BGer 6B_748/2021 | |||
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BGer 6B_748/2021 vom 08.09.2021 | |
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6B_748/2021 |
Urteil vom 8. September 2021 |
Strafrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichterin Jacquemoud-Rossari, Präsidentin,
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Bundesrichter Rüedi,
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Bundesrichterin Koch,
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Gerichtsschreiber Matt.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________,
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vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Fabian Teichmann,
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Beschwerdeführer,
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gegen
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Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Landesverweisung, Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS),
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Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 2. März 2021 (ST.2020.37-SK3).
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Sachverhalt: | |
A.
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Das Kantonsgericht des Kantons St. Gallen verurteilte A.________ am 2. März 2021 wegen qualifizierter Erpressung, mehrfacher vollendeter und versuchter Nötigung, versuchter schwerer Körperverletzung, mehrfachen Fahrens in fahrunfähigem Zustand, mehrfachen Fahrens ohne Berechtigung, Hinderung einer Amtshandlung und mehrfacher Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes unter Anrechnung der Untersuchungshaft von 66 Tagen zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 36 Monaten, zu einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 100.-- und zu einer Busse von Fr. 1'000.--. Das Kantonsgericht verzichtete auf den Vollzug einer bedingten Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu Fr. 80.--, welche die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau am 12. Juni 2014 ausgesprochen hatte. Es verwies A.________ für 7 Jahre des Landes und ordnete eine Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) an. Zudem zog es die beschlagnahmten Betäubungsmittel zur Vernichtung ein.
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B. | |
A.________ beantragt mit Beschwerde in Strafsachen, das Urteil des Kantonsgerichts sei teilweise aufzuheben. Von einer Landesverweisung und einer Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) sei unter Kosten- und Entschädigungsfolgen abzusehen.
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Erwägungen: | |
1.
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Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Landesverweisung. Er macht geltend, die Vorinstanz überschreite ihr Ermessen, indem sie anders als die Erstinstanz einen Härtefall gemäss Art. 66a Abs. 2 StGB verneine.
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1.1. | |
1.1.1. Das Gericht verweist den Ausländer, der wegen schwerer Körperverletzung (Art. 122 StGB) verurteilt wird, unabhängig von der Höhe der Strafe für 5-15 Jahre aus der Schweiz (Art. 66a Abs. 1 lit. b StGB). Gleiches gilt für den Ausländer, der wegen qualifizierter Erpressung (Art. 156 Ziff. 2-4 StGB) verurteilt wird (Art. 66a Abs. 1 lit. c StGB).
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Die obligatorische Landesverweisung wegen einer Katalogtat im Sinne von Art. 66a Abs. 1 StGB greift grundsätzlich unabhängig von der konkreten Tatschwere (BGE 144 IV 332 E. 3.1.3). Sie muss zudem unabhängig davon ausgesprochen werden, ob es beim Versuch geblieben ist und ob die Strafe bedingt, unbedingt oder teilbedingt ausfällt (BGE 144 IV 168 E. 1.4.1).
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Von der Landesverweisung kann nur "ausnahmsweise" unter den kumulativen Voraussetzungen abgesehen werden, dass sie (1.) einen schweren persönlichen Härtefall bewirken würde und (2.) die öffentlichen Interessen an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Ausländers am Verbleib in der Schweiz nicht überwiegen. Dabei ist der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen, die in der Schweiz geboren oder aufgewachsen sind (Art. 66a Abs. 2 StGB). Diese sogenannte Härtefallklausel dient der Umsetzung des Verhältnismässigkeitsprinzips (vgl. Art. 5 Abs. 2 BV; BGE 145 IV 364 E. 3.2; 144 IV 332 E. 3.1.2; je mit Hinweisen). Sie ist restriktiv anzuwenden (BGE 144 IV 332 E. 3.3.1). Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung lässt sich zur Prüfung des Härtefalls im Sinne von Art. 66a Abs. 2 StGB der Kriterienkatalog der Bestimmung über den "schwerwiegenden persönlichen Härtefall" in Art. 31 Abs. 1 der Verordnung vom 24. Oktober 2007 über Zulassung, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit (VZAE; SR 142.201) heranziehen. Zu berücksichtigen sind namentlich der Grad der (persönlichen und wirtschaftlichen) Integration, einschliesslich familiärer Bindungen des Ausländers in der Schweiz sowie der Heimat, Aufenthaltsdauer und Resozialisierungschancen. Ebenso ist der Rückfallgefahr und wiederholter Delinquenz Rechnung zu tragen. Das Gericht darf auch vor dem Inkrafttreten von Art. 66a StGB begangene Straftaten berücksichtigen (BGE 146 IV 105 E. 3.4.1; 144 IV 332 E. 3.3.2).
