2. Die Voraussetzungen, unter denen eine Institution als Gericht im Sinne des Grundgesetzes anzusehen ist, sind für alle Zweige der Gerichtsbarkeit gleich.
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3. Gericht im Sinne des Grundgesetzes ist ein Gremium nur dann, wenn seine berufsrichterlichen Mitglieder grundsätzlich hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellt sind, Richter auf Probe oder auf Widerruf also nur insoweit herangezogen werden, als das nach verständigem Ermessen zur Heranbildung von Nachwuchs oder aus anderen zwingenden Gründen notwendig ist (Art. 97 Abs. 2 GG). Gericht im Sinne des Grundgesetzes ist ein Gremium dann nicht, wenn ihm institutionell ein Mitglied angehört, das als weisungsgebundener Beamter die gleiche Materie bearbeitet, über die er als unabhängiger Richter zu entscheiden hat (Art. 20 Abs. 2 GG). | |
Beschluß | |
des Ersten Senats vom 9. November 1955
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- 1 BvL 13/52, 1 BvL 21/53 - | |
in dem Verfahren wegen verfassungsrechtlicher Prüfung des § 69 Absatz 2 des Gesetzes zur Milderung dringender sozialer Notstände (Soforthilfegesetz - SHG) vom 8. August 1949 (WiGBl. S. 205) aus ![]() ![]() | |
Entscheidungsformel:
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§ 69 Absatz 2 des Gesetzes zur Milderung dringender sozialer Notstände (Soforthilfegesetz - SHG) vom 8. August 1949 (WiGBl. S. 205) ist insoweit nichtig, als er bestimmt, daß die Beschwerdeausschüsse als Verwaltungsgerichte entscheiden.
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Gründe: | |
I.
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Das Soforthilfegesetz des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes vom 8. August 1949 wurde in dem am 18. August 1949 ausgegebenen Gesetzblatt der Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes verkündet. Entsprechende Vorschriften wurden auch in Baden, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern sowie für den bayerischen Kreis Lindau erlassen.
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1. Nach §§ 49 ff. SHG war die Verwaltung der auf Antrag zu gewährenden Soforthilfeleistungen
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Unterhaltshilfe, §§ 35 bis 42 SHG;
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Ausbildungshilfe, § 43 SHG;
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Aufbauhilfe, § 44 SHG;
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Hausrathilfe, § 45 SHG;
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Gemeinschaftshilfe, §§ 46, 47 SHG
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den Soforthilfebehörden übertragen. Als untere Instanzen wurden innerhalb der bestehenden Behörden der allgemeinen Verwaltung in den Stadt- und Landkreisen Ämter für Soforthilfe und als Mittelbehörden die Landesämter für Soforthilfe innerhalb von Behörden der allgemeinen Verwaltung errichtet, die der Kreisstufe übergeordnet waren, in den meisten Ländern innerhalb des Innen- oder des Finanzministeriums (vgl. Kühne-Wolff, Komm. zum SHG, 1950, S. 366/367). Größere Länder, ![]() ![]() | |
Bei der unteren Verwaltungsstufe, den Ämtern für Soforthilfe, wurden Soforthilfeausschüsse gebildet, die aus dem Leiter des Amtes oder einem Vertreter als Vorsitzendem und zwei - in den Landkreisen vom Kreistag, in den Stadtkreisen von der Stadtverordnetenversammlung - auf die Dauer eines Jahres gewählten Beisitzern bestanden. Die hier in Rede stehenden Beschwerdeausschüsse wurden bei den Landesämtern für Soforthilfe oder bei deren Außenstellen, also bei der Mittelstufe der Verwaltungsbehörden errichtet. Sie bestanden aus dem Vorsitzenden und zwei Beisitzern. Den Vorsitz führte der Leiter der zuständigen Behörde - d. h. der Leiter des Landesamtes, nicht der Minister, innerhalb dessen Ministerium es errichtet war oder ein Vertreter des Behördenleiters. Die beiden Beisitzer wurden von den Landesparlamenten auf die Dauer eines Jahres gewählt. Als letzte Entscheidungsinstanz wurde zunächst beim Hauptamt für Soforthilfe ein aus fünf Mitgliedern bestehender Spruchsenat gebildet, der durch Verordnung vom 15. Januar 1951 (BGBl. I S. 71) auf den Bund übergeführt und dem Bundesfinanzhof eingegliedert wurde.
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Während die Soforthilfeausschüsse kraft ausdrücklicher Bestimmung (§ 69 Abs. 1 SHG) als Verwaltungsbehörden nach den allgemeinen Weisungen des Präsidenten des Hauptamtes für Soforthilfe entschieden, bestimmt die zur Prüfung gestellte Vor ![]() ![]() | |
"Der Beschwerdeausschuß und der Spruchsenat entscheiden als Verwaltungsgerichte; ihre Mitglieder sind daher als solche unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen."
