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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Brian Valerius, A. Tschentscher | |||
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2. Der Begriff des "Verwendens" im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB setzt nicht voraus, daß der Einsatz des objektiv gefährlichen Tatmittels eine konkrete Gefahr erheblicher Verletzung anderer begründet. |
StGB § 250 F: 26. Januar 1998 |
4. Strafsenat |
Urteil |
vom 11. Mai 1999 g.S. |
- 4 StR 380/98 - |
Landgericht Hagen |
Aus den Gründen: | |
1. Nach den Feststellungen hatte der Angeklagte den Entschluß gefaßt, sich durch einen Banküberfall Geld zu verschaffen. Als er in dieser Absicht mit einer geladenen, Gas nach vorne verschießenden Gaspistole in der Hand die Schalterhalle einer Sparkasse betrat, befand sich dort zu seiner Überraschung niemand. Der schußsicher verglaste Kassenschalter und der teilverglaste Kunden-Service-Schalter waren nicht besetzt. In der Annahme, ein Kunde habe die Schalterhalle betreten, begab sich die Angestellte K. aus dem für Kunden nicht einsehbaren Frühstücksraum in den Kassenschalterbereich. Der Angeklagte richtete die Waffe auf sie und rief: "Geld her, oder ich warte auf einen Kunden." Die Angestellte, die "sich bereits im Bereich des schußsicher verglasten Kassenraums befand, hatte in diesem Moment weniger Angst um ihre eigene Person, wohl aber Angst vor einer von ihr befürchteten Geiselnahme" und kam daher der Aufforderung des Angeklagten nach.
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2. Bei diesem - rechtsfehlerfrei festgestellten - Sachverhalt hat das Landgericht auf die Tat des Angeklagten zu Recht ![]() ![]() | 2 |
a) Bei der vom Angeklagten zur Tatbegehung eingesetzten geladenen Gaspistole, die Gas nach vorne verschießt und deswegen Schußwaffe nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. ist (vgl. BGHR StGB § 250 Abs. 1 Nr. 1 Schußwaffe 1 und 3), handelt es sich um eine Waffe im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. (BGH, Beschlüsse vom 21. April 1998 - 1 StR 165/98 -, vom 14. Juli 1998 - 1 StR 272/98 - und vom 19. Januar 1999 - 4 StR 668/98). Das gilt auch dann, wenn - was nach den getroffenen Feststellungen zwar nicht sicher, aber möglich ist - die einzige außer dem Angeklagten anwesende Person, die Angestellte K., sich während der gesamten Dauer der Tat durchgehend hinter schußsicherem Glas befand, mit der Folge, daß eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr nicht bestand. Waffe im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 1 a und Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. ist ein gefährliches Werkzeug, das nach seiner Beschaffenheit und nach seinem Zustand zur Zeit der Tat bei bestimmungsgemäßer Verwendung geeignet ist, erhebliche Verletzungen zuzufügen. Diese Voraussetzung erfüllt die vom Angeklagten benutzte Gaspistole, wie generell jede funktionsfähige und einsatzbereite (geladene) Schußwaffe (so auch BGH NStZ 1999, 301). Darauf, ob die nach Beschaffenheit und Zustand des Tatmittels bei bestimmungsgemäßer Verwendung gegebene Gefährlichkeit aufgrund anderer Umstände der Tatsituation für den konkreten Einzelfall ausnahmsweise ausgeschlossen werden kann, kommt es für den Begriff der Waffe nicht an. ![]() | 3 |
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b) Indem der Angeklagte die Pistole während des Überfalls in der Hand hielt und mit ihr die Angestellte K. bedrohte, hat er die Waffe im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. verwendet. Ein tatbestandsmäßiges Verwenden einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs setzt nicht voraus, daß der Täter diese Gegenstände als Mittel der Gewaltausübung ein ![]() ![]() | 5 |