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Die Sachfrage entscheidet sich mithin in einer Interessenabwägung nach Massgabe der "öffentlichen Interessen an der Landesverweisung". Nach der gesetzlichen Systematik ist die obligatorische Landesverweisung anzuordnen, wenn die Katalogtaten einen Schweregrad erreichen, sodass die Landesverweisung zur Wahrung der inneren Sicherheit notwendig erscheint. Diese Beurteilung lässt sich strafrechtlich nur in der Weise vornehmen, dass massgebend auf die verschuldensmässige Natur und Schwere der Tatbegehung, die sich darin manifestierende Gefährlichkeit des Täters für die öffentliche Sicherheit und die Legalprognose abgestellt wird (Urteile 6B_742/2019 vom 23. Juni 2020 E. 1.1.2; 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E. 1.6.2; je mit Hinweisen).
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1.1.2. Zufolge der Regelung gemäss Art. 66a Abs. 2 Satz 2 StGB, wonach der besonderen Situation von Ausländern Rechnung zu tragen ist, die in der Schweiz geboren und aufgewachsen sind, ist in diesem Fall grundsätzlich von einem bedeutenden Interesse am Verbleib in der Schweiz auszugehen. Dieses bedeutende Interesse besteht aber nicht, wenn beim Ausländer aufgrund seiner schlechten Integration ein Privatleben im Sinne von Art. 13 Abs. 1 BV und Art. 8 Ziff. 1 EMRK nicht annehmbar ist (vgl. dazu Urteil 6B_1123/2020 vom 2. März 2021 E. 3.3.2 mit Hinweisen). Unter dem Titel der Achtung des Privatlebens im Sinne von Art. 8 Ziff. 1 EMRK genügen zudem selbst eine lange Anwesenheit und die damit verbundene normale Integration nicht; erforderlich sind besonders intensive, über eine normale Integration hinausgehende private Beziehungen beruflicher oder gesellschaftlicher Natur (BGE 144 II 1 E. 6.1). Es ist auch nicht schematisch ab einer gewissen Aufenthaltsdauer eine Verwurzelung in der Schweiz anzunehmen (BGE 146 IV 105 E. 3.4.4). Der EGMR anerkennt vielmehr das Recht der Staaten, die Einwanderung und den Aufenthalt von Nicht-Staatsangehörigen auf ihrem Territorium zu regeln (BGE 144 I 266 E. 3.2). Berührt die Ausweisung Gewährleistungen von Art. 8 Ziff. 1 EMRK, ist der Eingriff nach Art. 8 Ziff. 2 EMRK zu rechtfertigen. Die nationalen Instanzen haben sich von den im Urteil Üner c. Niederlande vom 18. Oktober 2006 (Req. 46410/99) resümierten Kriterien leiten zu lassen (vgl. Urteil des EGMR vom 8. Dezember 2020, i.S. M.M. c. Suisse, Nr. 59006/18, Ziff. 43; zum Ganzen: BGE 146 IV 105 E. 4.2; Urteile 6B_188/2021 vom 23. Juni 2021 E. 2.1.2; 6B_1123/2020 vom 2. März 2021 E. 3.3.2; je mit Hinweisen).
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1.2.
