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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Jana Schmid, A. Tschentscher | |||
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106. Urtheil |
vom 12./13. Oktober 1888 in Sachen Solothurn gegen Kaiser. | |
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A. | |
Durch das vom Kantonsrathe von Solothurn am 26. Februar 1857 erlassene Gesetz betreffend die solothurnische Bank wurde in Solothurn die Aktiengesellschaft "Solothurnische Bank" gegründet. Das Gründungsgesetz wurde später durch das Bankgesetz vom 24. April 1861 ersetzt, welches seinerseits durch ein Gesetz vom 29. Mai 1877 in einzelnen Punkten modifizirt wurde. Aus dem Gesetze vom 24 April 1861, modifizirt durch Gesetz vom 29. Mai 1877 sind die folgenden Bestimmungen hier hervorzuheben:
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"I. Abschnitt. Gründung der Bank.
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§ 2. Die Bank ist eine Anstalt des öffentlichen Nutzens und steht als solche unter dem Schutze und der besondern Aufsicht des Staates. Sie ist berechtigt, nach Maßgabe dieses Gesetzes Rechte zu erwerben und Verpflichtungen einzugehen.
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§ 3. Das Kapital der Bank ist auf zwei Millionen Franken in 4000 Aktien festgestellt; die eine Hälfte davon übernimmt der Staat, die andere Hälfte wird Privaten oder Korporationen überlassen.
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§ 6 sieht eine Erhöhung des Grundkapitals durch Ausgabe neuer Aktien vor; eine neue Aktienemission im Belaufe von einer Million Franken, von welcher ebenfalls der Staat die Hälfte übernahm, ist in den Jahren 1874/1875 erfolgt.
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6 | |
§ 11. Das Aktienkapital und der Reservefonds haben die Bestimmung, als Garantie für die Gläubiger der Anstalt zu dienen und sie gegen Verluste sicher zu stellen. Im Falle dieselben zur Deckung der an die Bank gerichteten Forderungen nicht hinreichen sollten, so haftet für das Mangelnde der Staat. Der Staat gewährleistet überdies den Aktionären ihr Einlagekapital und ein Minimum des Zinses von 4%. Sollte jedoch der Staat in Fall kommen, in seiner Stellung als Währschaftsträger Zahlungen für die Anstalt leisten zu müssen, so hat dieselbe bei einer spätern Rentabilität, welche den Betrag der Aktienberechtigung übersteigt, dem Staate den für sie bezahlten Betrag zurückzuerstatten. | 7 |
§ 12. Die Auflösung der Anstalt kann nur dann erfolgen, wenn auf vorherige Begutachtung des Verwaltungsrathes zwei Drittheile der Aktionäre, welche zugleich zwei Drittheile der Aktien repräsentiren, dieselbe beschließen und der Kantonsrath diesen Beschluß genehmigt, oder wenn der Kantonsrath auf einen Bericht und Antrag des Regierungsrathes, der aber zuvor dem Verwaltungsrathe der Bank zur Vernehmlassung mitgetheilt werden muß, die Aufhebung beschließt. In beiden Fällen hat jedoch der Staat sofort ein anderes Bankinstitut zu gründen. | 8 |
§ 13. Im Falle der Auflösung beziehen die Aktionäre die einbezahlten Aktienbeträge und den betreffenden Zins sowie den verhältnißmäßigen Antheil vom vorhandenen Reservefonds. Insofern jedoch die vorhandenen Aktiven zur Ausbezahlung des Aktienkapitals und des betreffenden Zinses nicht ausreichen würden, so haftet für das Mangelnde der Staat (§ 11)." | 9 |
II. Abschnitt. Geschäftsbetrieb der Bank.
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§ 14. Die Bankanstalt theilt sich in ihrer Betriebsverwaltung in eine Hypothekar- und in eine Leihbank.
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A. Hypothekarbank, u.s.w.
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B. Leihbank. ![]() | 13 |
![]() 1. Im Skontiren von Wechseln und Billets, auf eine bestimmte Sicht lautend und zahlbar in Solothurn oder auf andern von der Bankdirektion bestimmten Plätzen, in und außer dem Kanton sich befindend. 2. In Vorschüssen auf beschränkte Termine. 3. In der Eröffnung von Krediten auf laufende Rechnung und Giro-Geschäften. 4. U.s.w. | 14 |
1. Diskontogeschäfte.
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§ 27. Die Bank skontirt Wechsel oder Billets mit einer Verfallzeit von höchstens 90 Tagen: a. Wenn dieselben von wenigstens zwei im Kanton angesessenen und als zahlungsfähig erachteten Personen oder Handelsfirmen unterzeichnet sind oder b. wenn dieselben mit zwei ausländischen und nur einer kantonalen oder von einer inländischen und einer kantonalen als zahlungsfähig anerkannten Unterschrift versehen sind; c. wenn dieselben nur eine Unterschrift tragen, dazu aber nach Mitgabe des § 33 (a und b) Sicherheit gegeben wird. | 16 |
2. Vorschüsse auf beschränkte Termine.
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§ 32. Die Bank macht verzinsliche Vorschüsse gegen genügende Sicherheit.
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§ 33. Die genügende Sicherheit wird geleistet: a. Durch Kreditscheine (§ 841 C.-G.-B.); b. durch Verschreibung und Hinterlage eines Faustpfandes (§ 878 c. C.-G.-B.), als namentlich von Waaren und Fabrikaten hiesiger Handels- und Gewerbsleute, Gold und Silber in rohem und verarbeitetem Zustande, Aktien und Obligationen industrieller Unternehmungen, die vollständig einbezahlt sind und einen regelmässigen Kurs haben; c. durch Stellung unbedingter solidarischer Bürgschaft von wenigstens zwei zahlungsfähigen im Kanton angesessenen Personen. ![]() ![]() | 19 |
3. Krediteröffnungen.
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§ 37. Die Bank eröffnet Kredite in laufender Rechnung. Jeder Kredit lautet auf eine bestimmte Summe. Der Kreditwerber hat für die ganze Summe zum Voraus genügende Sicherheit zu leisten. | 21 |
§ 38. Die Sicherheit für Kredite in laufender Rechnung wird nach den Bestimmungen des § 33 geleistet.
