BGE 1 I 454 - Friedrich Schlatter | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Philip Lengacher, A. Tschentscher | |||
118. Erläuterungsbescheid vom 20. März 1875 in Sachen Friedrich Schlatter gegen Eisenbahngesellschaft Sulgen-Goßau. | |
Sachverhalt | |
A. | |
Durch bundesgerichtliches Urtheil vom 15. Januar d.J. ist die Eisenbahngesellschaft Sulgen-Bischofzell-Goßau verpflichtet worden, an den Petenten als Entschädigung für abgetretenes Land 14,310 Fr., sammt Zinsen à 5 Prozent vom Beginne der Bauarbeiten an, zu bezahlen.
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B. | |
Mit Eingabe vom 15. Februar d.J. verlangte Schlatter Erläuterung dieses Urtheils, bezüglich der in demselben ausgesprochenen Zinspflicht genannter Eisenbahngesellschaft, indem er behauptete, daß das ganze expropriirte Land vom 15. Juli d.J. an zur Disposition der Bahn gestanden habe, auch die Bauarbeiten auf demselben mit jenem Tage begonnen worden seien und daher Zinse von der Entschädigungssumme seit jenem Tage bezahlt werden müssen, während die Bahngesellschaft meine, der Zins beginne mit der Inangriffnahme der einzelnen Parzellen und successive mit dem Fortschreiten der Arbeiten und demnach nur für die westliche Parcelle den Zins vom 15. Juli v.Js. an, von der östlichen dagegen erst vom 1. Dezember v.Js. an bezahlen wolle.
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C. | |
Die Bahngesellschaft beantwortete das Erläuterungsgesuch dahin: es sei richtig, daß auf dem zur Eisenbahnlinie verwendeten Theil des Schlatterschen Gutes (24,150 Quadratfuß westlich des Sträßchens) die Erdarbeiten am 15. Juli v.Js. begonnen haben und sie weigere sich daher gar nicht, dem F. Schlatter für diesen Theil seines Bodens, sowie für die auf demselben gefällten Bäume den Zins vom 15. Juli v.Js. an zu bezahlen. Dagegen haben die Arbeiten auf demjenigen Theil des Schlatterschen Gutes, welcher zum Bahnhofe verwendet werde, (68,850 Quadratfuß östlich vom Sträßchen) erst am 2. Dezember v.Js. begonnen und vorher nicht angefangen werden dürfen, weil die Genehmigung der Bahnhofanlage nicht früher erfolgt sei. F. Schlatter habe auch bis dahin alle Rechte des Eigenthümers über jenen Theil ausgeübt und jedes Verfügungsrecht der Gesellschaft über denselben bestritten.
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D. | |
Die auf Requisition des Instruktionsrichters durch das Bezirksgerichtspräsidium in Bischofzell einvernommenen Zeugen bestätigen, daß Hr. Schlatter den ganzen Jahresnutzen von dem zum Bahnhofe expropriirten Lande bezogen habe und die Erdarbeiten auf demselben mit Ausnahme eines ganz kleinen Theiles von circa 1500-2000 Quadratfuß, welcher etwa 14 Tage vorher in Angriff genommen worden, erst Anfangs Christmonat v.Js. begonnen worden seien.
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E. | |
Den Bezug des Nutzens anerkannte Schlatter in einer nachträglichen Eingabe vom 6. d.Mts. und nahm eine frühere Angabe als unrichtig zurück. Dagegen behauptete derselbe nunmehr, er habe sich den Nutzen schon vor der eidgenössischen Schatzungskommission ohne alle Anrechnung vorbehalten und damit sei die Vertretung der Eisenbahngesellschaft einverstanden gewesen.
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Der Präsident der Schatzungskommission, Hr. Nationalrath Hertenstein, erklärte jedoch, daß er sich eines solchen Vorbehaltes des Hrn. Schlatter nicht erinnere.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
Erwägung 1 | |
1. Die Verpflichtung des Exproprianten, von der dem Expropriaten zukommenden Entschädigung Zins zu bezahlen, beginnt mit der wirklichen Abtretung des Landes, weil die Entschädigung erst mit der Abtretung fällig wird und dem Enteigneten auch bis dahin der Fruchtgenuß verbleibt. Da nun bei Enteignungen für Eisenbahnen die Abtretung in der Regel mit dem Beginne der Bauarbeiten erfolgt, im vorliegenden Falle aber dieser Termin zur Zeit der Erlassung des Urtheils vom 15. Januar d.J. aus den Akten nicht ersichtlich war, so erschien es richtig, die Zinsverpflichtung der Eisenbahngesellschaft Sulgen-Goßau einfach vom Beginn der Bauarbeiten an auszusprechen.
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Erwägung 2 | |
2. Durch die Beweisaufnahme ist nun erhärtet, daß der Beginn der Bauarbeiten ein verschiedener war. Während nämlich die Bauarbeiten am Tracé schon am 15. Juli vor. Jahres begonnen wurden, erfolgte die Genehmigung des Planes für den Bahnhof Bischofzell seitens des eidgenössischen Eisenbahn- und Handelsdepartements erst am 30. September v.Js. und wurden die Arbeiten an diesem Bahnhofe erst mit Anfang Dezember, resp. zu einem kleinen Theile Mitte November v.Js., in Angriff genommen. Bis dahin bezog auch Petent von dem zum Bahnhofe bestimmten Theile seiner Wiese den sämmtlichen Nutzen und stand dieser Theil nicht zur Verfügung der Bahngesellschaft. Die Abtretung hat demnach nur hinsichtlich des für das Tracé bestimmten Theiles des expropriirten Landes am 15. Juli v.Js. stattgefunden; mit Bezug auf den andern Theil ist sie frühestens Mitte November v.Js. geschehen, woraus folgt, daß die Bahngesellschaft mit Bezug auf diese Parcelle auch erst seit Mitte November v.Js. Zinse von der Entschädigungssumme zu bezahlen hat.
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Erwägung 3 | |
3. Die vom Petenten weiter aufgestellte Behauptung, daß [daß] ihm der Bezug des Nutzens ohne Anrechnung an der Entschädigung vor Schatzungskommission bewilligt worden sei, ist nicht erwiesen und fällt daher außer Betracht.
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Demnach hat das Bundesgericht erkannt: | |
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