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1.2.1. Die Vorinstanz setzt sich ausführlich mit der persönlichen und wirtschaftlichen Integration des Beschwerdeführers auseinander. Sie erwägt, er sei am 7. August 1992 im Kosovo geboren worden und im Alter von fünf Monaten in die Schweiz gekommen. Schon als Primarschüler sei er von den Jugendstrafbehörden wegen mehrfachen Diebstahls zu einer Arbeitsleistung verurteilt worden. Nach dem zehnten Schuljahr habe der Beschwerdeführer eine Lehre als Maurer erfolgreich abgeschlossen. Er habe weiter beim Lehrbetrieb gearbeitet und zudem die Staplerprüfung absolviert. An der Kranprüfung sei er gescheitert. Ab 2013 habe der Beschwerdeführer regelmässig Alkohol, Cannabis und Kokain konsumiert. Im Dezember 2013 sei ihm die Arbeitsstelle gekündigt worden. Ab Sommer 2014 sei er zunächst temporär und anschliessend fest als Produktionsarbeiter angestellt worden. In dieser Phase sei er wieder von den Drogen weggekommen.
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1.2.2. Die Vorinstanz kommt zum Schluss, dass ein schwerer persönlicher Härtefall vorliegt. Sie erwägt, der Beschwerdeführer lebe seit rund 28 Jahren in der Schweiz und spreche Schweizerdeutsch. Er sei grösstenteils in der Schweiz sozialisiert worden. Ausserdem verfüge er aktuell über eine Arbeitsstelle. Die Eltern, die beiden Brüder und der Freundeskreis des Beschwerdeführers seien in der Schweiz. Gegen den Beschwerdeführer spreche, dass angesichts seiner wiederholten Delinquenz nicht von einer besonders guten Integration in der Schweiz gesprochen werden könne. Zudem sei er immer wieder arbeitslos gewesen. Mit Blick auf eine Eingliederung des Beschwerdeführers in seinem Heimatland berücksichtigt die Vorinstanz, dass er Albanisch spreche, gesund, verhältnismässig jung, ledig und kinderlos sei. Wohl habe er abgesehen von Ferienaufenthalten nie längere Zeit im Kosovo gelebt und gearbeitet. Es sei aber davon auszugehen, dass er aufgrund seiner Sprachkenntnisse und Berufsausbildung Arbeit im Kosovo finden und sich integrieren könne. In Bezug auf das soziale Umfeld bemerkt die Vorinstanz, dass gemäss den Angaben des Beschwerdeführers dessen Grosseltern im Kosovo lebten. Er verfüge damit zwar nicht über ein ausgeprägtes, aber doch über ein gewisses familiäres Beziehungsnetz im Kosovo. Die Darstellung des Beschwerdeführers, wonach er im Kosovo wegen eines lange zurückliegenden Vorfalls mit seiner damaligen Freundin und deren Familie in Todesgefahr sei, qualifiziert die Vorinstanz als Schutzbehauptung. Er sei in der Vergangenheit mehrmals in den Kosovo gereist, ohne dass ihm etwas zugestossen wäre.
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1.2.3. Was die Abwägung des öffentlichen Interesses an der Landesverweisung gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers betrifft, führt die Vorinstanz aus, der Beschwerdeführer habe sich gleich zweier Katalogtaten schuldig gemacht, nämlich der qualifizierten Erpressung und der versuchten schweren Körperverletzung. Diese Taten wiegen wie auch die von ihm zusätzlich begangene mehrfache versuchte und vollendete Nötigung erheblich. Deutlich ins Gewicht falle, dass der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von 36 Monaten verurteilt werde. Sodann zeugten seine Vorstrafen und die neu begangenen Delikte von einer langjährigen Delinquenz in verschiedenen Lebensbereichen und einer bedenklichen Entwicklung. So habe der Beschwerdeführer in den Jahren 2011 und 2012 mehrfach das Betäubungsmittelgesetz übertreten. Im Jahr 2013 habe er nebst Übertretungen des Betäubungsmittelgesetzes fünf verschiedene Strassenverkehrsdelikte begangen und sich zudem des Vergehens gegen das Waffengesetz schuldig gemacht. Im Jahr 2014 seien eine Sachbeschädigung, drei weitere teils mehrfach verübte Strassenverkehrsdelikte und erneut eine Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes hinzugekommen. Im Jahr 2016 habe der Beschwerdeführer eine Amtshandlung gehindert, was zwar kein schweres Delikt sei, aber einen neuen Strafbereich betroffen habe. Ausserdem sei er in fahrunfähigem Zustand gefahren und habe abermals das Betäubungsmittelgesetz mehrfach übertreten. Im Jahr 2017 habe er dann die im aktuellen Strafverfahren zu beurteilenden, nun deutlich schwerer wiegenden Straftaten begangen.
