BGer 6B_1330/2020 | |||
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BGer 6B_1330/2020 vom 05.01.2021 |
6B_1330/2020 |
Urteil vom 5. Januar 2021 |
Strafrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Denys, präsidierendes Mitglied,
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Bundesrichter Muschietti,
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Bundesrichterin Koch,
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Gerichtsschreiberin Arquint Hill.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Vollzugs- und Bewährungsdienst des Kantons Luzern, Straf- und Massnahmenvollzug, Murmattweg 8, 6000 Luzern 30 AAL,
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Beschwerdegegner.
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Gegenstand
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Bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug,
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Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Luzern, 2. Abteilung, vom 29. Oktober 2020 (4H 20 22).
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Erwägungen: | |
1. Das Kantonsgericht Luzern, 1. Abteilung, stellte mit Urteil vom 3. Juni 2019 die Rechtskraft der erstinstanzlichen Schuldsprüche gemäss Urteil vom 6. Dezember 2018 u.a. wegen geringfügigen Diebstahls (Art. 139 Ziff. 1 i.V.m Art. 172ter Abs. 1 StGB), Sachbeschädigung (Art. 144 Abs. 1 StGB), Hausfriedensbruchs (Art. 186 StGB) und mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19a Ziff. 1 BetmG) fest. Es verurteilte den Beschwerdeführer wegen Brandstiftung (Art. 221 Abs. 1 StGB), mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Abs. 1 BetmG) und Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 Abs. 1 StGB). Das Verfahren wegen Verdachts auf Drohung stellte es wegen ungültigen Strafantrags ein. Es bestrafte den Beschwerdeführer mit einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 5 Monaten (unter Anrechnung von 556 Tagen bereits erstandenen Freiheitsentzugs). Zudem fällte es eine Geldstrafe und bei Annahme einer teilweise in leichtem Grade verminderten Schuldfähigkeit eine Busse, teilweise als Zusatzstrafe zum Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden vom 30. September 2016, aus. Es widerrief den bedingten Vollzug einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen gemäss Strafbefehl der Staatsanwaltschaft des Kantons Nidwalden vom 14. August 2014 und verwies den Beschwerdeführer für die Dauer von 8 Jahren des Landes.
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Der Beschwerdeführer trat am 3. Juni 2019 in den regulären Vollzug in die Justizvollzugsanstalt Grosshof ein. Zwei Drittel der Strafe waren am 11. September 2020 verbüsst. Das Vollzugsende fällt auf den 5. Februar 2022.
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Der Beschwerdeführer ersuchte am 27. Juni 2020 um bedingte Entlassung. Der Vollzugs- und Bewährungsdienst des Kantons Luzern (VBD) wies das Gesuch am 20. August 2020 ab. Die dagegen gerichtete Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, am 29. Oktober 2020 ab, soweit es darauf eintrat.
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Der Beschwerdeführer wendet sich mit Beschwerde vom 23. November 2020 an das Bundesgericht.
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2. Gemäss Art. 86 Abs. 1 StGB ist der Gefangene nach Verbüssung von zwei Dritteln der Strafe bedingt zu entlassen, wenn es das Verhalten im Strafvollzug rechtfertigt und nicht anzunehmen ist, er werde weitere Verbrechen oder Vergehen begehen. Die bedingte Entlassung stellt die Regel und die Verweigerung die Ausnahme dar (BGE 133 IV 201 E. 2.2). Die Prognose über das künftige Wohlverhalten ist in einer Gesamtwürdigung zu erstellen, welche nebst dem Vorleben, der Persönlichkeit und dem Verhalten des Täters während des Strafvollzugs vor allem dessen neuere Einstellung zu seinen Taten, seine allfällige Besserung und die nach der Entlassung zu erwartenden Lebensverhältnisse berücksichtigt. Dabei steht der zuständigen Behörde ein Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift in die Beurteilung der Bewährungsaussicht nur ein, wenn sie ihr Ermessen über- oder unterschritten oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt hat (a.a.O., E. 2.3 mit Hinweisen).
