VerfassungsgeschichteVerfassungsvergleichVerfassungsrechtRechtsphilosophie
UebersichtWho-is-WhoBundesgerichtBundesverfassungsgerichtVolltextsuche...

Informationen zum Dokument  BGer 5A_33/2021  Materielle Begründung
Druckversion | Cache | Rtf-Version

Bearbeitung, zuletzt am 29.10.2021, durch: DFR-Server (automatisch)  
 
BGer 5A_33/2021 vom 28.09.2021
 
[img]
 
 
5A_33/2021
 
 
Urteil vom 28. September 2021
 
 
II. zivilrechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichterin Escher, präsidierendes Mitglied,
 
Bundesrichter Marazzi, von Werdt,
 
Gerichtsschreiber Buss.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________ GmbH in Liquidation,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Yann Moor,
 
Beschwerdeführerin,
 
gegen
 
Verein B.________,
 
Beschwerdegegner.
 
Gegenstand
 
Konkurseröffnung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, vom 26. November 2020 (PS200223-O/U).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
1
Der Verein B.________ betrieb die A.________ GmbH mit Zahlungsbefehl Nr. xxx des Betreibungsamtes Dietikon vom 30. Juni 2020 für eine Forderung von Fr. 400.-- nebst Zins. Mit Entscheid vom 28. Oktober 2020 eröffnete das Einzelgericht im summarischen Verfahren des Bezirksgerichts Dietikon über die A.________ GmbH den Konkurs.
2
B.
3
Dagegen erhob die A.________ GmbH in Liquidation am 16. November 2020 Beschwerde an das Obergericht des Kantons Zürich, welches die Beschwerde mit Urteil vom 26. November 2020 abwies.
4
C.
5
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 12. Januar 2021 beantragt die A.________ GmbH in Liquidation (nachfolgend Beschwerdeführerin) dem Bundesgericht die Aufhebung des obergerichtlichen Entscheides und der Konkurseröffnung. Zudem ersucht sie um aufschiebende Wirkung.
6
Mit Verfügung vom 16. Februar 2021 hat das Bundesgericht der Beschwerde in dem Sinne die aufschiebende Wirkung zuerkannt, als der Konkurs eröffnet bleibt, jedoch während des bundesgerichtlichen Verfahrens Vollstreckungsmassnahmen zu unterbleiben haben.
7
In der Sache selbst haben das Obergericht und der Verein B.________ (Beschwerdegegner) innert angesetzter Frist keine Vernehmlassung eingereicht.
8
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Die Beschwerde in Zivilsachen ist grundsätzlich zulässig (Art. 72 Abs. 2 lit. a, Art. 74 Abs. 2 lit. d, Art. 75, Art. 76, Art. 90, Art. 100 Abs. 1 BGG).
9
1.2. Mit der vorliegenden Beschwerde kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). In der Beschwerde ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Entscheid Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG; BGE 143 I 377 E. 1.2). Die Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist ebenfalls zu begründen, wobei hier das Rügeprinzip gilt (BGE 106 Abs. 2 BGG; BGE 142 III 364 E. 2.4). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel sind nur zulässig, soweit der vorinstanzliche Entscheid dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG), was in der Beschwerde näher darzulegen ist (BGE 133 III 393 E. 3).
10
 
2.
 
