BGer 5A_39/2021 | |||
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BGer 5A_39/2021 vom 19.01.2021 |
5A_39/2021 |
Urteil vom 19. Januar 2021 |
II. zivilrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Herrmann, Präsident,
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Gerichtsschreiber Möckli.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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vertreten durch Fürsprecher Ismet Bardakci,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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B.________,
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vertreten durch Rechtsanwältin Aurelia Lina Fabian,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Internationale Kindesentführung,
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Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Zivilkammer, vom 23. Dezember 2020 (ZK 20 460, ZK 20 461, ZK 20 492).
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Sachverhalt: | |
A.________ (geb. 1964) und B.________ (alias C.________, geb. 1976, alias geb. 1981) heirateten im Jahr 2005 in der Türkei und haben die Kinder D.________, E.________ und F.________ mit Jahrgängen 2007, 2009 und 2014.
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Ungefähr Ende 2018 (nach Darstellung der Mutter im September 2018, nach derjenigen des Vaters im Januar 2019) flüchtete die Mutter mit den Kindern in die Schweiz. Mit Entscheid vom April 2020 anerkannte das Staatssekretariat für Migration sie alle als Flüchtlinge und gewährte ihnen Asyl.
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Im Oktober 2020 stellte der Vater beim Obergericht des Kantons Bern für die drei Kinder ein Rückführungsgesuch, welches mit Entscheid vom 23. Dezember 2020 abgewiesen wurde.
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Dagegen hat der Vater am 14. Januar 2020 beim Bundesgericht eine Beschwerde eingereicht mit dem Begehren um Rückführung der drei Kinder in die Türkei. Ferner verlangt er die unentgeltliche Rechtspflege.
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Erwägungen: | |
1. Bei Rückführungsentscheiden nach dem Haager Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ, SR 0.211.230.02) geht es um die Regelung der Rechtshilfe zwischen den Vertragsstaaten (BGE 120 II 222 E. 2b S. 224), die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Respektierung und Durchsetzung ausländischen Zivilrechts steht (Art. 72 Abs. 2 lit. b Ziff. 1 BGG; BGE 133 III 584).
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Gegen den Entscheid des Kantonsgerichts, welches als einzige kantonale Instanz entschieden hat (Art. 7 Abs. 1 des Bundesgesetzes über internationale Kindesentführung und die Haager Übereinkommen zum Schutz von Kindern und Erwachsenen, BG-KKE, SR 211.222.32), steht die Beschwerde in Zivilsachen offen.
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In rechtlicher Hinsicht kann mit ihr insbesondere die Verletzung von Bundesrecht (Art. 95 lit. a BGG) und von Völkerrecht (Art. 95 lit. b BGG) gerügt werden, wozu als Staatsvertrag auch das HKÜ gehört. Allerdings müssen die Begründungsanforderungen von Art. 42 Abs. 2 BGG erfüllt sein: Die Beschwerde hat eine Begründung zu enthalten, in welcher in gedrängter Form dargelegt wird, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt, was eine sachbezogene Auseinandersetzung mit dessen Erwägungen erfordert (BGE 140 III 115 E. 2 S. 116; 142 III 364 E. 2.4 S. 368).
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Zu beachten ist sodann, dass die Sachverhaltsfeststellungen des angefochtenen Entscheides für das Bundesgericht grundsätzlich verbindlich sind (Art. 105 Abs. 1 BGG). Diesbezüglich kann höchstens eine Verletzung von Verfassungsrechten, namentlich eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung gerügt werden, für welche das strenge Rügeprinzip gilt und appellatorische Ausführungen ungenügend sind (Art. 97 Abs. 1 i.V.m. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 140 III 264 E. 2.3 S. 266).
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2. Das Obergericht hat das widerrechtliche Verbringen der Kinder von der Türkei in die Schweiz im Sinn von Art. 3 HKÜ bejaht; den Eltern habe gemäss Art. 335 des türkischen Zivilgesetzbuches das Sorgerecht gemeinsam zugestanden und sei auch ausgeübt worden, indem die Parteien vorher im Osten der Türkei einen gemeinsamen Haushalt gebildet hätten. Das Obergericht hat weiter erwogen, dass das Rückführungsgesuch erst fast zwei Jahre nach dem Verbringen der Kinder in die Schweiz gestellt worden sei, diese seit August 2019 hier eingeschult seien, sie sich inzwischen in der Schweiz eingelebt und auch einen Freundeskreis gebildet hätten, sie hier mit der Mutter einen Familienverband bilden und ein harmonisches Verhältnis zueinander pflegen würden, sie sich nach eigenen Angaben bei der gerichtlichen Anhörung in der Schweiz wohl fühlen, sie auch alle (inkl. F.________) französisch verstehen und sprechen würden, wovon sich das Gericht bei der Anhörung selbst habe überzeugen können, weshalb von einem Einleben im Sinn von Art. 12 Abs. 2 HKÜ auszugehen und gestützt darauf von einer Rückführung abzusehen sei. Sodann würden sich alle drei Kinder im Sinn von Art. 13 Abs. 2 HKÜ einer Rückführung widersetzen, ohne dass Anzeichen für einen manipulierten Kindeswillen erkennbar seien; die beiden älteren Kinder seien mit elf und dreizehn Jahren zur Bildung eines autonomen Willens fähig, aber auch die Rückführung der kleinen F.________ wäre mit dem Kindeswohl unvereinbar, schildere sie doch, dass das Verhältnis zum Vater nicht gut gewesen sei. Ob schliesslich das Rückschiebungsverbot gemäss Art. 5 Abs. 1 AsylG und Art. 33 FK einen Ausschlussgrund im Sinn von Art. 20 HKÜ bilde, könne beim dargelegten Resultat ebenso offen gelassen werden wie die Frage der schwerwiegenden Gefahr für die Kinder im Sinn von Art. 13 Abs. 1 lit. b HKÜ.
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3. Die Ausführungen in der Beschwerde zur Sache beschränken sich auf eine einzige Seite. Zum einen wird vorgebracht, dass die Kinder, auch wenn sie nunmehr seit zwei Jahren in der Schweiz seien, den grössten Teil ihres Lebens in der Türkei verbracht hätten und sich mühelos wieder den dortigen Verhältnissen anpassen könnten, zumal sie nach wie vor besser türkisch als französisch sprechen würden; Im Übrigen seien die drei Halbgeschwister in der Türkei verblieben, weshalb die Rückführung überhaupt nicht gegen das Kindeswohl verstosse. Damit werden jedoch weder die obergerichtlichen Tatsachenfeststellungen zum Einleben in der Schweiz in Frage gestellt (geschweige denn mit Verfassungsrügen angegriffen, wie dies erforderlich wäre) noch wird aufgezeigt, inwiefern ausgehend vom festgestellten Einleben in rechtlicher Hinsicht Art. 12 Abs. 2 HKÜ falsch angewandt worden wäre.
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Ähnliches gilt im Zusammenhang mit dem Rückführungsausschlussgrund von Art. 13 Abs. 2 HKÜ: Der Beschwerdeführer erhebt in Bezug auf die Tatsachenfeststellung, es seien keine Anzeichen für einen manipulierten Kindeswillen ersichtlich, keine Verfassungsrügen, sondern er behauptet ohne jegliche Bezugnahme auf die diesbezüglichen Erwägungen des angefochtenen Entscheides in abstrakter und appellatorischer Weise, die Kinder seien manipuliert und könnten nicht ihren wirklichen Willen kundtun, weshalb ihre Aussagen bei der Kindesanhörung nicht erstaunen würden.
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4. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als offensichtlich nicht hinreichend begründet, weshalb auf sie nicht eingetreten werden kann und der Präsident im vereinfachten Verfahren entscheidet (Art. 108 Abs. 1 lit. b BGG).
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5. Art. 26 Abs. 2 HKÜ sieht im Rückführungsverfahren Kostenlosigkeit vor.
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Ferner werden gestützt auf diese Norm regelmässig auch die Kosten der anwaltlichen Vertretung aus der Gerichtskasse bezahlt. Allerdings hat die Türkei diesbezüglich einen Vorbehalt gemäss Art. 26 Abs. 3 i.V.m. Art. 42 HKÜ angebracht und die Schweiz kann deshalb gestützt auf Art. 21 Abs. 1 lit. b des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge (SR 0.111) Gegenrecht halten, mithin die Kosten nur unter dem Vorbehalt der unentgeltlichen Rechtspflege übernehmen.
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Wie die vorstehenden Erwägungen zeigen, konnte der Beschwerde angesichts der ungenügenden Rügen von Anfang an kein Erfolg beschieden sein, weshalb es an den materiellen Voraussetzungen der unentgeltlichen Rechtspflege fehlt (Art. 64 Abs. 1 BGG) und das entsprechende Gesuch abzuweisen ist.
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Demnach erkennt der Präsident: | |
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
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2. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
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3. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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4. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des Kantons Bern, 1. Zivilkammer, und dem Bundesamt für Justiz als Zentralbehörde für Kindesentführungen schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 19. Januar 2021
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Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Herrmann
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Der Gerichtsschreiber: Möckli
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