BGE 14 I 219 - Unterstellung unter das Referendum | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 14.02.2022, durch: Julian Marbach, A. Tschentscher | |||
37. Urtheil vom 13. April 1888 in Sachen Kunz. | |
A. | |
Am 21. Dezember 1887 hat der Grosse Rath des Kantons Aargau im Hinblick auf die Art. 31, 32 und 32 bis B.V. und in Vollziehung von Art. 7, 8 und 9 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1886 eine Verordnung über den Kleinverkauf und den Ausschank von gebrannten Wassern erlassen, deren Art. 5 Abs. 1 lautet "Bewilligungen zum Kleinverkauf von Sprit und von gebrannten Wassern bis auf 40 Liter über die Gasse dürfen nur an Wirthe und Apotheker erteilt werden." Da diese Bestimmung allen Droguerien und Spezereigeschäften den Debit von Sprit, den sie bisher besassen, entzieht, so beschwerte sich Traugott Kunz, Droguist in Bremgarten, mit Eingabe vom 28. Dezember 1887 gegen dieselbe beim schweizerischen Bundesrath. Er behauptete, dass in Art. 5 Abs. 1 der fraglichen Verordnung enthaltene Verbot könne aus dem Bundesgesetze vom 23. Dezember 1886 nicht hergeleitet werden. Allerdings seien nach Art. 31 c B.V. die Kantone befugt, den Kleinverkauf gewisser Getränke denjenigen Beschränkungen, welche das öffentliche Wohl erfordere, auf dem Wege der Gesetzgebung zu unterwerfen. Die Verordnung des aargauischen Grossen Rathes vom 21. Dezember 1887 sei nun aber kein Gesetz, weil sie die nach Art. 25 und 84 der aargauischen Kantonsverfassung für Gesetze erforderliche Genehmigung des Volkes nicht erhalten habe. Durch Entscheidung vom 14. Februar 1888 wies der schweizerische Bundesrath diese Beschwerde als unbegründet ab; in der Begründung dieses Entscheides wird aufgeführt: Wenn Art. 31 B.V. vorschreibe, dass die Kantone berechtigt seien, die Ausübung des Wirthschaftsgewerbes und des Kleinhandels mit geistigen Getränken "auf dem Wege der Gesetzgebung" den durch das öffentliche Wohl geforderten Beschränkungen zu unterwerfen, so bedeute dies, dass solche Beschränkungen nicht durch Verfügungen der Verwaltungsbehörden von Fall zu Fall, sondern nur durch allgemein verbindliche und von der gesetzgebenden Kantonsbehörde erlassene Vorschriften aufgestellt werden dürfen. Die angefochtene Verordnung trage nun alle wesentlichen Merkmale eines Gesetzes an sich, denn sie sei von der kantonalen gesetzgebenden Behörde ausgegangen und stelle allgemein gültige objektive Rechtsnormen auf. Die Bezeichnung als Verordnung ändere hieran nichts und mit der formellen Frage des kantonalen Verfassungsrechtes, ob der angefochtene Erlass, um wie ein Gesetz wirksam zu sein, dem aargauischen Volke zur Genehmigung unterbreitet werden müsse, habe sich der Bundesrath nicht zu befassen.
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B. | |
Nach Zustellung dieses Entscheides wandte sich F. Kunz mit Eingabe vom 21. Februar 1888 beschwerend an das Bundesgericht. In seiner Eingabe stellt er, indem er sich im Wesentlichen auf seine dem Bundesrathe eingereichte Beschwerdeschrift beruft, den Antrag
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"Es sei die Verordnung des aargauischen Grossen Rathes vom 21. Dezember 1887 betreffend Kleinverkauf geistiger Getränke, publizirt im Amtsblatt vom 24. Dezember 1887 wegen Verletzung des Art. 25 a aargauischen Staatsverfassung (mangels Volksabstimmung, wie sie bei allen Gesetzen vorgeschrieben) aufzuheben, soweit sie den Droguisten entgegen von § 1 des aargauischen Wirthschaftgesetzes den Debit von 3--40 Liter Sprit entziehe."
