BGer 2C_251/2021 | |||
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BGer 2C_251/2021 vom 24.03.2021 |
2C_251/2021 |
Urteil vom 24. März 2021 |
II. öffentlich-rechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Seiler, Präsident,
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Bundesrichterinnen Aubry Girardin, Hänni,
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Gerichtsschreiber A. Brunner.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________, Nassau, Bahamas,
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Beschwerdeführerin, vertreten durch Peter J. Merz, und Dr. Marcel R. Jung Rechtsanwälte, Froriep Legal AG,
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gegen
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Eidgenössische Steuerverwaltung, Dienst für Informationsaustausch in Steuersachen SEI.
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Gegenstand
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Amtshilfe DBA (CH-IN),
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Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I,
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vom 3. März 2021 (A-672/2020).
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Erwägungen: |
1. | |
1.1. Am 27. Januar 2016 (bzw. 23. Juli 2019) ersuchte die indische Steuerverwaltung (Ministry of Finance; MoF) die Eidgenössische Steuerverwaltung (ESTV) gestützt auf Art. 26 des Abkommens vom 2. November 1994 zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und der Republik Indien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (DBA CH-IN; SR 0.672.942.31) um die amtshilfeweise Übermittlung verschiedener näher bezeichneter Informationen zur Besteuerung von B.________. Das Amtshilfeersuchen bezweckt die Festsetzung der Einkommenssteuern für den Zeitraum vom 1. April 2009 bis zum 31. März 2015. Ersucht wird namentlich um Informationen zu einer Kontenbeziehung, welche die A.________ Limited (mit Sitz auf den Bahamas) bei der E.________ AG führt. Hintergrund bildet ein Darlehen, das die A.________ Ltd. der von B.________ (mit-) kontrollierten Gesellschaft C.________ (mit Sitz in U.________) gewährt hat; es besteht insbesondere der Verdacht, dass die Mittel für dieses Darlehen aus nicht deklariertem Einkommen B.________s stammen könnten.
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1.2. Mit Schlussverfügung vom 31. Dezember 2019 erklärte die ESTV, dem indischen Ministry of Finance die anbegehrte Amtshilfe für die Zeit ab dem 1. April 2011 leisten zu wollen.
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Mit Urteil vom 3. März 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht eine von der A.________ Limited gegen diese Schlussverfügung erhobene Beschwerde ab, hielt die Vorinstanz jedoch an, das indische Ministry of Finance darauf hinzuweisen, dass die im Rahmen des vorliegenden Amtshilfeverfahrens zu übermittelnden Informationen gemäss Art. 26 Abs. 2 DBA CH-IN nur in Verfahren betreffend B.________ verwendet werden dürften.
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1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 18. März 2021 ficht die A.________ Limited das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. März 2021 beim Bundesgericht an.
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2. Gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Amtshilfe in Steuersachen ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder wenn es sich aus anderen Gründen um einen besonders bedeutenden Fall im Sinne von Art. 84 Abs. 2 BGG handelt (Art. 84a BGG). Ist eine Beschwerde nur unter der Voraussetzung zulässig, dass sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder aus anderen Gründen ein besonders bedeutender Fall vorliegt, so ist in der Beschwerdeschrift in gedrängter Form darzulegen, warum die jeweilige Voraussetzung erfüllt ist (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 139 II 404 E. 1.3 S. 410).
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3. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, vorliegend stellten sich gleich fünf Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung. Zu klären sei erstens, ob die ESTV "auf ein Ergänzungsersuchen bzw. auf ein zweites Amtshilfeersuchen bzw. auf ein informelles Wiedererwägungsersuchen eines Staates eintreten [dürfe], das die gleiche betroffene Person, den gleichen Sachverhalt, die gleiche konkrete Frage und die gleichen ersuchten Informationen [wie ein erstes Amtshilfeersuchen] zum Gegenstand [habe], das im einfache[n] Verfahren nach Art. 16 StAhiG abgeschlossen [worden sei] und [in dem] die ESTV die Amtshilfe teilweise verweigert [habe]"; zu beantworten sei zweitens, ob es "im Ermessen der ESTV [stehe], über die von einem Staat im Amtshilfeersuchen festgehaltenen konkreten Fragen, die sich auf die betroffene Person beziehen [würden], hinauszugehen und die konkreten Fragen gestützt auf den im Amtshilfeersuchen umschriebenen allgemeinen Sachverhalt zu verallgemeinern und die Voraussetzung des Verbots der Beweisausforschung gemäss Art. 26 Abs. 1 OECD-MA in allgemeiner Weise im Lichte des im Amtshilfeersuchen[s] umschriebenen allgemeinen Sachverhalts zu prüfen"; zu prüfen sei drittens, ob "ein Amtshilfeersuchen eines Staates, mit dem der Austausch der vollständigen Auszüge eines Schweizer Bankkontos