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§ 39. Derjenige, welchem ein Kredit eröffnet worden, kann innerhalb der Kreditsumme jederzeit von der Bank Gelder beziehen und Einzahlungen leisten.
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§ 42. Die Bank kann ohne Angabe eines Grundes einen eröffneten Kredit jederzeit ganz oder theilweise aufheben.
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§ 43. Die Grenze eines Kredites wird auf 50,000 Fr. bestimmt; soweit eine Kreditbewilligung aber 30,000 Fr. übersteigt, so ist die Sicherheit durch Realkaution zu leisten.
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III. Abschnitt. Nutzenvertheilung und Reservefond.
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§ 61. Aus dem am Schlusse des Rechnungsjahres auf Geschäften der Hypothekar- und Leihbank erzielten Reinertrage werden zuerst die Aktien zu 4% verzinset. Der Ueberschuß wird sodann, nach den erfolgten reglementarischen Abschreibungen, folgendermaßen vertheilt: 60% unter sämmtliche Aktien; 30% zur Bildung eines Reservefonds; 10% an die Angestellten der Bank in dem durch das Geschäftsreglement festgestellten Verhältniß. Sollte jedoch nach Anlegung des Reservefonds bei einem Jahresabschlusse der Reinertrag zur Ausbezahlung der 4% Zinse an die Aktionäre nicht hinreichen, so wird das Mangelnde aus dem Reservefond genommen. | 27 |
§ 62. Der Reservefond bleibt arbeitendes Kapital der Bank und soll geäufnet werden, bis er auf einen Viertheil des Aktienkapitals angestiegen ist. Von diesem Zeitpunkte an werden auch die 30% des Reingewinnstes auf die Aktien vertheilt. ![]() | 28 |
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A. Stellung und Rechte der Versammlung der Aktionäre.
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§ 63. Die Versammlung der Aktionäre ist die oberst-leitende und entscheidende Behörde der Anstalt. Sie vertritt die Gesammtheit der Aktionäre. Ihre Beschlüsse sind auch für die Abwesenden verbindlich.
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§ 68. Die Versammlung der Aktionäre hat folgende Befugnisse: c. Sie passirt die Jahresrechnungen der Bank und wählt zu diesem Ende alljährlich drei Revisoren, welche jeweilen zwischen dem Rechnungsabschlusse und der ordentlichen Versammlung die ihnen zugewiesenen Jahresrechnungen zu untersuchen, die Verwaltung zu prüfen und darüber einen schriftlichen Bericht an die Versammlung zu erstatten haben." | 32 |
B. Verwaltunngsrath.
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§ 72. Der Verwaltungsrath besteht aus ellf Mitgliedern, wovon die Versammlung der Aktionäre sechs, der Regierungsrath aber vier ernennt. Der Finanzdirektor ist von Amtes-wegen gleichberechtigtes Mitglied dieser Behörde.
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§ 74. Er wählt aus seiner Mitte den Präsidenten, der den Namen Präsident der Bank führt, den Vicepräsidenten, ebenso zwei Mitglieder und zwei Stellvertreter der Bankdirektion.
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§ 76. Er wählt den Bankdirektor und die übrigen Angestellten der Bank.
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§ 78. Die weitern Obliegenheiten und Befugnisse des Verwaltungsrathes sind: [...] b. er erläßt die Geschäftsreglemente der Bank und unterstellt dieselben dem Regierungsrathe zur Genehmigung; c. er bereitet alle Vorschläge und Berichte vor, welche an die Versammlung der Aktionäre gehören, sowie diejenigen, welche dem Regierungsrathe zu übermitteln sind; [...] f. er prüft die Rechnungsabschlüsse der Bank und verfügt nach Ausmittlung der Dividende über die Vertheilung derselben nach Anleitung des § 61. ![]() | 37 |
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§ 81. Die Bankdirektion besteht aus drei Mitgliedern, nämlich aus dem Präsidenten der Bank und zwei Mitgliedern des Verwaltungsrathes.
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§ 82. Der Bankdirektion steht die unmittelbare Aufsicht und Leitung der Geschäfte zu. Zur Gültigkeit eines Beschlusses muß sie vollzählig sein. Im Falle von Abwesenheit und Krankheit oder Betheiligung werden der Präsident der Bank durch das dem Range nach erste Mitglied der Bankdirektion, die übrigen Mitglieder aber durch die vom Verwaltungsrathe ernannten Stellvertreter ersetzt; wenn auch diese verhindert sind, so hat der Bankdirektor eine bei Beschlüssen mitzuzählende Stimme. Den Vorsitz führt der Präsident der Bank. | 40 |
§ 83. Die Bankdirektion hat folgende Obliegenheiten und Befugnisse: a. Sie beaufsichtigt die Verrichtungen des Bankdirektors und des demselben untergeordneten Personals im Allgemeinen und nimmt zu diesem Zwecke gehörige Einsicht von der Buchführung, Kasse, Portefeuille und Hinterlagen; b. sie ertheilt dem Bankdirektor die erforderlichen Weisungen und Instruktionen; c. sie entscheidet über die Diskontogeschäfte, Darlehensgesuche und Krediteröffnungen, über die Annehmbarkeit der Pfänder und Bürgen; [...] e. sie untersucht die vom Bankdirektor gestellten Rechnungen und legt dieselben dem Verwaltungsrathe vor [...] | 41 |
D. Die Angestellten den Bank.
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§ 87. Der Bankdirektor ist der erste Angestellte und der eigentliche verantwortliche Geschäftsführer derselben. Er steht als solcher unter der unmittelbaren Aufsicht der Bankdirektion und hat sich allen Anordnungen derselben zu unterziehen. | 43 |
§ 89. Der Bankdirektor kann wegen Dienstverletzungen vor Ablauf seiner Amtsdauer auf den Vorschlag der Bankdirektion von seiner Stelle abberufen werden. ![]() | 44 |
45 | |
§ 93. Der Bankdirektor führt mit Ausnahme der Ausstellung von Obligationen, Kassenscheinen und Banknoten einzig die für die Bank verbindliche Unterschrift.
