BGE 39 I 404 - Kunstweinverbot | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Arbresha Veliju, A. Tschentscher | |||
67. Urteil vom 24. September 1913 in Sachen Bühler gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Baselland. |
Art. 1 der Verordnung zum Bundesgesetz betr. das Verbot von Kunstwein und Kunstmost: Ein "in den Verkehr Bringen" liegt nicht in der Zusendung an den Eigentümer der Ware. Art. 153 (Fassung vom 9. Dezember 1912) der Verordnung zum Lebensmittelgesetz: Fällt die unrichtige Bezeichnung als Wein im Frachtbrief unter diese Bestimmung? | |
A. | |
Die Firma Jules Levaillant, Wein- und Spirituosenhandlung in Basel, schloß am 27. August 1912 mit dem Bäckermeister Sutter-Buser in Bubendorf einen Kaufvertrag über ein Faß Tresterwein ab. Am 10. September 1912 sandte die Verkäuferin das Faß, das die Aufschrift "Tresterwein", mit größern Lettern geschrieben, trug, dem Besteller Sutter per Bahn zu. Sutter nahm die Sendung zunächst nicht an, sondern schickte sie an Jules Levaillant zurück und schrieb zugleich am 22. Dezember 1912 der Speditionsfirma Schneider & Cie., die schon vorher, wie es scheint, Sendungen Levaillants an ihn vermittelt hatte: Er habe 100 Liter und nicht 300 Liter, wie ihm zugesandt worden seien, bestellt; der Wein möge daher zurückgenommen werden. Hievon machten Schneider & Cie. dem Verkäufer Jules Levaillant Mitteilung. Dieser erklärte ihnen, daß er die Rücknahme verweigere, wovon sie Sutter benachrichtigten. Am 3. Januar 1913 schrieb dann Sutter an Schneider & Cie., daß er die Ware annehme und diese Firma sandte nunmehr das Faß mit Frachtbrief vom 4. Januar 1913, der als Inhalt der Sendung "Wein" angab, dem Sutter wieder zu. Dieser verweigerte die Annahme wiederum, weil er nicht so viel bestellt habe, worauf Schneider & Cie. die Bahn ersuchten, ihm die Sendung noch einmal anzubieten. Inzwischen, am 13. Januar, wurde dann das Faß auf Grund von Art. 21 des Bundesgesetzes über den Verkehr mit Lebensmitteln und von Art. 1 der Vollziehungsverordnung vom 12. Dezember 1912 zu dem (am 1. Januar 1913 in Kraft getretenen) Kunstweinverbotsgesetz durch die Lebensmittelkontrolle von Baselland mit Beschlag belegt.
| 1 |
In der Folge stellte die Staatsanwaltschaft von Baselland gegenüber dem Kassationskläger Bühler "als Vertreter der Firma Schneider & Cie." -- Bühler ist Prokurist dieser Firma -- den Antrag, ihn der Übertretung des Art. 1 der genannten Verordnung zum Bundesgesetz über das Kunstweinverbot und des Art. 153 der Verordnung zum Bundesgesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln schuldig zu erklären und nach Art. 9 des Gesetzes betreffend das Kunstweinverbot und Art. 37 des Lebensmittelverkehrsgesetzes mit einer Buße von 20 Fr. oder im Falle der Nichtbezahlung mit vier Tagen Gefängnis zu bestrafen.
| 2 |
Das Polizeigericht Liestal hat mit Urteil vom 17. April 1913 vollinhaltlich im Sinne dieses Strafantrages erkannt und die Polizeikammer des Obergerichts von Baselland hat diesen Entscheid durch Urteil vom 30. Mai 1913 bestätigt.
| 3 |
B. | |
Gegen das obergerichtliche Urteil hat nunmehr Bühler gültig Kassationsbeschwerde an das Bundesgericht ergriffen mit dem Antrage: Es sei das angefochtene Urteil wegen Verletzung der Art. 1, 8 und 9 des Kunstweinverbotgesetzes und von Art. 1 der Verordnung dazu, sowie wegen Verletzung von Art. 37 des Gesetzes betreffend den Verkehr mit Lebensmitteln und von Art. 1 und 153 der dazu gehörigen Verordnung aufzuheben und die Sache an die kantonale Behörde zurückzuweisen.