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Demzufolge wird in § 69 Abs. 3 SHG die Geltendmachung von Ansprüchen nach dem Zweiten Teil des Soforthilfegesetzes vor den ordentlichen Gerichten ausgeschlossen.
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Die Interessen des Soforthilfefonds wurden in den einzelnen Verfahren durch den "Beauftragten des Hauptamts für Soforthilfe" wahrgenommen, der vom Präsidenten des Hauptamtes bestellt wurde und weisungsgebunden war.
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2. Die Soforthilfeausschüsse entschieden durch Beschluß über Anträge auf Unterhaltshilfe, soweit der Leiter des Amtes nicht bereits durch Vorbescheid solchen Anträgen entsprochen hatte. Der Soforthilfeausschuß hatte ferner von vornherein über Anträge auf Ausbildungshilfe, Aufbauhilfe und Hausrathilfe durch Bescheid zu befinden. Soweit handelte es sich eindeutig um reine Verwaltungsverfahren.
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Gegen die Beschlüsse und Bescheide der Soforthilfeausschüsse konnten der Geschädigte und der Beauftragte des Hauptamtes für Soforthilfe Beschwerde zum Beschwerdeausschuß als einem besonderen "Verwaltungsgericht" erheben. Die Beschlüsse über Unterhaltshilfe hatte der Beschwerdeausschuß in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vollständig zu überprüfen, während er bei den Beschlüssen über Anträge auf Ausbildungshilfe, Aufbauhilfe und Hausrathilfe auf die Nachprüfung eines Ermessensmißbrauchs beschränkt war. Mit der Beschwerde zum Spruchsenat konnten nur Beschlüsse der Beschwerdeausschüsse auf Unterhaltshilfe unter gewissen Voraussetzungen angefochten werden. Der Spruchsenat war keine zweite Tatsacheninstanz, sondern überprüfte nur Rechtsfragen.
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Für das Verfahren vor dem Spruchsenat galten sinngemäß die Verfahrensvorschriften der MRVO 165 (Soforthilfe-DVO Abs. 1 zu § 56 SHG, eingefügt durch ErgVO vom 22. Dezember 1950 ![]() ![]() | |
3. Inzwischen sind das Soforthilfegesetz, die entsprechenden Vorschriften der Länder der ehemaligen französischen Besatzungszone und die Durchführungsverordnungen durch § 371 Ziff. 1 des Gesetzes über den Lastenausgleich (Lastenausgleichsgesetz - LAG) vom 14. August 1952 (BGBl. I S. 446) mit Wirkung vom 1. September 1952 aufgehoben und für die Überleitung der Soforthilfe in den Lastenausgleich materiell und verfahrensmäßig besondere Vorschriften erlassen worden: Nach § 353 LAG i.V.m. § 6 der Ersten Verordnung für Ausgleichsleistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz vom 24. November 1952 (BGBl. I S. 742) gelten für die Weiterbehandlung der noch nicht endgültig entschiedenen Anträge auf Soforthilfeleistungen - deren Erledigung sich materiell nach den Bestimmungen des Soforthilfegesetzes richtet - die Verfahrensvorschriften für gleichartige Leistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz. An die Stelle der Ämter für Soforthilfe, der Soforthilfeausschüsse, der Landesämter für Soforthilfe und des Hauptamtes für Soforthilfe sind die Ausgleichsämter, die Ausgleichsausschüsse, die Landesausgleichsämter und das Bundesausgleichsamt getreten (§ 352 LAG).
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Dagegen konnte die Zuständigkeit der Beschwerdeausschüsse des Soforthilfegesetzes nicht auf die neuen Beschwerdeausschüsse des Lastenausgleichsgesetzes (§ 310 LAG) übergehen, weil deren Stellung und Aufgaben trotz der gleichartigen personellen Zusammensetzung nicht die gleichen sind. ![]() | |
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Das Lastenausgleichsgesetz behandelt die Beschwerdeausschüsse, die für den Bereich eines Stadt- oder Landkreises oder mehrerer Kreise zu bilden sind, als reine Verwaltungsbehörden (§ 310 LAG) und vertraut die rechtsprechende Tätigkeit hinsichtlich der Ausgleichsleistungen ausdrücklich den allgemeinen Verwaltungsgerichten an (§ 315 LAG). Gegen den Beschluß der Beschwerdeausschüsse des Lastenausgleichsgesetzes können der Antragsteller und der Vertreter der Interessen des Ausgleichsfonds, der an die Stelle des Beauftragten des Hauptamtes für Soforthilfe getreten ist, die Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht erheben (§ 338 LAG).
