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Informationen zum Dokument  BGer 1B_454/2020  Materielle Begründung
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BGer 1B_454/2020 vom 11.01.2021
 
 
1B_454/2020
 
 
Urteil vom 11. Januar 2021
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
 
Bundesrichter Haag, Müller,
 
Gerichtsschreiberin Dambeck.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
gegen
 
B.________,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Strafverfahren; Ausstand,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Thurgau vom 18. Juni 2020 (SW.2020.60).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau für Wirtschaftsstraffälle und Organisierte Kriminalität führt gegen A.________ eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts auf ungetreue Geschäftsbesorgung, Urkundendelikte und Konkurs- bzw. Betreibungsdelikte. Er ist Mitglied des Stiftungsrats der Familienstiftung C.________ und fungiert bzw. fungierte zudem als Verwaltungsrat verschiedener Gesellschaften, unter anderen der D.________ AG.
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A.________ stellte am 15. Mai 2019 ein Ausstandsbegehren gegen Oberstaatsanwalt B.________, welches das Obergericht des Kantons Thurgau mit Entscheid vom 15. August 2019 abwies. Die dagegen erhobene Beschwerde von A.________ wies das Bundesgericht mit Urteil vom 28. Februar 2020 ab, soweit es darauf eintrat (Urteil 1B_496/2019).
2
Am 16. Mai 2020 stellte A.________ erneut ein Ausstandsbegehren gegen Oberstaatsanwalt B.________, welches dieser am 18. Mai 2020 mit dem Antrag auf Abweisung an das Obergericht des Kantons Thurgau weiterleitete. A.________ nahm dazu am 5. Juni 2020 Stellung. Mit Entscheid vom 18. Juni 2020 wies das Obergericht auch dieses Ausstandsgesuch ab.
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B. Gegen diesen Entscheid gelangt A.________ mit Eingabe vom 3. September 2020 an das Bundesgericht und beantragt dessen Aufhebung sowie die Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Beurteilung. In prozessualer Hinsicht ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
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Das Obergericht verzichtet auf eine Vernehmlassung und beantragt die Abweisung der Beschwerde, worüber die anderen Verfahrensbeteiligten in Kenntnis gesetzt wurden. Am 30. Dezember 2020 reichte der Beschwerdeführer einen aktuellen Auszug aus dem Betreibungsregister nach.
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Erwägungen:
 
1. Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen selbstständig eröffneten Zwischenentscheid über Ausstandsbegehren in einer Strafsache, wogegen die Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht offensteht (Art. 78 Abs. 1 und Art. 92 Abs. 1 BGG). Der Beschwerdeführer ist gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. a und lit. b Ziff. 1 BGG zur Beschwerde befugt. Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass, womit auf die Beschwerde einzutreten ist.
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2.
 
2.1. Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil die Vorinstanz die mit Stellungnahme vom 5. Juni 2020 vorgebrachten Ausstandsgründe als angeblich verspätet nicht berücksichtigt habe. Jedoch sei er erst aufgrund des Studiums des Entwurfs der Anklageschrift auf die weiteren Verfehlungen der Staatsanwaltschaft gestossen, welche er folglich im Rahmen seiner Stellungnahme an die Vorinstanz fristgerecht geltend gemacht habe. Es handle sich dabei einerseits um einen gegen ihn erhobenen Tatvorwurf, dem es an einer gesetzlichen Grundlage mangle, und andererseits um eine im Strafregister bereits gelöschte Straftat, welche jedoch im Entwurf der Anklageschrift unter "persönliche Verhältnisse" genannt sei. Solche Handlungen seien geeignet, erhebliche Zweifel an der Fairness der Prozessführung durch die Staatsanwaltschaft hervorzurufen.
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2.2. Die Vorinstanz erwog zu Recht und ohne den Anspruch auf rechtliches Gehör zu verletzen, dass der Beschwerdeführer, soweit er aus dem Entwurf der Anklageschrift zitiere und die gegen ihn erhobenen Tatvorwürfe bestreite, im vorliegenden Verfahren betreffend den Ausstand des Beschwerdegegners nicht zu hören sei. Die beiden oben genannten, an den Beschwerdegegner gerichteten Vorwürfe wären jedenfalls keine besonders krassen oder ungewöhnlich häufigen Fehlleistungen der Untersuchungsleitung, die bei gesamthafter Würdigung eine schwere Verletzung der Amtspflichten darstellen und sich einseitig zu Lasten des Beschwerdeführers auswirken würden, so dass von Befangenheit ausgegangen werden müsste (vgl. BGE 143 IV 69 E. 3.2 S. 74 f.; 141 IV 178 E. 3.2.3 S. 180; Urteil 1B_278/2020 vom 18. August 2020 E. 3.2; je mit Hinweisen). Damit kann offenbleiben, ob der Beschwerdeführer sie rechtzeitig geltend gemacht hat. Die Vorinstanz hat sodann nicht gegen Bundesrecht verstossen, indem sie diese Vorbringen des Beschwerdeführers nicht als Beschwerde gegen die beanstandeten Verfahrenshandlungen entgegengenommen oder an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet hat.
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3.
 
