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Informationen zum Dokument  BGE 1 I 96 - Geistesschwäche als Ehehindernis  Materielle Begründung
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Sachverhalt
A.
B.
C.
D.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.  Da der Art. 9 der Ehesatzungen des Kantons Appenzell A- ...
2.  Die Beschwerde könnte daher nur insofern gutgehei& ...
Demnach hat das Bundesgericht
erkannt:
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher  
 
BGE 1 I, 96 (96)23.  Urtheil vom 20. März 1875 in Sachen Lutz.
 
 
Sachverhalt
 
 
A.
 
Durch Beschluß des Kleinen Rathes des Kantons Appenzell A.- RH. vor der Sitter vom 5. Januar ds. Jahres ist auf die Einsprache der Vorsteherschaft von Wolfhalden das Kopulationsbegehren des I. L. mit G. K. von Walzenhausen abgewiesen worden und zwar gestützt auf Art. 9 der Ehesatzungen, wonach von einer Vorsteherschaft Ginwand gegen eine Verehelichung gemacht werden kann, wenn das Eine oder Andere der Verlobten an wichtigen geistigen oder körperlichen Gebrechen leidet, und ein Gutachten des Arztes H. in Walzenhausen, dahin gehend, daß die G. K. geistig in so hohem Grade beschränkt sei, daß von Befähigung zur Erfüllung der Pflichten als Hausfrau und Mutter keine Rede sein könne.
1
 
B.
 
Hierüber beschwert sich Lutz, indem er zwar zugibt, daß die K. theils von Natur, theils durch Vernachlässigung der Schulbildung geistig beschränkt sei, jedoch bestreitet, daß sie an totalem Blödsinn leide, und zur Unterstützung dieser Behauptung anführt, daß dieselbe zu allen häuslichen Arbeiten fähig und schon als Pflegerin verwendet worden sei.
2
 
C.
 
Die Standeskommission von Appenzell bemerkt in ihrer Antwort, daß Petent gegen das Urtheil des Kleinen Rathes die Appellation an das Obergericht hätte ergreifen können, dieß aber unterlassen habe.BGE 1 I, 96 (96)
3
 
BGE 1 I, 96 (97)D.
 
Aus dem ärztlichen Gutachten des Dr. Höchner geht hervor, daß die 24 Jahre alte G. K. vor Ablauf der gesetzlichen Schulzeit wegen geistiger Beschränktheit aus der Schule entlassen worden ist, daß sie weder rechnen noch lesen, nicht einmal ihren Namen leserlich schreiben kann, bei allen schwierigen Fragen lediglich an ihre Mutter verweist und ihre Beschäftigung nur in den niedrigsten Verrichtungen: Waschen, Fegen, Putzen u. als Aushülfe bei Anderen besteht.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
 
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2.  Die Beschwerde könnte daher nur insofern gutgeheißen werden, als der Art. 9 der erwähnten Ehesatzungen, soweit darin der Mangel  der nöthigen Geisteskräfte als Ehehinderniß aufgestellt ist, gegen den Art. 54 der Bundesverfassung verstoßen würde. Dieß ist nun aber nicht der Fall. Nach allen Rechten erfordert  die Ehe  die  freie Einwilligung  beider Theile und gehört es zu den Voraussetzungen derselben, daß  zwei eines freien Willensentschlusses fähige Personen ihren Willen, sich ehelich zu verbinden, erklären. Dieses Erforderniß der Ehe ist durch  die Bundesverfassung  nicht beseitigt  worden, wie am Besten daraus hervorgeht, daß dasselbe von den eidgenössischen Räthen in das (zur Zeit allerdings noch nicht in Kraft getretene) Gesetz über die Ehe u. s. w. vom 24. Christmonat 1874 aufgenommen  worden ist, indem nach Art. 28  desselben die Eingehung der Ehe den Geisteskranken und Blödsinnigen untersagt ist.BGE 1 I, 96 (97)
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BGE 1 I, 96 (98)Demnach hat das Bundesgericht
 
 
erkannt:
 
Die Beschwerde ist als unbegründet abgewiesen.BGE 1 I, 96 (98)
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