2.1. Die Rechtsmittelinstanz kann die Konkurseröffnung aufheben, wenn der Schuldner erstens durch Urkunden beweist, dass inzwischen die Schuld, einschliesslich der Zinsen und Kosten, getilgt ist, der geschuldete Betrag bei der Rechtsmittelinstanz zuhanden des Gläubigers hinterlegt ist oder der Gläubiger auf die Durchführung des Konkurses verzichtet, und zweitens seine Zahlungsfähigkeit glaubhaft macht (vgl. Art. 174 Abs. 2 SchKG; Urteil 5A_153/2017 vom 21. März 2017 E. 3.1). Die Vorinstanz hat die erste Voraussetzung der Aufhebung der Konkurseröffnung - die Tilgung (nach Konkurseröffnung) gemäss Art. 174 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG - als ausgewiesen erachtet, nicht jedoch die weitere Voraussetzung der Glaubhaftmachung der Zahlungsfähigkeit.
11
2.2. Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache dann, wenn für deren Vorhandensein gewisse Elemente sprechen, selbst wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet, dass sie sich nicht verwirklicht haben könnte (BGE 140 III 610 E. 4.1; 132 III 715 E. 3.1). Im Hinblick auf die Aufhebung der Konkurseröffnung heisst dies, dass die Zahlungsfähigkeit des Konkursiten wahrscheinlicher sein muss als seine Zahlungsunfähigkeit. In diesem Bereich dürfen keine zu strengen Anforderungen gestellt werden, insbesondere wenn die wirtschaftliche Überlebensfähigkeit des schuldnerischen Unternehmens nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Auch wenn der Schuldner die Zahlungsfähigkeit nicht strikt beweisen, sondern nur glaubhaft machen muss, so genügen seine Behauptungen allein nicht. Es liegt am Schuldner, Beweismittel vorzulegen, die geeignet sind, seine Zahlungsfähigkeit als glaubhaft erscheinen zu lassen (Urteile 5A_810/2015 vom 17. Dezember 2015 E. 3.2.1; 5A_786/2012 vom 18. Dezember 2012 E. 4; 5A_297/2012 vom 10. Juli 2012 E. 2.3). Zahlungsfähig ist der Schuldner, wenn er über ausreichende liquide Mittel zur Begleichung der fälligen Schulden verfügt. Bloss vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten lassen einen Schuldner noch nicht als zahlungsunfähig erscheinen, ausser wenn keine wesentlichen Anhaltspunkte für eine Verbesserung seiner finanziellen Situation zu erkennen sind und er auf unabsehbare Zeit als illiquid erscheint. Grundsätzlich als zahlungsunfähig erweist sich ein Schuldner, der beispielsweise Konkursandrohungen anhäufen lässt, systematisch Rechtsvorschlag erhebt und selbst kleinere Beträge nicht bezahlt. Die Beurteilung beruht auf einem aufgrund der Zahlungsgewohnheiten eines Konkursiten gewonnenen Gesamteindruck (Urteile 5A_251/2018 vom 31. Mai 2018 E. 3.1; 5A_810/2015 vom 17. Dezember 2015 E. 3.2.1; 5A_912/2013 vom 18. Februar 2014 E. 3).
12
Ob das kantonale Gericht das richtige Beweismass (Glaubhaftmachung) angewandt hat, ist eine vom Bundesgericht frei zu prüfende Rechtsfrage. Die Bewertung der Beweismittel, die dem Gericht zur Glaubhaftmachung der Zahlungsfähigkeit vorgelegt werden, betrifft hingegen die Beweiswürdigung bzw. Sachverhaltsfeststellung. Diesbezüglich kann die rechtsuchende Partei nur vorbringen, die vorinstanzlichen Feststellungen seien offensichtlich unrichtig (Art. 97 Abs. 1 BGG), d.h. willkürlich, oder würden auf einer anderen Rechtsverletzung i.S.v. Art. 95 BGG beruhen (Urteile 5A_885/2019 vom 11. Dezember 2019 E. 4; 5A_175/2015 vom 5. Juni 2015 E. 3.1, in: SJ 2016 I 101; 5A_446/2014 vom 27. Oktober 2014 E. 4.3; 5A_115/2012 vom 20. April 2012 E. 3).
13
 
3.
 