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Die Überleitung der nach dem Soforthilfegesetz anhängigen Verfahren in das System der Lastenausgleichsorganisation ist in § 353 LAG i.V.m. § 6 der Ersten Verordnung über Ausgleichsleistungen nach dem Lastenausgleichsgesetz folgendermaßen geregelt: Diejenigen Verfahren, die über die Beschwerdeausschüsse des Soforthilfegesetzes noch nicht hinausgelangt sind, gehen nunmehr an die Beschwerdeausschüsse des Lastenausgleichsgesetzes und anschließend weiter über die Verwaltungsgerichte erster Instanz an das Bundesverwaltungsgericht (§ 353 Ziff. 1 und 2 LAG). Diejenigen Verfahren, die schon beim Spruchsenat anhängig waren, gehen zunächst an die neuen Beschwerdeausschüsse, die der Rechtsbeschwerde abhelfen können. Wird Abhilfe nicht gewährt, so entscheidet das Bundesverwaltungsgericht, ohne daß noch ein Verwaltungsgericht erster Instanz anzurufen wäre (§ 353 Ziff. 3 LAG).
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Keine Übergangsregelung gibt das Gesetz für den Fall, daß ein Beschwerdeausschuß alten Rechts entschieden hat, ohne daß eine Rechtsbeschwerde an den Spruchsenat gegeben war, und für den Fall, daß der Spruchsenat entschieden hat. ![]() | |
1. In beiden Ausgangsverfahren hatten die Beschwerdeausschüsse am 15. August 1950 und am 4. Januar 1951, also vor Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes (1. September 1952), nach dem Soforthilfegesetz über Ansprüche auf Unterhaltshilfe (§§ 35 bis 42 SHG) entschieden, ohne die Rechtsbeschwerde zum Spruchsenat zuzulassen (§ 62 Abs. 1 SHG). Jeder der beiden Antragsteller hat alsdann - ebenfalls noch vor Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes - gegen die ihm ungünstige Entscheidung des Beschwerdeausschusses Anfechtungsklage beim allgemeinen Verwaltungsgericht erhoben.
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Das Verwaltungsgericht Karlsruhe und das Hamburgische Oberverwaltungsgericht sehen sich durch § 69 Abs. 2 SHG an einer Sachentscheidung gehindert, weil die Beschwerdeausschüsse nach dieser Bestimmung besondere Verwaltungsgerichte sind und weil nach den einschlägigen Verfahrensvorschriften der Rechtsweg vor den allgemeinen Verwaltungsgerichten nur gegeben ist, soweit nicht ein anderes Gericht zu entscheiden hat. Die Organisation der Beschwerdeausschüsse gemäß § 53 SHG entspricht jedoch nach der Ansicht der Gerichte nicht den Anforderungen die nach dem Grundgesetz an ein "Gericht" zu stellen sind; vornehmlich, weil der Prozeßstoff, über den die Beschwerdeausschüsse zu entscheiden haben, sich im allgemeinen mit dem Aufgabenkreis decke, in dem der Vorsitzende des Ausschusses sich als Leiter des Landesamtes für Soforthilfe, also als weisungsgebundener Verwaltungsbeamter, betätige, so daß der Beschwerdeausschuß selbst nicht mehr als unbeteiligter Dritter angesehen werden könne. Beide Gerichte halten deshalb Art. 92 GG (Ausübung der rechtsprechenden Gewalt durch "Richter" und "Gerichte") und Art. 97 GG (Unabhängigkeit der Richter), das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hält auch Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG (Dreiteilung der Gewalten) für verletzt. Die Gerichte haben gemäß Art. 100 Abs. 1 GG ihre Verfahren ausgesetzt und die Akten dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung dar ![]() ![]() | |
2. Das Bundesverfassungsgericht hat gemäß §§ 82, 77 BVerfGG dem Bundestag, dem Bundesrat, der Bundesregierung, sämtlichen Landesregierungen und den Beteiligten der Ausgangsverfahren Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Von dieser Möglichkeit haben - ohne dem Verfahren nach § 82 Abs. 2 BVerfGG beizutreten - der Bundesminister der Finanzen für die Bundesregierung und die Landesregierungen von Bayern, Niedersachsen, Schleswig- Holstein und Württemberg-Baden sowie der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg Gebrauch gemacht. Die Beteiligten der Ausgangsverfahren haben sich sachlich zu der Streitfrage nicht geäußert.