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C. | |
In seiner Vernehmlassung auf diese Beschwerde macht der Regierungsrath des Kantons Aargau im Wesentlichen geltend: § 1 des aargauischen Wirthschaftsgesetzes vom 14. Dezember 1853, wonach der Handel mit geistigen Getränken (jedoch bezüglich gebrannter Wasser nur für Quantitäten von nicht unter 3 Liter) freigegeben gewesen, sei durch das Bundesgesetz vom 23. Dezember 1886 modifizirt worden. Durch Art. 8 dieses Gesetzes sei der, nach dem frühern aargauischen Rechte freie, Verkauf gebrannter Wasser in Quantitäten von 3--40 Liter der Handelsfreiheit entzogen worden; in dieser Hinsicht sei nicht durch die angefochtene aargauische Verordnung, sondern durch das citirte Bundesgesetz eine Beschränkung eingeführt worden. Richtig sei dagegen allerdings, dass die Norm, wonach die Droguisten auch gegen Entrichtung der kantonalen Verkaufssteuer nicht die Berechtigung zum Kleinverkaufe gebrannter Wasser in Quantitäten von 3--40 Liter erlangen können, auf der angefochtenen kantonalen Verordnung beruhe. Es sei nun aber nicht bestritten und unbestreitbar, dass die Kantone nach Art. 31 c B.V. das Recht haben, derartige beschränkende Bestimmungen aufzustellen und es habe der Bundesrath durch seine Entscheidung von 14. Februar 1888 anerkannt, dass der Grosse Rath des Kantons Aargau die angefochtene Verordnung innerhalb der Schranken seiner Kompetenz erlassen habe. Danach sei das Bundesgericht gar nicht kompetent. Es könne keine andern individuellen Rechte des Rekurrenten in Frage kommen, als solche, welche sich auf die Handels- und Gewerbefreiheit in Betreff des Debits gebrannter Wasser beziehen; über diese habe aber bereits der Bundesrath als einzig kompetente Behörde entschieden. Eventuell für den Fall, dass das Bundesgericht sich nichtsdestoweniger als kompetent erachten sollte, werde bemerkt: Nach § 25 litt. a der Kantonsverfassung sei die Genehmigung des Volkes für "Gesetze" erforderlich. In casu aber, wo das kantonale Wirthschaftsgesetz durch das eidgenössische Alkoholgesetz abgeändert worden sei, finde sich kein Raum mehr für ein kantonales Gesetz. Herstellung und Einfuhr gebrannter Wasser, sowie der Gross- und Kleinhandel mit solchen seien durch das Bundesgesetz geregelt; für ein kleines Detail, wie die Regelung der Verkaufsberechtigung der verschiedenen Berufsklassen gegen Zahlung der kantonalen Verkaufssteuern sei doch, nach Sinn und Geist der Verfassung, eine Volksabstimmung nicht erforderlich. Hier, wo es sich im Grossen und Ganzen nur um die Vollziehung eines eidgenössischen Gesetzes handle, habe ein Apparat, wie er für die gesetzliche Ordnung einer ganzen grossen Materie des kantonalen Rechts, wie den Civilprozess, das Erbrecht, das Armenwesen, das Schulwesen, vorgeschrieben sei, keine Berechtigung. Eine neue Volksabstimmung neben derjenigen über das Bundesgesetz habe keinen Platz mehr. Deshalb habe es der Grosse Rath als in seiner Kompetenz liegend erachtet, die nöthigen Verfügungen zu treffen. Demnach werde beantragt:
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1. Das Bundesgericht wolle auf den Rekurs des Traugott Kunz, Droguisten in Bremgarten wegen mangelnder Kompetenz und weil derselbe vor dem einzig zuständigen Forum des Bundesrathes schon behandelt und als unbegründet befunden worden ist, nicht eintreten unter Zutheilung sämtlicher Kosten an den Rekurrenten. 2. Eventuell, für den Fall des Eintretens, wolle das Bundesgericht den Rekurs als unbegründet abweisen, unter Kostenfolge. | 6 |
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
Erwägung 1 | |
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Erwägung 2 | |
2. Ebenso kann die Legitimation des Rekurrenten mit Grund nicht bestritten werden. Derselbe hat doch ein verfassungsmässiges Recht darauf, dass Erlasse, welche seine Rechtsstellung berühren nur in verfassungsmässiger Weise aufgestellt werden und ist daher berechtigt, sich zu beschweren, wenn ein derartiger Erlass, seiner Meinung nach, unter Verletzung der verfassungsmässigen Kompetenzbestimmungen zu Stande kommt.
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Erwägung 3 | |
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Demnach hat das Bundesgericht erkannt: | |
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