3.1. Die Vorinstanz hat erwogen, es sei von offenen Forderungen in der Höhe von Fr. 48'101.30 auszugehen, zumal sich die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde zur Betreibung über Fr. 45'495.45 nicht geäussert habe. Gemäss der von der Beschwerdeführerin eingereichten Bilanz habe sich der Kassenstand am 1. Januar 2019 auf Fr. 630.-- belaufen und unter Postcheck würde ein Betrag von Fr. 8.48 figurieren. Zwar mache die Beschwerdeführerin geltend, über substanzielles Anlagevermögen bzw. über substanzielle Werte in Form von Fahrzeugen zu verfügen. Diese in Form von Fahrzeugen gebundenen Werte würden indes keine sofort und konkret verfügbaren Mittel darstellen. Dokumente wie akutelle Debitoren- und Kreditorenlisten, welche Aufschluss über die Entwicklung des aktuellen Geschäftsgangs geben könnten, seien nicht eingereicht worden. Mit welchen liquiden Mitteln die Beschwerdeführerin die ausgewiesenen, bestehenden Schulden abtragen und darüber hinaus auch ihren laufenden Verpflichtungen nachkommen wolle, vermöge sie somit nicht darzutun und sei auch nicht erkennbar.
14
3.2. Vor Bundesgericht macht die Beschwerdeführerin hauptsächlich geltend, die Vorinstanz habe, insbesondere auch mit Rücksicht auf ihre eigene Praxis (Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich vom 19. März 2020 [PS200011] E. 5.3.3), willkürlich eine aktenkundig kraft Rechtsvorschlag bestrittene Betreibungsforderung in der Höhe von Fr. 45'495.45 (Betreibung Nr. yyy) als relevante Forderung berücksichtigt, obschon der betreffende Zahlungsbefehl offensichtlich über zwei Jahre vor der hier strittigen Konkurseröffnung ausgestellt worden sei. Da ein Zahlungsbefehl ohne materielle Prüfung der Forderung aus- und zugestellt werde, könne die Forderung ebenso einfach bestritten werden, indem man gegenüber dem Betreibungsamt schlicht Rechtsvorschlag erhebe, ohne diesen begründen zu müssen. Folglich müsse eine derartige Forderung bei der Beurteilung der Zahlungsfähigkeit ausser Acht gelassen werden. Jedenfalls wenn eine Schuldnerin nicht offenkundig systematisch und nur zur Verzögerung Rechtsvorschlag erhebe, dürfe eine substanziierte Bestreitung nicht verlangt werden. Ungeachtet der beträchtlichen Willkürhürde, müsse diese vorliegend als bezwungen betrachtet und das angefochtene Urteil aufgehoben werden.
15
3.3. Der Beschwerde ist kein Erfolg beschieden. Wichtigstes bzw. unerlässliches Dokument zum Glaubhaftmachen der Zahlungsfähigkeit ist der Auszug aus dem Betreibungsregister (Urteile 5A_251/2018 vom 31. Mai 2018 E. 3.1; 5A_126/2010 vom 10. Juni 2010 E. 6.2); vorzulegen ist ein Betreibungsregisterauszug mindestens der letzten drei Jahre (vgl. DIGGELMANN, in: SchKG, Kurzkommentar, 2, Aufl. 2014, N. 15 zu Art. 174 SchKG). Auch Betreibungen, gegen die Rechtsvorschlag erhoben wurde, sind im Rahmen der Gesamtbetrachtung der Zahlungsgewohnheiten zu berücksichtigen (Urteil 5A_417/2020 vom 27. Oktober 2020 E. 4.3.3 mit Hinweisen). Der Schuldner ist deshalb grundsätzlich gehalten, zu jeder im Betreibungsregister nicht als erledigt aufgeführten Forderung Stellung zu nehmen (DIGGELMANN, a.a.O.; TALBOT, in: Kommentar zum Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs [SchKG], 4. Aufl. 2017, N. 19 zu Art. 174 SchKG). Wohl mag hinsichtlich der Berücksichtigung älterer Betreibungen im Stadium des Rechtsvorschlags eine gewisse Zurückhaltung angebracht erscheinen (vgl. COMETTA, in: Commentaire