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Der Bundesminister der Finanzen verneint bereits die Zulässigkeit der Vorlage mit dem Hinweis, daß das Bundesverfassungsgericht - wie sich aus dem Wortlaut des § 13 Nr. 11 BVerf GG ergebe - nur die Frage der Vereinbarkeit eines Bundesgesetzes mit dem Grundgesetz prüfen könne, während es sich bei dem Soforthilfegesetz um ein Gesetz des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebiets handle. Daher seien die vorlegenden Gerichte selbst befugt und verpflichtet, die Anwendung dcs Soforthilfegesetzes abzulehnen, falls sie in Anwendung des Grundsatzes lex posterior derogat legi priori zu dem Ergebnis kämen, daß die Bestimmung des § 69 Abs. 2 SHG mit dem Grundgesetz in Widerspruch stehe.
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Zu der vorgelegten Rechtsfrage selbst nehmen der Bundesminister der Finanzen und die Landesregierungen übereinstimmend den Standpunkt ein, daß die Beschwerdeausschüsse nach der Art ihrer personellen Besetzung, ihres Verfahrens und ihrer organisatorischen Stellung den an ein besonderes Verwaltungsgericht zu stellenden Anforderungen genügen. Der Bundesminister der Finanzen macht in diesem Zusammenhang geltend, daß die Voraussetzungen, unter denen eine Institution als ordentliches Gericht oder als allgemeines Verwaltungsgericht anzusehen sei, nicht ohne weiteres auf besondere Verwaltungsgerichte wie ![]() ![]() | |
Da keines der anzuhörenden Verfassungsorgane dem Verfahren beigetreten ist, konnte ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß entschieden werden (vgl. BVerfGE 2, 213 [217 f.]).
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Die Anträge sind zulässig.
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1. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 24. Februar 1953 (BVerfGE 2, 124) entschieden, daß Gesetze, die vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes, dem 24. Mai 1949, verkündet worden sind, nicht der Normenkontrolle des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG unterliegen, daß vielmehr jedes Gericht über die Vereinbarkeit solcher "vorkonstitutionellen" Gesetze mit dem Grundgesetz in eigener Zuständigkeit zu entscheiden habe. Die Frage, ob sich diese jedem Gericht zustehende Verwerfungskompetenz auch auf die zwischen dem 23. Mai 1949 und dem 7. September 1949, dem Tage des ersten Zusammentritts des Bundestages, von den bisherigen Gesetzgebern erlassenen Gesetze erstreckt - zu denen das Soforthilfegesetz gehört -, ist in diesem Urteil offengeblieben.
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Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 20. Juli 1955 (BVerfGE 4, 214 [218]) ausgesprochen, daß eine Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG zulässig und geboten ist, wenn ein Gericht annimmt, ein entscheidungserhebliches Gesetz aus der Zeit zwischen dem 23. Mai und dem 7. September 1949 verstoße gegen das Grundgesetz.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat allerdings in einem Urteil vom 8. September 1953 (BVerwGE 1, 4) die Verfassungswidrig ![]() ![]() | |
Die hier gezogene Parallele entbehrt jedoch der inneren Begründung. Wie das Bundesverfassungsgericht in seinen Urteilen vom 20. März 1952 (BVerfGE 1, 184 [197 f.]) und vom 24. Februar 1953 (BVerfGE 2, 124 [129 f.]) dargelegt hat, ist es die wesentliche Aufgabe der Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 GG, die Autorität des Gesetzgebers zu wahren und zu verhüten, daß ein einzelnes Gericht sich über den Willen des Bundes- oder Landesgesetzgebers hinwegsetzt. Das Bundesverfassungsgericht hat unter diesem Gesichtspunkt seine Verwerfungskompetenz gegenüber vorkonstitutionellem Recht verneint, weil die Entscheidung über die Vereinbarkeit vorkonstitutionellen Rechts mit dem Grundgesetz die Autorität der gesetzgebenden Gewalt unberührt läßt; denn wenn ein Gericht vorkonstitutionelles Recht wegen Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz außer Anwendung läßt, setzt es sich nicht über den ursprünglichen Willen des Gesetzgebers hinweg (BVerfGE 2, 124 [129]). Entsprechend hat das Bundesverfassungsgericht in derselben Entscheidung (BVerf GE 2, 124 [131]) seine Entscheidungsbefugnis nach Art. 100 Abs. 1 GG als ein Feststellungsmonopol für die Fälle bezeichnet, in denen dem unter der Herrschaft des Grundgesetzes tätig gewordenen Gesetzgeber unterstellt wird, er habe durch seinen Gesetzgebungsakt das Grundgesetz verletzt.
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Nicht der Beginn der Funktionsfähigkeit der gesetzgebenden Körperschaften des Bundes und der Zeitpunkt der Umwandlung ![]() ![]() | |
Es handelt sich also bei Gesetzen aus der Zeit zwischen dem 23. Mai und dem 7. September 1949 nicht um eine Frage der Kollision zwischen altem und neuem Recht, sondern um die Vereinbarkeit einer Norm mit dem zur Zeit der Normensetzung bereits geltenden Grundgesetz. Es ist hiernach für alle nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes erlassenen Gesetze - d. h. auch für das Soforthilfegesetz - die ausschließliche Verwerfungszuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 GG gegeben.
