BGer 8C_375/2021 | |||
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BGer 8C_375/2021 vom 28.09.2021 | |
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8C_375/2021 |
Urteil vom 28. September 2021 |
I. sozialrechtliche Abteilung | |
Besetzung
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Bundesrichter Maillard, Präsident,
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Bundesrichter Wirthlin, Abrecht,
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Gerichtsschreiberin Polla.
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Verfahrensbeteiligte | |
A.________, vertreten durch
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Rechtsanwalt Dr. Volker Pribnow,
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Beschwerdeführerin,
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gegen
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IV-Stelle des Kantons Aargau,
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Bahnhofplatz 3C, 5000 Aarau,
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Beschwerdegegnerin.
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Gegenstand
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Invalidenversicherung (Invalidenrente),
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Beschwerde gegen das Urteil des Versicherungsgerichts des Kantons Aargau vom 8. April 2020 [richtig: 2021] (VBE.2020.617).
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Sachverhalt: | |
A.
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Die 1965 geborene, zuletzt als Reinigungs- und Küchenhilfe tätig gewesene A.________ meldete sich am 1. März 2017 wegen einer Schilddrüsenüberfunktion bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach medizinischen und erwerblichen Abklärungen beabsichtigte die IV-Stelle des Kantons Aargau, das Leistungsbegehren abzuweisen (Vorbescheid vom 12. Juli 2019). Im Rahmen des anschliessenden Einwandverfahrens liess sie A.________ beim Swiss Medical Assessment- and Business-Center (nachfolgend: SMAB), St. Gallen, bidisziplinär (rheumatologisch und endokrinologisch/diabetologisch) begutachten (Expertise vom 21. September 2020). Mit Verfügung vom 16. November 2020 verneinte die IV-Stelle einen Rentenanspruch bei einem Invaliditätsgrad von 7 %.
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B.
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Die dagegen geführte Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Urteil vom 8. April 2020 (richtig: 2021) ab.
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C.
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A.________ lässt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten führen und beantragen, es sei das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und ihr von September 2017 bis Mai 2018 eine halbe, für Juni und Juli 2018 eine ganze und von August bis November 2018 wiederum eine halbe Invalidenrente zuzusprechen. Eventualiter sei die Sache zu weiteren Abklärungen und neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherungen hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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Erwägungen: |
1. | |
1.1. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann wegen Rechtsverletzungen gemäss Art. 95 f. BGG erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG), doch prüft es, unter Berücksichtigung der allgemeinen Rüge- und Begründungspflicht (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), nur die geltend gemachten Vorbringen, sofern allfällige weitere rechtliche Mängel nicht geradezu offensichtlich sind (BGE 141 V 234 E. 1; 133 II 249 E. 1.4.1). Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann deren Sachverhaltsfeststellung nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG).
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1.2. Die gerichtlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit bzw. deren Veränderung in einem bestimmten Zeitraum beziehen sich grundsätzlich auf Tatfragen (BGE 132 V 393 E. 3.2). Gleiches gilt für die konkrete Beweiswürdigung (Urteil 9C_204/2009 vom 6. Juli 2009 E. 4.1, nicht publ. in: BGE 135 V 254, aber in: SVR 2009 IV Nr. 53 S. 164). Dagegen geht es bei der Beachtung des Untersuchungsgrundsatzes und der Beweiswürdigungsregeln nach Art. 61 lit. c ATSG, der unvollständigen Feststellung rechtserheblicher Tatsachen sowie der Missachtung des Untersuchungsgrundsatzes (Art. 43 Abs. 1, Art. 61 lit. c ATSG) um Rechtsfragen.
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2. | |
2.1. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz Bundesrecht verletzte, indem sie einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf eine Invalidenrente verneinte.