einer ausländischen Gruppengesellschaft, die zu einem schweizerischen Finanzdienstleistungsunternehmen gehört, und die Geschäftsbeziehungen mit Kunden in Asien Afrika und Europa unterhält, und das Schweizer Bankkonto möglicherweise zu einer nicht konkret identifizierten Gruppe im Zusammenhang steht, deren Mitglieder in Indien steuerpflichtig sind, ersucht w[erde], eine unzulässige Beweisausforschung gemäss Art. 26 Abs. 1 OECD-MA dar[stelle]" und somit "gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit" verstosse. Viertens sei die Rechtsfrage zu klären, ob die "persönliche Dimension des Spezialitätsprinzips ein Rechtfertigungsgrund zur Gewährung eines Amtshilfeersuchens eines Staates [sei], wenn das Amtshilfeersuchen gegen das Verbot der Beweisausforschung gemäss Art. 26 Abs. 1 OECD-MA verst[osse]". Und schliesslich sei fünftens der Frage nachzugehen, ob das "Spezialitätenprinzip [recte: Spezialitätsprinzip] gemäss Art. 26 Abs. 2 OECD-MA nach Schweizer Auffassung voraus[setze], dass die ESTV vom ersuchenden Staat eine ausdrückliche Bestätigung verlangen m[üsse], wonach der ersuchende Staat gegenüber der Schweiz bestätig[e], dass die im Rahmen des Amtshilfeverfahrens zu übermittelnden Informationen nur in Verfahren gegen die betroffene Person verwendet werden dürf[t]en, und das Amtshilfeersuchen vollumfänglich zu verweigern [sei], wenn der ausländische Staat dieser Aufforderung keine Folge leiste".
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4. | |
4.1. Der ersten von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Rechtsfrage (vgl. E. 3 hiervor) liegt in tatsächlicher Hinsicht die Annahme zugrunde, dass die ESTV ein Amtshilfeersuchen Indiens, das die gleiche Person, den gleichen Sachverhalt, die gleiche Frage und die gleichen Informationen zum Gegenstand gehabt habe, am 3. Februar 2017 im vereinfachten Verfahren nach Art. 16 StAhiG erledigt haben soll. Eine solche Feststellung ist dem angefochtenen Urteil allerdings nicht zu entnehmen, und die Beschwerdeführerin macht auch nicht geltend, dass die Vorinstanz in dieser Hinsicht den Sachverhalt unvollständig festgestellt hätte (Art. 105 Abs. 2 BGG). Ferner behauptet die Beschwerdeführerin nicht, dass erst der angefochtene Entscheid Anlass geboten hätte, die erwähnte Tatsache in das Verfahren einzubringen (Art. 99 Abs. 1 BGG). Die erste in der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage stützt sich damit auf Tatsachen ab, die das Bundesgericht nicht berücksichtigen kann (Art. 99 Abs. 1 BGG); sie ist einer Überprüfung durch das Bundesgericht nicht zugänglich (vgl. Urteil 2C_1196/ 2013 vom 21. Februar 2013 E. 1.7).
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4.2. Bezüglich der weiteren in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen ist vorab darauf hinzuweisen, dass auf den vorliegenden Fall das DBA CH-IN bzw. das Protokoll zum DBA CH-IN zur Anwendung gelangt, und nicht das Musterabkommen der OECD (OECD-MA). Schon in dieser Hinsicht handelt es sich bei den von der Beschwerdeführerin aufgeworfenen Rechtsfragen durchwegs um Fragen, die für die Entscheidung des vorliegenden Falls nicht von Relevanz sein können, und denen insofern auch kein grundsätzlicher Charakter beigemessen werden kann.
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Zu berücksichtigen ist ferner das Folgende:
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4.2.1. Die dritte der in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen bezieht sich in ihrem Kern auf die voraussichtliche Erheblichkeit der ersuchten Informationen; dazu hat sich das Bundesgericht in abstracto schon mehrfach geäussert (BGE 145 II 112 E. 2.2.1; 143 II 185 E. 3.3.2; 142 II 161 E. 2.1.1; 141 II 436 E. 4.4.3). Bezogen auf den vorliegenden Fall ist die Beschwerdeführerin - wie schon im vorinstanzlichen Verfahren - der Auffassung, dass der indischen Steuerverwaltung nicht sämtliche Bewegungen auf dem streitbetroffenen Konto zugänglich gemacht werden müssten, um die Herkunft der Mittel des von der indischen Steuerverwaltung im Ersuchen erwähnten Darlehens zu eruieren. Diesbezüglich erwog die Vorinstanz unter ausdrücklichem Hinweis auf die einschlägige bundesgerichtliche Judikatur (vgl. E. 2.2.1 bis 2.2.6 des angefochtenen Urteils), das indische Ministry of Finance hege die Vermutung, dass B.________ Einkommen nicht versteuert habe und diese Gelder via "various offshore companies situated in different countries" auf das von der Beschwerdeführerin bei der E.________ AG gehaltene Konto geflossen seien; die ersuchten Informationen betreffend das durch die Beschwerdeführerin gehaltene Bankkonto ("account statements" und "bank opening forms") erschienen damit als geeignet, die Einkommensbesteuerung in Indien zu beeinflussen, selbst wenn B.________ gegebenenfalls auf den Kontounterlagen nicht namentlich genannt sei (vgl. E. 3.1.3 des angefochtenen Entscheids). Inwiefern sich aus dieser Würdigung eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ergeben könnte, ist nicht ersichtlich; kein grundsätzlicher Charakter kommt jedenfalls der Rechtsfrage zu, ob die - ausdrücklich in Anwendung bundesgerichtlicher Präjudizien ergangene - Einschätzung der Vorinstanz materiell als zutreffend erscheint (vgl. Urteile 2C_618/2020 vom 12. August 2020 E. 2.1.1; 2C_829/2019 vom 8. Oktober 2019 E. 3.1.2; 2C_588/2018 vom 13. Juli 2018 E. 4.2).
