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Informationen zum Dokument  BGer 2C_787/2020  Materielle Begründung
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BGer 2C_787/2020 vom 29.04.2021
 
 
2C_787/2020
 
 
Urteil vom 29. April 2021
 
 
II. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Seiler, Präsident,
 
Bundesrichter Donzallaz, Beusch,
 
Gerichtsschreiber Businger.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführerin,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Patrik Gruber,
 
gegen
 
Kanton Zürich,
 
vertreten durch die Finanzdirektion.
 
Gegenstand
 
Staatshaftung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, vom 14. August 2020 (LB200022-O/U).
 
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. A.________ wurde am 7. Dezember 1995 wegen Mordes vom Obergericht des Kantons Zürich zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Sie verbüsste die Strafe ab dem 5. Oktober 1994. Am 5. Juli 2015 wurde sie bedingt aus dem Strafvollzug entlassen. Heute bezieht sie eine IV-Rente. Sie leidet nach eigenen Angaben wegen des Strafvollzugs an einer Panikstörung, posttraumatischen Belastungsstörung, an paranoider Schizophrenie und einer emotionalen instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ.
 
1.2. Am 12. Januar 2018 stellte A.________ wegen ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigung ein Staatshaftungsbegehren gegen den Kanton Zürich. Die Finanzdirektion des Kantons Zürich lehnte das Begehren am 15. März 2018 ab. Die daraufhin am 22. März 2019 erhobene Staatshaftungsklage wies das Bezirksgericht Meilen am 30. März 2020 ab, weil die Klagefrist abgelaufen und der Anspruch verjährt sei. Diesen Entscheid bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 14. August 2020.
 
1.3. Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 18. September 2020 beantragt A.________ dem Bundesgericht, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils sei festzustellen, dass die Klage fristgerecht eingereicht worden und die Forderung nicht verjährt sei. Die Sache sei deshalb zur materiellen Beurteilung an das Bezirksgericht Meilen zurückzuweisen. Das Bundesgericht hat keine Instruktionsmassnahmen verfügt.
 
2. Die Beschwerdeführerin fordert vom Kanton Zürich Fr. 678'938.-- nebst Zins zu 5 % seit dem 1. Juli 2015 aus Staatshaftung. Die Streitwertgrenze von Art. 85 Abs. 1 lit. a BGG wird damit erreicht und die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (Art. 82 lit. a, Art. 83 e contrario, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 89 Abs. 1 sowie Art. 90 BGG).
 
 
3.
 
3.1. Zwischen den Parteien ist unbestritten, dass der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin die Ablehnung des Staatshaftungsbegehrens durch die Finanzdirektion am 21. März 2018 in Empfang nahm und am 22. März 2019 die Staatshaftungsklage beim Bezirksgericht einreichte. Streitig ist, ob damit die einjährige Frist gemäss § 24 Abs. 2 des Haftungsgesetzes (des Kantons Zürich) vom 14. September 1969 (HaftG/ZH; LS 170.1) gewahrt wurde. Es geht folglich um die Anwendung von kantonalem Recht, das vom Bundesgericht nur auf Willkür und Vereinbarkeit mit anderen verfassungsmässigen Rechten überprüft werden kann (BGE 141 I 105 E. 3.3.1). Entsprechende Rügen müssen in der Beschwerde vorgebracht und begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG).
 
3.2. Eine willkürliche Anwendung kantonalen Rechts liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch dessen Ergebnis unhaltbar ist. Dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar als zutreffender erscheinen mag, genügt nicht (BGE 141 I 70 E. 2.2; 140 III 167 E. 2.1).
 
 
4.
 
4.1. Das Obergericht hat erwogen, § 24 Abs. 2 HaftG/ZH sei als materiell-rechtliche Verjährungsfrist und nicht als prozessuale Frist zu qualifizieren. Kraft des Verweises in § 29 HaftG/ZH sei für die Fristberechnung das Obligationenrecht massgebend; eine analoge Anwendung von Art. 142 ff. ZPO falle ausser Betracht. Die Frist berechne sich folglich nach Art. 132 Abs. 1 und Art. 77 OR. Die einjährige Verjährungsfrist habe am 21. März 2018 zu laufen begonnen, wobei dieser Tag nicht mitgezählt werde, und am 21. März 2019 geendet. Der Beschwerdeführerin habe folglich genau ein volles Jahr zur Klageerhebung zur Verfügung gestanden - vom 22. März 2018 bis zum 21. März 2019. Die am 22. März 2019 erhobene Klage sei deshalb um einen Tag verspätet eingereicht worden (vgl. E. 2.3 ff. des angefochtenen Urteils).
 
4.2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, das Obergericht habe das kantonale Recht willkürlich angewendet. Im Staatshaftungsverfahren komme die Zivilprozessordnung aufgrund des Verweises in § 19 Abs. 1 lit. a HaftG/ZH als subsidiäres kantonales Recht zur Anwendung. Das Vorverfahren gemäss § 22 HaftG/ZH ersetze das sonst im Zivilprozessrecht übliche Schlichtungsverfahren. Die Frist in § 24 Abs. 2 HaftG/ZH sei deshalb als (prozessuale) Prosequierungsfrist zu qualifizieren, die bereits zum Klageverfahren gehöre und deshalb nach Art. 142 Abs. 1 und 2 ZPO berechnet werden müsse.
 
