BGer 6B_597/2020 | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 27.02.2021, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
BGer 6B_597/2020 vom 10.02.2021 |
6B_597/2020 |
Urteil vom 10. Februar 2021 |
Strafrechtliche Abteilung | |
Besetzung
| |
Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
| |
Bundesrichter Denys,
| |
Bundesrichterin van de Graaf,
| |
Gerichtsschreiberin Pasquini.
|
Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
| |
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jürg Krumm,
| |
Beschwerdeführerin,
| |
gegen
| |
Oberstaatsa nwaltschaft des Kantons Schwyz, Postfach 1201, 6431 Schwyz,
| |
Beschwerdegegnerin.
| |
Gegenstand
| |
Strafzumessung (Betrug etc.),
| |
Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Schwyz, Strafkammer, vom 11. Februar 2020 (STK 2019 30).
|
Sachverhalt: | |
A. Das kantonale Strafgericht Schwyz erklärte A.________ am 21. Februar 2019 des mehrfachen Betrugs, des mehrfachen versuchten Betrugs, der mehrfachen Urkundenfälschung, der mehrfachen Erschleichung einer falschen Beurkundung und des vorsätzlichen Überlassens eines Fahrzeugs an einen Lenker ohne Führerausweis schuldig. Von den übrigen Vorwürfen sprach es sie frei. Das kantonale Strafgericht verurteilte A.________ zu einer Freiheitsstrafe von 9 Monaten und zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 100.--, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil des Strafgerichts Schwyz vom 5. September 2013. Den Vollzug der Freiheitsstrafe schob es nicht auf, denjenigen der Geldstrafe hingegen schon und setzte die Probezeit auf zwei Jahre fest. Das kantonale Strafgericht verzichtete auf den Widerruf der mit Urteil des Strafgerichts Schwyz vom 5. September 2013 bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe von 18 Monaten. Stattdessen sprach es eine Verwarnung aus und verlängerte die Probezeit um 18 Monate.
| 1 |
B. A.________ erhob Berufung und die kantonale Staatsanwaltschaft Anschlussberufung, beide beschränkt auf die Strafzumessung. Das Kantonsgericht Schwyz änderte das strafgerichtliche Urteil am 11. Februar 2020 insofern, als es A.________ zu einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten und zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 100.--, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil des Strafgerichts Schwyz vom 5. September 2013, verurteilte. Im Übrigen bestätigte es das strafgerichtliche Urteil.
| 2 |
C. A.________ führt Beschwerde in Strafsachen. Sie beantragt im Wesentlichen, das Urteil des Kantonsgerichts Schwyz vom 11. Februar 2020 sei aufzuheben. Sie sei zu einer bedingten Geldstrafe von 240 Tagessätzen zu Fr. 100.-- zu verurteilen. Die Probezeit sei auf vier Jahre festzulegen. Eventualiter sei sie zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten, bei einer Probezeit von vier Jahren, zu verurteilen. A.________ ersucht um eine mündliche Parteiverhandlung im Sinne von Art. 57 BGG.
| 3 |
Erwägungen: | |
1. Das Verfahren vor Bundesgericht ist schriftlich; eine öffentliche Parteiverhandlung findet nur unter ausserordentlichen prozessualen Umständen statt (vgl. Art. 57 BGG). Die Parteien haben grundsätzlich keinen Anspruch auf eine öffentliche Parteiverhandlung (Urteil 6B_534/2018 vom 21. Februar 2019 E.1 mit Hinweis). Auch eine mündliche Einvernahme im Sinne einer Beweismassnahme ordnet das Bundesgericht grundsätzlich nicht an. Es ist nicht Aufgabe des Bundesgerichts, Beweise abzunehmen und Tatsachen festzustellen, über die sich das kantonale Sachgericht nicht ausgesprochen hat (Art. 105 Abs. 1 BGG; BGE 136 III 209 E. 6.1 S. 214 f. mit Hinweisen).
