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Informationen zum Dokument  BGer 9C_482/2020  Materielle Begründung
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BGer 9C_482/2020 vom 23.02.2021
 
 
9C_482/2020
 
 
Urteil vom 23. Februar 2021
 
 
II. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Parrino, Präsident,
 
Bundesrichter Stadelmann, Bundesrichterin Glanzmann,
 
Gerichtsschreiberin Oswald.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch ihren Ehemann,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
St. Galler Pensionskasse sgpk,
 
Rosenbergstrasse 52, 9001 St. Gallen,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Berufliche Vorsorge,
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen
 
vom 3. Juli 2020 (BV 2019/4).
 
 
Sachverhalt:
 
A. Die 1965 geborene A.________ ist für die berufliche Vorsorge bei der St. Galler Pensionskasse sgpk versichert. Diese senkte den Umwandlungssatz im Rentenalter 65 per 1. Januar 2019 von 6.4 % auf 5.2 %, wobei sie die Folgen der Senkung für die Jahrgänge 1970 und älter durch gestaffelte Einlagen ins Sparguthaben ("Verstärkungseinlagen") abfederte. Die individuellen Ansprüche ermittelte sie grundsätzlich basierend auf den Sparguthaben per 31. Dezember 2018 in der Grundversicherung. Nicht berücksichtigt wurden Freizügigkeitseinlagen, freiwillige Einkäufe und Rückzahlungen von Vorbezügen für die Wohneigentumsförderung (WEF) nach dem 31. Oktober 2016 (Vorsorgereglement per 1. Januar 2017 Anhang 3; Vorsorgereglement per 1. Januar 2019 Ziff. 79 sowie Anhang 6). A.________ zahlte am 27. Februar 2017 den Betrag von Fr. 100'000.- ein, wovon Fr. 81'431.- auf die Rückzahlung eines Vorbezugs für den Erwerb von Wohneigentum und Fr. 18'569.- auf einen Einkauf aus privaten Mitteln entfielen. Die sgpk erachtete diese Einlagen - da nach dem 31. Oktober 2016 erfolgt - als nicht zuschlagsberechtigt, hingegen sicherte sie auf dem restlichen Sparguthaben von Fr. 147'792.10 per 31. Dezember 2018 eine Verstärkungseinlage von 12 % bzw. Fr. 17'736.- zu (Schreiben vom 8. und 27. März 2019).
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B. Das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen nahm die hiergegen gerichtete Eingabe der Versicherten mit dem Antrag, es sei die ihr zustehende Verstärkungseinlage auf Fr. 46'876.- statt Fr. 17'736.- zu bemessen, als Klage entgegen, die sie mit Entscheid vom 3. Juli 2020 abwies.
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C. A.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, es sei die ihr zustehende Verstärkungseinlage um Fr. 12'224.- zu erhöhen.
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Erwägungen:
 
1. Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann eine Rechtsverletzung nach Art. 95 f. BGG gerügt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Dennoch prüft es - offensichtliche Fehler vorbehalten - nur die in seinem Verfahren gerügten Rechtsmängel (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG) und kann ihre Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Verfahrensausgang entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 und Art. 105 Abs. 2 BGG; BGE 145 V 57 E. 4 S. 61 f.).
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2. Wie bereits im kantonalen Verfahren ist der Umfang des Anspruchs der Versicherten auf Verstärkungseinlagen strittig.
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2.1. Gemäss klarem Wortlaut des Vorsorgereglements der Beschwerdegegnerin sowohl in der ab 1. Januar 2017 als auch in der ab 1. Januar 2019 geltenden Version wird ein Anspruch auf Verstärkungseinlage auf nach dem 31. Oktober 2016 getätigten Freizügigkeitseinlagen, freiwilligen Einkäufen und Rückzahlungen von WEF-Vorbezügen ausgeschlossen (Vorsorgereglement per 1. Januar 2017 Anhang 3; Vorsorgereglement per 1. Januar 2019 Ziff. 79 sowie Anhang 6). Strittig und zu prüfen ist einzig die Rechtmässigkeit dieser Regelung im Falle der Beschwerdeführerin.
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2.2. Die Versicherte stellt sich auf den Standpunkt, die sgpk hätte ihr die Verstärkungseinlage von 12 % nicht nur auf dem Betrag von Fr. 147'792.10, sondern zusätzlich auch auf dem am 22. Februar 2017 eingelegten Betrag von Fr. 100'000.- (bzw. inkl. Verzinsung bis 31. Dezember 2018 Fr. 101'866.90) gewähren müssen. Ihrer Auffassung nach verstösst der reglementarische Ausschluss von nach dem 31. Oktober 2016 getätigten Rückzahlungen von WEF-Vorbezügen und freiwilligen Einlagen gegen die Art. 30d und 30e BVG, gegen das Gebot der Gleichbehandlung von Versicherten sowie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz von Art. 8 BV.
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3.
 
