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Informationen zum Dokument  BGer 8C_168/2021  Materielle Begründung
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BGer 8C_168/2021 vom 02.07.2021
 
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8C_168/2021
 
 
Urteil vom 2. Juli 2021
 
 
I. sozialrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Maillard, Präsident,
 
Bundesrichterinnen Heine, Viscione,
 
Gerichtsschreiberin Durizzo.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
vertreten durch Rechtsdienst Inclusion Handicap,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
IV-Stelle des Kantons Zürich,
 
Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
 
Beschwerdegegnerin.
 
Gegenstand
 
Invalidenversicherung (Invalidenrente),
 
Beschwerde gegen den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 19. Januar 2021 (IV.2020.00082).
 
 
Sachverhalt:
 
 
A.
 
A.a. A.________, geboren 1960, war seit März 2009 als Küchenassistentin/Köchin bei ihrem Neffen in der Taverna B.________ angestellt. Im September 2014 meldete sie sich unter Hinweis auf eine schwere Depression sowie eine Handarthrose und Rückenschmerzen mit vollständiger Arbeitsunfähigkeit seit Mai 2014 bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Zürich klärte die gesundheitliche und erwerbliche Situation ab und holte ein Gutachten der Abklärungsstelle D.________ vom 13. Januar 2016 ein. Die Experten bescheinigten aus rheumatologischer Sicht eine vollzeitliche Arbeitsfähigkeit in leichten bis mittelschweren Tätigkeiten. Aus psychiatrischen Gründen bestehe eine Einschränkung um 30 %. Gestützt darauf lehnte die IV-Stelle den Anspruch auf eine Invalidenrente mit Verfügung vom 30. Januar 2017 ab.
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A.b. Im April 2017 meldete sich A.________ erneut zum Leistungsbezug an. Zwischenzeitlich war im Januar 2017 ein Magenkarzinom diagnostiziert worden. A.________ musste sich Chemotherapien sowie einer Magenresektion unterziehen. Die IV-Stelle holte ein Gutachten der Medexperts AG, St. Gallen, vom 8. Januar 2019 ein, das auf Rückfrage hin am 27. März 2019 ergänzt wurde. Mit Verfügung vom 3. Januar 2020 lehnte die IV-Stelle den Anspruch auf eine Invalidenrente wiederum ab.
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B.
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Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Urteil vom 19. Januar 2021 ab.
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C.
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A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils sei ihr mindestens eine halbe Invalidenrente zuzusprechen. Des Weiteren wird um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ersucht.
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Ein Schriftenwechsel wurde nicht durchgeführt.
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Erwägungen:
 