| 4 |
Der Wunsch der Beschwerdeführerin, vor Bundesgericht angehört zu werden, um einen persönlichen Eindruck zu machen und ihre Geschichte selbst vorzutragen (Beschwerde S. 3 Ziff. 3), stellt keinen besonderen Umstand dar, der die Durchführung einer mündlichen Parteiverhandlung gebieten würde. Von einer entsprechenden Anordnung wird abgesehen.
| 5 |
2.
| 6 |
2.1. Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung des Beschleunigungsgebots. Das gesamte Verfahren habe bislang rund drei Jahre gedauert. Die Vorfälle hätten sich alle bis zum Jahr 2015 ereignet. Inhaftiert worden sei sie im Jahr 2017. Seither sei sie dem Druck und den Belastungen strafprozessualer Verfolgungsmassnahmen unterworfen. Da mindestens eine mittlere Verletzung des Beschleunigungsgebots vorliege, sei die Strafe zumindest auf 240 Tagessätze (8 Monate) zu senken (Beschwerde S. 3-5 Ziff. 4-10).
| 7 |
2.2. Nach Art. 29 Abs. 1 BV hat jede Person in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf Beurteilung innert angemessener Frist. Art. 6 Ziff. 1 EMRK vermittelt diesbezüglich keinen weitergehenden Schutz als Art. 29 Abs. 1 BV. Gemäss Art. 5 Abs. 1 StPO nehmen die Strafbehörden die Strafverfahren unverzüglich an die Hand und bringen sie ohne unbegründete Verzögerung zum Abschluss. Das Beschleunigungsgebot verpflichtet die Behörden, ein Strafverfahren mit der gebotenen Beförderung zu behandeln, nachdem die beschuldigte Person darüber in Kenntnis gesetzt wurde. Sie soll nicht länger als notwendig den Belastungen eines Strafverfahrens ausgesetzt sein. Die Beurteilung der angemessenen Verfahrensdauer entzieht sich starren Regeln. Ob sich die Dauer als angemessen erweist, ist in jedem Einzelfall unter Würdigung aller konkreten Umstände zu prüfen (BGE 143 IV 373 E. 1.3.1 S. 377 mit Hinweisen). Kriterien hierfür bilden etwa die Schwere des Tatvorwurfs, die Komplexität des Sachverhalts, die dadurch gebotenen Untersuchungshandlungen, das Verhalten des Beschuldigten und dasjenige der Behörden sowie die Zumutbarkeit für den Beschuldigten (BGE 130 I 269 E. 3.1 S. 273 mit Hinweisen).
| 8 |
2.3. Die Rüge der Verletzung des Beschleunigungsgebots ist unbegründet, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann. Sofern sie sich auf den Verfahrensablauf vor dem vorinstanzlichen Verfahren bezieht, kann auf sie mangels Ausschöpfung des Instanzenzugs (Art. 80 Abs. 1 BGG) nicht eingegangen werden. Die Beschwerdeführerin hätte sie bereits im kantonalen Verfahren vorbringen können und müssen. Dass sie dies getan und die Vorinstanz ihre Rüge nicht behandelt hat, macht sie nicht geltend. Schliesslich lässt die gesamte Verfahrensdauer von drei Jahren bis zum zweitinstanzlichen Urteil, namentlich in Anbetracht der Anzahl und teilweise Schwere der Delikte, nicht von vornherein auf einen Verstoss gegen das Beschleunigungsgebot schliessen. Inwiefern die Verfahrensdauer unverhältnismässig sein sollte, zeigt die Beschwerdeführerin nicht auf. Sie macht keine Ausführungen zu möglichen Verfahrensunterbrüchen, welche die gerügte Rechtsverletzung belegen könnten (Art. 42 Abs. 2 BGG).