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§ 94. Nebst der Geschäftsführung im Allgemeinen hat der Bankdirektor im Besonderen noch folgende Verpflichtungen: a. Er wohnt mit berathender Stimme den Sitzungen des Verwaltungsrathes und der Bankdirektion bei (§ 82). Ihm sind bei diesen Versammlungen die Verrichtungen eines Protokollführers übertragen. So oft jedoch über seine persönliche Stellung und Verhältnisse berathen wird, hat er abzutreten und sich als Protokollführer durch den Kassier ersetzen zu lassen. b. Er hat die Ueberwachung der Titel, Pfänder und Schriften zu besorgen, mit Ausnahme derjenigen welche durch das Geschäftsreglement speziell einem andern Angestellten anvertraut werden [...] | 47 |
V. Abschnitt. Oberaufsicht des Staates.
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§ 110. Der Verwaltungsrath ist verpflichtet, dem Regierungsrathe alle sechs Monate einen übersichtlichen Bericht über den Bankbetrieb [...] einzureichen; eine gleiche Verpflichtung liegt ihm zur Einreichung der Jahresrechnung und seines Geschäftsberichtes an die Versammlung der Aktionäre ob.
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§ 111. Dem Regierungsrathe steht das Recht zu, zu jeder Zeit die Verwaltung der Bank untersuchen und sich über die Beobachtung dieses Gesetzes sowie über den Geschäftsbetrieb der Anstalt im Allgemeinen Bericht erstatten zu lassen. Diese Untersuchung und Berichterstattung muß alljährlich wenigstens einmal stattfinden. Sollte sich hiebei oder aus dem Berichte des Verwaltungsrathes erzeigen, daß die Vorschriften dieses Gesetzes nicht beobachtet wurden, so hat der Regierungsrath sofort die geeigneten Weisungen zu erlassen und für deren Beobachtung zu sorgen." | 50 |
Aus dem Reglemente der solothurnischen Bank vom 20. Juli 1857 ist hervorzuheben: ![]() | 51 |
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§ 35. Bei Vorschüssen, für welche die Sicherheit nur durch Bürgschaft geleistet wird, hat der Bankdirektor in jedem gegebenen Falle zu untersuchen, in welchem Maße Schuldner und Bürgen bereits durch andere Schuldverträge den Kredit der Bank in Anspruch genommen haben und je nach dem Berichte desselben kann die Bankdirektion in Würdigung der Kreditfähigkeit der Schuldner und Bürgen das verlangte Darlehen bewilligen oder verweigern."
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B. | |
Durch ein Gesetz vom 10. Januar / 8. Februar 1885, in Kraft getreten auf 1. Januar 1886, wurden die solothurnische Bank und die "Hypothekarkasse des Kantons Solothurns" aufgehoben und deren Ersetzung durch ein reines Staatsbankinstitut, die "Solothurner Kantonalbank", verfügt. Dieses Gesetz enthält unter andern folgende Bestimmungen:
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"§ 1. Die solothurnische Bank und die Hypothekarkasse des Kantons Solothurn werden in Anwendung des § 12 des Bankgesetzes vom 24. April 1861 und von § 19 des Hypothekarkassegesetzes vom 21. November 1868 aufgehoben.
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§ 2. Die Aufhebung tritt auf den 1. Januar 1886 in Kraft.
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§ 3. Eine Liquidation der beiden Institute findet nicht statt. Die Aktiven und Passiven derselben gehen auf den 1. Januar 1886 an die Solothurner Kantonalbank über. Die Aktionäre werden in Anwendung von § 13 des Bankgesetzes und § 19 des Gesetzes über die Hypothekarkasse aus der Staatskasse in dem Sinne ausgesteuert, daß ihnen der einbezahlte Betrag ihrer Akten nebst betreffenden Zins vom 1. Januar 1885 an, sowie der verhältnißmäßige Antheil am vorhandenen Reservefond in baar ausbezahlt wird. Ueber die Höhe des letztgenannten Antheils entscheidet, sofern ein gütliches Übereinkommen mit den Aktionären nicht zu erzielen ist, ![]() ![]() | 57 |
Am 22. / 31. Dezember 1885 wurde zwischen dem Staate Solothurn und den Aktionären der solothurnischen Bank, in Beseitigung eines beim Bundesgerichte anhängig gemachten Prozesses, eine Uebereinkunft über den Uebergang der Aktiven und Passiven der solothurnischen Bank an den Staat zu Handen der Solothurner Kantonalbank getroffen, welche unter andern folgende Bestimmungen enthält:
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"1. Aus 1. Januar 1886 ist den Aktionären der Solothurner Bank der Nominalbetrag der Aktien nebst dem gesetzlich garantirten Zins pro 1885, 520 Fr. per Aktie auszuzahlen.
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2. Der den Aktionären nach § 13 des solothurnischen Bankgesetzes auszuzahlende Reservefonds wird gemäß § 3 des Kantonalbankgesetzes durch gütliches Uebereinkommen, eventuell durch bundesrichterlichen Entscheid festgestellt und soll innert Monatsfrist nach dessen Festsetzung ausbezahlt werden.
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4. Aktiven und Passiven der solothurnischen Bank gehen mit 1. Januar 1886 an die Kantonalbank über [...]
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5. Bezüglich der Feststellung der an die Kantonalbank übergegangenen Summe wird vereinbart: a. Der Bestand der Kasse und der Wechselportefeuilles wird am 1. Januar ausgemittelt; derjenige der übrigen Aktiv- und Passivkonti erfolgt successive während der Erstellung der Bilanz und der Rechnung pro 1885; b. die Abfassung der Jahresrechnung und die Zustellung der Rechnungsauszüge erfolgt in bisheriger Weise durch das Personal der solothurnischen Bank [...]; c, die Feststellung, Prüfung und Passation der Rechnung durch den Verwaltungsrath, die Censoren- und die Aktionärversammlung erfolgt in bisheriger Weise [...]" | 62 |
In Ausführung des Gesetzes vom 10. Januar / 8. Februar 1885 und des Art. 1 der Uebereinkunft vom 22./31. Dezember 1885 ist den Privataktionären der aufgehobenen solothurnischen Bank auf Rechnung des Kantons Solothurn der Nominalbetrag ihrer Aktien sammt Zins zu 4% für 1885 am 2. Januar 1886 ausbezahlt worden. ![]() | 63 |
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Der Beklagte Dr. Simon Kaiser war von 1857 an bis zur Aufhebung der solothurnischen Bank stetsfort Direktor derselben.