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Keine Rolle spielt es in diesem Zusammenhang, daß die Ausschußberatungen und einige Lesungen des Soforthilfegesetzes im Wirtschaftsrat schon Ende 1948 stattgefunden haben, worauf der Bundesminister der Finanzen offenbar abhebt. "Verabschiedet" hat der Wirtschaftsrat das Soforthilfegesetz am 24. Mai 1949; die Verabschiedung wie die Verkündung des Gesetzes fallen also in die Zeit nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes.
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Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts entfällt nicht deshalb, weil § 13 BVerfGG, der die Zuständigkeiten des Bundesverfassungsgerichts aufführt, in Nr. 11 nur von der Vereinbarkeit eines Bundes- oder Landesgesetzes mit dem Grundgesetz ![]() ![]() | |
2. Für das Hamburgische Oberverwaltungsgericht würde die Vereinbarkeit des § 69 Abs. 2 SHG mit dem Grundgesetz dann nicht erheblich und die Vorlage deshalb unzulässig sein, wenn die Bestimmung auch mit den ranghöheren §§ 1 Abs. 1 und 18 Abs. 2 c der MRVO 165 unvereinbar und schon deshalb nichtig wäre. Das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat diese Frage mit der Begründung verneint, daß die genannten Bestimmungen der MRVO 165 nicht für die besonderen Verwaltungsgerichte, sondern nur für die allgemeinen Verwaltungsgerichte gelten. Diese auch anderweit vertretene Ansicht ist wohlbegründet. Das genügt für die Zulässigkeit der Vorlage (vgl. BVerfGE 2, 181 [190 f.]).
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§ 69 Abs. 2 SHG ist für die Ausgangsverfahren auch nicht dadurch bedeutungslos geworden, daß gegen die Beschlüsse der Beschwerdeausschüsse nach dem Lastenausgleichsgesetz die Anfechtungsklage beim allgemeinen Verwaltungsgericht erhoben werden kann. Es ist zwar ein allgemein anerkannter Grundsatz, daß neues Prozeßrecht - einschließlich der Bestimmungen über die Zuständigkeit - auch für bereits anhängige und noch nicht abgeschlossene Verfahren wirksam wird, wenn der Gesetzgeber nicht etwas anderes bestimmt (vgl. z. B. BVerfGE 1, 4). Hatten aber bei Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes die alten Beschwerdeausschüsse bereits entschieden - wie in den vorgelegten Fällen -, so handelt es sich um Verfahren, die nach dem Soforthilfegesetz ihren Abschluß gefunden hatten. Indem der Gesetzgeber des Lastenausgleichsgesetzes in seine Übergangsregelung die Fälle nicht einbezog, in denen vom Standpunkt des Soforthilfegesetzes aus unzulässigerweise die allgemeinen Verwaltungs ![]() ![]() | |
Die vorgelegte Frage ist hiernach für die von beiden Gerichten zu treffenden Entscheidungen erheblich. Falls § 69 Abs. 2 SHG gültig ist, sind die vorlegenden Gerichte im Hinblick auf § 22 Abs. 1 Satz 1 letzter Satzteil des Württ.-Bad. Verwaltungsgerichtsgesetzes bzw. § 22 Abs. 3 MRVO 165 für eine Sachentscheidung nicht zuständig; die mit der Anfechtungsklage angegriffenen Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse sind dann unanfechtbar. Im Falle der Verfassungswidrigkeit des § 69 Abs. 2 SHG ist dagegen die sachliche Zuständigkeit der beiden Gerichte gegeben, und die vorlegenden Gerichte sind zur Überprüfung der angefochtenen Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse berufen.
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Die Bestimmung des § 69 Abs. 2 SHG über den Spruchsenat ist jedoch für die Ausgangsverfahren ohne Bedeutung; erheblich ist § 69 Abs. 2 SHG allein insoweit, als er bestimmt, daß der Beschwerdeausschuß als Verwaltungsgericht entscheidet. Die Vorlagen sind also nur mit dieser Beschränkung zulässig und übrigens in diesem Sinne zu verstehen.
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Die Ansicht der vorlegenden Gerichte, daß § 69 Abs. 2 SHG mit dem Grundgesetz unvereinbar sei, ist begründet.
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Bei den Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse handelt es sich um Entscheidungen darüber, ob die Bewilligungsbehörde, also ein Organ der vollziehenden Gewalt, den Antragsteller im konkreten Fall durch Versagung einer beantragten Leistung in seinen sich aus dem Soforthilfegesetz ergebenden Rechten verletzt hat. Für eine solche Entscheidung muß dem Betroffenen nach Art. 19 Abs. 4 GG der "Rechtsweg" offenstehen. "Rechtsweg" aber bedeutet den Weg zu einem Gericht (Art. 92 GG).