| 9 |
3. Die Beschwerdeführerin moniert, die Vorinstanz verletze Bundesrecht, weil sie eine Freiheitsstrafe anstelle einer Geldstrafe ausspreche (Beschwerde S. 7 Ziff. 17). Mangels hinreichender Begründung kann auch insoweit auf die Beschwerde nicht eingetreten werden. Die Beschwerdeführerin setzt sich nicht mit den diesbezüglichen Erwägungen im angefochtenen Entscheid auseinander (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG; BGE 140 III 86 E. 2 S. 88 ff. mit Hinweisen). Vielmehr stützt sie ihre Rüge auf die unzutreffende Behauptung, die Vorinstanz stelle einseitig auf ihre Finanzsituation ab und verkenne wesentliche Umstände, wie ihren Privatkonkurs sowie ihren Neustart.
| 10 |
4.
| 11 |
4.1. Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz verletze Bundesrecht, indem sie nicht alle für die Legalprognose relevanten Umstände ausgewogen abwäge und ihr den bedingten Strafvollzug verweigere (Beschwerde S. 5-11 Ziff. 11-29).
| 12 |
4.2. Die Vorinstanz erwägt, das Strafgericht habe die Beschwerdeführerin am 5. September 2013 wegen diverser Vermögens- und Urkundendelikte, die sie im Zeitraum ab dem Jahr 2005 begangen habe, verurteilt. In der Folge habe die Beschwerdeführerin darüber hinweg bis ins Jahr 2016 mehrfach, teils mit sehr ähnlichem Verhaltensmuster wie bei den abgeurteilten Straftaten, delinquiert. Dass ihr die neue Arbeitgeberin eine positive Mitarbeiterbeurteilung ausgestellt habe, belege noch keine besonders positive Wandlung der Lebensumstände, zumal sie auch während dieser Anstellung einschlägige Straftaten verübt habe. Darüber hinaus könne selbst die Beschwerdeführerin nicht gänzlich ausschliessen, dass bei einem Verlust der Arbeitsstelle wieder etwas passiere. In Anbetracht dieser Ausführungen, welche sie drei Jahre nach Ausstellung des Therapieverlaufsberichts gemacht habe, relativiere sich die Feststellung in diesem Bericht, wonach ihre Deliktsmotivation wegen der Untersuchungshaft stark gesunken sei. Gegen das Vorliegen besonders günstiger Umstände spreche massgeblich, dass sich die Beschwerdeführerin auch von der mit Urteil vom 5. September 2013 angeordneten Bewährungshilfe resp. Psychotherapie nicht von erneuten, ähnlich gelagerten Delikten habe abhalten lassen. Daran ändere nichts, dass sie vorbringe, seit rund viereinhalb Jahren nicht mehr einschlägig delinquiert zu haben, zumal dieser Dauer eine bedeutend längere Zeit der Straffälligkeit gegenüberstehe. Es könne keine gute Legalprognose gestellt werden. Angesichts der Möglichkeit der Halbgefangenschaft sei im Übrigen nicht ohne Weiteres mit dem Verlust der Arbeitsstelle zu rechnen. Der Vollzug der Freiheitsstrafe von zwölf Monaten sei nicht aufzuschieben (Urteil S. 45 ff. E. 7).
| 13 |
4.3. Art. 41 und Art. 42 StGB wurden im Rahmen der am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Änderung des Sanktionenrechts revidiert. Anders als das alte Recht (vgl. aArt. 41 Abs. 1 und Art. 42 Abs. 1 StGB) sieht das neue Recht auch die kurze bedingte Freiheitsstrafe vor (nArt. 41 Abs. 1 und nArt. 42 Abs. 2 StGB). Da vorliegend nicht eine kurze bedingte Freiheitsstrafe ausgesprochen wurde, sind die revidierten Bestimmungen für die Beschwerdeführerin nicht milder. Insofern ist von der Anwendbarkeit des alten Rechts auszugehen (vgl. Art. 2 Abs. 2 StGB; Urteile 6B_658/2017 vom 30. Januar 2018 E. 1.1; 6B_341/2017 vom 23. Januar 2018 E. 1.1).
