BGer 6B_501/2021 | |||
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BGer 6B_501/2021 vom 18.08.2021 | |
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6B_501/2021 |
Urteil vom 18. August 2021 |
Strafrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
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Bundesrichter Muschietti,
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Bundesrichter Hurni,
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Gerichtsschreiberin Unseld.
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Verfahrensbeteiligte | |
1. A.A.________,
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2. B.A.________,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Generalstaatsanwaltschaft des Kantons Bern, Nordring 8, Postfach, 3001 Bern,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Revision; Kosten und Entschädigung (Einstellungsverfügung),
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Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer, vom 14. April 2021
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(SK 20 527 + 528).
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Erwägungen: | |
1.
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Die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte des Kantons Bern stellte das Verfahren gegen die Beschwerdeführer wegen des Verdachts auf Urkundenfälschung und Betrug am 9. Oktober 2018 in Anwendung von Art. 319 Abs. 1 lit. a StPO ein. Die Verfahrenskosten von Fr. 15'353.20 auferlegte es gestützt auf Art. 426 Abs. 2 StPO jeweils zur Hälfte den Beschwerdeführern. Von der Ausrichtung einer Entschädigung und einer Genugtuung an die Beschwerdeführer sah es mit Verweis auf Art. 430 Abs. 1 lit. a StPO ab. Die Verfügung vom 9. Oktober 2018 erwuchs unangefochten in Rechtskraft.
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Parallel dazu war gegen die Beschwerdeführer beim Regionalgericht Berner Jura-Seeland ein altrechtliches Verfahren hängig, das - wie das Verfahren vor der Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte - den Vorwurf betraf, die Beschwerdeführer hätten als freiberuflich tätige Ärzte durch inhaltlich unrichtige Rechnungen unrechtmässig Leistungen zulasten der Krankenversicherung vorgenommen. Indes bezog sich dieses Verfahren auf eine andere Patientin als das Verfahren der Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte. Das Regionalgericht Berner Jura-Seeland stellte dieses Verfahren am 13. Juni 2019 ebenfalls ein. Die Verfahrenskosten von insgesamt Fr. 2'191.-- auferlegte es je zur Hälfte den Beschwerdeführern. Es sprach ihnen weder eine Entschädigung noch eine Genugtuung zu. Das Obergericht des Kantons Bern wies die von den Beschwerdeführern dagegen erhobenen Beschwerden am 28. August 2019 ab. Das Bundesgericht hiess die Beschwerden der Beschwerdeführer gegen die Kostenauflage und die Verweigerung von Schadenersatz und Genugtuung mit Urteil 6B_1123/2019 und 6B_1128/2019 vom 8. September 2020 gut; es hob den Beschluss des Obergerichts des Kantons Bern vom 28. August 2019 auf und wies die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurück.
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2.
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Mit Eingabe vom 9. Dezember 2020 ersuchten die Beschwerdeführer um Revision der Einstellungsverfügung vom 9. Oktober 2018 in dem Sinne, als die Kosten des Verfahrens auf die Staatskasse zu nehmen seien und ihnen für das eingestellte Strafverfahren eine Entschädigung und eine angemessene Genugtuung zuzusprechen sei. Das Obergericht des Kantons Bern trat auf das Revisionsgesuch mit Beschluss vom 14. April 2021 nicht ein.
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Die Beschwerdeführer gelangen dagegen mit Beschwerde an das Bundesgericht.
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3.
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Die Beschwerdeführer machen geltend, die Kostenauflage in der Einstellungsverfügung vom 9. Oktober 2018 verstosse gegen die in der BV und der EMRK verankerte Unschuldsvermutung. Die Kostenauflage mit Verzicht auf eine Entschädigung und Genugtuung stehe zudem in offensichtlichem Widerspruch zum Urteil des Bundesgerichts vom 8. September 2020. Die Verletzung der Unschuldsvermutung in einer Einstellungsverfügung könne - nebst den drei in Art. 410 Abs. 1 StPO erwähnten Revisionsgründen - ebenfalls Anlass zu einer Revision geben. Die Revision sei nebst der Beschwerde ein weiteres Rechtsmittel zur Durchsetzung von Art. 6 Abs. 2 EMRK und Art. 32 Abs. 1 BV.