3.1. Die Vorinstanz stellte fest, der Stiftungsrat habe die dargestellten flankierenden Massnahmen am 16. Dezember 2016 beschlossen und bereits in Form des Vorsorgereglements gültig per 1. Januar 2017 bekannt gegeben. Erst nach ihrem Bekanntwerden habe die Versicherte den WEF-Vorbezug zurückgezahlt. Sie erwog im Wesentlichen, es bestehe kein wohlerworbenes Recht an einem fixen zukünftigen Altersrentenbetrag. Die reglementarische Regelung verletze weder das Gebot der Gleichbehandlung von Versicherten gemäss Art. 1 Abs. 3 BVG i.V.m. Art. 1f BVV 2 noch den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz von Art. 8 BV. Dabei stellte sie entscheidend darauf ab, dass im Zeitpunkt der strittigen Rück- und Einzahlung - nach Bekanntwerden des Stiftungsratsbeschlusses vom 16. Dezember 2016 - die Erwartungshaltung der Versicherten nicht mehr auf den früheren, höheren Umwandlungssatz gerichtet sein konnte.
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3.2. Was die Beschwerdeführerin hiergegen vorbringt, verfängt nicht:
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3.2.1. Soweit sie behauptet, erst nach erfolgter Einzahlung von den flankierenden Massnahmen erfahren zu haben, vermag sie die gegenteilige Feststellung des kantonalen Gerichts nicht als offensichtlich unrichtig erscheinen zu lassen. Aktenkundig hat sie selber mit Replik vor Vorinstanz auf eine "andere Versicherteninformation 2017" verwiesen, deren Erhalt vor Tätigung der strittigen Einzahlung sie zumindest implizit anerkannte. Aus dieser gehen sowohl die Senkung des Umwandlungssatzes als auch - jedenfalls dem Grundsatz nach - der Beschluss flankierender Massnahmen ohne Weiteres hervor. Angesichts dessen hat das Versicherungsgericht den massgeblichen Sachverhalt willkürfrei festgestellt und bindet damit das Bundesgericht (oben E. 1).
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3.2.2. Die Versicherte verkennt sodann, dass hinter der getroffenen Regelung offenkundig das Bestreben steckt, die Verstärkungseinlagen nur denjenigen versicherten Personen zukommen zu lassen, die von der Senkung des Umwandlungssatzes tatsächlich in ihren bisherigen Rentenerwartungen enttäuscht werden, ohne dass ihnen hinreichend Zeit verbliebe, das erwartete Leistungsniveau mit höheren Beiträgen zu erhalten. Damit wird dem Grundsatz Rechnung getragen, dass (freie) Mittel rechtsprechungsgemäss primär zur Erreichung des Vorsorgezwecks einzusetzen sind (etwa: Urteil 9C_84/2019 vom 5. November 2019 E. 5.3 mit Hinweisen). Gleichzeitig liegt auf der Hand, dass verhindert werden sollte, dass Versicherte durch gezielte Einlagen zwischen Bekanntwerden der flankierenden Massnahmen und Stichtag ihre Ansprüche auf Verstärkungseinlagen hätten optimieren können (vgl. auch Urteil des Eidgenössischen Versicherungsgerichts B 79/03 vom 13. August 2004, dem ein ähnlicher Mechanismus zugrunde lag: Ausschluss der freiwilligen Einlagen für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 2001 bei Stichtag am 1. Januar 2002). Angesichts des offensichtlichen, sachlichen Grundes für die von der sgpk gewählte Ausgestaltung ist die Vorinstanz denn auch - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - nicht in Willkür verfallen, indem sie diesbezüglich keine weiteren Abklärungen getroffen hat.
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3.2.3.
 
