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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Adrian Schwaller, A. Tschentscher | |||
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vom 20. November 1913 in Sachen Stansstad gegen Cubasch. | |
Regeste |
Das Konkordat betr. Gewährung von Rechtshilfe zur Vollstreckung öffentlichrechtlicher Ansprüche ist nur anwendbar auf solche Ansprüche, welche nach seinem Inkrafttreten bezw. dem Beitritt der betr. Kantone entstanden oder doch mindestens nachher rechtskräftig festgestellt worden sind. | |
Sachverhalt: | |
Das Bundesgericht hat, da sich ergeben:
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A. | |
Durch Beschluß vom 3. August 1908 legte die Steuerkommission Stansstad dem Dr. Cubasch, Arzt ebenda wegen unvollständiger Versteuerung seines Vermögens in den Jahren 1899 bis 1908 eine Nachsteuer von 5689 Fr. 20 Cts. auf. Dr. Cubasch rekurrierte hiegegen an die kantonale Steuerkommission und an den Regierungsrat, wurde aber von beiden Instanzen abgewiesen. Gestützt auf eine Weisung des Regierungsrates, daß von den hinterzogenen Steuern gemäß § 6 des Gesetzes über die Be ![]() ![]() | 2 |
Durch Urteil vom 27. Februar 1913 wies indessen die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des luzernischen Obergerichts in Bestätigung des erstinstanzlichen Erkenntnisses des Gerichtspräsidenten von Luzern das Rechtsöffnungsbegehren mit der Begründung ab, daß die Bestimmungen des Konkordates nach dem allgemeinen Grundsatz, wonach den Gesetzen im Zweifel keine rückwirkende Kraft zukomme, nur auf solche Steuerforderungen Anwendung finden könnten, die nach seinem Inkrafttreten entstanden seien.
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B. | |
Gegen dieses Urteil hat die Gemeinde Stansstad innert Frist die staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht ergriffen, mit dem Antrage, dasselbe sei aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, die nachgesuchte Rechtsöffnung zu erteilen. Es wird ausgeführt: Durch den Beitritt zum Konkordate habe jeder Kanton die Pflicht übernommen, die Entscheide der zuständigen Behörden anderer Konkordatskantone über Ansprüche der in Art. 1 des Konkordats erwähnten Art gleich rechtskräftigen Zivilurteilen i. S ![]() ![]() | 4 |
C. | |
Die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Obergerichts des Kantons Luzern und die Rekursbeklagte Frau Cubasch haben auf Abweisung des Rekurses angetragen.
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D. | |
Das Bundesgericht hat zunächst am 13. Juni 1913 beschlossen, die Regierungen der Konkordatskantone um Auskunft darüber zu ersuchen, ob die Frage der Anwendbarkeit des Konkordats auf vor seinem Inkrafttreten bezw. vor dem Beitritt der betr. Kantone festgestellte Ansprüche anläßlich der behördlichen Beratungen über den Beitritt zum Konkordate erörtert worden sei und in welchem Sinne. Aus den darauf eingelangten Antworten ergibt sich, daß eine solche Erörterung in der Mehrzahl der Kantone -- Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden, Glarus, Solothurn, Basel-Land, Appenzell (beider Rhoden), Graubünden, St. Gallen, Tessin, Waadt, Wallis und Neuenburg -- nicht stattgefunden hat. Zug und Zürich sind dem Konkordate nur unter dem ausdrücklichen Vorbehalte beigetreten, daß der zugerische, bezw. zürcherische Richter die Rechtsöffnung nur dann zu gewähren habe, wenn die Ansprüche nach dem Beitritt Zugs bezw. Zürichs und des die Rechtshilfe nach ![]() ![]() | 6 |
Erwägungen: | |
in Erwägung:
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Erwägung 1 | |
1. Wie die Vorinstanz in ihrer Vernehmlassung feststellt, trifft die Behauptung der Rekursbeklagten Frau Cubasch, daß der Rekurrentin gegenüber dem angefochtenen Entscheide noch das Rechtsmittel der Kassationsbeschwerde an das Gesamtobergericht zugestanden hätte, nicht zu. Der Einwand der mangelnden Erschöpfung des kantonalen Instanzenzuges erweist sich demnach als unbegründet, so daß die grundsätzliche Frage, ob überhaupt aus diesem Gesichtspunkte das Eintreten auf den Rekurs hätte verweigert werden können, nicht erörtert zu werden braucht.