romand, Poursuite et faillite, 2005, N. 11 zu 174 SchKG). Eine starre Regel, wonach bei mehr als zwei Jahre zurückliegenden und mittels Rechtsvorschlag gestoppten Betreibungen im Rahmen der Prüfung der Glaubhaftmachung der Zahlungsfähigkeit von vornherein davon auszugehen wäre, dass diese ganz oder teilweise unbegründet sind, gibt es jedoch nicht. Massgeblich sind stets die konkreten Umstände des Einzelfalls. Vorliegend hat die Beschwerdeführerin nicht einmal behauptet, die fragliche Betreibungsforderung von Fr. 45'495.45 sei nicht geschuldet oder durch Zahlung erloschen. Sie hat einzig geltend gemacht, sie habe "die restlichen drei noch offenen Betreibungen" mit einer am 13. November 2020 an das Betreibungsamt erfolgten Zahlung von Fr. 764.-- beglichen, dabei aber gänzlich ignoriert, dass gemäss Betreibungsregisterauszug vom 16. November 2020 nicht als erledigt ausgewiesene Betreibungen im Gesamtumfang von beinahe Fr. 50'000.-- stehen geblieben sind. Eine Stellungnahme zur fraglichen Betreibungsforderung der C.________ AG in der Höhe von Fr. 45'495.45 hätte sich vorliegend insbesondere auch mit Blick auf deren erhebliche Höhe aufgedrängt. Obschon der Zahlungsbefehl in der Betreibung Nr. yyy schon am 4. Juli 2018 und damit knapp 28 Monate vor der Konkurseröffnung ausgestellt wurde, konnte die Vorinstanz vorliegend nicht abschätzen, ob die C.________ AG auf das Weiterverfolgen dieser Forderung möglicherweise verzichtet hat oder ob die Beschwerdeführerin diese Forderung nicht doch wird bezahlen müssen. Es erscheint daher nicht als geradezu willkürlich, wenn die Vorinstanz die besagte Forderung von Fr. 45'495.45 im Rahmen der Prüfung der Glaubhaftmachung der Zahlungsfähigkeit als offene Schuld behandelt hat (Art. 9 BV; vgl. zum Begriff: BGE 140 III 264 E. 2.3). Dass die Berücksichtigung der Forderung in der Höhe von Fr. 2'605.85 (Betreibung Nr. zzz vom 30. Juni 2020), zu welcher sich die Beschwerdeführerin im vorinstanzlichen Verfahren ebenfalls mit keinem Wort geäussert hat, nicht willkürlich war, wird auch von der Beschwerdeführerin eingeräumt. Im Übrigen macht die Beschwerdeführerin nicht geltend, die vorinstanzliche Annahme sei willkürlich, dass sie offene Schulden in der von der Vorinstanz angenommenen Höhe mit den verfügbaren flüssigen Mitteln nicht in absehbarer Zeit begleichen kann. Sie geht auch nicht auf den Vorwurf der Vorinstanz ein, dass keine aktuelle Kreditoren- und Debitorenlisten eingereicht wurden. Damit muss es beim angefochtenen Entscheid sein Bewenden haben.
16
4.
17
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Der Gegenpartei ist kein entschädigungspflichtiger Aufwand entstanden. Da vorliegend die Anordnung der aufschiebenden Wirkung auf das Verbot beschränkt worden ist, während der Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens weitere Vollstreckungshandlungen vorzunehmen, erübrigt sich die Festsetzung eines neuen Konkursdatums (Urteil 5A_181/2018 vom 30. April 2018 E. 4).
18
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
 
3.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Konkursamt Dietikon, dem Betreibungsamt Dietikon, dem Handelsregisteramt des Kantons Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 28. September 2021
 
Im Namen der II. zivilrechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Das präsidierende Mitglied: Escher
 
Der Gerichtsschreiber: Buss
 
© 1994-2021 Das Fallrecht (DFR).