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D. | |
Im Laufe des Jahres 1885 war, zufolge einer am 5. Mai / 22. Juni 1885 getroffenen Uebereinkunft eine Untersuchung der Aktiven der solothurnischen Bank durch drei vom Regierungsrathe des Kantons Solothurn gewählte Experten veranstaltet worden. Diese erstatteten dem Regierungsrathe am 7. November 1885 Bericht. Sie gelangten zu folgendem Schlusse: Es müssen folgende Verluste in Aussicht genommen werden:
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Sichere oder bereits eingetretene Verluste: Fr. 250,651 10
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Sicher drohende Verluste: Fr. 341, 675 60
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Gefährdete Kosten: Fr. 702,322 60, wovon 50% als verloren betrachtet werden müssen mit: Fr. 351,161 30
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Summa: Fr. 943,488 --
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Dieser Summe stehen als Deckung gegenüber:
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Der Reservefond pro 31. Dezember 1884 mit: Fr. 750,000 --
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Der Amortisationsfond mit: Fr. 67,000 --
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Der Reingewinn pro 1885, angeschlagen zu: Fr. 43,000 --
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Fr. 860,000 --
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Es verbleibe somit ein Verlust am Aktienkapital von: Fr. 83,488 --
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welcher vom Staate als Garant ersetzt werden müsse. Von diesem Berichte gab der Regierungsrath dem Kantonsrathe am 4. Dezember 1885 Kenntniß. Der Kantonsrath bestellte hierauf aus seiner Mitte eine siebengliedrige Kommission, welche die Sachlage nach allen Richtungen, namentlich in Bezug auf die Verantwortlichkeitsfrage, untersuchen solle. Diese Kommission gelangte in ihrem am 10. April 1886 erstatteten Berichte zu dem Schlusse, die Verluste der solothurnischen Bank seien, in Folge seitheriger Aenderung der Verhältnisse, höher als dies ![]() ![]() | 76 |
E. | |
Mittlerweilen, am 21. April 1886, hatte der Verwaltungsrath der solothurnischen Bank seinen (achtundzwanzigsten) Bericht über den Geschäftsbetrieb der solothurnischen Bank im Jahre 1885 an die Versammlung der Aktionäre erstattet. In diesem Berichte (Seite 31 desselben) werden die Verluste der solothurnischen Bank berechnet auf 667,719 Fr. 85 Cts. (nämlich effektive Verluste bis Ende 1885 182,719 Fr. 85 Cts. und "abschätzbare Bilanzposten," welche bei der Realisation einen Minderwerth ergeben können, 485,000 Fr.), die Deckungs ![]() ![]() | 77 |
F. | |
In der am 5. Juni 1886 zu Solothurn abgehaltenen (zweiunddreißigsten) Versammlung der Aktionäre der solothurnischen Bank waren laut Protokoll anwesend 41 Privataktionäre mit 1464 Aktien, berechtigt zu 193 Stimmen, und der Vertreter des Staates, Besitzers von 3000 Aktien, berechtigt zu 100 Stimmen. Bei Behandlung des Traktandums "Passation von Bericht und Rechnung über das Geschäftsjahr 1885" wurde zunächst von Stadtkassier J. Schopfer der Bericht der Censoren "mit Antrag auf Genehmigung der Jahresrechnung und des Berichtes des Verwaltungsrathes" verlesen. In der daraufhin eröffneten allgemeinen Diskussion stellte der Vertreter des Staates, Regierungsrath Sieber, gestützt auf die Untersuchung der Kommission des Kantonsrathes, welche über alle Reserven hinaus noch einen vom Staate zu ersetzenden Verlust von circa 193,000 Fr. herausgerechnet habe, wogegen der Bericht noch einen zu vertheilenden Reserveantheil von circa 191,000 Fr. aufweise, den Antrag: "Bericht und Rechnung zu ![]() ![]() | 78 |
G. | |
Mit Klageschrift vom 7. April 1887 stellte hierauf der Staat Solothurn beim Bundesgerichte den Antrag: Der Verantworter (Dr. S. Kaiser, gewesener Direktor der Solothurner Bank) soll dem Kläger bezahlen: I. 42,341 Fr. 50 Cts. sammt Zins zu 5% seit 19. Januar 1886; II. 195,306 Fr. 10 Cts. mit Zins zu 5% seit 19. Januar 1886. Die Thatsachen, aus welchen diese Ansprüche abgeleitet werden, sind folgende:
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I. Zu Rechtsbegehren I. Am 8. November 1876 hatte die solothurnische Bank der Firma S . Lack & Cie. (gegen Kredit- und Bürgschaftsschein) einen Kredit von 50,000 Fr. bewilligt, wofür als Faustpfand hinterlegt wurden: a. 50 Obligationen, Delegation ersten Ranges, Holzstoff-Fabrik Emme & Rhone Nr. 230/279 zu 1000 Fr.; b. Reverserklärung, Forderung B. Glutz per Restanz 11,127 Fr. 98 Cts.; c. Hypothekschein per 4348 Fr. auf Hypothekbuch Lüßlingen, Nr. 174, 318, 594; d. Hypothekschein per 4000 Fr. auf Hypothekbuch Solothurn, Nr. 576. Am 4. und 15. September 1880 gab der Beklagte in seiner Stellung als Direktor der solothurnischen Bank den Kreditschuldnern von diesen Faustpfändern die sub a bezeichneten Obligationen zurück. Am 21. November 1883 gab ![]() ![]() | 80 |
II. Zu Rechtsbegehren II. Am 1. April 1885 bewilligte der Beklagte Namens der solothurnischen Bank der Firma S. Lack & Cie auf Eigenwechsel einen Kredit von 200,000 Fr., für welchen sich als "solidarischer Mitschuldner, Bürge und Selbstzahler" durch Bürgschaftsschein vom 1. April 1885 Frau Lack Brunner verpflichtete. Letztere ist die Mutter des Simon und Julian Lack und war selbst bei der Firma Lack & Cie mit ![]() ![]() | 81 |
H. | |
Zur Begründung seiner Klage ist vom Staate Solothurn im Schriftenwechsel im Wesentlichen geltend gemacht worden:
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1. Zu Rechtsbegehren I.