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Der Weg zu den ordentlichen Gerichten ist durch § 69 Abs. 3 SHG ausdrücklich versperrt; der Weg zu den allgemeinen Ver ![]() ![]() | |
1. Irrig ist die Erwägung, daß die Voraussetzungen, unter denen eine Institution als ordentliches Gericht oder als allgemeines Verwaltungsgericht anzusehen ist, nicht ohne weiteres auf die besonderen Verwaltungsgerichte übertragen werden können. Das Grundgesetz kennt nur einen einheitlichen Begriff von "Rechtsweg" und "Gericht"; es macht für die Anforderungen die an ein Gericht zu stellen sind, keinen Unterschied zwischen den verschiedenen Zweigen der Gerichtsbarkeit. Das praktische Bedürfnis, die besonderen Verwaltungsgerichte mit fachkundigen Personen zu besetzen und sie einfacher und an die Sonderverhältnisse eines Verwaltungszweiges angepaßt zu organisieren, kann daher die für alle Gerichte zu stellenden Anforderungen nicht berühren.
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2. a) Zu diesen Anforderungen gehört jedenfalls, daß alle Mitglieder des Gerichts unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen sind, denn diese sachliche Unabhängigkeit ist allen Richtern - Berufs- wie Laienrichtern - in Art. 97 Abs. 1 GG gewährleistet.
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b) Die persönliche Unabhängigkeit der Berufsrichter behandelt Art. 97 Abs. 2 GG. Danach können "die hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richter ... wider ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und ![]() ![]() | |
Art. 97 Abs. 2 GG sagt nichts Ausdrückliches darüber, wann die Beschäftigung "hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellter" Richter geboten ist. Es ist also nicht so, daß ein Richter kraft Grundgesetzes auch persönliche Unabhängigkeit erwirbt, sobald er nur an einer vom Gesetzgeber als Gericht qualifizierten Dienststelle beschäftigt wird. Der Gesetzgeber des Grundgesetzes ist jedoch angesichts der hergebrachten Situation bei den ordentlichen Gerichten, die mit der gekennzeichneten Abwandlung als Vorbild diente, als selbstverständlich davon ausgegangen, daß die Gerichte, soweit Berufsrichter beschäftigt werden, grundsätzlich mit hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richtern besetzt sind und daß die Heranziehung von Richtern auf Probe oder auf Widerruf nur in den Grenzen erfolgt, die sich nach verständigem Ermessen aus der Notwendigkeit, Nachwuchs heranzubilden, oder aus anderen zwingenden Gründen ergeben. Nach Art. 97 Abs. 2 GG ist deshalb einem Gremium der Charakter als Gericht abzusprechen, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen eines oder mehrere seiner Mitglieder stets - abgesehen von den oben gekennzeichneten Aus ![]() ![]() | |
Nur diese Deutung des Art. 97 Abs. 2 GG entspricht auch rechtsstaatlichen Grundsätzen: denn es ist einmal zu besorgen, daß jederzeit vom Widerruf bedrohte Richter sich mittelbar in ihrer sachlichen Unabhängigkeit beeinträchtigt fühlen, und zum anderen, daß die Rechtsuchenden einem Gericht mit Mißtrauen begegnen, das mit Richtern besetzt ist, die grundsätzlich auf diese Art von der Exekutive abhängig sind. Das gilt um so mehr, wenn das Gericht über Verwaltungsakte gerade derjenigen Verwaltungsbehörde zu entscheiden hat, die ihrerseits über Versetzung und Abberufung des Richters befindet oder maßgebenden Einfluß darauf hat (ähnlich mehrfach BayVerfGH, z. B. VGHE II NF Bd. 7 S. 107).
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c) Neben der Weisungsfreiheit und dem gekennzeichneten Maß institutionell gesicherter persönlicher Unabhängigkeit ist jeder richterlichen Tätigkeit wesentlich, daß sie von einem nichtbeteiligten Dritten ausgeübt wird (BVerfGE 3, 377 [381/382]); denn diese Vorstellung ist mit dem Begriff von "Richter" und "Gericht" untrennbar verknüpft, ist diesen Begriffen immanent. Wenn nun der Staat oder eine seiner Behörden Partei ist, so sitzt zwar letzten Endes nie ein Dritter, sondern immer der Staat über sich selbst zu Gericht, da Verwaltungsbehörden und Gerichte Organe desselben Staates sind. Deshalb kommt in diesem Zusammenhang dem Gebot der Gewaltenteilung eine maßgebende Bedeutung zu, wonach die Rechtsprechung durch "besondere", von den Organen der Gesetzgebung und der vollziehenden Gewalt verschiedene Organe des Staates auszuüben ist (Art. 20 Abs. 2 GG). Denn nur, wenn die Gerichte als besondere, von der Exekutive getrennte Institutionen gestaltet sind, kann eine Rechtsprechung gegenüber dem Staat oder seinen Behörden im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG wie durch einen unbeteiligten Dritten verwirklicht werden.