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4.
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Der Auffassung der Beschwerdeführer kann nicht gefolgt werden. Art. 410 StPO regelt die zulässigen Revisionsgründe - gesetzlich ausdrücklich vorgesehene Revisionsgründe in anderen Bestimmungen vorbehalten (vgl. Art. 60 Abs. 3 StPO, Art. 65 Abs. 2 StGB) - abschliessend (LAURA JACQUEMOUD-ROSSARI, in: Commentaire romand, Code de procédure pénale suisse, 2. Aufl. 2019, N. 19 zu Art. 410 StPO; MARIANNE HEER, in: Basler Kommentar, Schweizerische Strafprozessordnung/Jugendstrafprozessordnung, 2. Aufl. 2014, N. 4 und 14 zu Art. 410 StPO). Insbesondere lassen sich weder aus der BV und noch aus der EMRK über die StPO hinausgehende Revisionsgründe ableiten (JACQUEMOUD-ROSSARI, a.a.O., N. 19 zu Art. 410 StPO; Urteil 6B_288/2012 vom 6. Dezember 2012 E. 1.5).
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Die Beschwerdeführer behaupten zu Recht nicht, es liege ein Revisionsgrund im Sinne von Art. 410 Abs. 1 lit. a bis c StPO vor. Auch Art. 410 Abs. 2 StPO gelangt von vornherein nicht zur Anwendung, da es nicht um die Umsetzung eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte geht.
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Die in Art. 410 Abs. 1 StPO erwähnten Revisionsgründe müssen sich auf die materielle Beurteilung der Strafsache beziehen (Schuldspruch, Bestrafung, Freispruch). Die Revision dient dazu, Fehler bei der Sachverhaltsfeststellung zu korrigieren. Eine "lediglich" falsche Rechtsanwendung begründet keinen Revisionsgrund (vgl. etwa Urteile 6F_40/2020 vom 1. Dezember 2020 E. 3; 6B_503/2014 vom 28. August 2014 E. 1.4). Damit zielt auch das Argument der Beschwerdeführer ins Leere, es liege eine rechtsungleiche Behandlung vor, da eine Kostenauflage in Verletzung der Unschuldsvermutung nach einem gerichtlichen Freispruch einer Revision zugänglich sei (Beschwerde Ziff. 4.4). Letzteres trifft nach dem Gesagten gerade nicht zu.
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Nicht ersichtlich ist schliesslich, was die Beschwerdeführer aus Dispositiv-Ziff. 10 der Zwischenverfügung des Regionalgerichts Berner Jura-Seeland vom 1. Oktober 2015 zu ihren Gunsten ableiten wollen, wonach der Entscheid über die Kostenfolgen, inklusive einer Entschädigung an die Beschuldigten, mit dem Endentscheid in der Sache erfolgt. Daraus ergibt sich entgegen dem sinngemässen Einwand der Beschwerdeführer nicht, dass auch die Kosten- und Entschädigungsfolgen des Verfahrens der Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte mit dem Endentscheid des Regionalgerichts Berner Jura-Seeland zu regeln sind (vgl. Beschwerde zweitletzte Seite). Ohnehin war den Beschwerdeführern die Kostenauflage und der Verzicht auf eine Entschädigung und Genugtuung in der Einstellungsverfügung vom 9. Oktober 2018 bekannt. Der Entscheid wurde ihnen mit Rechtsmittelbelehrung zugestellt und sie hätten sich dagegen daher rechtzeitig mit Beschwerde zur Wehr setzen können.
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Die Vorinstanz trat auf das Revisionsgesuch der Beschwerdeführer folglich zu Recht nicht ein.
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5.
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Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens haben die Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2. Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 18. August 2021
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
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Die Gerichtsschreiberin: Unseld
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