1.
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Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 und 96 BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann sie mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden Begründung abweisen. Immerhin prüft das Bundesgericht, unter Berücksichtigung der allgemeinen Pflicht zur Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1).
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2.
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Streitig ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie die Ablehnung eines Rentenanspruchs durch die IV-Stelle bestätigte.
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3.
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Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze zur Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) und zur Invalidität (Art. 8 Abs. 1 ATSG, Art. 4 Abs. 1 IVG), insbesondere bei psychischen Leiden (BGE 143 V 409 E. 4.2.1; 143 V 418; 141 V 281), zum Rentenanspruch (Art. 28 IVG) sowie zur Anspruchsprüfung bei einer Neuanmeldung nach vorausgegangener Rentenverweigerung (Art. 87 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 2 IVV; BGE 130 V 71 E. 2.2) zutreffend dargelegt. Gleiches gilt hinsichtlich der Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 16 ATSG) sowie der bei der Beurteilung des Beweiswerts eines ärztlichen Berichts oder Gutachtens zu beachtenden Regeln (BGE 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3a). Zu ergänzen ist, dass es die unterschiedliche Natur von Behandlungsauftrag der therapeutisch tätigen (Fach-) Person einerseits und Begutachtungsauftrag des amtlich bestellten fachmedizinischen Experten anderseits (BGE 124 I 170 E. 4) rechtsprechungsgemäss nicht zulässt, ein Administrativ- oder Gerichtsgutachten stets in Frage zu stellen und zum Anlass weiterer Abklärungen zu nehmen, wenn die behandelnden Arztpersonen beziehungsweise Therapiekräfte zu anderslautenden Einschätzungen gelangen. Vorbehalten bleiben Fälle, in denen sich eine abweichende Beurteilung aufdrängt, weil diese wichtige - und nicht rein subjektiver Interpretation entspringende - Aspekte benennen, die bei der Begutachtung unerkannt oder ungewürdigt geblieben sind (BGE 135 V 465 E. 4.5; 125 V 351 E. 3b/cc; SVR 2017 IV Nr. 7 S. 19, 9C_793/2015 E. 4.1; Urteile 8C_630/2020 vom 28. Januar 2021 E. 4.2.1; 8C_370/2020 vom 15. Oktober 2020 E. 7.2).
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4.
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Nach eingehender Würdigung der medizinischen Berichte und Gutachten stellte die Vorinstanz fest, aus somatischer Sicht (diskrete Arthrose an der linken Hand, anamnestisch Lumbalgien, Magenkarzinom, Pollenallergie sowie Kolonpolypen) sei die angestammte Tätigkeit als Küchengehilfin beziehungsweise Köchin ebenso wie jede andere leichte und mittelschwere Tätigkeit vollzeitlich zumutbar. Bezüglich der von den Medexperts-Gutachtern diagnostizierten rezidivierenden depressiven Störung und Panikstörung folgte das kantonale Gericht ebenfalls der gutachtlichen Einschätzung. Durch die funktionellen, depressionsbedingten Einschränkungen mit aktuell weiter persistierenden kognitiven Defiziten sei die Beschwerdeführerin in der angestammten Tätigkeit um 50 %, in einer leidensangepassten Tätigkeit um 30 % in der Arbeitsfähigkeit eingeschränkt. In erwerblicher Hinsicht ging das kantonale Gericht anhand der Angaben des vormaligen Arbeitgebers von einem Valideneinkommen von Fr. 54'753.- aus. Das Invalideneinkommen setzte die Vorinstanz gestützt auf die statistischen Durchschnittslöhne für einfache Tätigkeiten körperlicher oder handwerklicher Art auf Fr. 38'360.- für das noch zumutbare 70 %-Pensum fest. Aus dem Vergleich der beiden hypothetischen Verdienste resultierte ein Invaliditätsgrad von 30 %.
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5.
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Die Beschwerdeführerin macht geltend, auf die gutachtliche Bescheinigung einer 70%igen Arbeitsfähigkeit, die das kantonale Gericht bestätigt habe, könne nicht abgestellt werden. Sie bringt zunächst vor, dass die Vorinstanz bei ihrer Beurteilung der psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit eine Cancer Related Fatigue nach ihrem im Jahr 2017 aufgetretenen Magenkarzinom ausser Acht gelassen habe. Desgleichen seien die somatischen Komorbiditäten unberücksichtigt geblieben. Des Weiteren wird sinngemäss im Wesentlichen geltend gemacht, aufgrund der neuropsychologischen Testung sei von einer Verschlechterung seit der letzten Begutachtung auszugehen. Der neuropsychologische Gutachter habe indessen selber gar keine Einschätzung abgegeben. Auch habe er sich, so die Beschwerdeführerin weiter, nicht auseinandergesetzt mit den Ergebnissen der von ihrem Hausarzt veranlassten neuropsychologischen Untersuchung im Juni 2018. Gestützt auf die letztere und die Angaben ihres behandelnden Psychiaters sei von einer Arbeitsunfähigkeit von 50 bis 60 % auszugehen. In einem von der Wohngemeinde organisierten Einsatz sei sie jedenfalls nur noch in einem sehr geringen Ausmass einsatzfähig gewesen. Bereits bei der geringsten Belastung erleide sie Weinkrämpfe und Panikattacken. Es sei schliesslich nicht zu begründen, weshalb sie als Küchenhilfe in einem Grossbetrieb in höherem Umfang leistungsfähig sein solle als im Restaurant ihres Neffen, wie die Gutachter angenommen hätten. Schliesslich habe die Vorinstanz ihren privaten Aktivitäten zu Unrecht ein zu hohes Gewicht beigemessen.
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6.
 