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Allerdings fordert das Grundgesetz keine vollständige Tren ![]() ![]() | |
3. Die Bestimmungen des Soforthilfegesetzes gewährten dem Vorsitzenden des Beschwerdeausschusses institutionell für seine Amtszeit keine persönliche Unabhängigkeit; der Vorsitzende des Beschwerdeausschusses konnte auch nicht als "unbeteiligter Dritter" angesehen werden.
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Das Soforthilfegesetz bestimmte stets den Leiter des Landesamtes oder einen Vertreter zum Vorsitzenden des Beschwerdeausschusses. Dieser war zwar "als solcher", d. h. für seine rechtsprechende Tätigkeit nicht weisungsgebunden, also "sachlich unabhängig"; das Gesetz sah jedoch weder eine bestimmte Amtsdauer noch einen Schutz der persönlichen Unabhängigkeit für die ![]() ![]() | |
Sachlich unterstand der Leiter des Landesamtes wie sein Vertreter der Aufsicht des Hauptamtes für Soforthilfe (§ 54 Abs. 3 SHG und Soforthilfe-DVO zu § 52); er mußte dessen Weisungen nicht nur selbst befolgen, sondern auch die seiner Sachaufsicht unterstehenden (§ 52 Abs. 2 SHG) Ämter für Soforthilfe, insbesondere deren Leiter und die Soforthilfeausschüsse, zu ihrer Befolgung anhalten. Solche Weisungen betrafen u. a. die Würdigung typischer Tatbestände in bestimmter Weise und die Auslegung der im Soforthilfegesetz enthaltenen allgemeinen Rechtsbegriffe. Das ergibt sich aus den im Amtlichen Mitteilungsblatt des Hauptamtes für Soforthilfe veröffentlichten Rundschreiben des Hauptamtes. Teilte der Vorsitzende des Beschwerdeausschusses die in einer Weisung ausgesprochene Ansicht nicht, so mußte er als Richter eine auf solcher Weisung beruhende Entscheidung des Soforthilfeausschusses aufheben, während er als Leiter des Landesamtes den Ausschuß zur Befolgung der Weisung anzuhalten hatte. In solcher Lage wurde ihm eine richterliche Entscheidung - ungeachtet der ihm insoweit zuerkannten Weisungsfreiheit - in überaus bedenklicher Weise erschwert. Hatte er sich aber als Verwaltungsbeamter die Meinung der vorgesetzten Behörde auch innerlich zu eigen gemacht, so konnte er kaum als Richter in gleichgelagerter Sache eine andere Meinung haben.
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Der Vorsitzende des Beschwerdeausschusses rückte also tatsächlich in die Nähe desjenigen, der in eigener Sache entscheidet. Selbst wenn er nicht mit dem zur Entscheidung stehenden Einzelfall befaßt war, so hatte er sich doch vielfach mit einer für die Entscheidung maßgeblichen Weisung an die nachgeordnete Verwaltungsbehörde äußerlich und häufig auch innerlich identifiziert. Formal mag man den jeweiligen Antragsteller und das beteiligte Amt für Soforthilfe als zwei miteinander streitende Par ![]() ![]() | |
Nun waren die Beschwerdeausschüsse zwar neben dem Vorsitzenden mit zwei gewählten ehrenamtlichen Beisitzern besetzt, wobei unterstellt werden kann, daß die Beisitzer institutionell die an einen Laienrichter zu stellenden Mindestanforderungen erfüllten. Das ändert jedoch nichts daran, daß die Beschwerdeausschüsse im Sinne des Grundgesetzes keine Gerichte waren. Dabei darf davon abgesehen werden, daß der fachlich vorgebildete Vorsitzende kraft seiner Sachkunde erfahrungsgemäß vielfach einen besonderen Einfluß auf die Entscheidung ausübt; denn es genügt zur Verneinung der Qualifikation eines Gremiums als Gericht, daß auch nur einem der Mitglieder nach den gesetzlichen Bestimmungen - also institutionell - das Mindestmaß an persönlicher Unabhängigkeit und Unbeteiligtheit fehlt.