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Die Herausgabe der ursprünglichen Faustpfänder und die Annahme der zwei Lebensversicherungspolicen anstelle derselben sei vom Beklagten eigenmächtig, ohne Wissen und Bewilligung der Bankdirektion und entgegen dem ausdrücklichen Wortlaute des § 83 litt. c und § 94 litt. b des Bankgesetzes, angeordnet worden. Der Beklagte behaupte zwar, es sei diese Anordnung von der Bankdirektion nachträglich in ihrer Sitzung vom 21. April 1885 anläßlich einer damals vorgenommenen Kreditrevision gutgeheißen worden. Allein dies sei nicht richtig. Das Protokoll der Direktion enthalte nichts davon und die in fraglicher Sitzung anwesenden Mitglieder der Bankdirektion Müller-Haiber und Schäfli erklären, daß eine Kreditrevision am genannten Tage allerdings stattgefunden habe, ihnen aber der Direktor keine Mittheilung von der Auswechslung der ![]() ![]() | 84 |
2. Zu Rechtsbegehren II.
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Der Beklagte habe das Geschäft ohne Wissen der Direktion abgeschlossen und vollzogen. Er gebe dies auch zu, behaupte aber, es sei von der Bankdirektion früher einmal beschlossen worden, daß die Wechselskontirung dem Bankdirektor überlassen werde, blos mit der Verpflichtung, in der nächstfolgenden Sitzung der Direktion durch Verlesen des Skontros Kenntniß zu geben. Allein ein derartiger Beschluß finde sich in den Protokollen nicht; wäre er übrigens auch gefaßt worden, so wäre er ungültig, da dem § 83 des Bankgesetzes, welcher den Entscheid über die Diskontirung der Bankdirektion zuweise, durch einen Direktionsbeschluß nicht habe derogirt werden können. Eine Genehmigung des Geschäftes durch die Direktion habe nicht stattgefunden; eine solche folge aus dem Direktionsprotokolle vom 10. April 1885 nicht und liege auch nicht darin, daß die Direktion die Erneuerung der fraglichen Wechsel unter verschiedenen Daten genehmigt habe. Die Direktion habe eben hiebei ![]() ![]() | 86 |
3. Im Allgemeinen.
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Der Verlust am Aktienkapital der aufgehobenen solothurnischen Bank, für welchen der Staat als Garant habe einstehen müssen, belaufe sich (nach dem Stande der Sache zur Zeit der Klageanhebung) auf 108,853 Fr. 43 Cts., der Verlust, der den Staat als (mit der Hälfte des Kapitals betheiligten) Aktionär treffe (Hälfte des Reservefonds und Reingewinns für 1885) auf 429,583 Fr. 2 Cts. Diese Ziffern seien übrigens noch keine definitiven, sondern werden sich wahrscheinlich noch wesentlich erhöhen. (In der That wird denn in der Replik vom Staate sein Verlust als Garant auf 209,931 Fr. 16 Cts. beziffert). In rechtlicher Beziehung wird, außer auf die Bestimmungen des Bankgesetzes, auf die §§ 1366, 1367, 972, 973 des solothurnischen privatrechtlichen Gesetzbuches sowie auf § 6 Abs. 2 des solothurnischen Einführungsgesetzes zum Obligationenrecht verwiesen, welcher bestimmt, daß für Rechtsgeschäfte, welche unter das kantonale Recht fallen, das Bundesgesetz über das Obligationenrecht als ergänzendes Gesetz gelte. Des Nähern wird rücksichtlich des Rechtsgrundes der Klage ausgeführt: Der Staat klage einerseits als Aktionär der solothurnischen Bank, gestützt auf Art. 674 O.-R., insoweit durch die Handlungen des Beklagten der Reservefond der Bank geschmälert worden sei; sodann als Garant für das Aktienkapital, insoweit er in Folge der eingeklagten Handlungen des Beklagten Zahlungen an die Aktionäre habe leisten müssen. Nach Art. 504 O.R. ![]() ![]() | 88 |
I. | |
Der Beklagte Dr. S. Kaiser trägt auf Abweisung der Klage unter Kostenfolge an, indem er im Wesentlichen ausführt: Es laste sich, ohne daß übrigens dieser Gesichtspunkt in den Vordergrund gerückt werden wolle, die Frage aufwerfen, ob nicht die Klage verjährt sei. Die Klage sei eine Schadenersatzklage, welche der einjährigen Verjährung des Art. 69 O.R. unterstehe. Der Kläger habe nun von den angeblich schädigenden Thatsachen spätestens am 24. Oktober oder doch am 7. November 1885 und 16. Februar 1886 Kenntniß erhalten, seine Klage aber habe er erst am 7. April 1887 eingereicht. Durch die eingeleitete Betreibung habe die Verjährung nicht unterbrochen werden können. Der Staat sei zur Klage nicht legitimirt. Der Beklagte sei nicht Staatsbeamter gewesen, habe überhaupt zum Staate in keinem Anstellungsverhältnisse gestanden, sondern nur zu der solothurnischen Bank. Er sei daher auch nicht dem Staate, sondern nur der solothurnischen Bank für seine Geschäftsführung Rechenschaft schuldig. Die leitenden Organe der solothurnischen Bank (Verwaltungsrath und Aktionärversammlung) aber haben nicht nur keinen Auftrag zu einer Schadenersatzklage gegen den gewesenen Direktor der solothurnischen Bank gegeben, sondern dessen Geschäftsführung auch für das Jahr 1885 ausdrücklich genehmigt. Speziell sei auf die Schlußnahme der Aktionärversammlung vom 5. Juni 1886 hinzuweisen; dieselbe habe von den nunmehr zur Grundlage der Schadenersatzklage gemachten Geschäften volle Kenntniß gehabt, sowohl durch den Bericht des Verwaltungsrathes als durch die Verhandlungen des solothurnischen Kantonsrathes. Nichtsdestoweniger habe sie die Geschäftsführung des Beklagten genehmigt. Dadurch sei dieser vollständig gedeckt. Daß das Klagerecht gegen den Direktor als Aktivum der solothurnischen ![]() ![]() | 89 |
