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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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i. S. Dampfschiffgesellschaft des Vierwaldstättersees |
gegen Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden einerseits, und Luzern anderseits. |
Bedeutung einer Aenderung der Doppelbesteuerungspraxis des Bundesgerichts für die Rechtskraft vorher ergangener Urteile. |
Besteuerung einer Dampfschiffgesellschaft mit Stationsanlagen in mehreren Kantonen. |
Grundsätze für die quotenmässige Verteilung des Steuerrechts unter diese Kantone. |
Sachverhalt | |
A. | |
Die Dampfschiffgesellschaft des Vierwaldstättersees, eine Aktiengesellschaft mit Sitz in Luzern, die für ihren Betrieb auf dem Gebiete der fünf Seeuferkantone Luzern, Schwyz, Uri, Ob- und Nidwalden insgesamt 45 Dampfschiffstationen mit Landungsbrücken und teilweise auch noch weiteren Stationseinrichtungen benutzt, ist vom Bundesgericht durch Urteil vom 28. September 1898 (AS 24 I N 83 S. 444 ff.) als mit Bezug auf ihr Mobiliarvermögen und ihren Erwerb allgemein der Steuerhoheit bloss des Kantons Luzern - mit Ausschluss der ![]() ![]() | 1 |
I. Vermögen. | |
Uri...............17,88% = 680,000 Fr.
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Schwyz........14,88% = 565,000 "
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Obwalden.....2,17% = 83,000 "
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Nidwalden....27,55% = 1,112,000 "
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II. Einkommen. | |
Uri................17,88% = 35,800 Fr.
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Obwalden......2,17% = 4,400 "
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(Die Kantone Schwyz und Nidwalden kennen die Einkommens- oder Erwerbsbesteuerung nicht.)
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B. | |
Gegenüber dieser Mitteilung hat die Dampfschiffgesellschaft rechtzeitig den staatsrechtlichen Rekurs an das Bundesgericht ergriffen und folgende Anträge gestellt:
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1. Die in der Mitteilung angegebenen Taxationsentscheide der Kantone Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden seien aufzuheben und es sei zu erkennen, dass die genannten Kantone nicht berechtigt seien, die Rekurrentin für Erwerb und bewegliches Vermögen zu besteuern.
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2. Eventuell wolle das Bundesgericht feststellen, in welchem Verhältnis die genannten vier Kantone und der Kanton Luzern berechtigt seien, die Rekurrentin für Er ![]() ![]() | 11 |
In der Begründung wird zunächst unter Hinweis auf die beiden Urteile des Bundesgerichts aus den Jahren 1886 und 1898 die Einrede der abgeurteilten Sache erhoben und anschliessend wesentlich vorgebracht:
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Irgendwelche Aenderung der tatsächlichen Verhältnisse sei seit jenen Urteilen nicht eingetreten. Die Beziehungen der Rekurrentin zu den Urkantonen seien heute wie früher einfach die, dass sie mit ihren Dampfschiffen den See befahre und an den Landungsbrücken die Passagiere und Güter ein- und auslade. Neben den Landungsbrücken, die bei den grösseren Stationen eine Ueberdachung, eine Wartehalle und einen Raum für die ankommenden und abgehenden Güter hätten, bestehe in Luzern und Flüelen je eine Billetausgabe. Für die Bedienung der Landungsstellen seien 1 bis 4 Brückenwarte vorhanden, welche die Stege an die Schiffe heranzuschieben und zurückzuziehen und die Brücken instand zu halten hätten. Das Ein- und Ausladen der Güter geschehe durch die Schiffsmannschaft. Wenn nun auch die bundesgerichtliche Doppelbesteuerungspraxis seither, nach den Urteilen vom 29. März 1905 in Sachen Elektrizitätswerk Kubel gegen Appenzell A. Rh. und St. Gallen (AS 31 I S. 56 ff.) und vom 12. April 1911 in Sachen Motor -A.-G. gegen Zürich eventuell Aargau (AS 37 I S. 249 ff.), insofern geändert habe, als ein besonderes Steuerdomizil nicht mehr nur bei selbständigen Zweiggeschäften, sondern überall da angenommen werde, wo das betreffende Geschäft ständige körperliche Anlagen oder Einrichtungen besitze, mittelst deren sich daselbst ein qualitativ und quantitativ wesentlicher Teil seines technischen oder kommerziellen Betriebes vollziehe, so träfen doch diese Voraussetzungen auf den geschilderten ![]() ![]() | 13 |
Eventuell gäben die Landungsbrücken für das Mass der Besteuerung keinen Anhaltspunkt. Es werde schwierig sein, hiefür einen richtigen Massstab zu finden. Jedenfalls könne der auf jeden Kanton entfallende Teil des Vierwaldstättersees nicht massgebend sein; denn die Seefläche sei nicht eine ständige körperliche Anlage oder Einrichtung im Sinne der bundesgerichtlichen Praxis, und die Länge der auf dem See befahrenen Strecke sei auch nicht abhängig von der Grösse der zum einzelnen Kanton gehörenden Fläche. Eventuell werde vielmehr die Verteilung des Besteuerungsrechts nach dem auf die sämtlichen ![]() ![]() | 14 |
Die Taxation des Einkommens der Rekurrentin auf 200,000 Fr. durch die Urkantone entspreche auch an sich der bundesgerichtlichen Praxis nicht. Steuerrechtliches Einkommen oder steuerpflichtiger Erwerb sei, wie der Kanton Luzern gemäss § 18 seines Steuergesetzes vom 30. November 1892 anerkenne, nur der Ueberschuss des Ertrages über die Unkosten und die Abschreibungen und landesübliche Verzinsung der im Unternehmen investierten Kapitalien, und zwar sei die letztere auch dann zu berücksichtigen, wenn der Unternehmer mit eigenem Kapital arbeite; denn dessen Zinsertrag werde von der Vermögenssteuer betroffen. Die Rekurrentin habe in ihrem Unternehmen 3,704,992 Fr. 33 Cts. eigene Kapitalien investiert, deren landesübliche Verzinsung zu 5% rund 185,000 Fr. erfordere; die Gesamteinnahmen aus dem Betrieb aber betrügen laut Gewinn- und Verlustrechnung pro 31. Dezember 1913 nur 167,132 Fr. 33 Cts., deckten also nicht einmal die Kapitalzinsen. Es könne deshalb von einer Erwerbsbesteuerung der Rekurrentin in den Urkantonen zur Zeit auch ziffernmässig nicht die Rede sein.
