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Informationen zum Dokument  BGer 1C_477/2020  Materielle Begründung
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BGer 1C_477/2020 vom 15.11.2021
 
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1C_477/2020
 
 
Urteil vom 15. November 2021
 
 
I. öffentlich-rechtliche Abteilung
 
Besetzung
 
Bundesrichter Kneubühler, Präsident,
 
Bundesrichter Haag, Bundesrichter Müller,
 
Gerichtsschreiberin Dambeck.
 
 
Verfahrensbeteiligte
 
A.________,
 
Beschwerdeführer,
 
vertreten durch Rechtsanwalt Linus Schweizer,
 
gegen
 
B.B.________ und C.B.________,
 
Beschwerdegegner,
 
beide vertreten durch Rechtsanwalt Michael Endres,
 
Stadtrat Zug,
 
Stadthaus, Gubelstrasse 22, 6301 Zug,
 
Regierungsrat des Kantons Zug,
 
Regierungsgebäude am Postplatz,
 
Seestrasse 2, Postfach 156, 6301 Zug,
 
vertreten durch die Baudirektion des Kantons Zug,
 
Aabachstrasse 5, Postfach, 6301 Zug.
 
Gegenstand
 
Baubewilligung,
 
Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts
 
des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer,
 
vom 10. August 2020 (V 2019 98).
 
 
Sachverhalt:
 
A.
1
B.B.________ und C.B.________ ersuchten den Stadtrat Zug am 6. April 2017 um Erteilung einer Bewilligung für den Abbruch des auf dem Grundstück Nr. 1671 in Zug stehenden Einfamilienhauses und des Schwimmbads sowie den Neubau eines Einfamilienhauses mit Photovoltaikanlage auf dem Flachdach, Autoeinstellhalle, Gartengerätehaus und Whirlpool. Der Stadtrat Zug erteilte die Bewilligung am 30. Oktober 2018 unter Auflagen und Bedingungen sowie unter gleichzeitiger Abweisung der Einsprachen, soweit er darauf eintrat.
2
Gegen diesen Entscheid erhob unter anderen A.________ Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Zug, der am 7. Februar 2019 einen Augenschein durchführte und die Beschwerden mit Beschluss vom 1. Oktober 2019 abwies.
3
Diesen Beschluss focht A.________ beim Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, an, das die Beschwerde mit Urteil vom 10. August 2020 abwies. Es erachtete die regierungsrätliche Qualifikation des Untergeschosses des Bauvorhabens als Unterniveaubaute als rechtmässig und kam zum Schluss, dass die Anforderungen an die Einordnung der geplanten Baute in die Umgebung mit Blick auf deren grosse Heterogenität erfüllt seien.
4
B.
5
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten vom 9. September 2020 gelangt A.________ an das Bundesgericht und beantragt die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils sowie der Beschlüsse des Regierungsrats und des Stadtrats; die Baubewilligung sei nicht zu erteilen. Eventualiter sei die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen.
6
Das Verwaltungsgericht, der Regierungsrat und der Stadtrat stellen Antrag auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Die Beschwerdegegner beantragen, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen.
7
 
Erwägungen:
 
 
1.
 