3.2.3.1. Die Beschwerdeführerin hat mit dem getätigten WEF-Vorbezug Vorsorgeguthaben aus der Vorsorgeeinrichtung herausgelöst, was zu einer entsprechenden Kürzung ihrer Ansprüche gegenüber dieser führte (Art. 331e Abs. 4 OR). Im Umfang des Vorbezugs entzog sie Guthaben, dessen Höhe weder vom Umwandlungssatz noch vom technischen Zinssatz abhing, den Wirkungen späterer Nachteile durch Senkung des Umwandlungssatzes (vgl. dazu, dass mit einem Kapitalbezug der bisherige versicherungsrechtliche Leistungsstatus bei Umwandlungssatzsenkung gewahrt wird BGE 133 V 279 E. 3.3 i.f. S. 286). Dass sie im Februar 2017 verpflichtet gewesen wäre, den vorbezogenen Betrag zurückzuzahlen (etwa: wegen Veräusserung des damit finanzierten Wohneigentums, vgl. Art. 30d Abs. 1 BVG) macht die Versicherte weder geltend noch ist es ersichtlich. Ob die getroffene Regelung auch in einem solchen Fall gesetzeskonform wäre, kann deshalb offen bleiben.
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3.2.3.2. Aus den Art. 30d und 30e BVG geht (u.a.) hervor, dass grundsätzlich bezüglich der zum Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum vorbezogenen Gelder bis zur Entstehung des reglementarischen Anspruchs auf Altersleistungen, bis zum Eintritt eines Vorsorgefalles oder bis zur Barauszahlung ein Rückzahlungsrecht besteht. Damit lebt der vormalige Vorsorgeschutz wieder auf bzw. wird die versicherte Person in ihre vorsorgerechtlichen Anwartschaften restituiert (vgl. HANS-ULRICH STAUFFER, in: BVG und FZG, Bundesgesetze über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung sowie über die Freizügigkeit in der beruflichen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, 2010, N. 9 und 13 zu Art. 30d BVG). Die vorgeschriebene Restitution bezieht sich auf die reglementarischen Leistungen und bietet keinen Schutz vor deren künftiger Verschlechterung.
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3.2.3.3. Hat die hier am Recht stehende Versicherte die Rückzahlung ihres WEF-Vorbezugs nach Bekanntwerden des künftig tieferen Umwandlungssatzes freiwillig vorgenommen (Art. 30d Abs. 2 und 30e Abs. 6 BVG), kann keine Rede davon sein, dass sie in ihrer Rentenerwartung bezüglich des zurückbezahlten Betrags enttäuscht worden ist, konnte sich diese doch zum Vornherein nur auf den in diesem Zeitpunkt bereits bekannten, tieferen Umwandlungssatz beziehen. Eine gesetz- oder verfassungswidrige Ungleichbehandlung ist demnach nicht ersichtlich.
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3.2.4. Was den Einkauf aus privaten Mitteln angeht, gilt ebenfalls: Da dieser erst nach Bekanntwerden der Senkung des Umwandlungssatzes erfolgte, wurde die Beschwerdeführerin nicht in ihren Rentenerwartungen bezüglich des eingebrachten Kapitals enttäuscht, weshalb es sachgerecht ist, dass sie darauf keine Verstärkungseinlage erhalten hat. Eine gesetz- oder verfassungswidrige Ungleichbehandlung vermag die Versicherte auch mit ihren Ausführungen zur Situation als Erziehende, die ihr erwerbliches Pensum zugunsten ihrer drei Kinder lange Zeit reduziert hat, nicht darzutun. Dass sich diese Lebensgestaltung auf ihre Ansprüche in der beruflichen Vorsorge auswirkt, vermag keine Privilegierung im Rahmen von Sanierungsmassnahmen zur Beseitigung einer Unterdeckung zu rechtfertigen. Nichts anderes verlangt sie aber, wenn sie geltend macht, es sei ihr auf nach Kenntnis des künftig tieferen Umwandlungssatzes vorgenommenen Einkäufen eine Verstärkungseinlage zu gewähren.
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3.2.5. Insgesamt zielt die getroffene Regelung grundsätzlich sachgerecht darauf ab, soweit möglich die Verstärkungseinlagen denjenigen Versicherten zukommen zu lassen, die von der Senkung des Umwandlungssatzes in ihren Rentenerwartungen betroffen sind. Gleichzeitig wurde damit - ebenfalls sachgemäss - verhindert, dass Versicherte durch Verschiebung von Vermögen in die Vorsorgeeinrichtung zwischen Ankündigung der flankierenden Massnahmen und per 31. Dezember 2018 angesetztem Stichtag die freien Mittel der Stiftung in unvorhersehbarem und unsachgemässem Umfang belasten konnten indem sie mit zusätzlichen Einlagen ihren Anspruch auf Verstärkungseinlagen (von je nach Jahrgang zwischen 2 % und 22 %) optimiert hätten, was nicht dem sozialpolitischen Zweck des Erhalts des Vorsorgeschutzes entsprochen hätte.
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3.3. Die Ausgestaltung des Anspruchs auf Verstärkungseinlagen gemäss Vorsorgereglement der sgpk per 1. Januar 2017 (Anhang 3) bzw. per 1. Januar 2019 (Ziff. 79) ist nach dem Gesagten im konkreten Fall nicht zu beanstanden. Dass die Vorinstanz den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Anspruch auf weitergehende Verstärkungseinlagen abgewiesen hat, verstösst nicht gegen Bundesrecht.
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4. Die Versicherte beantragt gestützt auf Art. 66 Abs. 1 BGG, es sei auf eine Kostenauflage zu verzichten, da sie eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen habe. Derlei ist indes nicht ersichtlich (vgl. vorstehend E. 3). Als unterliegende Partei trägt sie demnach die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 Satz 1 BGG). Die obsiegende Beschwerdegegnerin hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 68 Abs. 3 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 2000.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, Abteilung III, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 23. Februar 2021
 
Im Namen der II. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Parrino
 
Die Gerichtsschreiberin: Oswald
 
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