VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 8C_724/2020  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 28.04.2021, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 8C_724/2020 vom 07.04.2021
 
 
8C_724/2020
 
 
Urteil vom 7. April 2021
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichter Wirthlin, Bundesrichterin Viscione,
 
Gerichtsschreiberin Durizzo.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Zimmermann,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Aargau,
 
Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
 
Beschwerdegegnerin,
 
Pensionskasse B.________.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Invalidenrente; Revision),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau
 
vom 14. Oktober 2020 (VBE.2020.217).
 
 
Sachverhalt:
 
A. A.________, geboren 1969, war seit September 1989 bei der Firma B.________ als Monteurin im Vollzeitpensum beschäftigt. Im Januar 2002 meldete sie sich bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Gemäss den Berichten der behandelnden Ärzte litt sie an Rücken- und psychischen Beschwerden. Am 20. November 2003 sprach ihr die IV-Stelle des Kantons Aargau ab 1. März 2002 eine halbe und ab 1. Juni 2002 eine ganze Invalidenrente zu. Der Rentenanspruch wurde am 21. Dezember 2004, 21. August 2007 und 21. Dezember 2009 bestätigt.
1
Im Mai 2012 leitete die IV-Stelle eine weitere Revision ein. Sie holte ein Gutachten des Schweizerischen Zentrums für medizinische Abklärungen und Beratungen SMAB, Bern, vom 21. Februar 2013 mit psychiatrischer und orthopädischer Untersuchung ein. Nach der Stellungnahme durch den Regionalen Ärztlichen Dienst (RAD) vom 15. April 2013 liess sie sich über den weiteren Verlauf Bericht erstatten durch den Hausarzt. In der Folge ordnete sie eine erneute Begutachtung durch Dres. med. C.________, Innere Medizin und Rheumaerkrankungen FMH, und D.________, Psychiatrie und Psychotherapie FMH, an (Gutachten vom 15. Oktober 2019). Mit Verfügung vom 26. März 2020 hob sie den Rentenanspruch auf.
2
B. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 14. Oktober 2020 ab.
3
C. A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihr auch weiterhin die bisherige Invalidenrente zuzusprechen, eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen zu weiteren Abklärungen.
4
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen verzichtet auf eine Vernehmlassung.
5
 
Erwägungen:
 