6.1. Gestützt auf die Indikatorenprüfung liess sich die gutachtliche Einschätzung gemäss Vorinstanz nicht beanstanden. Das kantonale Gericht bestätigte damit die von den Medexperts-Gutachtern bescheinigte 30%ige Arbeitsunfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit. Diese hatten die durch die rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte depressive Episode, bedingte Einschränkung mittels Mini-ICF-APP (Aktivitäts- und Partizipationsstörungen bei psychischen Erkrankungen) erhoben. Inwiefern das kantonale Gericht dabei offensichtlich unrichtige Feststellungen getroffen oder Bundesrecht verletzt haben sollte, ist nicht erkennbar. Was die von der Beschwerdeführerin angeführten somatischen Komorbiditäten betrifft, stellte das kantonale Gericht nicht offensichtlich unrichtig fest, dass die Beschwerdeführerin dadurch in einer leidensangepassten Tätigkeit nicht eingeschränkt sei. Gleiches gilt insoweit, als die Beschwerdeführerin geltend macht, die Cancer Related Fatigue sei unbeachtet geblieben. Gemäss den Gutachtern steht die langjährige rezidivierende depressive Störung im Vordergrund und überschneidet sich symptomatisch mit der tumorassoziierten Fatigue. Inwiefern die neuropsychologischen, gemäss gutachtlicher Einschätzung depressionsbedingten Beeinträchtigungen im Rahmen der Beurteilung unzureichend berücksichtigt worden wären, lässt sich nicht erkennen. Nach der im Juni 2018 erfolgten neuropsychologischen Testung im Zentrum C.________ wurde ausdrücklich und insoweit übereinstimmend mit den Medexperts-Gutachtern darauf hingewiesen, dass die festgestellte kognitive Störung im Rahmen der depressiven Störung zu interpretieren sei, wobei aber eine Beurteilung aus psychiatrischer Sicht vorbehalten wurde. Soweit sich die Beschwerdeführerin indessen gestützt auf die Stellungnahme ihres behandelnden Psychiaters auf eine weitergehende als die von den Gutachtern angenommene neuropsychologisch bedingte Einschränkung beruft, ist nicht erkennbar, dass sich dieser auf neue objektive Erkenntnisse gestützt hätte. Vielmehr beruht sein Bericht vom 8. August 2019 weitestgehend auf den subjektiven Angaben der Beschwerdeführerin. Gleiches gilt hinsichtlich des Berichts über die von ihr in einem Arbeitsprogramm im Jahr 2019 gezeigten Leistungen. Schliesslich wiesen die Medexperts-Gutachter in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 27. März 2019 darauf hin, dass anlässlich der früheren Begutachtung keine detaillierten psychometrischen Angaben erhoben worden seien, dass rein affektiv jedoch nicht von einer Verschlechterung auszugehen sei.
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6.2. Zu ergänzen bleibt, dass die Vorinstanz einerseits erhebliche psychosoziale Faktoren feststellte (Trennung vom damaligen Partner, Konflikte in der Familie, am Arbeitsplatz und in der Wohnsituation), die praxisgemäss auszuklammern sind (BGE 143 V 409 E. 4.5.2), anderseits aber auch beträchtliche Ressourcen. Beide Aspekte erachtete das kantonale Gericht als im Rahmen der gutachtlichen Arbeitsunfähigkeitseinschätzung jeweils angemessen berücksichtigt. Inwiefern die Vorinstanz mit deren Bestätigung insgesamt offensichtlich unrichtige Sachverhaltsfeststellungen getroffen oder Bundesrecht verletzt haben sollte, lässt sich nicht ersehen. Dass die Vorinstanz bei den gegebenen Diagnosen keine weitergehende als die von den Gutachtern bescheinigte 30%ige Limitierung zu erkennen vermochte, ist daher nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere auch insoweit, als sie mit den Gutachtern ein 70 %-Pensum in jeglicher leidensangepassten Hilfsarbeitertätigkeit als zumutbar erachtete.
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7.
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Die vorinstanzlichen Feststellungen zu den erwerblichen Auswirkungen der Gesundheitsschädigung werden nicht beanstandet und geben damit keinen Anlass zu Weiterungen.
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Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 65 BGG). Die unentgeltliche Rechtspflege (im Sinne der vorläufigen Befreiung von den Gerichtskosten und der unentgeltlichen Verbeiständung, Art. 64 Abs. 1 und Abs. 2 BGG) kann gewährt werden. Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 64 Abs. 4 BGG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Bundesgerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist. Die Gerichtskosten werden der unterliegenden Beschwerdeführerin auferlegt (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen.
 
2.
 
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt und Rechtsanwältin Sibylle Käser Fromm wird als unentgeltliche Anwältin bestellt.
 
3.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt, indes vorläufig auf die Bundesgerichtskasse genommen.
 
4.
 
Der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2800.- ausgerichtet.
 
5.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, II. Kammer, und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
 
Luzern, 2. Juli 2021
 
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Maillard
 
Die Gerichtsschreiberin: Durizzo
 
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