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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Brian Valerius, A. Tschentscher | |||
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StPO §§ 127 Abs. 1 Satz 1 |
4. Strafsenat |
Urteil |
vom 10. Februar 2000 g.M. |
- 4 StR 558/99 - |
Landgericht Arnsberg |
Aus den Gründen: | |
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Seine auf die Sachbeschwerde gestützte Revision hat Erfolg. ![]() | 1 |
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2. Nach Auffassung des Landgerichts hat der Angeklagte den D. nach § 127 Abs. 1 Satz 1 StPO vorläufig festnehmen und am Boden "fixieren", nicht aber einen Würgegriff anlegen dürfen. Gegen diesen habe D. vielmehr ein Notwehrrecht zugestanden. Durch die "Körperverletzung in Form des Würgens" habe der Angeklagte den Tod des D. fahrlässig verursacht, weshalb er der Körperverletzung mit Todesfolge schuldig sei. Ein Erlaubnisirrtum sei ausgeschlossen, weil der Angeklagte sich nicht über den Umfang der rechtlichen Grenzen eines Rechtfertigungsgrundes geirrt habe.
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a) Das Landgericht geht zutreffend davon aus, daß das Handeln des Angeklagten zunächst durch das Festnahmerecht nach § 127 Abs. 1 Satz 1 StPO gerechtfertigt war. Als Ladendetektiv hatte der Angeklagte zwar keine polizeilichen Rechte und Funktionen; er durfte aber solche Handlungen vornehmen, die "jedermann" gestattet sind (vgl. Wache in KK 4. Aufl. § 163 Rdn. 7). Da sich sein Tatverdacht - durch Auffinden der entwendeten CDs in der Jackentasche des D. - bestätigt hat, kommt es auf die umstrittene Frage, ob eine Festnahme nach § 127 Abs. 1 Satz 1 StPO nur zulässig ist, wenn eine Straftat wirklich begangen worden ist (vgl. hierzu Kargl NStZ 2000, 8 ff. m.w.N.), nicht an. Der Angeklagte hatte D. "auf frischer Tat" noch am Tatort betroffen. Da D., auf den Diebstahl angesprochen, zu flüchten versuchte, war der Angeklagte befugt, ihn vorläufig festzunehmen, auch wenn - wozu sich das Landgericht, nicht äußert - D. keinen räuberischen Diebstahl, sondern nur einen Diebstahl begangen hatte; denn § 127 Abs. 1 Satz 1 StPO - der an die "Frische" und nicht an die "Schwere" der Tat anknüpft (so zutreffend Kargl a.a.O. S. 14; Schröder Jura 1999, 10, 11; vgl. auch § 127 Abs. 3 ![]() ![]() | 5 |
b) Nach diesen Grundsätzen durfte der Angeklagte den flüchtenden D. von hinten anspringen, zu Fall bringen und am Boden "fixieren". Die hiermit verbundene Freiheitsberaubung und Nötigung war gerechtfertigt (vgl. BGH, Urt. vom 11. Januar 1983 - 1 StR 742/82; BayObLGSt 1959, 38, 41; 1986, 52, 55; OLG Hamm NStZ 1998, 370). Selbst wenn - wie das Landgericht meint - in dem "Anspringen" und "Nieder ![]() ![]() | 6 |
c) Die Feststellungen des Landgerichts zum weiteren Geschehensablauf sind jedoch unklar. Sie lassen nämlich nicht erkennen, von wem das Angriffsverhalten ausging, nachdem die beiden Kontrahenten zu Boden gegangen waren:
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In seiner rechtlichen Würdigung verweist das Landgericht auf das Festhalten am Boden und das anschließende Anlegen des Würgegriffs am Hals. Dies spricht ebenso wie die Bejahung einer Notwehrlage für D. durch das Schwurgericht für einen nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zum Festnahmezweck stehenden und deshalb durch § 127 Abs. 1 Satz 1 StPO nicht mehr gedeckten vom Angeklagten ausgehenden Angriff.
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Das Urteil enthält aber auch Anhaltspunkte, die auf eine aktive - tätliche - Gegenwehr des D. schon gegen das bloße Festhalten am Boden hinweisen: So sind der Hilferuf und vor allem die mehrfache Aufforderung des Angeklagten - gleich zu Beginn der Auseinandersetzung -, sich zu ergeben und dies mit der Hand anzuzeigen, kaum anders verständlich, als daß sich D. aktiv gegen seine Festnahme zur Wehr gesetzt hat. Dementsprechend teilt das Landgericht in den Feststellungen auch mit, der Angeklagte habe "versucht", seinen Gegner am Boden zu fixieren und dessen rechten Arm festzuhalten. Für ein tätliches, von D. ausgehendes Angriffsverhalten am Boden könnte auch sprechen, daß dieser mit den Beinen um sich schlug, noch bevor der Kaufhausleiter M. hinzutrat.