1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1 S. 236 mit Hinweisen).
6
2. Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die von der IV-Stelle verfügte Aufhebung des Rentenanspruchs zufolge erheblicher Verbesserung des Gesundheitszustandes seit der ursprünglichen Rentenzusprechung am 20. November 2003 bestätigte.
7
3. Das kantonale Gericht hat die Bestimmung und die Grundsätze über die Rentenrevision, insbesondere auch zu den Vergleichszeitpunkten, zutreffend dargelegt (Art. 17 Abs. 1 ATSG; BGE 134 V 131 E. 3 S. 132; 133 V 108 E. 5.3.1 S. 112; 130 V 71). Anzufügen ist, dass der Rentenanspruch bei gegebenem Revisionsgrund in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend ("allseitig") neu zu prüfen ist (BGE 141 V 9 E. 2.3 S. 11). Richtig wiedergegeben werden im angefochtenen Entscheid die Regeln zum Beweiswert von ärztlichen Berichten im Allgemeinen (BGE 134 V 231 E. 5.1 S. 232; 125 V 351 E. 3a S. 352) und von versicherungsexternen Gutachten im Besonderen (BGE 137 V 210 E. 1.3.4 S. 227; 135 V 465 E. 4.4 S. 470; 125 V 351 E. 3b/bb S. 353). Zu ergänzen ist diesbezüglich, dass es die unterschiedliche Natur von Behandlungsauftrag der therapeutisch tätigen (Fach-) Person einerseits und Begutachtungsauftrag des amtlich bestellten fachmedizinischen Experten anderseits (BGE 124 I 170 E. 4 S. 175) rechtsprechungsgemäss nicht zulässt, ein Administrativ- oder Gerichtsgutachten stets in Frage zu stellen und zum Anlass weiterer Abklärungen zu nehmen, wenn die behandelnden Arztpersonen beziehungsweise Therapiekräfte zu anderslautenden Einschätzungen gelangen (BGE 135 V 465 E. 4.5 S. 470; 125 V 351 E. 3b/cc S. 353; SVR 2017 IV Nr. 7 S. 19, 9C_793/2015 E. 4.1; Urteile 8C_630/2020 vom 28. Januar 2021 E. 4.2.1; 8C_370/2020 vom 15. Oktober 2020 E. 7.2).
8
4. Die Vorinstanz stellte gestützt auf das Gutachten der Dres. med. C.________ und D.________ fest, dass sich der Gesundheitszustand seit der ursprünglichen Rentenverfügung vom 20. November 2003 erheblich verbessert habe. Die Rentenzusprechung sei damals wegen der psychischen Problematik erfolgt. Es habe sich dabei gemäss Gutachten um eine depressive Reaktion auf den tragischen Tod des Ehemanns der Beschwerdeführerin im Jahr 1997 gehandelt, die später in eine mild verlaufende affektive Problematik übergegangen sei. Depressive Symptome seien heute nicht mehr gegeben. Sowohl aus psychiatrischer wie auch aus rheumatologischer Sicht sei die Beschwerdeführerin in der angestammten oder einer anderen angepassten Tätigkeit voll arbeitsfähig. An der gutachtlichen Einschätzung könne der von der Beschwerdeführerin eingereichte Bericht ihres Hausarztes vom 30. Dezember 2019 mit Bedenken aus rheumatologischer Sicht nichts ändern, zumal die Experten zu den entsprechenden Einwänden ausdrücklich Stellung genommen, eine entzündliche Erkrankung jedoch ausgeschlossen hätten.
9
Die Beschwerdeführerin erneuert ihren Einwand, dass es an einem Revisionsgrund fehle. Die Gutachter Dres. med. C.________ und D.________ zeigten nicht auf, inwiefern sich der Gesundheitszustand seit der ursprünglichen Rentenzusprechung verändert habe, sondern nähmen lediglich eine abweichende Einschätzung eines gleichgebliebenen Sachverhalts vor. Insbesondere sei seit der letzten Begutachtung im Jahr 2013 durch die SMAB keine rentenerhebliche Veränderung eingetreten. Damals sei die Arbeitsfähigkeit noch erheblich eingeschränkt gewesen und es habe weiterhin Anspruch auf eine ganze Rente bestanden. Die vorinstanzliche Beweiswürdigung mit Schlussfolgerung auf die Wiederherstellung einer vollen Arbeitsfähigkeit unter Verzicht auf weitere Abklärungen sei willkürlich.
10
 
5.
 