Ad 1. Was die Auswechselung der Faustpfänder anbelange, so sei anzunehmen, daß dieselbe von der Direktion schon vor dem 21. April 1885 genehmigt worden sei; eine Protokollirung ![]() ![]() ![]() ![]() | 90 |
Ad 2. Es handle sich hier nicht um einen "Kredit", sondern um ein Skontirungsgeschäft. Der Direktor sei nach dem Bankreglement (§ 34) und der konstanten Praxis befugt gewesen, die Skontirung zu bewilligen. Die Genehmigung der Bankdirektion sei übrigens, wie dies sich aus dem Protokolle der Sitzung vom 10. April 1885 ergebe, ausdrücklich ausgesprochen worden; die Protokollformel "Notiznahme" bedeute "Genehmigung." Was für Motive die Direktionsmitglieder bestimmt haben, die Genehmigung auszusprechen, sei gleichgültig; vermehrte Sicherheit zu verlangen (was noch möglich gewesen wäre) sei nicht beschlossen worden. Daß der Beklagte als Bürge die Frau Lack-Reinhardt und nicht die Frau Lack-Brunner genannt habe, sei nicht richtig und es wäre das übrigens unerheblich. Im April 1885 habe zudem das Bankhaus Lack & Cie noch durchaus als solid gegolten. Wenn übrigens der Staat gegen die Geschäftsführung des Beklagten irgendwelche Einwendung habe erheben wollen, so hätte er dies rechtzeitig und nicht erst nachträglich thun sollen. Nach dem Bankgesetze habe ihm die Oberaufsicht zugestanden und hätte der Regierungsrath alljährlich eine Untersuchung veranstalten sollen. Er habe aber weder gegen die Geschäftsführung des Beklagten überhaupt, noch gegen die zwei nunmehr speziell beanstandeten Geschäfte jemals eine Einwendung erhoben oder darüber eine Bemerkung gemacht.
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K. | |
Im Beweisverfahren wurden die Direktionsmitglieder F. Schläfli und J. Müller-Haiber als Zeugen einvernommen. Aus den Auslagen derselben ist hervorzuheben:
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F. Schläfli sagte aus:
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"1. Ich erinnere mich nicht, die beiden Lebensversicherungspolicen auf Julian und Simon Lack am 21. April 1885 gesehen zu haben, und wenn mich mein Gedächtniß nicht sehr trügt, so sind diese Policen damals auch nicht erwähnt worden; doch könnte ich letzteres nicht mit vollster Bestimmtheit sagen. So viel ich mich erinnere, wurde bei der Kreditrevision nur ![]() ![]() | 94 |
2. Am 10. April 1885 wurde das Wechselgeschäft von 200,000 Fr. vorgelegt. Wir waren alle, namentlich Herr Vigier, darüber ungehalten, daß diese große Summe ohne Befragung der Direktion gegeben worden sei. Wir sahen aber das Geschäft nicht rückgängig zu machen. Herr Landammann Vigier sagte deßhalb (und wir anderen Mitglieder waren damit einverstanden), der Direktor solle hypothekarische Sicherheit zu erlangen suchen; ein förmlicher Direktionsbeschluß wurde aber nicht gefaßt. Die Protokollformel zur Notiznahme bedeutet, daß keine Einsprachen geschehen seien; sie wurde jeweilen bei den Wechselskontirungen gebraucht."
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J. Müller-Haiber sagt aus:
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"1. Bei der Faustpfänderrevision von 1885 wurde der Direktion keine Kenntniß von der Auswechselung der Faustpfänder des Simon und Julian Lack gegeben. Die Faustpfandtitel wurden bei Revision von den Direktionsmitgliedern nicht nachgesehen; wenn der Direktor nichts besonderes mittheilte, so nahmen wir an, die Sicherheiten seien die alten geblieben. Die Kreditscheine lagen allerdings vor, dagegen wurden sie von den Mitgliedern nicht selbst eingesehen, sondern nur vom Direktor vorgelesen. Von einer Aenderung der Faustpfänder in dem Geschäfte mit Julian und Simon Lack wurde nichts verlesen, es wird nur im Allgemeinen gesagt worden sein, es seien Faustpfänder vorhanden. Dagegen hätten die Direktionsmitglieder die Kreditscheine allerdings einsehen und selbst lesen können.
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2. Am 10. April 1885 wurden die fünf Wechsel von Lack & Cie. verlesen; am Schlusse dieser Sitzung drückte Land ![]() ![]() | 98 |
Der Kläger hatte Beweis durch Expertise über den Belauf des dem Staate als Aktionär einerseits und als Garant andrerseits erwachsenen Schadens anerboten. Da dieser Beweis vom Instruktionsrichter nicht abgenommen wurde, so führte der Kläger durch Eingabe vom 6. Juni 1888 nach Art. 173, Ziffer 2 u. 5 der eidgenössischen Civilprozeßordnung gegen die Schlußverfügung des Instruktionsrichters beim Bundesgerichte Beschwerde, indem er Ergänzung des Vorverfahrens durch Aufnahme der angerufenen Expertise verlangte.
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L. | |
Bei der heutigen Verhandlung erklärt der klägerische Anwalt, er halte sein Aktenvervollständigungsbegehren aufrecht, aber nur eventuell, d.h. für den Fall, daß das Bundesgericht annehmen sollte, der Staat Solothurn müsse in seiner Stellung als Garant klagen und daher den Belauf seines Schadens nachweisen; er beantrage, die Verhandlung über dieses Aktenvervollständigungsbegehren mit der Verhandlung in der Hauptsache zu verbinden.
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Gegen letzteren Antrag wird seitens der Gegenpartei keine Einwendung erhoben und es wird demselben stattgegeben.
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Der klägerische Anwalt begründet hierauf in ausführlichem Vortrage die bereits im Schriftenwechsel gestellten Anträge in der Hauptsache, sowie sein eventuelles Aktenvervollständigungsbegehren.
