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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Rainer M. Christmann, A. Tschentscher | |||
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Ein Vermögensschaden ist in diesem Falle nur gegeben, wenn weitere Umstände hinzutreten. Diese können insbesondere dann vorliegen, wenn der Erwerber |
a) die angebotene Leistung nicht oder nicht in vollem Umfange zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck oder in anderer zumutbaren Weise verwenden kann oder |
b) durch die eingegangene Verpflichtung zu vermögensschädigenden Maßnahmen genötigt wird oder |
c) infolge der Verpflichtung nicht mehr über die Mittel verfügen kann, die zur ordnungsmäßigen Erfüllung seiner Verbindlichkeiten oder sonst für eine seinen persönlichen Verhältnissen angemessene Wirtschafts- oder Lebensführung unerläßlich sind. |
StGB § 263 |
4. Strafsenat |
Beschluß |
vom 16. August 1961 g.L. |
- 4 StR 166/61 - |
I. Schöffengericht Minden |
II. Landgericht Bielefeld |
III. Oberlandesgericht Hamm |
Gründe: | |
I. | |
Die Strafkammer hat den Angeklagten wegen Betruges in vier Fällen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. ![]() | 1 |
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1. So ging der Angeklagte auch gegenüber dem Landwirt K. vor, dem er eine Melkanlage für 1.885 DM verkaufte, obgleich er wußte, daß dieser Käufer dadurch in finanzielle Schwierigkeiten geraten könnte und sein Vermögen insoweit gefährdete, als er zu der damaligen Zeit noch andere Verpflichtungen hatte. Hierin hat die Strafkammer einen Vermögensschaden erblickt.
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2. Ahnlich lag es im Falle B. Dieser Bauer hatte kurz zuvor seine Wirtschaftsgebäude neu errichtet, war dadurch finanziell stark geschwächt und wollte, als der Angeklagte ihn besuchte, nicht auch noch die Anschaffung einer Melkmaschine auf sich nehmen. Der Angeklagte erkannte dies. Durch die Vorspiegelung, B. könne durch eine sofortige Bestellung rund 900 DM einsparen, gelang es ihm gleichwohl, diesen zur Bestellung einer Melkmaschine zum (Listen-) Preis von 1.130 DM zu veranlassen. B. mußte, um die daraus entstandene Verpflichtung erfüllen zu können, einen verzinslichen Kredit aufnehmen. Dadurch wurde er nach Ansicht der Strafkammer an seinem Vermögen geschädigt. ![]() | 4 |
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4. Der Angeklagte veranlaßte ferner auch den Landwirt H. durch die Vorspiegelung eines besonderen Preisnachlasses von rund 750 DM zur Bestellung einer Melkmaschine für 862 DM; der Preis sollte in 3 halbjährlichen Raten gezahlt werden. H. hätte wegen seiner Geldschwierigkeiten die bestellte Anlage nicht gekauft, wenn der Angeklagte ihn nicht über die angeblich einmaligen Vorteile bei sofortigem Vertragsabschluß getäuscht hätte. Die Melkmaschine erwies sich übrigens für die Bedürfnisse des Getäuschten, der einen Betrieb mit 5 Kühen hatte, als zu klein, so daß er später bei einem Vertreter der Firma eine größere Anlage bestellte, um sich weiteren Ärger zu ersparen. In diesem Fall hat jedoch die Strafkammer nicht festgestellt, daß der Angeklagte beim Abschluß des Vertrages wußte, daß die Maschine für den Käufer nicht geeignet war. Den Vermögensschaden hat das Landgericht hier in der Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit des Getäuschten erblickt.
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Die Revision rügt u. a. Verletzung sachlichen Rechts.
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II. | |
Das Oberlandesgericht in Hamm hält die Verurteilung des Angeklagten wegen Betruges nur im Falle 3 für rechtsbeden ![]() ![]() | 8 |
Dagegen hat das Oberlandesgericht Bedenken, auf Grund der bisherigen Feststellungen einen Vermögensschaden in den übrigen drei Fällen anzunehmen. Das Landgericht habe diesen lediglich in der Einschränkung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit der Käufer erblickt, insbesondere darin, daß sich die Kunden durch den Vertragsabschluß mit der Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises Lasten auferlegt hätten, die angesichts ihrer sonstigen Verbindlichkeiten zu wirtschaftlichen Schwierigkeiten und damit zu einer Gefährdung ihrer Vermögenslage hätten führen können.