1.1. Angefochten ist ein kantonal letztinstanzlicher Endentscheid in einer baurechtlichen Sache. Dagegen steht grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Abs. 2, Art. 90 BGG); ein Ausnahmegrund gemäss Art. 83 ff. BGG ist nicht gegeben. Der Beschwerdeführer ist direkter Nachbar des Baugrundstücks, im vorinstanzlichen Verfahren mit seinen Anträgen unterlegen sowie Adressat des angefochtenen Urteils und damit gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten.
8
1.2. Anfechtungsobjekt im vorliegenden Verfahren bildet das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 10. August 2020. Dieses hat die Beschlüsse des Regierungsrats und des Stadtrats ersetzt (sog. Devolutiveffekt). Soweit der Beschwerdeführer deren Aufhebung beantragt, ist auf die Beschwerde daher nicht einzutreten. Immerhin gelten sie als inhaltlich mitangefochten (BGE 146 II 335 E. 1.1.2; 134 II 142 E. 1.4).
9
2.
10
Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann insbesondere die Verletzung von Bundesrecht und von kantonalen verfassungsmässigen Rechten gerügt werden (Art. 95 lit. a und c BGG). Das Bundesgericht prüft Rechtsverletzungen im Sinne von Art. 95 BGG frei, die Anwendung des (übrigen) kantonalen Rechts dagegen nur auf Bundesrechtsverletzungen, d.h. namentlich auf Willkür, hin (BGE 146 II 367 E. 3.1.5; 141 I 36 E. 1.3; 138 I 143 E. 2; je mit Hinweisen). Es wendet das Recht grundsätzlich von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem (einschliesslich kommunalem) und interkantonalem Recht prüft es aber nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). In der Beschwerde ist klar und detailliert anhand der Erwägungen des angefochtenen Entscheids darzulegen, inwiefern die angerufenen Rechte verletzt worden sein sollen (BGE 142 V 577 E. 3.2 mit Hinweis). Auf ungenügend begründete Rügen und bloss allgemein gehaltene, appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (vgl. BGE 145 I 26 E. 1.3 mit Hinweisen).
11
3.
12
Der Beschwerdeführer hält ausdrücklich fest, seine Beschwerde beziehe sich einzig auf die Qualifikation des Untergeschosses des geplanten Gebäudes als Unterniveaubaute im Sinne von § 5 der Verordnung des Kantons Zug vom 16. November 1999 zum Planungs- und Baugesetz (aV PBG, nicht mehr in Kraft). Diesbezüglich macht er eine im Sinne von Art. 97 BGG offensichtlich unrichtige Feststellung des Sachverhalts "als Grundlage der (kantonalen) Rechtsanwendung geltend [...], was eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 9 BV) [bedeute]".
13
3.1. Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann (Art. 97 Abs. 1 BGG). Eine entsprechende Sachverhaltsrüge ist substanziiert vorzubringen (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 147 I 1 E. 3.5). Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen; auf rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein (BGE 140 III 264 E. 2.3 mit Hinweisen).
14
3.2. Die Vorinstanz hielt fest, gemäss § 14 Abs. 3 der Bauordnung der Stadt Zug vom 7. April 2009 betrage der Grenzabstand für Unterniveaubauten 1.00 m. Unterniveaubauten enthielten unterirdisch angelegte Räume und überragten das gewachsene, in besonderen Fällen das neue Terrain an keinem Punkt in erheblichem Masse (§ 5 aV PBG). Zur Beantwortung der Frage, ob eine Unterniveaubaute in erheblichem Masse aus dem Terrain herausrage, könnten verschiedene Kriterien herangezogen werden. Als Richtgrösse sei der Regierungsrat in ständiger Praxis von einem Mass von 1.00 m ausgegangen.
15
Im vorliegenden Fall bestehe das Untergeschoss des umstrittenen Bauprojekts aus einer Auto-/Velo-Einstellhalle mit sieben (Auto-) Parkplätzen, zwei Kellerräumen, zwei Technikräumen, einem Raum für Waschen/Trocknen und einem Korridor. Auf der Südseite des geplanten Gebäudes liege der Garagenteil im Westen unter dem Terrain. Ab der Fassade des Erdgeschosses überrage das Untergeschoss das gewachsene Terrain auf einer Länge von ca. 0.50 m um über 1.00 m und anschliessend, auf einer Länge von 5.00 m, um 0.00 bis 1.00 m, wobei es bis zur Südostecke wieder unter das Terrain zu liegen komme. Auf der Westseite rage das Untergeschoss auf rund der Hälfte um 1.15 bis 1.32 m über das gewachsene Terrain hinaus und liege auf der anderen Hälfte unter dem Terrain. Auf der Nordseite überrage das Untergeschoss das gewachsene Terrain im Westen um 1.32 m und im Osten noch um 0.75 m, wobei das Mass auf etwa zwei Dritteln der Nordseite auf über 1.00 m bleibe. Auf der Ostseite sei das Untergeschoss im Norden auf einer Länge von 1.30 m um 0.75 m offengelegt, welches Mass sich auf einer Länge von 4.40 m auf 0.00 m reduziere. Auf den restlichen 14.50 m befinde sich das Untergeschoss wieder unter dem Terrain.