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4.2.2. Unabhängig davon, dass vorliegend in Bezug auf die voraussichtliche Erheblichkeit der einverlangten Informationen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargetan ist (vgl. E. 4.2.1 hiervor), erscheint die Würdigung der Vorinstanz bezüglich der voraussichtlichen Erheblichkeit auch in der Sache als überzeugend. Zwar mag zutreffen, dass ein Teil der über das streitbetroffene Konto abgewickelten Transaktionen nicht in das Darlehen eingeflossen ist, das im indischen Amtshilfeersuchen erwähnt ist; welchem Teil der Transaktionen ein solcher Bezug fehlt, kann allerdings erst eruiert werden, wenn die Mittelflüsse zurückverfolgt werden, wobei die indischen Behörden offenbar explizit davon ausgehen, dass weitere Offshore-Gesellschaften zwischen B.________ und der Beschwerdeführerin stehen. Inwiefern die für die richtige Besteuerung von B.________ erforderliche Rekonstruktion der Mittelflüsse vor diesem Hintergrund möglich sein sollte, ohne dass die indische Steuerverwaltung Einsicht in sämtliche Transaktionen nehmen könnte, die über das streitbetroffene Konto getätigt worden sind, geht aus der Beschwerde nicht hervor. Insofern ist vorliegend weder davon auszugehen, dass die ESTV spontane Amtshilfe leisten wolle, noch kann von einer unzulässigen "fishing expedition" gesprochen werden. Die zweite und die vierte der in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen, die solches voraussetzen, sind damit für die Entscheidung des vorliegenden Falls nicht relevant; daraus kann die Beschwerdeführerin mit Blick auf das Eintreten nichts für sich ableiten (BGE 142 II 161 E. 3 S. 173; Urteil 2C_537/2019 vom 13. Juli 2020 E. 1.2, je m.w.H.).
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4.2.3. Was die letzte in der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage anbelangt, hat das Bundesgericht in BGE 146 II 150 eingehend dargelegt, wie die ESTV vorzugehen hat, wenn sie konkrete Anzeichen dafür erkennt, dass der ersuchende Staat übermittelte Informationen für abkommensfremde Zwecke einsetzen wird (a.a.O., E. 7.5; demnach ist der ersuchte Staat dann aufgrund des völkerrechtlichen Grundsatzes von Treu und Glauben verpflichtet, sich an den ersuchenden Staat zu wenden und diesen anzuhalten, die Einhaltung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen zuzusichern). Die Vorinstanz erkannte im vorliegenden Fall offenbar keine "konkreten Anzeichen" für eine drohende zweckwidrige Verwendung der ersuchten Informationen, und die Beschwerdeführerin legt auch nicht dar, dass die Vorinstanz von solchen Umständen hätte ausgehen müssen. So oder anders erschöpft sich die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Rechtsfrage darin, die Anwendung der Leitsätze von BGE 146 II 150 auf den vorliegenden Einzelfall in Frage zu stellen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist hierin nicht zu erkennen (vgl. E. 4.2.1 hiervor).
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4.3. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist nach den vorstehenden Erwägungen nicht rechtsgenüglich dargetan (vgl. E. 2 hiervor). Dass in anderer Hinsicht ein besonders bedeutender Fall vorliegen könnte, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich damit als unzulässig (Art. 84a BGG). Darauf ist nicht einzutreten (Art. 107 Abs. 3 BGG).
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5. Bei diesem Verfahrensausgang (vgl. E. 4.3 hiervor) sind die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens der Beschwerdeführerin zu überbinden (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 68 Abs. 3 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1. Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.
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2. Die Verfahrenskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 24. März 2021
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Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Seiler
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Der Gerichtsschreiber: Brunner
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