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Das Oberlandesgericht erachtet diesen Gesichtspunkt für die Begründung eines Vermögensschadens nicht für ausreichend und beabsichtigt daher, in diesen Fällen das Urteil aufzuheben. Es sieht sich hieran aber durch das Urteil des Oberlandesgerichts in Celle vom 7. Juli 1956 - 2 S 27/56 - (NdsRpfl. 1956, 210) gehindert, da hier ausgesprochen sei, daß ein Vermögensschaden bereits dann vorliege, "wenn die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit infolge Bindung des Einkommens durch die aufgegebenen Bestellungen so beeinträchtigt sei, daß eine Beschränkung anderweiter Wirtschaftsgestaltung vorliege".
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Die Voraussetzungen der Vorlegung sind zu bejahen, obwohl es zweifelhaft sein kann, ob das Oberlandesgericht in Celle grundsätzlich einen anderen Standpunkt vertreten hat, als ihn das Oberlandesgericht in Hamm einnehmen will. Die Vorlegung seitens eines Oberlandesgerichts ist jedoch bereits gerechtfertigt, wenn Zweifel vorliegen, ob der beabsichtigten Entscheidung eine von einem anderen Oberlandesgericht erlassene Entscheidung entgegensteht. ![]() | 11 |
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a) Die Frage, ob eine Vermögensbeschädigung vorliegt, wenn eine Leistung erbracht ist, die ihrem Werte nach der Gegenleistung entspricht, ist schon in der Entscheidung der Vereinigten Strafsenate des Reichsgerichts RGSt 16, 1 ff. zu einem Teil beantwortet worden. An den dort aufgestellten Grundsätzen hat auch die spätere Rechtsprechung festgehalten. Danach liegt eine Vermögensbeschädigung nicht schon dann vor, wenn jemand infolge eines durch eine Täuschung hervorgerufenen Irrtums eine Vermögensverfügung getroffen hat, die er nicht getroffen haben würde, wenn er die Wahrheit gekannt hätte. Würde man diese Ansicht vertreten, so würde der Betrug den ihm innewohnenden Charakter einer gegen das Vermögen gerichteten Straftat verlieren. Er würde lediglich zu einem Angriff auf die Verfügungsfreiheit werden. Diese ist aber als solche allgemein nur gegen Gewalt und Drohung (§ 240 StGB), nicht aber gegen Täuschung strafrechtlich geschützt. Daher bedarf es stets der Prüfung, ob die Verfügung des Getäuschten auf sein Vermögen (oder das Vermögen eines andern) vorteilhaft oder nachteilig eingewirkt hat. Es ist also nicht die Meinung des Getäuschten darüber maßgebend, ob und inwieweit sein Vermögen als beschädigt anzusehen ist. Ein Vermögensschaden liegt daher auch dann nicht vor, wenn der Getäuschte wegen des in ihm erregten Irrtums glaubte, durch den Erwerb eines Gegenstandes einen Gewinn zu machen, der aber in Wirklichkeit nicht erzielt wurde. Entscheidend ist vielmehr zunächst, ob der erworbene Gegenstand wirtschaftlich betrachtet der Gegenleistung entsprach.
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Ob dies der Fall ist, kann nicht für sich, also ohne Beachtung der besonderen Gegebenheiten des Einzelfalls, entschieden, muß vielmehr nach den persönlichen Bedürfnissen und Verhältnissen des Erwerbers und unter Berücksichtigung der von ihm nach Maßgabe aller Umstände verfolgten Zwecke beurteilt werden. Ein und dieselbe Leistung kann für das Vermögen des einen ganz andere günstige oder ungünstige Wirkungen hervorbringen als für das Vermögen eines anderen, da die meisten Gegenstände nicht für alle Menschen den gleichen Ver ![]() ![]() | 13 |
Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist der Auffassung des vorlegenden Oberlandesgerichts beizutreten, daß im Fall der Bäuerin F. (oben Nr. 3) ein Vermögensschaden vorliegt, weil die Melkanlage nach dem Sinn des Vertrages für zehn Kühe dienen sollte, tatsächlich jedoch nur für zwei bis drei Kühe verwandt werden konnte (vgl. auch BGHSt 16, 220).