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Die weiteren im Laufe des Verfahrens aufgeworfenen Fragen, ob das Verfahren vor den Beschwerdeausschüssen den Anforderungen an ein prozeßförmiges Verfahren entsprach und ob ihre räumliche und geschäftsmäßige Verbindung mit den Verwaltungsbehörden zulässig war, bedürfen hiernach keiner Untersuchung mehr.
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Das Bundesverfassungsgericht hat auch nicht - wie der Bundesminister der Finanzen meint - in seinem Beschluß vom 19. Dezember 1951 (BVerfGE 1, 97 [107]) die Beschwerdeausschüsse als Gerichte anerkannt. Es bestand damals keine Veranlassung, diese Frage zu erörtern, weil das Soforthilfeverfahren der Beschwerdeführerin wirksam abgeschlossen war, ehe die Verfassungsbeschwerde eingeführt worden ist.
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4. Dem Ergebnis, daß § 69 Abs. 2 SHG mit dem Grundgesetz unvereinbar ist, kann nicht entgegengehalten werden, daß verfassungswidrig allenfalls § 53 (1) Ziff. 1 SHG sei, wonach in den ![]() ![]() | |
a) Richtig ist, daß die Qualifizierung der Beschwerdeausschüsse als Verwaltungsgerichte wegen der Art ihrer in § 53 (1) Ziff. 1 SHG geregelten Besetzung verfassungswidrig ist. Doch kann das nicht dazu führen, statt der Vorschrift über die Qualifizierung der Beschwerdeausschüsse als Gerichte die Bestimmung über ihre Zusammensetzung an der Verfassung zu messen. Das Ziel des Gesetzgebers, die Entscheidungen über den Rechtsbehelf der Beschwerde den Beschwerdeausschüssen als Verwaltungsgerichten zu übertragen, konnte weder bei Nichtigkeit der einen noch bei Nichtigkeit der anderen Bestimmung erreicht werden: War § 69 Abs. 2 SHG grundgesetzwidrig, so fehlte den Beschwerdeausschüssen deshalb der Charakter als Gerichte; war § 53 (1) Ziff. 1 SHG nichtig, so fehlte es an einer Organisationsnorm für die Beschwerdeausschüsse, und es war dadurch ihrer Tätigkeit als Gerichte die Rechtsgrundlage entzogen. Aus der Erwägung, daß der Wille des Gesetzgebers durch eine verfassungsgerichtliche Entscheidung möglichst wenig beeinträchtigt werden soll, folgt daher, daß nur die Verfassungswidrigkeit des § 69 Abs. 2 SHG in Betracht gezogen werden kann, da auf diese Weise § 53 (1) Ziff. 1 SHG für die Organisation der Beschwerdeausschüsse als Organe der Selbstkontrolle der Verwaltung seine Bedeutung behielt.
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Es ist ein Irrtum, anzunehmen, die bei Nichtigkeit des § 53 (1) Ziff. 1 SHG fehlenden Normen über die Organisation der Beschwerdeausschüsse als Gerichte könnten aus dem Grundgesetz oder aus der MRVO 165 als höherrangigem Recht hergeleitet ![]() ![]() | |
b) Die Qualifizierung der Beschwerdeausschüsse als Gerichte im Sinne des Grundgesetzes kann auch nicht mit der Begründung bejaht werden, daß § 53 (1) Ziff. 1 SHG entgegen seinem Wortlaut eine mit dem Grundgesetz zu vereinbarende Auslegung und damit eine grundgesetzgemäße Organisation der Beschwerdeausschüsse als Gerichte zugelassen hätte. Der Wille des Gesetzgebers, den Vorsitz des Beschwerdeausschusses dem Leiter der Behörde oder einem Vertreter zu übertragen, ist eindeutig und daher einer Interpretation nicht zugänglich. Der Leiter des Landesamtes ist, wie oben dargelegt, auch als Vorsitzender des Beschwerdeausschusses nicht Richter; für den Vertreter kann nichts anderes gelten.
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Die Beschwerdeausschüsse konnten auch nicht dadurch zu Gerichten im Sinne des Grundgesetzes gemacht werden, daß einzelne Länder dem Leiter des Landesamtes für den Vorsitz im Beschwerdeausschuß einen ständigen Vertreter bestellten und daß sie diesen Vertreter von kollidierenden Geschäften der weisungsgebundenen Sachaufsicht freistellten und während seiner Amtsdauer nicht abberiefen. Durch ein solches rein tatsächliches Vorgehen wurde der institutionelle Charakter der Beschwerdeausschüsse nicht geändert. Wie ein Gericht nicht aufhört, Gericht zu sein, wenn es nicht ordnungsgemäß besetzt ist, so wird eine Verwaltungsstelle nicht dadurch zum Gericht, daß man sie mit einem unbeteiligten Beamten besetzt und faktisch seine Unabhängigkeit nicht antastet. ![]() | |
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