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2.2. Gemäss Art. 28 Abs. 1 lit. b IVG haben Versicherte Anspruch auf eine Rente, die unter anderem während eines Jahres ohne wesentlichen Unterbruch durchschnittlich mindestens 40 % arbeitsunfähig (Art. 6 ATSG) gewesen sind. Art. 29 Abs. 1 IVG sieht vor, dass der Rentenanspruch frühestens nach Ablauf von sechs Monaten nach Geltendmachung des Leistungsanspruchs nach Art. 29 Abs. 1 ATSG, jedoch frühestens im Monat, der auf die Vollendung des 18. Altersjahres folgt, entsteht. Richtig sind die Ausführungen der Vorinstanz zum Beweiswert sowie zur Beweiswürdigung ärztlicher Berichte und Gutachten (BGE 143 V 124 E. 2.2.2; 137 V 210 E. 6.2.2; 134 V 231 E. 5.1; 125 V 351 E. 3 mit Hinweisen). Darauf wird verwiesen.
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3.
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In Würdigung der medizinischen Unterlagen mass die Vorinstanz dem SMAB-Gutachten vom 21. September 2020 Beweiskraft zu. Gestützt darauf sei die Beschwerdeführerin seit 3. Dezember 2016 in ihrer angestammten Tätigkeit zu 50 % und bereits seit März 2016 in einer angepassten (leichten, wechselbelastenden) Tätigkeit vollständig arbeitsfähig. Die ab 19. Juni 2018 für sechs Wochen dauernde vollständige Arbeitsunfähigkeit für jegliche Tätigkeit wegen der erlittenen Deckplattenfraktur LWK 5 begründe keine bleibende oder länger dauernde Erwerbsunfähigkeit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 ATSG und Art. 88a IVV. Die übrigen von der Verwaltung verwendeten Faktoren der Invaliditätsbemessung (Validen- und Invalideneinkommen) bestätigte die Vorinstanz.
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4. |
4.1. | |
4.1.1. Die Beschwerdeführerin rügt in formeller Hinsicht eine Verletzung der Begründungspflicht, da sich die Vorinstanz mit ihren Vorbringen zur Schilddrüsenerkrankung, die zumindest Anspruch auf eine befristete Invalidenrente gebe, nicht auseinandergesetzt habe.
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4.1.2. Die aus dem verfassungsmässigen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) fliessende Verpflichtung zur Begründung verlangt nicht, dass sich die Behörde mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr liegt keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör resp. der Begründungspflicht vor, wenn eine sachgerechte Anfechtung des vorinstanzlichen Entscheids möglich war (vgl. BGE 142 III 433 E. 4.3.2 mit Hinweisen; Urteil 9C_255/2020 vom 13. August 2020 E. 3.1). Dies trifft hier zu.
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4.2. | |
4.2.1. Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz sodann vor, sie habe aus der im Gutachten festgehaltenen Arbeitsunfähigkeit nicht zumindest einen vorübergehenden Rentenanspruch aufgrund ihrer Schilddrüsenerkrankung abgeleitet. Die gutachterlicherseits attestierte volle Arbeitsunfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit vom 13. Juni bis 3. Dezember 2016 beziehe sich lediglich auf die Osteoporose- und nicht auf die Schilddrüsenerkrankung. Der Regionale Ärztliche Dienst (RAD) der IV-Stelle habe im Bericht vom 28. März 2019 vielmehr festgehalten, dass mit dem Morbus Basedow (Schilddrüsenerkrankung) ein IV-relevanter Gesundheitsschaden vorliege. Ferner ergebe sich aus der manifesten Osteoporose mit erlittener Deckplattenfraktur LWK 5 am 19. Juni 2018 eine vollständige Arbeitsunfähigkeit bis 3. Juli 2018 und anschliessend eine solche im Umfang von 50 % bis 8. August 2018. Diese Einschränkungen hielten über ein Jahr an. Nach Ablauf des Wartejahres bzw. von September 2017 bis 18. Juni 2018 bestehe ein Anspruch auf eine halbe Invalidenrente aufgrund der 50%-igen Arbeitsunfähigkeit sowohl in der angestammten als auch in einer angepassten Tätigkeit wegen der damaligen Beschwerden hinsichtlich der Schilddrüsenerkrankung. Aufgrund der erlittenen LWK-5-Fraktur am 19. Juni 2018 habe die Beschwerdeführerin von Juni bis Juli 2018 Anspruch auf eine ganze Invalidenrente. Vom 3. Juli bis 8. August 2018 sei sie zu 50 % arbeitsfähig gewesen, sodass sie ab August bis November 2018 wiederum Anspruch auf eine halbe Rente der Invalidenversicherung habe.