| 4 |
Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
1. Die Verurteilung des Kassationsklägers stützt sich zunächst auf den Art. 1 der Verordnung vom 12. Dezember 1912 zum Bundesgesetz betreffend das Verbot von Kunstwein und Kunstmost vom 7. März 1912. Nach dieser Bestimmung dürfen Kunstwein und Kunstmost im Sinne des Bundesgesetzes weder unter dieser noch unter irgend einer andern Bezeichnung, "in den Verkehr gebracht werden". Der Kassationskläger stellt vor allem in Abrede, daß die Transporthandlung, hinsichtlich deren er bestraft wurde, nämlich die Rücksendung des fraglichen Tresterweines an Sutter vom 4. Januar 1913 ein "in den Verkehr Bringen" nach der Verordnung darstelle. Unter diesem Ausdruck können in der Tat nur solche Vorgänge verstanden werden, bei denen Kunstwein oder -Most aus dem Vermögen des Berechtigten in das eines Dritten übergeführt, namentlich als Handelsware an einen Dritten abgesetzt wird. Nicht dagegen lassen sich dem Begriff auch jene Vorkehren unterstellen, wonach der Berechtigte innerhalb seiner eigenen Vermögenssphäre Kunstwein oder -Most, den er sich auf gesetzlich zulässige Weise beschafft hat, von einem Ort zum andern befördert. Zu dieser Auslegung führt nicht nur die gewöhnliche Bedeutung des "in den Verkehr Bringens" von Gütern als einer Umsatztätigkeit zwischen verschiedenen Rechtssubjekten des Verkehrs, sondern auch der Umstand, daß das Gesetz in Art. 1 die Herstellung und die Lagerung von Kunstwein und Kunstmost im eigenen Haushalt ausdrücklich vom Verbote ausnimmt.
| 5 |
Geht man hievon aus, so fehlt dem in Frage kommenden Rücktransport des Fasses an Sutter das genannte Merkmal: Diesen Transport hat nämlich die Firma Schneider & Cie. auf Grund einer brieflichen Erklärung Sutters, daß er die vorher refüsierte Ware nunmehr annehme, besorgt. Mit dieser Erklärung aber wurde die frühere Annahmeverweigerung wirkungslos und Sutter also Eigentümer der Ware, wobei die Firma Schneider & Cie. sie als sein Stellvertreter im Besitze innehatte. Wenn also die Firma den Tresterwein gemäß seiner Weisung an ihn zurücksandte, so hat sie lediglich eine ihm bereits zu Eigentum gehörende Sache von einem Ort zum andern verbringen helfen, die Ware also nach dem Gesagten nicht "in den Verkehr gebracht". Der Art. 1 der Verordnung trifft somit auf den gegebenen Tatbestand nicht zu, und es braucht daher die von der Vorinstanz noch erörterte Frage keiner Prüfung, ob dieser Artikel ungültigerweise das Kunstwein- und Kunstmostverbot über den Umfang, den ihm das Gesetz gegeben hat, erweitere.
| 6 |
2. Der Kassationskläger ist sodann noch der Verletzung des Art. 153 (in der Fassung vom 9. Dezember 1912) der Verordnung vom 29. Januar 1909 zum Bundesgesetz über den Verkehr mit Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen schuldig befunden worden. Laut dieser Bestimmung darf "unter der Bezeichnung Wein nur das aus dem Safte frischer Weintrauben (Weinmost) durch alkoholische Gährung entstandene Getränk ..... in den Verkehr gebracht werden". Die Vorinstanz hält diese Vorschrift deshalb für anwendbar, weil der Frachtbrief, der zur Rücksendung der Ware an Sutter gedient hat, als Inhalt der Sendung "Wein" angibt. Allein darin liegt keine "Bezeichnung" im Sinne des Art. 153: Jene Angabe im Frachtbrief bezweckt bloß, über das Frachtstück als solches und im Interesse der richtigen Vollziehung des Frachtvertrages Auskunft zu geben, nicht aber will sie den Inhalt der Sendung nach außen, in Hinsicht auf den Umsatz im Verkehr und gegenüber den dabei interessierten Kreisen dokumentieren. Eine solche Bedeutung kann einer unrichtigen Angabe im Frachtbrief jedenfalls dann nicht zukommen, wenn das Frachtstück selbst (auf seiner Umhüllung usw.) die Bezeichnung seines wirklichen Inhalts in einer jedem Interessenten erkennbaren Weise trägt, wie das hier der Fall war, wo das Faß die deutliche Aufschrift "Tresterwein" enthielt.
| 7 |
Demnach hat der Kassationshof erkannt: | |
8 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |