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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Jana Schmid, A. Tschentscher | |||
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134. Urtheil |
vom 10. November 1877 in Sachen der Gemeinde Wohlen gegen die Gemeinde Ermensee. | |
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A. | |
Barbara Bruggisser von Wohlen gebar in ledigem Stande fünf uneheliche Kinder, von denen gegenwärtig noch am Leben sind: ![]() | 1 |
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2. Barbara, geb. 23. Februar 1866, und
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3. Anna M. Emma, geb. 16. August 1869.
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Bei der Geburt des ersten Kindes ließ sich ein Joseph Hug von Hitzkirch im Taufregister als Vater einschreiben und es bezeichnete die Barbara Bruggisser am 4. Oktober 1869 vor Kirchenpflege Wohlen den Joseph Hug von Ermensee, Kirchgemeinde Hitzkirch, damals Straßenarbeiter in Wohlen, als Vater aller fünf Kinder. Die drei noch lebenden Kinder wurden als uneheliche vom Bezirksgerichte Bremgarten in gesetzlich vorgeschriebener Form der Mutter Barbara Bruggisser zugesprochen. Die Frage nach der Vaterschaft kam nicht zur gerichtlichen Verhandlung.
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B. | |
Am 6. Oktober 1874 verehelichte sich Barbara Bruggisser mit Joseph Hug von Ermensee und da letzterer die drei Kinder der erstern als durch die Ehe legitimirt betrachtete, so verlangte er Anfangs des Jahres 1877 beim Gemeinderathe von Ermensee Aufnahme der Kinder in das dortige Bürgerregister. Mit Beschluß vom 15. Februar d.J. wurde aber sein Gesuch abgewiesen, gestützt darauf, daß die drei Kinder der Mutter zur Zeit durch die zuständige Gerichtsbehörde zugesprochen worden seien und Art. 54 der Bundesverfassung nicht dahin interpretirt werden könne, daß Kinder, welche einmal gerichtlich zugesprochen seien, später einer andern Gemeinde zufallen können, übrigens sogar auf einem Geburtsschein, bei der Barbara Karolina, der Heimatsort des angeblichen Vaters die Gemeinde Ermensee gar nicht berühre.
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Gestützt auf eine schriftliche Erklärung des Joseph Hug vom 18. März 1877, folgenden Inhalts: "Der unterzeichnete Joseph Hug von Ermensee, wohnhaft in Wipkingen bei Zürich, erklärt sich andurch als Vater der drei Kinder, welche seine Frau, Barbara geb. Bruggisser, vorehelich geboren, und verlangt, daß diese Kinder auf seinen Geschlechtsnamen in das Bürgerbuch seiner Heimatsgemeinde Ermensee eingetragen werden sollen," suchte der Gemeinderath Wohlen um die Intervention der aargauischen Regierung nach, damit dieselbe die Anerkennung der fraglichen Kinder durch die Gemeinde Ermensee erwirke. Der aargauische Regierungsrath stellte ein bezügliches Ansuchen bei demjenigen ![]() ![]() | 7 |
C. | |
Darauf trat die Gemeinde Wohlen beim Bundesgerichte klagend gegen die Gemeinde Ermensee auf, mit dem Begehren: Es sei die Gemeinde Ermensee zu verhalten, die drei Fakt. A erwähnten vorehelichen Kinder der Ehefrau des Jos. Hug, beziehungsweise des letztern selbst als Bürger von Ermensee anzuerkennen.
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Zur Begründung dieses Gesuches führte Klägerin an:
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1. Nach § 54 der Bundesverfassung erhalten uneheliche Kinder durch die nachfolgende Ehe ihrer Eltern die Rechte ehelicher Geburt. Sie erwerben demnach das Bürgerrecht ihres Vaters. Das letztere sei ein Grundsatz des natürlichen Rechtes und werde durch die Gesetze des Kantons Aargau und des Kantons Luzern ausdrücklich sanktionirt.
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2. Voraussetzung der Legitimation sei, daß Jos. Hug die drei vorehelichen Kinder seiner Frau erzeugt habe. Nach luzernischem Rechte werde der Beweis der Vaterschaft durch den Vater im Falle der anbegehrten Legitimation mit der einfachen und formlosen Erklärung desselben, daß er der Vater der zu legitimirenden Kinder sei, geleistet. (§ 17 des Gesetzes betreffend die unehelichen Kinder vom 12. Herbstmonat 1865.) Eine solche Erklärung habe Hug am 18. März d.J. dem Gemeinderathe Ermensee abgegeben und es sei derselbe bereit, sie vor Gericht zu erneuern.
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Wenn der luzernische Regierungsrath einwende,
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1. daß im Taufregister Wohlen bei dem einen Kinde Hitzkirch als Heimatsort des Vaters angegeben sei, so komme diesem Einwand keine Bedeutung zu, indem, abgesehen davon, daß Ermensee zur Kirchgemeinde Hitzkirch gehöre und daher der Jos. Hug von Ermensee und der Jos. Hug von Hitzkirch ganz augenschein ![]() ![]() | 13 |
2. Ebenso unbegründet sei die Einwendung, daß die drei Kinder s. Z. der Mutter gerichtlich zugesprochen worden seien. Dieser Zuspruch sei kein endlicher, sondern nur ein vorsorglicher in dem Sinne gewesen, daß damit einer spätern Aenderung der Standesrechte der Kinder durch Legitimation in keiner Weise präjudizirt werden sollte. Derselbe sei ein einfacher gerichtlicher Akt, ohne Parteiverhandlung und ohne Untersuchung der Frage, wer der Vater der Kinder sei. Während an andern Orten, wie z.B. im Kanton Luzern, das uneheliche Kind ipso jure das Bürgerrecht der Mutter erhalte, gelte im Aargau zwar diese Regel auch, jedoch sei bis zum Inkrafttreten des eidgenössischen Civilstandsgesetzes vorgeschrieben gewesen, daß das Kind der Mutter vom Gerichte noch eigens zugesprochen werde. In einem Falle verfüge das Gericht den Zuspruch an den Vater, wenn derselbe das Kind innert gewisser Zeit und unter gewissen Voraussetzungen vor dem heimatlichen Gerichte freiwillig anerkenne. Allein wenn der Vater diesen Schritt auch unterlasse oder nicht thun könne, so daß der Zuspruch an die Mutter erfolge, so sei er deßwegen nicht gehindert, das Kind durch nachfolgende Ehe zu legitimiren und ihm dadurch sein Bürgerrecht zu verschaffen. (Vergl. § 220 ff. des aarg. bürg. Ges.-B. in Verbindung mit dem aarg. Ges. betr. die Legitimation unehel. Kinder vom 23. Mai 1867.)
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D. | |
Der Gemeinderath Ermensee trug in erster Linie darauf an, daß die Klage zur Zeit abgewiesen werde, indem nach seinem Dafürhalten eine Klage an das Bundesgericht erst zulässig sei, wenn die Regierung von Luzern über den Gegenstand entschieden habe. Dies sei bis jetzt nicht der Fall gewesen, sondern es habe der luzernische Regierungsrath unterm 11. Mai d.J. demjenigen von Aargau nur die Verantwortung des beklagtischen Gemeinderathes zur Vernehmlassung mitgetheilt.
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Eventuell verlangte der Gemeinderath Ermensee definitive Verwerfung der Klage und zwar im Wesentlichen gestützt auf die in seinem Beschlusse vom 15. Februar d.J. angeführten Gründe, ![]() ![]() | 16 |
E. | |
Der beklagten Partei wurde vom Instruktionsrichter der Beweis dafür auferlegt, daß die Erklärung des Jos. Hug vom 18. März d.J. unwahr oder doch unglaubwürdig sei.
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Zur Führung dieses Beweises berief sich der Gemeinderath Ermensee einfach auf die in seiner Klagebeantwortung enthaltenen Thatsachen.
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Erwägungen: | |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Erwägung 1 | |
1. Der erste Antrag der Beklagten, daß die Klage zur Zeit abgewiesen werde, ist durchaus unbegründet. Die Schritte, welche die Gemeinde Wohlen durch Vermittlung der aargauischen Regierung bei derjenigen des Kantons Luzern gethan hat, stellen sich lediglich als ein Versuch dar, die Gemeinde Ermensee zur Anerkennung der vorehelichen Kinder der B. Bruggisser zu verhalten, ohne den Prozeßweg gegen dieselbe betreten zu müssen. Eine Verpflichtung der Klägerin, vorerst einen Entscheid der Re ![]() ![]() | 20 |
Erwägung 2 | |
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Erwägung 4 | |
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Erwägung 5 | |
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a. Der Beklagte die Kinder der B. Bruggisser weder bei der Geburt gerichtlich anerkannt, noch
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b. letztere gegen ihn s.Z. eine Alimentationsklage erhoben habe, vielmehr ![]() | 26 |
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d. Jos. Hug unterlassen habe, gemäß § 41 des eidgenössischen Civilstandsgesetzes diese Kinder bei der Trauung dem Civilstandsbeamten anzuzeigen,
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so ist darauf zu entgegnen:
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Ad a. Der § 222 des aargauischen bürgerlichen Gesetzbuches, welcher von der Anerkennung unehelicher Kinder seitens des Vaters handelt, kann nur auf Bürger des Kantons Aargau, was Jos. Hug nicht ist, Anwendung finden, indem zur Gültigkeit einer solchen Anerkennung erfordert wird, daß der Vater dieselbe vor dem Gerichte seiner Heimatsortes erkläre.
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Ad b. In § 229 ibidem ist der Mutter eines unehelichen Kindes nur das Recht eingeräumt, auf Leistung eines Beitrages an die Kosten der Erziehung des Kindes gegen dessen Vater zu klagen, und nun ist zu Erhebung einer solchen Klage namentlich dann keine Veranlassung vorhanden, wenn, wie es wohl bei den nunmehrigen Eheleuten Hug der Fall gewesen sein dürfte, die außerehelichen Eltern über diesen Punkt einig sind, oder der außereheliche Vater vermögenslos ist. Ueberdem gewährt der Art. 231 leg. cit. die Alimentationsklage einer Weibsperson nur ein einziges Mal, für das erste außereheliche Kind.
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Ad c. Abgesehen davon, daß auch rechtskräftige Urtheile durch Vereinbarung der betheiligten Parteien aufgehoben und rechtsunwirksam gemacht werden können, beziehungsweise ein Beklagter einen früher bestrittenen Rechtsanspruch auch nach Erlangung eines obsieglichen rechtskräftigen Urtheis anerkennen kann, erscheint die Einwendung der Gemeinde Ermensee schon deshalb unbegründet, weil den Erkenntnissen des Bezirksgerichtes Bremgarten, durch welche die vorehelichen Kinder der B. Bruggisser dieser zugesprochen worden sind, gar nicht der Charakter rechtskräftiger, zwischen zwei Parteien erlassener Urtheile zukommt, sondern dieselben lediglich einseitige gerichtliche Akte sind, bei welchen weder Jos. Hug betheiligt war, noch überhaupt die Frage der Vaterschaft zur Sprache kam. So wenig daher aus jenen Erkenntnissen gefolgert werden kann, daß die vorehelichen Kinder der B. Bruggisser überhaupt keinen Vater haben, so ![]() ![]() | 32 |
Ad e. War einerseits das eidgenössische Civilstandsgesetz zur Zeit der Trauung der Eheleute Hug noch nicht in Kraft und anderseits enthält der § 41 lemma § desselben lediglich eine Ordnungsvorschrift, deren Nichtbefolgung nur Buße nach sich zieht, den Rechten der Kinder aber in keiner Weise präjudizirt. (§ 41 lemma 2 und § 59 Ziffer 1 ibidem.) | 33 |
Erwägung 6 | |
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Dispositiv | |
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
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