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Der Anwalt des Beklagten hält in eingehendem Vortrage die im Schriftenwechsel gestellten Anträge aufrecht.
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Erwägungen: | |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Erwägung 1 | |
1. Die solothurnische Bank war eine Anstalt, welche durch kantonales Gesetz vor dem 1. Januar 1883 gegründet und ![]() ![]() | 105 |
Erwägung 2 | |
2. Neben den Bestimmungen des Bankgesetzes dürfen demzufolge im vorliegenden Falle die Vorschriften des Obligationenrechts der Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Allerdings fallen nicht alle in Betracht kommenden juristischen Thatsachen der Zeit nach unter die Herrschaft des Obligationenrechts, z.B. die Verantwortlichkeit des Beklagten gegenüber der solothurnischen Bank, soweit sie aus einem vor dem 1. Januar 1883 begründeten Anstellungsverhältnisse abgeleitet wird, normirt sich unzweifelhaft nach dem frühern vor dem 1. Januar 1883 geltenden kantonalen Rechte. Allein es ist nun weder behauptet noch ersichtlich, daß das frühere kantonale Recht in den hier erheblichen Punkten inhaltlich andere Bestimmungen als das gegenwärtig geltende Recht, das Obligationenrecht, enthalten habe. Eine Unterscheidung bezüglich der zeitlichen Rechtsanwendung wäre also ohne praktischen Werth und Bedeutung, und darf daher unterbleiben. Insbesondere ist auch die Regel des Art. 674 O.-R. ohne weiters als anwendbar zu erachten. Denn weder enthält das in erster Linie maßgebende Bankgesetz Vorschriften über die Verantwortlichkeit des Verwaltungspersonals der Aktiengesellschaft gegenüber den einzelnen Aktionären (und den Gesellschaftsgläubigern), noch ist behauptet oder ersichtlich, daß das frühere kantonale Recht in ![]() ![]() | 106 |
Erwägung 3 | |
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Erwägung 4 | |
4. Soweit der Staat, gestützt auf die Rechtsnachfolge der Solothurner Kantonalbank in das Vermögen der aufgehobenen Aktiengesellschaft "Solothurnische Bank" klagt, ist seine Klage unzweifelhaft eine Klage aus Vertrag, d.h. aus dem zwischen dem Beklagten und der solothurnischen Bank bestandenen Anstellungsverhältnisse. Auch die vom Staate in seiner Stellung ![]() ![]() | 108 |
Erwägung 5 | |
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6. Ist somit einläßlich die Begründetheit des klägerischen Anspruches zu untersuchen, so ist zunächst rücksichtlich des vom Kläger als einzelnem Aktionär mit Rücksicht auf seinen eigenen frühern Aktienbesitz erhobenen Anspruches zu bemerken: Es ist nicht geltend gemacht worden, daß der klagende Fiskus einer das Verwaltungspersonal der solothurnischen Bank entlastenden Schlußnahme der Generalversammlung zugestimmt oder gegen eine solche nicht binnen sechs Monaten nach erlangter Kenntniß protestirt ober die Aktien seither in Kenntniß der Schlußnahme erworben habe; der Fiskus hat also einen nach Art. 674 O.-R. allfällig begründeten Ersatzanspruch nicht nach Maßgabe des Art. 675 ibidem verwirkt. Der Ersatzanspruch aus Art. 674 cit. sodann geht "gegen die mit der Verwaltung und Kontrolle betrauten Personen" auf allen Schaden, welchen dieselben den einzelnen Aktionären und den Gesellschaftsgläubigern durch absichtliche Verletzung der ihnen obliegenden Verwaltungs- und Aufsichtspflichten verursacht haben. Es haften somit den einzelnen Aktionären und den Gesellschaftsgläubigern nicht die Behörden und Angestellten der Aktiengesellschaft schlechthin, sondern nur die mit der "Verwaltung und Kontrolle betrauten Personen." Zu den "mit der Verwaltung betrauten Personen" aber gehören in erster Linie die Mitglieder der "Verwaltung" im Sinne der Art. 649 u. ff. O.-R. (d.h. die Mitglieder des verwaltenden Organs der Gesellschaft); allein nicht nur diese, sondern gewiß auch diejenigen Personen, welchen, ohne daß sie Mitglieder der "Verwaltung" (des Vereinsvorstandes) wären, nach Art. 650 O.-R. zufolge der Statuten von der "Verwaltung" die "Geschäftsführung oder einzelne Zweige derselben übertragen worden sind." Diese Personen sind, wenn auch nicht Mitglieder der "Verwaltung" (des Vereinsvorstandes), so doch statutenmäßig mit der Verwaltung betraut; Art. 674 aber spricht nicht nur von Mitgliedern der "Verwaltung" sondern überhaupt von den mit der Verwaltung betrauten Personen; der Direktor der solothurnischen Bank aber gehört gemäß den Bestimmungen des Bankgesetzes zu den "mit der Verwaltung betrauten Personen." Derselbe ist freilich nicht ordentliches Mitglied der "Verwaltung" (des Verwaltungsrathes oder der Bankdirektion) ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | 110 |
Erwägung 7 | |
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Erwägung 8 | |
8. Es erübrigt somit nur noch die Prüfung der vom Staate als Vertreter der Rechtsnachfolgerin der solothurnischen Bank, der Solothurner Kantonalbank, erhobenen Klage. Da die Solothurner Kantonalbank ein reines Staatsbankinstitut ist, auch in dieser Richtung im Schriftenwechsel eine Einwendung nicht ![]() ![]() ![]() ![]() | 112 |
Erwägung 9 | |
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Erwägung 10 | |
10. Wird nun geprüft, ob der Beklagte seine Verwaltung rücksichtlich der eingeklagten zwei Geschäfte zu rechtfertigen vermocht habe, so ist zunächst in Betreff des der Firma Lack & Cie auf Eigenwechsel am 1. April 1885 vom Bankdirektor bewilligten Kredits von 200,000 Fr. zu bemerken: Das Geschäft wurde unstreitig vom Direktor von sich aus, ohne vorherige Befragung der Bankdirektion, abgeschlossen, während nach § 83 des Bankgesetzes dasselbe ohne Zweifel der Bankdirektion vor seinem Abschlusse hätte zur Genehmigung vorgelegt werden sollen. Allerdings gestattet § 33 des Bankreglements vom 20. Juli 1857 dem Direktor, in Dringlichkeitsfällen Wechsel ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | 114 |