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d) Die Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge wäre dann rechtlich zutreffend, wenn der Angeklagte im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung, ohne durch die Gegenwehr des D. in eine Notwehrlage versetzt und im Rahmen eigenen Notwehrrechts dazu veranlaßt worden zu sein, ![]() ![]() | 10 |
Ein an sich möglicher Erlaubnisirrtum des Angeklagten (vgl. hierzu Wessels/Beulke, Strafrecht AT 29. Aufl. Rdn. 482 ff.) wäre hier nur ein - vermeidbarer - Verbotsirrtum (§ 17 StGB), der eine Bestrafung wegen Körperverletzung mit Todesfolge nicht berührte (vgl. BGH GA 1969, 23, 24; NStZ 1987, 322; 1988, 269, 270).
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e) Dagegen wäre der Angeklagte (nur) wegen fahrlässiger Tötung (§ 222 StGB) zu bestrafen, wenn sich D. gegen seine rechtmäßige "Fixierung" am Boden - gegen die ihm kein Notwehrrecht zustand (vgl. BGH StV 1993, 241, 242; BGH, Beschl. vom 25. Mai 1998 - 5 StR 52/98; OLG Düsseldorf NStZ 1991, 599; OLG Hamm NStZ 1998, 370) - tätlich zur Wehr gesetzt hat oder wenn dies nicht ausgeschlossen werden kann. Gegen einen solchen Angriff des D. war der Angeklagte nämlich zur - zunächst unbeschränkten - Notwehr berechtigt. Er durfte in diesem Fall dasjenige Abwehrmittel wählen, das eine sofortige und endgültige Beseitigung der Gefahr gewährleistete (vgl. BGH GA 1968, 182, 183). Er war nicht gehalten, auf die Anwendung weniger gefährlicher Abwehrmittel zurückzugreifen, wenn deren Wirkung für die Abwehr zweifelhaft war; auf einen Kampf mit ungewissem Ausgang brauchte er sich nicht einzulassen (st.Rspr., vgl. BGHSt 24, 356, 358; 25, 229, 230; 27, 336, 337; BGH NStZ 1998, 508, 509 m.w.N.).
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Für einen objektiven Dritten in der Tatsituation des Angeklagten (vgl. BGH StV 1999, 143, 145) gab es hier zum - lediglich mit Körperverletzungswillen vorgenommenen - Anlegen des Würgegriffs keine mildere Handlungsalternative: Auf die mehrfache Aufforderung zu Beginn der auch vom Ange ![]() ![]() | 13 |
Die Rechtfertigung des Würgegriffs entfiel jedoch objektiv, als D. in der zweiten Minute der Strangulation bewußtlos wurde und mit Erstickungskrämpfen reagierte. Der Angeklagte war jetzt, soweit Trutzwehr überhaupt erforderlich war, zur größtmöglichen Schonung angehalten (vgl. zu Schuldunfähigen BGHSt 3, 217, 218; BayObLG NStZ 1991, 433, 434; StV 1999, 147 f.; Wessels/Beulke a.a.O. Rdn. 344; Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 32 Rdn. 19 m.w.N.). Im Verkennen dieses Sachverhalts läge für ihn ein Erlaubnistatbestandsirrtum (BGH NStZ 1987, 20; 1996, 29, 30; NJW 1995, 973; BGH, Beschl. vom 20. Juli 1999 - 1 StR 313/99). Er hätte nämlich nicht mehr getan, als er bei einer wirklich fortbestehenden Notwehrlage hätte tun dürfen (vgl. BGH NJW 1992, 516, 517 [ein drei bis fünf Minuten andauernder Würgegriff kann "in der angewandten Stärke und Dauer" die erforderliche Verteidigung gegen einen tätlichen Angriff sein]; s. ferner BGH NStZ 1983, 500; 1997, 96, 97). Die irrige Annahme eines rechtfertigenden Sachverhalts wäre wie ein den Vorsatz ausschließender Irrtum über Tatumstände nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB zu bewerten (st. Rspr.; vgl. nur BGHSt 3, 105, 106 f.; BGHSt 194, 196; 31, 264, 286 f.; BGH NStZ 1996, 34, 35), so daß der Vorwurf (vorsätzlicher) Körperverletzung mit Todesfolge entfiele.
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Der Irrtum des Angeklagten würde aber auf einer Außerachtlassung der gebotenen und ihm persönlich zuzumutenden Sorgfalt beruhen, so daß er wegen fahrlässiger Tötung zu bestrafen wäre (§ 16 Abs. 1 Satz 2 StGB; vgl. BGH NJW 1992, 516, 517; NStZ 1983, 453; 1987, 172; 1988, 269, 270). Ihm war nämlich die Gefährlichkeit des Würgegriffs bekannt, konkret ![]() ![]() ![]() | 15 |
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