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Die Vorinstanz verweist auf den persönlichen Eindruck, den sie an der Verhandlung vom Beschwerdeführer gewonnen habe. Dabei sei keine besondere Einsicht in das begangene Unrecht zu erkennen gewesen. Vom Beschwerdeführer gehe eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus. Es bestehe ein grosses öffentliches Interesse an seiner Wegweisung. Dem stehe sein privates Interesse an einem Verbleib in der Schweiz gegenüber. Der Beschwerdeführer sei in der Schweiz aufgewachsen und sozialisiert worden. Seine Eltern und die Geschwister lebten ebenfalls in der Schweiz. Im Kosovo sei er aber keineswegs hilflos und verloren. Vielmehr seien die Chancen für eine erfolgreiche Integration und Sozialisierung im Herkunftsland intakt. Der Beschwerdeführer spreche Albanisch und sei mit der Kultur und den Verhältnissen im Kosovo vertraut. Er sei relativ jung, ungebunden und gesund und könne auf eine abgeschlossene Ausbildung in einem praktischen Beruf zurückgreifen und entsprechend arbeiten. Hierfür müsse er auch nicht Albanisch schreiben können. Eine für den Beschwerdeführer möglicherweise schwierigere Wirtschaftslage im Kosovo als in der Schweiz schliesse eine Landesverweisung nicht aus.
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1.3. Was der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzlichen Erwägungen vorbringt, überzeugt nicht.
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1.3.1. Zunächst scheint der Beschwerdeführer zu verkennen, dass auch die Vorinstanz einen persönlichen Härtefall bejaht. Indes gewichtet sie die öffentlichen Interessen an einer Landesverweisung höher als die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib. Sie begründet dies indes nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer ist kosovarischer Staatsangehöriger. Er bestreitet nicht, Anlasstaten gemäss Art. 66a Abs. 1 lit. b und lit. c StGB begangen zu haben, die grundsätzlich zu einer Landesverweisung führen müssen.
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Die schwersten Delikte des Beschwerdeführers hatten eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 36 Monaten zur Folge und wiegen daher recht schwer. Die Vorinstanz begründet überzeugend, weshalb sie den öffentlichen Interessen an einer Landesverweisung den Vorrang gibt gegenüber den privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib. Es ist daran zu erinnern, dass der Verzicht auf eine Landesverweisung trotz Katalogtat nach dem klaren Willen des Gesetzgebers die Ausnahme bleiben soll (BGE 145 IV 55 E. 4.3; 144 IV 332 E. 3.3.3; Urteil 6B_736/2019 vom 3. April 2020 E. 1.2.2 in fine).
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1.3.2. Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz widerspreche sich. Sie führe aus, dass es insgesamt betrachtet an einer eigentlichen Schlechtprognose mangle, diese aber erheblich getrübt sei. Nach Auffassung des Beschwerdeführers könne bei dieser Feststellung von ihm keine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehen.
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Hier übersieht der Beschwerdeführer offensichtlich, dass auch die Gewährung des teilbedingten Strafvollzugs einer Landesverweisung nicht entgegensteht (BGE 144 IV 168 E. 1.4.1; Urteile 6B_689/2019 vom 25. Oktober 2019 E. 1.7.4; 6B_627/2018 vom 22. März 2019 E. 1.3.4; je mit Hinweisen), zumal für den bedingten Vollzug das Fehlen einer Schlechtprognose ausreicht (Urteil 6B_378/2018 vom 22. Mai 2019 E. 4.4, nicht publiziert in: BGE 145 IV 364). Bei der Härtefallprüfung betreffend die Landesverweisung sind mithin andere Kriterien und Massstäbe entscheidend als bei der Prüfung der Bewährungsaussichten. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen von Straf- und Ausländerrecht ergibt im ausländerrechtlichen Bereich ein strengerer Beurteilungsmassstab (Urteile 6B_460/2021 vom 9. Juni 2021 E. 5.4; 6B_736/2019 vom 3. April 2020 E. 1.2.2). Zudem kann selbst unter der Geltung des Freizügigkeitsabkommens (FZA; SR 0.142.112.681) ein geringes Rückfallrisiko für eine aufenthaltsbeendende Massnahme im Sinne von Art. 5 Abs. 1 Anhang I FZA genügen, sofern dieses Risiko eine schwere Verletzung hoher Rechtsgüter wie z.B. die körperliche Unversehrtheit beschlägt (Urteil 6B_736/2019 vom 3. April 2020 E. 1.2.2). Davon ist hier angesichts der Tatvorwürfe auszugehen. Ein geringes Rückfallrisiko muss umso mehr genügen, wenn, wie vorliegend, das FZA nicht anwendbar ist.