| 14 |
Wurde der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Tat zu einer bedingten oder unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder zu einer Geldstrafe von mindestens 180 Tagessätzen verurteilt, so ist der Aufschub einer Geldstrafe, von gemeinnütziger Arbeit oder einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten und höchstens zwei Jahren nur zulässig, wenn besonders günstige Umstände vorliegen (aArt. 42 Abs. 2 StGB).
| 15 |
Unter "besonders günstigen Umständen" sind solche Umstände zu verstehen, die ausschliessen, dass die Vortat die Prognose verschlechtert. Die Gewährung des bedingten bzw. teilbedingten Strafvollzuges ist nur möglich, wenn eine Gesamtwürdigung aller massgebenden Faktoren den Schluss zulässt, dass trotz der Vortat eine begründete Aussicht auf Bewährung besteht. Dabei ist zu prüfen, ob die indizielle Befürchtung durch die besonders günstigen Umstände zumindest kompensiert wird. Anders als beim nicht rückfälligen Täter (aArt. 42 Abs. 1 StGB) ist das Fehlen einer ungünstigen Prognose nicht zu vermuten. Vielmehr kann eine günstige Prognose nur gestellt werden, wenn Umstände vorliegen, die ausschliessen, dass der Rückfall die Prognose verschlechtert. Das trifft etwa zu, wenn die neuerliche Straftat mit der früheren Verurteilung in keinerlei Zusammenhang steht oder bei einer besonders positiven Veränderung in den Lebensumständen des Täters. aArt. 42 Abs. 2 StGB stellt klar, dass der Rückfall für sich den bedingten Strafvollzug nicht ausschliesst (BGE 145 IV 137 E. 2.2 S. 139; 134 IV 1 E. 4.2.3 S. 6 f.; Urteil 6B_1281/2019 vom 6. Juli 2020 E. 1.1.2; je mit Hinweisen). Dem Sachgericht steht bei der Prüfung der Prognose des künftigen Legalverhaltens ein Ermessensspielraum zu. Das Bundesgericht greift nur ein, wenn die Vorinstanz von rechtlich nicht massgebenden Kriterien ausgeht, wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht lässt oder ihr Ermessen über- bzw. unterschreitet oder missbraucht und damit Bundesrecht verletzt (BGE 145 IV 137 E. 2.2 S. 139; 134 IV 140 E. 4.2 S. 142 f.; je mit Hinweis).
| 16 |
4.4. Die Vorinstanz verletzt kein Bundesrecht, wenn sie der Beschwerdeführerin keine besonders günstigen Umstände attestiert und ihr nicht den bedingten Vollzug der Freiheitsstrafe gewährt. Die Beschwerdeführerin vermag mit ihren Vorbringen nicht aufzuzeigen, dass die Vorinstanz das ihr zustehende Ermessen überschreitet, indem sie die Vorstrafen und die erneute Straffälligkeit schwerer gewichtet, als ihre rund fünfjährige Bewährung sowie den Umstand, dass sie in geregelten Verhältnissen lebt. Die Beschwerdeführerin ist einschlägig vorbestraft; zuletzt wurde sie am 5. September 2013 zu einer bedingt vollziehbaren Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Ihr Rückfall schliesst den bedingten Strafvollzug nicht per se aus, allerdings stellt er ein widerlegbares Indiz für die Befürchtung dar, dass die Beschwerdeführerin weitere Straftaten begehen könnte. Der bedingte Strafvollzug könnte ihr somit nur bei einer besonders positiven Veränderung in den Lebensumständen gewährt werden. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz aufgrund der gesamten Umstände erhebliche Bedenken an ihrer Legalbewährung hat.
| 17 |
5. Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
| 18 |
Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
| |
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
| |
3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Schwyz, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
| |
Lausanne, 10. Februar 2021
| |
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
| |
des Schweizerischen Bundesgerichts
| |
Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
| |
Die Gerichtsschreiberin: Pasquini
| |
© 1994-2021 Das Fallrecht (DFR). |