16
Somit sei das Untergeschoss ungefähr zur Hälfte unterirdisch, überrage das gewachsene Terrain zu einem Teil um weniger als 1.00 m und nur zu knapp 30 % um über 1.00 m. Mit Blick auf die bisherige Praxis, wonach das Mass von 1.00 m nicht an jedem Punkt der Unterniveaubaute eingehalten werden müsse, soweit dieses Mass auch unterschritten werde, sei der oberirdische Teil im vorliegenden Fall von so geringer Bedeutung, dass das Untergeschoss seinen Charakter als unterirdische Baute behalte. Es überrage das gewachsene Terrain nur in unerheblichem Masse. Die Qualifikation des Untergeschosses als Unterniveaubaute sei somit zu Recht erfolgt.
17
3.3. Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, aus den von Amtes wegen beizuziehenden Bauplänen sei ersichtlich, dass das Untergeschoss auf der Hälfte der Westseite um rund 1.32 m über das gewachsene Terrain hinausrage. Daraus ergebe sich eine fehlerhafte Sachverhaltsfeststellung, die letztlich auch zu einer unrichtigen Rechtsanwendung geführt habe. Entgegen den Feststellungen der Vorinstanz überrage das Untergeschoss das gewachsene Terrain nicht nur bei knapp 30 % um mehr als 1.00 m, sondern bei etwa der Hälfte. Nachdem weitere Teile des Untergeschosses das gewachsene Terrain ebenfalls - wenn auch um weniger als 1.00 m - überragten, trete das Geschoss nicht mehr als Untergeschoss in Erscheinung, sondern wirke gegenüber der Nachbarschaft als Erdgeschoss. Damit überrage das Untergeschoss das gewachsene Terrain in erheblichem Masse, weshalb das Bauvorhaben nicht von den für Unterniveaubauten geltenden Grenzabstandsvorschriften profitieren könne.
18
3.4. Inwiefern die vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG unrichtig sein sollen und die Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann, wird aus den Vorbringen des Beschwerdeführers nicht deutlich: Die Vorinstanz stellte fest, das Untergeschoss überrage das gewachsene Terrain auf rund der Hälfte der Westseite um 1.15 bis 1.32 m, während der Beschwerdeführer geltend macht, das Untergeschoss überrage das gewachsene Terrain auf der Hälfte der Westseite um rund 1.32 m. Zudem legt er nicht dar, inwiefern rund die Hälfte des Untergeschosses das gewachsene Terrain um mehr als 1.00 m überragen soll und nicht 30 % des Untergeschosses, wie dies die Vorinstanz festgestellt hat, bezieht sich diese dabei doch auf das gesamte Untergeschoss und nicht nur auf die Westseite. Er bestreitet denn auch die vorinstanzliche Feststellung nicht, dass das Untergeschoss das gewachsene Terrain in der nordöstlichen Ecke noch um 0.75 m (und nicht mehr um 1.32 m) überrage. Damit kommt der Beschwerdeführer seiner Substanziierungspflicht nicht nach (vgl. oben E. 3.1), weshalb auf seine Rügen nicht weiter einzugehen ist.
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Nachdem der Beschwerdeführer einzig eine unrichtige Feststellung des Sachverhalts durch die Vorinstanz im Sinne von Art. 97 Abs. 1 BGG rügt, darüber hinaus aber keine Rechtsverletzung (substanziiert) geltend macht, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der vorinstanzlichen Anwendung des kantonalen Rechts (vgl. oben E. 2).
20
4.
21
Nach diesen Erwägungen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
22
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem unterliegenden Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 BGG). Überdies hat er die anwaltlich vertretenen Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 BGG).
23
 
Demnach erkennt das Bundesgericht:
 
1.
 
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
 
2.
 
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
 
3.
 
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.
 
4.
 
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Stadtrat Zug, dem Regierungsrat des Kantons Zug und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug, Verwaltungsrechtliche Kammer, schriftlich mitgeteilt.
 
Lausanne, 15. November 2021
 
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
 
des Schweizerischen Bundesgerichts
 
Der Präsident: Kneubühler
 
Die Gerichtsschreiberin: Dambeck
 
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