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3. Die Beschwerde ans Bundesgericht hat die Begehren und eine Begründung zu enthalten. In der Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG). Das Bundesgericht ist keine Appellationsinstanz, vor welcher die Tatsachen erneut frei erörtert werden könnten (Urteil 6B_86/2020 vom 31. März 2020 E. 1.1). Die beschwerdeführende Person hat mit ihrer Kritik bei der als rechtsfehlerhaft erachteten Erwägung der Vorinstanz anzusetzen (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116). Wird eine Verletzung von Grundrechten einschliesslich Willkür behauptet, obliegt der Partei eine qualifizierte Rüge- und Begründungspflicht (Art. 97 Abs. 1 und Art. 106 Abs. 2 BGG i.V.m. Art. 9 BV; BGE 143 IV 500 E. 1.1; 141 IV 1 E. 1.1). Anderenfalls ist auf die Beschwerde nicht einzutreten.
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4. Die Vorinstanz lehnt es ab, den Beschwerdeführer bedingt zu entlassen. Er erfülle zwar das zeitliche Erfordernis nach Art. 86 Abs. 1 StGB. Aufgrund der teilweise einschlägigen Vorstrafen, der wiederkehrenden Verhaltensmuster im Zusammenhang mit der ihm attestierten Persönlichkeitsstörung, der Weigerung, die Delikte therapeutisch aufzuarbeiten sowie der ungünstigen Prognose bezüglich des sozialen Empfangsraums bestehe ein erhebliches Rückfallrisiko. Es sei davon auszugehen, dass es dem Beschwerdeführer derzeit nicht gelingen würde, sich ausserhalb des strukturierten Vollzugsregimes in die Gesellschaft zu integrieren. Aus dem Umstand, dass das Vollzugsverhalten grundsätzlich nicht zu beanstanden sei, könne kein Anspruch auf bedingte Entlassung abgeleitet werden. Massgebend für die Prognose über das künftige Wohlverhalten sei eine Gesamtwürdigung, welche negativ ausfalle.
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5. | |
5.1. Die zeitliche Voraussetzung für eine bedingte Entlassung nach Art. 86 Abs. 1 StGB ist nachweislich erfüllt, da der Beschwerdeführer zwei Drittel seiner Strafe verbüsst hat. Auch ist ihm ein positives Vollzugsverhalten zugute zu halten. Strittig ist damit einzig die Bewährungsaussicht.
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5.2. Die Vorinstanz hat eine Gesamtwürdigung der relevanten Faktoren zur Beurteilung der Prognose vorgenommen. Offenkundig ist, dass die Vergangenheit des Beschwerdeführers, welcher nach eigenen Angaben seit 2011 in der Schweiz lebt, deliktisch vorbelastet ist. Es bestehen zahlreiche Verurteilungen. Wie sich aus dem angefochtenen Entscheid ergibt, ist der Beschwerdeführer nebst den Straftaten gemäss Urteil vom 3. Juni 2019 seit dem 29. Januar 2014 mit insgesamt fünf weiteren Eintragungen im schweizerischen Strafregister verzeichnet. Er ist überdies auch im deutschen Zentralregister aufgeführt. Sein deliktisches Vorleben durfte die Vorinstanz - auch wenn die Straftaten teilweise unterschiedlicher Natur sind - ohne Rechtsverletzung legalprognostisch als negativ bewerten.
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5.3. Die Vorinstanz stellt im Zusammenhang mit dem Kriterium der Täterpersönlichkeit auf das forensisch-psychiatrische Gutachten vom 7. März 2017 und namentlich auf das Ergänzungsgutachten vom 28. Mai 2018 ab. Danach leidet der Beschwerdeführer an einer schwerwiegenden kombinierten Persönlichkeitsstörung mit emotional instabilen, narzisstischen und dissozialen Anteilen sowie an einer Abhängigkeit von Alkohol, Kokain und Stimulanzien und es ist bei ihm von einer erhöhten Rückfallgefährlichkeit auszugehen. Dass es sich beim Ergänzungsgutachten um ein Aktengutachten handelt, spricht entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht per se gegen dessen Validität (vgl. dazu BGE 127 I 54 E. 2; s.a. BGE 146 IV 1 E. 3.2.2). Das Ergänzungsgutachten fällt auch deshalb nicht von vornherein als Beurteilungsgrundlage ausser Betracht, weil in Bezug auf die Zusatzanklage der Drohung eine Verfahrenseinstellung erfolgte. Die Vorinstanz weist darauf hin, dass der Sachverständige im Ergänzungsgutachten namentlich aufgrund des seit der Erstbegutachtung auffälligen Verhaltens des Beschwerdeführers, das nicht zwingend in einer Straftat bestehen müsse, und der zwischenzeitlich gescheiterten ambulanten Therapie zu einer andern Einschätzung der Rückfallgefahr gelangt sei. Der Beschwerdeführer unterlässt es, sich damit in einer den formellen Anforderungen genügenden Weise auseinanderzusetzen. Inwiefern die Vorinstanz in Willkür verfallen sein oder sonst wie gegen Recht verstossen haben soll, weil sie sich für die Beurteilung der Legalprognose auf das Ergänzungsgutachten stützt, ist folglich weder dargetan noch ersichtlich.