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b) In den übrigen Fällen war dagegen die Benutzungsmöglichkeit für den im Vertrag vorausgesetzten Zweck gegeben. Hier konnte es sich nur um die Frage handeln, ob bereits die Einschränkung der Verfügungsfreiheit, die durch den Abschluß des Vertrages und die damit verbundene wirtschaftliche Belastung entsteht, einen Vermögensschaden darstellt oder ob in Fällen dieser Art weitere Merkmale hinzukommen müssen, damit von einem Vermögensschaden gesprochen werden kann. Die Frage ist in letzterem Sinne zu beantworten. Die bloße Bindung von Teilen des Vermögens durch die eingegangene Vertragsverpflichtung ist für sich allein betrachtet noch kein Vermögensschaden. Denn das Vermögen des Getäuschten braucht angesichts des erhaltenen Gegenwertes noch keinen geringeren Wert zu haben als zuvor.
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Welche zusätzlichen Anforderungen bei wertgleicher Gegenleistung über die bloße Beeinträchtigung der Verfügungsfreiheit des Getäuschten hinaus für die Bejahung einer Vermögensschädigung zu stellen sind, ist aus der bisherigen in ihrer Aus ![]() ![]() | 16 |
Angesichts der in dieser Rechtsprechung bislang zutage getretenen Unbestimmtheit der Schadensmerkmale bei wertgleicher Gegenleistung hält der Senat es - zugleich in Beachtung der hierauf zielenden Vorlegungsabsicht des Oberlandesgerichts in Hamm und der Ausführungen des Generalbundesanwalts - für erforderlich, eine nähere Verdeutlichung dieser Merkmale zu erzielen, ohne daß das kriminalpolitische Bedürfnis, das Strafwürdige auf diesem Gebiet zu erfassen, wesentlich beeinträchtigt wird. Die Vielgestaltigkeit der jeweiligen Umstände gestattet es allerdings nicht, eine abschließende Umschreibung für alle in Betracht kommenden Fälle zu finden; wohl aber ist es möglich, die typischen Fälle, in denen ein Vermögensschaden in Betracht kommt, näher zu umreißen. ![]() | 17 |
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c) Weiterhin liegt ein Vermögensschaden dann vor, wenn von Vermögenswerten einen so starken Mangel an Mitteln herbeiführt, daß eine bestimmte nahe Gefahr für die wirtschaftliche Lage eintritt, z.B. dadurch, daß bestehende oder neu aufzunehmende Zahlungsverbindlichkeiten voraussichtlich nicht oder nicht vollständig oder nicht zum vereinbarten Zeitpunkt erfüllt werden können. Aber auch wenn nicht so weitgehende Folgen entstehen, kann ein Vermögensschaden gegeben sein, und zwar dann, wenn der Getäuschte in seiner Verfügungsfreiheit so beschränkt wird, daß ihm die Mittel entzogen werden, die für die Aufrechterhaltung einer seinen Verhältnissen angemessenen Wirtschafts- oder Lebensführung unerläßlich sind. Dies liegt z.B. vor, wenn er seinen Aufwand im Vergleich zu der seinen Verhältnissen entsprechenden Lebensführung so weit einschränken muß, daß er nur noch die Mittel für die Befriedigung seiner notdürftigen Bedürfnisse zur Verfügung hat. Die Vermögensschädigung ist solchenfalls darin zu sehen, daß die nach der erschlichenen Vermögensverfügung verfügbar gebliebenen Restmittel des Getäuschten auch nach der Auffassung eines ![]() ![]() | 19 |
Einschränkend ist jedoch auch hier, ähnlich wie oben zu b), auszusprechen, daß in diesem erweiterten Sinne als Vermögensschädigung nur ein erschlichenes Opfer an Verfügungsfreiheit anzusehen ist, dessen Nachteile nicht durch besondere wirtschaftliche Vorteile ausgeglichen werden. Es kann durchaus im Rahmen einer vernünftigen Wirtschaftsführung liegen, wenn jemand freiwillig wesentliche Einschränkungen seines Bedarfs für eine gewisse Zeit auf sich nimmt, um einen hochwertigen ![]() ![]() ![]() | 20 |
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