5.1. Der vorinstanzliche Entscheid beruht hinsichtlich der Frage des Revisionsgrunds auf der Annahme, dass die ursprüngliche Rentenzusprechung im Jahr 2003 zufolge einer damals vorliegenden psychischen Problematik erfolgt sei und dass sich in dieser Hinsicht bis zur Rentenaufhebung mit Verfügung vom 26. März 2020 eine erhebliche Verbesserung eingestellt habe. Inwiefern die Vorinstanz diesbezüglich offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellungen getroffen hätte, ist nicht erkennbar. So hatte der RAD in seiner Einschätzung vom 30. April 2003 festgehalten, die Rheumaklinik des Spitals E.________ habe im Frühjahr 2002 eine volle Arbeitsfähigkeit attestiert. Danach sei eine depressive Symptomatik in den Vordergrund getreten und habe eine Überweisung an die psychiatrische Klinik erforderlich gemacht. Die fehlende Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin gehe auf die psychische Krankheit zurück. Ebenfalls nicht offensichtlich unrichtig ist der vorinstanzliche Entscheid auch insoweit, als damit für den Zeitpunkt der Rentenaufhebung eine zwischenzeitlich eingetretene erhebliche Verbesserung dieser psychischen Problematik angenommen wurde. Bereits aus dem SMAB-Gutachten vom 21. Februar 2013 geht ausdrücklich hervor, dass eine psychische Erkrankung mit einem erheblichen Schweregrad, wie vom RAD noch im April 2003 festgestellt, nicht mehr vorliege. Der RAD bestätigte in seiner Beurteilung vom 28. März 2019 eine diesbezügliche Verbesserung gestützt auf das SMAB-Gutachten, empfahl indessen wegen der zwischenzeitlich eingegangenen Berichte eine Verlaufsbegutachtung. Eine Verbesserung bescheinigte schliesslich auch Dr. med. D.________ anlässlich seiner Exploration im Oktober 2019.
11
5.2. Mit ihrer Argumentation, das Gutachten der Dres. med. C.________ und D.________ vermöge hinsichtlich der im Revisionsverfahren nachzuweisenden Veränderung seit der ursprünglichen Rentenzusprechung im Jahr 2003 nicht zu genügen, weil die Verfasser nur auf die SMAB-Einschätzung von 2013 Bezug genommen und die seitherige Entwicklung aufgezeigt hätten, dringt die Beschwerdeführerin nicht durch. Nach den vorinstanzlichen Feststellungen, die wenigstens insoweit unbestritten geblieben sind, war gemäss dem damals erstatteten SMAB-Gutachten bereits im Februar 2013 jedenfalls eine deutliche ("tragfähige") Verbesserung der Arbeitsfähigkeit eingetreten. Die Beschwerdeführerin macht weiter geltend, damals habe noch Anspruch auf eine ganze Invalidenrente bestanden. Dies trifft nur insoweit zu, als das Revisionsverfahren nach der SMAB-Begutachtung noch nicht abgeschlossen, der Rentenanspruch damals also insbesondere auch nicht herabgesetzt wurde. Für das Bundesgericht steht damit gestützt auf die vorinstanzlichen Feststellungen verbindlich fest, dass bereits im Jahr 2013 eine erhebliche Veränderung eingetreten war und dass sich der Gesundheitszustand in der Folge weiter verbesserte. Die vorinstanzliche Schlussfolgerung, ein Revisionsgrund sei angesichts der erheblichen Verbesserung des psychischen Gesundheitszustandes im Zeitraum zwischen der ursprünglichen Rentenzusprechung im Jahr 2003 und der im März 2020 verfügten Rentenaufhebung gegeben, ist nicht zu beanstanden.
12
5.3. Unter dieser Voraussetzung schritt die Vorinstanz zu Recht zu einer umfassenden Neuprüfung des Rentenanspruchs für den Zeitpunkt der hier angefochtenen Verfügung vom 26. März 2020 (oben E. 3). Dass die Vorinstanz dabei gestützt auf das aktuelle Gutachten offensichtlich unrichtig oder unter Verletzung von Bundesrecht auf die Wiedererlangung einer vollständigen Arbeitsfähigkeit geschlossen hätte, lässt sich nicht ersehen. Dies gilt insbesondere insoweit, als beschwerdeweise geltend gemacht wird, das kantonale Gericht habe die Widersprüchlichkeit zwischen den beiden Gutachten hinsichtlich des Umfangs der Arbeitsfähigkeit zu Unrecht unberücksichtigt gelassen. Daran kann nichts ändern, dass die SMAB-Gutachter damals eine lediglich schrittweise Rückkehr ins Arbeitsleben unter verhaltenstherapeutischer Begleitung empfahlen, zumal auch nach ihrer Einschätzung die Wiedererlangung einer 100%igen Arbeitsfähigkeit zu erwarten war. Den Anspruch auf berufliche Massnahmen zur Wiedereingliederung nach langjähriger Absenz vom Arbeitsmarkt hat die IV-Stelle separat geprüft (Vorbescheid vom 26. März 2020). Die Frage ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, zumal sich die Beschwerdeführerin dazu nicht äussert.
13
5.4. Zusammengefasst ist die vorinstanzliche Bestätigung der Aufhebung des Rentenanspruchs nicht zu beanstanden.
14
6. Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 Abs. 1 BGG). Die Gerichtskosten werden dem unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
15
 
 Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Parteien, der Pensionskasse B.________, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 7. April 2021
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo
 
© 1994-2021 Das Fallrecht (DFR).