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Soweit er eine Rückfallgefahr damit in Frage stellt, dass die Strafe nur bedingt ausgesprochen wurde, verkennt der Beschwerdeführer, dass sich aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen von Straf- und Ausländerrecht im ausländerrechtlichen Bereich ein strengerer Beurteilungsmassstab ergibt. Der Aufschub des Strafvollzugs nach Art. 42 StGB setzt nicht eine günstige, sondern nur das Fehlen einer ungünstigen Prognose voraus (BGE 137 II 233 E. 5.2.2; Urteil 6B_378/2018 vom 22. Mai 2019 E. 4.4, nicht publ. in: BGE 145 IV 364). Demgegenüber kann ausländerrechtlich gerade bei, wie vorliegend, schweren Straftaten ein geringes Rückfallrisiko genügen (vgl. vorne). Von einer günstigen Prognose kann zudem - entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers - nicht gesprochen werden, zumal die Vorinstanz "gewisse Bedenken" bezüglich seines künftigen Wohlverhaltens äusserte.
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1.3.3. Der Beschwerdeführer rügt weiter, die Vorinstanz übergehe, dass ein Rückfallrisiko für Gewaltdelikte in den Sozialberichten der Bewährungshilfe als eher gering eingestuft werde. Die Vorinstanz lasse ausser Acht, dass insbesondere die beiden Katalogtaten der qualifizierten Erpressung und der versuchten schweren Körperverletzung zum Nachteil des Hauptopfers begangen worden seien. Diese Delikte seien in der Beziehung des Beschwerdeführers zum Hauptopfer und im Licht seiner damaligen Drogensucht zu sehen. Indem sich die Vorinstanz nicht damit auseinandersetze, überschreite sie ihr Ermessen.
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Auch diese Vorbringen des Beschwerdeführers gehen fehl. Er setzt seine schwersten Straftaten nach eigenem Belieben in einen bestimmten Kontext und blendet dabei seine Vorstrafen und die langjährige Delinquenz in verschiedenen Lebensbereichen gänzlich aus. Ebenso verschweigt er, dass er auch nach der Untersuchungshaft delinquierte und verschiedene Delikte trotz bester Ausgangslage verübte. Zudem übergeht er, dass ihm die Gutachterin eine geringe bis mittlere Rückfallgefahr auch für Gewaltdelikte attestiert. Wenn der Beschwerdeführer vorträgt, seine Schulden seien minimal, dann klammert er seine finanziellen Verpflichtungen gegenüber dem Hauptopfer aus. Schliesslich behauptet er entgegen der vorinstanzlichen Feststellung und ohne jede Begründung, dass er reuig und einsichtig sei.
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1.3.4. Im Übrigen übt der Beschwerdeführer bloss unzulässige appellatorische Kritik am angefochtenen Urteil. Dies genügt nicht, um eine Ermessensüberschreitung der Vorinstanz zu belegen.
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1.4. Den beantragten Verzicht auf die Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) begründet der Beschwerdeführer einzig damit, dass keine Landesverweisung ausgesprochen werden soll. Gleiches gilt für die beantragte Änderung der erstinstanzlichen Kostenverteilung. Darauf ist nach dem Gesagten nicht einzugehen.
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2. | |
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten wird. Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.
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Der Beschwerdeführer trägt die Gerichtskosten von Fr. 3'000.--.
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3. Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 8. September 2021
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Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Die Präsidentin: Jacquemoud-Rossari
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Der Gerichtsschreiber: Matt
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