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Erwägung 2 | |
2. In der Sache selbst ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, daß das von der Rekurrentin angerufene Rechtshilfekonkordat nur auf solche Steuer- und Bußenansprüche anwendbar ist, die nach seinem Inkrafttreten entstanden oder doch mindestens nachher rechtskräftig festgestellt worden sind. Zuzugeben ist freilich, daß das Argument, welches die Vorinstanz hiefür anführt -- daß nämlich den Gesetzen im Zweifel keine rückwirkende Kraft zukomme -- nicht Stich hält. Denn der Streit dreht sich nicht darum, von welchem Zeitpunkte die Wirksamkeit des Konkordates beginne, sondern darum, auf welche Ansprüche sich die darin vereinbarte Rechtshilfepflicht erstrecke, ob auf alle Ansprüche der in Art. 1 Abs. 2 erwähnten Art schlechthin oder nur auf einen Teil derselben, nämlich nur auf diejenigen, deren Entstehung oder Feststellung in die Zeit nach dem Abschlusse des Konkordates fällt. In Frage steht demnach nicht sowohl die Abgrenzung des zeitlichen, als diejenige des sachlichen Geltungsbereiches des Konkordates, so daß die Normen über die zeitliche Herrschaft ![]() ![]() | 9 |
Hiebei ist davon auszugehen, daß die Gewährung der Rechtshilfe für öffentlichrechtliche Ansprüche eines anderen Staates die Anerkennung des öffentlichen Rechtes dieses Staates und damit einer Gewalt desselben über die Gebietsangehörigen des ersuchten Staates bezw. deren Vermögen in sich schließt. Eine solche Anerkennung wird aber der Regel nach nur für die Zukunft ausgesprochen werden. Sie auf in der Vergangenheit liegende Akte auszudehnen und damit diesen eine Wirkung zuzuerkennen, die ihnen bisher nicht zukam, würde der Rücksicht auf den Schutz der eigenen Gebietsangehörigen, die kein Staat ohne Not außer Acht lassen wird, widersprechen. So ist denn auch im Auslieferungsrecht, wo es sich ebenfalls um Rechtshilfe für öffentlichrechtliche, nämlich Strafansprüche eines auswärtigen Staates handelt, anerkannt, daß, wenn ein Staat, der bisher nicht ausgeliefert hat, einen Auslieferungsvertrag abschließt, die daraus resultierende Auslieferungspflicht sich im Zweifel nur auf solche Vergehen bezieht, die nach dem Vertragsschluß verübt worden sind (vergl. Lammasch, Auslieferungspflicht ![]() ![]() | 10 |
Zu dem nämlichen Ergebnis führt das Zurückgehen auf den mit der Rechtshilfe verfolgten Zweck. Das Konkordat hat seinen Ursprung in der Überzeugung, daß das staatsrechtliche Verhältnis der Kantone als Glieder eines Bundesstaates die Pflicht mit sich bringe, sich gegenseitig bei der Erhebung derjenigen Abgaben Beistand zu leisten, deren jeder zur Erfüllung seiner staatlichen Aufgaben bedarf. Nun sind aber all diese Abgaben -- eigentliche Vermögens-, Erwerbs-, Erbschafts-, wie daran anschließende Nach- und Strafsteuern -- ihrer Natur nach zur sofortigen Vollstreckung bestimmt. Steuern, die innert einer bestimmten Frist nicht eingegangen sind, werden regelmäßig abgeschrieben werden und fallen für die Aufstellung des Wirtschaftsplanes und die Finanzverwaltung des Gemeinwesens nicht mehr in Betracht. Der dem Konkordate immanente Zweckgedanke ist somit auch dann erreicht, wenn sich die Rechtshilfepflicht auf die nach seinem Inkrafttreten entstandenen oder rechtskräftig gewordenen Ansprüche beschränkt. Umso eher darf angenommen werden, daß zum mindesten die überwiegende Mehrzahl der Kantone, obwohl sie es nicht besonders aussprach, sich tatsächlich auch nur in der gedachten Beschränkung habe verpflichten wollen. Dies muß aber nach dem Gesagten genügen, um das Konkordat in diesem Sinne auszulegen. Die Möglichkeit, auch für früher entstandene Ansprüche Rechtsöffnung zu gewähren, bleibt den Kantonen, die anderer Ansicht gewesen sein sollten, auch dann gewahrt. Denn so gut die Kantone bisher außerkantonale Steuer- und Bußenforderungen trotz Mangels einer vertraglichen oder bundesgesetzlichen Grundlage freiwillig, von sich aus vollstrecken konnten (AS 28 S. 141 E. 3 [= BGE 28 I 138 (141)]; 32 S. 645 E. 2 [= BGE 32 I 641 (645)]), so gut können sie dies natürlich auch künftig tun. Nur handelt es sich dabei nicht ![]() ![]() | 11 |
Daraus folgt, daß eine konkordatsmäßige Verpflichtung der luzernischen Gerichte, die von der Rekurrentin geltend gemachte Nachsteuerforderung zur Vollstreckung zuzulassen, nicht besteht. Der Rekurs ist daher abzuweisen, ohne daß es des Eintretens auf die weiteren von der Rekursbeklagten gegen die Erteilung der Rechtsöffnung erhobenen Einreden bedürfte;
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erkannt:
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