 
5.
 
5.1. Der hier streitige § 24 Abs. 2 HaftG/ZH lautet wie folgt:
 
"Bestreitet die zuständige Behörde den Anspruch, so hat der Geschädigte innert der Verjährungsfrist von einem Jahr, von der Mitteilung an gerechnet, Klage beim zuständigen Gericht einzureichen."
 
5.2. Sowohl das Bundesgesetz vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit des Bundes sowie seiner Behördenmitglieder und Beamten (Verantwortlichkeitsgesetz; VG; SR 170.32) wie auch verschiedene kantonale Haftungsgesetze enthalten eine mit § 24 Abs. 2 HaftG/ZH vergleichbare Bestimmung, die nach Durchführung eines Vorverfahrens eine Frist zur Klageeinreichung vorsieht (vgl. Art. 20 Abs. 3 VG). Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung dient die Befristung des Klagerechts der Rechtssicherheit. Hat der Geschädigte dem Gemeinwesen seine Forderung unterbreitet und hat dieses dazu Stellung genommen, so soll innert nützlicher Frist verbindlich über das Bestehen des Schadenersatzanspruchs befunden bzw. ein entsprechendes Verfahren eingeleitet werden. Damit wird vermieden, dass - nachdem die Ansprüche gegen den Staat geltend gemacht worden sind - die ungewisse Situation hinsichtlich dessen Ersatzpflicht auf unbestimmte Zeit fortbesteht (vgl. Urteil 2P.280/2005 vom 1. März 2006 E. 5.3). Das Bundesgericht hat deshalb mehrfach bestätigt, dass die Klagefrist eine materiell-rechtliche (Verjährungs- oder Verwirkungs-) Frist darstelle (vgl. BGE 126 II 145 E. 1b/aa [zu Art. 20 Abs. 3 VG]; Urteile 2P.280/2005 vom 1. März 2006 E. 5 [Kanton Solothurn]; 4C.309/1995 vom 12. November 1996 E. 3b [Kanton Freiburg]).
 
5.3. Im Lichte dieser Rechtsprechung kann dem Obergericht keine Willkür vorgeworfen werden, wenn es die Frist nach § 24 Abs. 2 HaftG/ZH, die ausdrücklich als "Verjährungsfrist" bezeichnet wird und neben dem Randtitel "Verwirkung und Verjährung" steht, als materiell-rechtliche Verjährungsfrist qualifiziert hat. Alleine aus dem Umstand, dass das Vorverfahren nach § 22 HaftG/ZH gewisse Parallelen zum Schlichtungsverfahren nach Art. 197 ff. ZPO aufweist, kann nicht geschlossen werden, dass die in § 24 HaftG/ZH geregelten Fristen lediglich prozessualer Natur seien und keine materiell-rechtlichen Wirkungen hätten.
 
5.4. Hat das Obergericht die Frist in § 24 Abs. 2 HaftG/ZH folglich willkürfrei als Verjährungsfrist qualifiziert, ist es ebenfalls nicht willkürlich, wenn es die Berechnung der Frist nach den Bestimmungen des Obligationenrechts vorgenommen hat. Denn § 29 HaftG/ZH sieht ausdrücklich vor, dass die Bestimmungen des Obligationenrechts ergänzend Anwendung finden, soweit das HaftG/ZH keine eigene Regelung trifft. Dagegen enthält das HaftG/ZH entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin keinen expliziten Verweis auf die Zivilprozessordnung. In § 19 Abs. 1 lit. a HaftG/ZH wird lediglich festgehalten, dass über Ansprüche Dritter gegen den Kanton in der Regel die Zivilgerichte entscheiden. Auch wenn diese für das gerichtliche Verfahren die ihnen geläufige Zivilprozessordnung ergänzend anwenden, kann daraus nicht geschlossen werden, dass auch die materiell-rechtlichen Fristen des HaftG/ZH nach den Bestimmungen der Zivilprozessordnung berechnet werden müssten.
 
5.5. Die Beschwerdeführerin bringt nicht vor, dass sie ihre Klage selbst dann rechtzeitig erhoben hätte, wenn sich die Frist von § 24 Abs. 2 HaftG/ZH nach den Bestimmungen des Obligationenrechts berechnen würde. Mit anderen Worten bestreitet sie die Fristberechnung des Obergerichts nach Art. 132 Abs. 1 und Art. 77 OR (vgl. E. 2.5 f. des angefochtenen Urteils) nicht. Deshalb ist darauf nicht näher einzugehen.
 
6. Die Beschwerde erweist sich als offensichtlich unbegründet und ist im vereinfachten Verfahren abzuweisen (Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG). Die Gerichtskosten sind der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
 
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1. Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2. Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3. Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten, dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Zivilkammer, und dem Bezirksgericht Meilen schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 29. April 2021
 
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Seiler
 
Der Gerichtsschreiber: Businger
 
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