutbarkeit der Fortführung seines damaligen Arbeitsverhältnisses schliessen müssen. Mit der Kündigung sei er entgegen der vorinstanzlichen Auffassung seiner Schadenminderungspflicht nachgekommen, denn er habe die Gefahr eines krankheitsbedingten Ausfalls verhindert.
14
5.3. Gemäss den vorinstanzlichen Feststellungen war eine psychisch bedingte Unzumutbarkeit des Verbleibs an der bisherigen Arbeitsstelle nicht ausgewiesen. Dass das kantonale Gericht dabei die vom Beschwerdeführer offerierte Bestätigung seiner Ehefrau für die Annahme der geltend gemachten psychischen Belastungssituation als ungenügend erachtete, ist nicht bundesrechtswidrig. Dies gilt einerseits insoweit, als die Vorinstanz davon ausging, dass es für ein entsprechendes Attest einer psychiatrischen Bescheinigung bedurft hätte, während die Ehegattin des Beschwerdeführers über einen Facharzttitel für Chirurgie verfüge. Anderseits berücksichtigte sie aber auch zu Recht, dass die Unabhängigkeit von Zeugen namentlich bei (enger) Verwandtschaft oder enger Beziehungsnähe (Ehegatten, Partner) praxisgemäss ernsthaft in Zweifel gezogen wird (Urteil 8C_256/2020 vom 4. September 2020 E. 2.2 mit Hinweisen). Indem das kantonale Gericht aus dem fehlendem Nachweis einer gesundheitsbedingten Unzumutbarkeit auf eine zu sanktionierende selbstverschuldete Arbeitslosigkeit schloss, verletzte es kein Bundesrecht. Es ist unter diesen Umständen im Weiteren nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz eine Abklärung des Ausmasses an personellen Schwierigkeiten am vormaligen Arbeitsplatz, die ihrerseits zur gesundheitlich bedingten Unzumutbarkeit geführt haben sollen, als nicht erforderlich erachtete. Dass der Beschwerdeführer eine ernsthafte Gesundheitsschädigung nur mit der Kündigung habe vermeiden können, ergibt sich nicht aus den vorinstanzlichen Feststellungen und ist bei dem hinsichtlich der Frage der Unzumutbarkeit anzulegenden strengen Massstab (vgl. E. 4 hievor) nicht anzunehmen.
15
6. Die vorinstanzlich bestätigte Einstelldauer im Bereich des mittelschweren Verschuldens (statt des gesetzlich bei selbstverschuldeter Arbeitslosigkeit vorgesehenen schweren Verschuldens, Art. 45 Abs. 4 lit. a AVIV) wird nicht gerügt und gibt keinen Anlass zu Weiterungen.
16
7. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführer auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
17
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 17. Dezember 2020
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo
 
© 1994-2021 Das Fallrecht (DFR).