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5.4. Die Vorinstanz schliesst aus dem Abbruch und der Nichtwiederaufnahme der ambulanten Therapie durch den Beschwerdeführer, dass nach wie vor keine Einsicht in die Deliktsproblematik bestehe und folglich auch kein persönlicher Veränderungsprozess stattgefunden habe. Sie bewertet das fehlende Problembewusstsein, die mangelnde Veränderungsbereitschaft und die nach wie vor feststellbare Schuldexternalisierung mit Negierungs- und Bagatellisierungstendenzen legalprognostisch als ungünstig. Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, ist unbehelflich. Seine Einwendungen, ihm seien die Folgen seiner Straftaten bewusst und es sei falsch, anzunehmen, er sei nicht zu einer Therapie gewillt gewesen, gehen an der Sache vorbei. Dass eine vertiefte und nachhaltige sowie fachkundig begleitete Tataufarbeitung stattgefunden hat, macht er selber nicht geltend. Die Konfrontation und Auseinandersetzung des Täters mit der Tat stellen aber im Hinblick auf den Veränderungsprozess in Richtung eines deliktfreien Lebens ein wesentliches Element dar (vgl. Urteile 6B_809/2016 vom 31. Oktober 2016 E. 3; 6B_93/2015 vom 19. Mai 2015 E. 5.6 mit Hinweisen).
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5.5. Die Vorinstanz folgert, dass nicht von einem gesicherten und stützenden sozialen Empfangsraum ausgegangen werden könne, was ein zusätzliches Risiko für erneute Delinquenz berge. Auch vom Gutachter sei eine prekäre Wohn- und Arbeitssituation als konstellativ begünstigender Faktor für neuerliche Straftaten benannt worden. Die Vorinstanz erachtet zwar als positiv, dass sich der Beschwerdeführer mit seiner Zukunft befasst und bei der (beabsichtigten) Rückkehr nach Deutschland eine Arbeit aufnehmen will. Nach ihrer Auffassung bestehen jedoch zu wenig aussagekräftige und gesicherte Grundlagen, um eine verlässliche Prognose über die künftigen sozialen und finanziellen Lebensverhältnisse stellen zu können. Die dagegen gerichteten Einwände in der Beschwerde erschöpfen sich in der blossen Darlegung der eigenen Sicht auf die vergangenen und künftigen Lebensumstände (z.B. stabiles soziales Netz, stete Arbeitstätigkeit etc.). Damit vermag der Beschwerdeführer die Beurteilung der Vorinstanz zum sozialen Empfangsraum weder als willkürlich noch sonst wie als bundesrechtswidrig zu widerlegen.
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5.6. Der vorinstanzliche Entscheid ist insgesamt nicht zu beanstanden. Gestützt auf die Vorbringen des Beschwerdeführers ist weder eine willkürliche noch eine ermessensfehlerhafte oder sonst wie bundesrechtswidrige Rechtsanwendung durch die Vorinstanz ersichtlich. Die Verweigerung der Entlassung verletzt Art. 86 Abs. 1 StGB somit nicht.
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6. Die Beschwerde ist im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann. Das sinngemässe Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist infolge Aussichtslosigkeit der Beschwerde abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG). Die Gerichtskosten sind dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Seiner finanziellen Lage ist mit einer reduzierten Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
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3. Die Gerichtskosten von Fr. 1'200.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Luzern, 2. Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 5. Januar 2021
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Das präsidierende Mitglied: Denys
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Die Gerichtsschreiberin: Arquint Hill
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