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4.2.2. Wohl bestätigte der RAD im Bericht vom 28. März 2019, dass mit der Diagnose des Morbus Basedow ein IV-relevanter krankheitswertiger Gesundheitsschaden besteht. Die Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit erachtete der RAD-Arzt Dr. med. B.________ indessen zu keinem Zeitpunkt als eingeschränkt. Der Konsensbeurteilung gemäss SMAB-Expertise vom 21. September 2020 lässt sich nach den willkürfreien Feststellungen im angefochtenen Urteil ferner entnehmen, dass die Beschwerdeführerin in ihrer angestammten Tätigkeit aus endokrinologischen und rheumatologischen Gründen reduziert arbeitsfähig ist. Unter Einhaltung des interdisziplinären Belastungsprofils besteht jedoch gesamthaft keine Einschränkung in angepasster Tätigkeit. Nichts anderes ergibt sich aus dem endokrinologischen/diabetologischen Gutachten vom 17. Juli 2020. Der Morbus Basedow und die Schilddrüsenfunktion seien laut Dr. med. C.________ nach zweimaliger Radiojodtherapie gut eingestellt und würden keine klinischen Beschwerden mehr verursachen. Aufgrund der vorherrschenden Knochensituation mit Osteoporose bestehe in Bezug auf die angestammte Tätigkeit eine um 50 % reduzierte Arbeitsfähigkeit.
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4.3. Was den zeitlichen Verlauf der Arbeitsfähigkeit betrifft, bestand in Bezug auf die angestammte Tätigkeit aufgrund der Hyperthyreose mit Radiojodtherapie vom 13. Juni bis 3. Dezember 2016 eine vollständige Arbeitsunfähigkeit und eine 50%-ige Arbeitsfähigkeit vom 6. Dezember 2016 bis 18. Juni 2018. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin war sie wegen der Schilddrüsenerkrankung in einer leidensadaptierten Tätigkeit nie reduziert arbeitsfähig. Worauf sich ihre Behauptung stützt, die volle Arbeitsfähigkeit in einer angepassten Tätigkeit beziehe sich nur auf die Osteoporoseerkrankung, legt sie in ihrer Beschwerde nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Eine maximal für die Dauer von sechs Wochen bestehende vollständige Arbeitsunfähigkeit auch in einer leidensadaptierten Tätigkeit wird im SMAB-Gutachten, wie die Vorinstanz bundesrechtskonform festhielt, einzig nach der am 19. Juni 2018 erlittenen Deckplattenfraktur attestiert. Weshalb die Vorinstanz den Morbus Basedow bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit ausser Acht gelassen haben soll, ist im Übrigen nicht erkennbar. Die vorinstanzlichen Feststellungen zum Gesundheitsschaden und zur Arbeitsfähigkeit sind nach dem Gesagten nicht offensichtlich unrichtig oder anderweitig bundesrechtswidrig und damit für das Bundesgericht verbindlich. Die Beschwerde ist unbegründet.
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5.
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Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend sind die Gerichtskosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
1.
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Die Beschwerde wird abgewiesen.
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2.
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Die Gerichtskosten von Fr. 800.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3.
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Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau und dem Bundesamt für Sozialversicherungen schriftlich mitgeteilt.
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Luzern, 28. September 2021
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Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
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des Schweizerischen Bundesgerichts
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Der Präsident: Maillard
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Die Gerichtsschreiberin: Polla
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