Der Umstand, daß die einzige während der Tat in dem Schalterraum anwesende Person, die Angestellte K., sich möglicherweise durchgehend in dem durch schußsicheres Glas geschützten Kassenbereich befand und gegebenenfalls damit vor jeder Beeinträchtigung durch einen etwaigen Schuß aus der Gaspistole sicher war, steht, auch soweit es das Tatbestandsmerkmal "Verwenden einer Waffe" anbelangt, der Anwendung des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. nicht entgegen. Der Senat hält insoweit an der in seinem Anfragebeschluß vom 3. Dezember 1998 in dieser Sache (BGH StV 1999, 151) geäußerten Rechtsauffassung, für ein "Verwenden" des Tatmittels sei erforderlich, daß dessen abstrakte (potentielle) Gefährlichkeit bei dem in Frage stehenden Einsatz in der Weise zum Tragen komme, daß eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr vorliege, die Drohung also jederzeit in die Realisierung der angedrohten Gewalteinwirkung umschlagen könne, nicht fest. Er verschließt sich insoweit nicht der Auffassung der anderen Senate, die einer weiten Auslegung des Begriffs den Vorzug geben. Danach setzt das genannte Tatbestandsmerkmal nicht voraus, daß der Einsatz des objektiv gefährlichen Tatmittels eine konkrete Gefahr erheblicher Verletzungen anderer begründet.
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Die Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. steht einer weiten Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Verwenden" nicht entgegen. Diese ist auch nicht bereits in der restriktiven Auslegung des Waffenbegriffs durch die Rechtsprechung angelegt:
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Die erforderliche enge, eine objektive Gefährlichkeit des Tatmittels verlangende Auslegung des Merkmals Waffe findet ihre Rechtfertigung darin, daß der Einsatz einer Pistolenattrappe oder einer Scheinwaffe als Drohmittel unter allen denkbaren Bedingungen, auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Eskalation des Geschehens, notwendigerweise ungefährlich ist; die Möglichkeit eines Einsatzes als Schlagwerkzeug, die aber kein Verwenden einer Waffe als Waffe wäre, ![]() ![]() | 8 |
Für eine Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Verwenden", die - ohne weitere Einschränkungen - jedes Benutzen bei der Anwendung von Gewalt oder als Drohmittel genügen läßt, sprechen auch praktische Gründe der Rechtsanwendung: Da der Einsatz einer Waffe als Drohmittel als tatbestandsmäßige Handlung ausreicht, eine konkrete Leibesgefahr infolge des Waffeneinsatzes also nicht erforderlich ist, andererseits jedem Waffeneinsatz eine abstrakte Gefährlichkeit innewohnt, wäre jeder Versuch, das Tatbestandsmerkmal des "Verwendens" in der Weise einschränkend auszulegen, daß es einen erhöhten - wie auch immer näher zu bestimmenden - Grad von - Gefährlichkeit der Tatsituation voraussetzt, mit der Notwendigkeit verbunden, auf Abgrenzungskriterien zurückzugreifen, die nicht trennscharf sein können und die Praxis vor erhebliche Schwierigkeiten stellen würden (Dencker in Dencker/Struensee/Nelles/Stein, Einführung in das 6. Strafrechtsreformgesetz 1998 S. 14 Rdn. 26).
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c) Daß nach allem § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB n.F. auch in Fällen anwendbar ist, in denen nach den Umständen der Tatsituation eine konkrete Leibes- oder Lebensgefahr ausgeschlossen werden kann, mag mit Blick auf die von der Vorschrift angedrohte Strafe ("Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren"), die der für einen vollendeten Totschlag entspricht, Anlaß zu Zweifeln geben, ob dem 6. Strafrechtsreformgesetz die angestrebte Harmonisierung der Strafrahmen in diesem Bereich gelungen ist. Dem Fehlen einer konkreten Gefahr wird ![]() ![]() ![]() | 10 |
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