Erwägung 11 | |
11. Was die Auswechselung der Faustpfänder anbelangt, welche für den der Firma S. Lack & Cie im Jahre 1879 bewilligten Kredit von 50,000 Fr. bestellt worden waren, so ist unbestritten, daß dieselbe vom beklagten Direktor ohne vorherigen Beschluß der Bankdirektion bewilligt wurde. Der Direktor war aber nach § 85 litt. c des Bankgesetzes unzweifelhaft nicht befugt, diesen Austausch der ursprünglichen, von der Bankdirektion genehmigten, Faustpfänder gegen andere, von der Bankdirektion nicht genehmigte, von sich aus zu gestatten. Die bei der Auswechselung an Stelle der ursprünglichen, unbestrittenermaßen soliden, Faustpfänder angenommenen Lebensversicherungspolicen waren auch unverkennbar minderwerthig, d.h. ihr Werth stand zu dem Betrage des Kredits in keinem Verhältnisse und sie konnten als "genügende Sicherheit" im Sinne des Art. 33 des Bankgesetzes nicht gelten. Denn der wirkliche, jederzeit sofort realisirbare, Werth einer Lebensversicherungspolice kann ja während des Lebens des Versicherten nur dem Rückkaufswerthe der Police gleichgesetzt werden, und dieser war im vorliegenden Falle ein verhältnißmäßig geringer; die Annahme der Lebensversicherungspolicen an Stelle der ursprünglichen Faustpfänder war daher jedenfalls ein, nicht nur die Kompetenz des Bankdirektors überschreitender, sondern auch die Sicherheit der Forderung der Bank offensichtlich gefährdender Akt, welcher sich allerdings daraus erklären mag, daß der Direktor, trotzdem die Verpfändung von Lebensversicherungspolicen durch Theilhaber eines größern Bankhauses wohl geeignet sein mochte, Zweifel an die unerschütterliche Solidität dieses Hauses zu erregen, dennoch, bestimmt durch den Kredit, welchen die Firma Lack & Cie damals noch allgemein genoß, der Meinung war, es werde eine Versilberung der Pfänder niemals nothwendig werden. Ob zur Zeit der Auswechselung der Faustpfänder der durch dieselben versicherte Kredit benutzt oder nicht benutzt, resp. ob die Firma Lack & Cie damals auf diesem Kredite Gläubiger oder Schuldner war, ist gleichgültig. Denn, selbst wenn ![]() ![]() ![]() | 115 |
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12. Ist danach ursprünglich eine Haftung des Beklagten für den durch die Faustpfänderauswechselung der Solothurner Bank entstandenen Schaden begründet und dieselbe auch nicht durch einen Direktionsbeschluß aufgehoben worden, so muß sich dagegen fragen, ob der Beklagte nicht seiner diesbezüglichen Verantwortlichkeit durch den Beschluß der Generalversammlung der Aktionäre der solothurnischen Bank vom 5. Juni 1886, durch welchen Bericht und Rechnung für 1885 gutgeheißen wurden, enthoben worden sei. Die Generalversammlung der solothurnischen Bank vom 5. Juni 1886 war unstreitig in gesetzlicher Weise einberufen und zusammengesetzt; obschon damals die Privataktionäre für ihren Antheil am Grundkapital der Gesellschaft bereits ausgelöst waren, so war die Generalversammlung doch noch befugt, Bericht und Rechnung des Verwaltungsrathes für das Jahr 1885 abzunehmen und zu genehmigen, wie dies in dem mit dem Staate am 22./31. Dezember 1885 getroffenen Uebereinkommen ausdrücklich anerkannt ist. Die Generalversammlung war daher befugt, den Organen der Gesellschaft durch Genehmigung ihrer Geschäftsführung die Entlastung zu ertheilen und dieselben dadurch ihrer Verantwortlichkeit gegenüber der Aktiengesellschaft zu entheben. In der vorbehaltslosen Genehmigung vom Geschäftsbericht und Rechnung durch die Generalversammlung liegt nun gewiß in der Regel die Genehmigung der Geschäftsführung der Verwaltungsorgane, insoweit als dieselbe aus den der Generalversammlung gemachten Vorlagen ersichtlich ist. Es ginge zwar zu weit, aus der Genehmigung von Bericht und Rechnung durch die Generalversammlung auf eine Entlastung des Verwaltungspersonals für dessen gesammte Geschäftsführung während des betreffenden Zeitraums, auch insoweit dieselbe aus den Vorlagen an die Generalversammlung gar nicht ersichtlich ist, zu schließen. Denn die Generalversammlung kann ja die Geschäftsführung nur auf Grund und innerhalb des Rahmens der ihr gemachten Vorlagen prüfen und beurtheilen. Auf Dinge, welche aus diesen Vorlagen nicht erkennbar und daher gar nicht zur Kenntniß der Generalversammlung gebracht sind, kann der Genehmigungswille derselben ohne unstatthafte Unterstellung nicht ausgedehnt werden. Da ![]() ![]() | 116 |
Erwägung 13 | |
13. Im mündlichen Vortrage hat der Beklagte noch ausgeführt, der Staat könne Schadenersatz von ihm deßhalb nicht mehr fordern, weil er die als Faustpfand haftenden Lebensversicherungspolicen veräußert habe, ohne sie vorher dem Beklagten anzubieten. Wenn der Staat den Beklagten wie einen Bürger für die Schuld der Firma S. Lack & Cie verantwortlich machen wolle, so sei er auch verpflichtet, ihm die für Schuld bestellten Sicherheiten abzutreten (beziehungsweise deren Abtretung ihm anzubieten) und ihm so den Versuch zu ermöglichen, sich durch diese Sicherheiten zu decken. Der Staat habe sich hiezu außer Stand gesetzt und habe daher seinen Anspruch verwirkt. Diese Einrede kann schon deßhalb nicht berücksichtigt werden, weil sie ![]() ![]() | 117 |
Erwägung 14 | |
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Dispositiv | |
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
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