3.1. Dem angefochtenen Entscheid ist zu entnehmen, dass drei Beschwerdeverfahren betreffend die Rechtmässigkeit von Beschlagnahmen von Vermögenswerten hängig seien, welche insbesondere vom Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts gegen den Beschwerdeführer abhänge. Die Stiftung C.________ sei in allen drei Beschwerdeverfahren beteiligt, die D.________ AG nur in einem. Beide seien mit dem Beschwerdeführer "wirtschaftlich und gesellschaftsrechtlich eng verflochten". Davon sowie von der Beherrschung der Stiftung C.________ und der D.________ AG durch den Beschwerdeführer gehe auch die Staatsanwaltschaft im Entwurf ihrer Anklageschrift aus. Sie werfe diesem vor, zwecks Verschleierung eines Grossteils seines Vermögens ein undurchsichtiges Konstrukt von insgesamt sechs durch ihn beherrschte Gesellschaften sowie die Stiftung C.________ aufgebaut zu haben. Weiter äusserte sich die Vorinstanz zur Zeichnungsberechtigung für die Stiftung C.________ und die D.________ AG, hielt fest, welche Verfahrenshandlungen der Beschwerdeführer in deren sowie in seinem eigenen Namen vorgenommen habe, und gelangte zum Schluss, dass es unter diesen Umständen geradezu trölerisch sei, wenn der Beschwerdeführer dem Beschwerdegegner vorwerfe, in den Beschwerdeverfahren - insbesondere zur Untermauerung des bestrittenen Tatverdachts - die gesamten Verfahrensakten und den Entwurf der Anklageschrift eingereicht zu haben. Ein Verfahrensfehler der Staatsanwaltschaft bzw. ein Ausstandsgrund sei darin nicht zu erblicken.
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3.2. Der Beschwerdeführer führt die durch ihn vorgenommenen Verfahrenshandlungen für die Stiftung C.________ und die D.________ AG auf knappe Zeitverhältnisse und seine diesen gegenüber bestehende Treuepflicht zurück. Zudem hätten er sowie die Stiftung C.________ und die D.________ AG in den Beschwerdeverfahren betreffend Beschlagnahme um eine klare Aktenaussonderung ersucht und wäre die Staatsanwaltschaft zu einer fokussierten Aktenführung verpflichtet gewesen. Stattdessen habe sie die gesamten Akten eingereicht, inklusive eines ihn persönlich betreffenden Entwurfs der Anklageschrift samt Beilagen. Diese Akten seien dann an die Stiftung C.________ und die D.________ AG herausgegeben worden, welche die Akten archiviert und damit potentiell weiteren Personen zugänglich gemacht hätten. Mit diesem Vorgehen sei er in seinen Persönlichkeitsrechten und seinem informationellen Selbstbestimmungsrecht verletzt worden.
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3.3. Inwiefern in der Zustellung der Verfahrensakten samt Entwurf der Anklageschrift eine besonders krasse Fehlleistung des Beschwerdegegners begründet sein soll, wird aus den Vorbringen des Beschwerdeführers nicht deutlich, zumal dieser selber festhält, dass das 
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3.4. Weiter rügt der Beschwerdeführer, die Staatsanwaltschaft habe ihm zusätzlich zum Beschwerdeverfahren in der vorliegenden Sache Frist zur Vernehmlassung zum Entwurf der Anklageschrift angesetzt. Damit habe sie gegen Art. 6 Ziff. 3 lit. b EMRK verstossen, da es ihm nicht möglich gewesen sei, neben dem laufenden Beschwerdeverfahren gleichzeitig zum umfangreichen Entwurf der Anklageschrift Stellung zu nehmen.
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Die Vorinstanz hielt in diesem Zusammenhang zu Recht fest, dass es sich bei der dem Beschwerdeführer angesetzten Frist um eine erstreckbare behördliche Frist gehandelt habe. Eine schwere Amtspflichtverletzung durch den Beschwerdegegner ist auch in der gerügten Fristansetzung nicht zu sehen.
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3.5. Soweit der Beschwerdeführer schliesslich eine "generelle Verletzung" von Art. 56 Abs. 1 lit. f StPO rügt und ausführt, die Amtsführung der Staatsanwaltschaft sei seit der Übernahme des Verfahrens durch den Beschwerdegegner insgesamt wenig vertrauenserweckend und die entsprechenden Amtspflichtverletzungen seien rechtsgenüglich in das Verfahren eingebracht worden, kommt er seiner Begründungspflicht nicht nach (vgl. Art. 42 Abs. 2 BGG). Es ist daher nicht darauf einzugehen.
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4. Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und ist abzuweisen.
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Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Zwar stellt er für das bundesgerichtliche Beschwerdeverfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Dieses ist jedoch abzuweisen, da sein Rechtsbegehren aussichtslos war (vgl. Art. 64 BGG). Seiner finanziellen Lage ist bei der Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung zu tragen (Art. 65 Abs. 2 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
 
3. Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
4. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 11. Januar 2021
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Kneubühler
 
Die Gerichtsschreiberin: Dambeck
 
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