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Zur Besteuerung des beweglichen Vermögens der Rekurrentin wären die Urkantone auch dann nicht berechtigt, wenn ein Steuerrecht derselben hinsichtlich des Einkommens angenommen würde. Die Landungsbrücken würden schon längst als unbewegliches Vermögen besteuert, andere Anstallen oder Einrichtungen aber seien ![]() ![]() ![]() ![]() | 16 |
Eventuell müssten, soweit ein Steuerrecht der Urkantone geschaffen würde, Staat und Stadt Luzern, die pro 1914 gemäss dem bundesgerichtlichen Urteil vom 28. September 1898 die Steuer vom ganzen beweglichen Vermögen und Erwerb der Rekurrentin bezogen hätten, mit ihren Ansprüchen entsprechend zurücktreten.
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C. | |
Die vier Urkantone haben in gemeinsamer Vernehmlassung die Anträge gestellt, der Rekurs sei als unbegründet abzuweisen, eventuell sei die Art und Höhe der Taxation nach richterlichem Ermessen vorzunehmen ; subeventuell hätten die Kantone eine neue Taxation nach den vom Bundesgericht aufgestellten Grundsätzen vorzunehmen.
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Sie lassen wesentlich ausführen: Die Einrede der abgeurteilten Sache gehe fehl; denn abgesehen davon, dass speziell die Kantone Ob- und Nidwalden seit dem bundesgerichtlichen Urteil vom 28. September 1898 neue Steuergesetze erlassen hätten, sei die Steuerperiode, über welche jenes Urteil entschieden habe, in allen Kantonen längst abgelaufen, und wie dort (Erw. 4) dem Steuerpflichtigen das Recht zuerkannt worden sei, seine Taxation in jeder Steuerperiode neuerdings anzufechten, so müsse auch dem Staate das Recht zustehen, für jede Steuerperiode eine neue Taxation vorzunehmen. Materiell aber seien die beanstandeten Steueransprüche nach der heutigen Doppelbesteuerungspraxis des Bundesgerichts nicht mehr unzulässig; denn die Rekurrentin habe Unbestrittenermassen in allen Uferkantonen ständige körperliche Anlagen, ohne die ihr Betrieb, sowohl der Personen-, als auch der Güterverkehr, gar nicht ![]() ![]() | 19 |
D. | |
Der Regierungsrat des Kantons Luzern, der ebenfalls zur Vernehmlassung eingeladen worden ist, hat namens des Kantons und der Stadt Luzern beantragt, es sei das Hauptbegehren der Rekurrentin im vollen Umfange gutzusprechen. Schon im Interesse der Rechtssicherheit müsse an den vom Bundesgericht auf diesen Steuerfall bereits zweimal zur Anwendung gebrachten Rechtsgrundsätzen festgehalten werden. Jedenfalls aber könne keine Rede davon sein, das von den Urkantonen vertretene Besteuerungsverhätnis anzunehmen, wonach dem Kanton Luzern nur noch 37,52% des Vermögens und wohl auch des Erwerbes zufallen würden. Auch der Vorschlag der Rekurrentin; die Besteuerung ausschliesslich nach dem auf die sämtlichen Stationen eines Kantons entfallenden 'Gesamtverkehr zu verteilen, sei unannehmbar. Die Verkehrsfrequenz möge als Ver ![]() ![]() | 20 |
E. | |
In der Replik hat die Rekurrentin an ihren Anträgen festgehalten und zu ihrem Eventualstandpunkt hinsichtlich der Verteilung des Erwerbes ergänzend bemerkt, eine Ausscheidung des Güter- und Gepäckverkehrs nach Stationen (neben der angerufenen Statistik des Personenverkehrs) besitze sie nicht und deren Erstellung würde eine Arbeit von vielen Wochen erfordern; doch dürfte in dieser Hinsicht wohl ihre Versicherung genügen, dass die Einnahmen aus Gepäck- und Güterverkehr zusammen durchschnittlich zirka 10% derjenigen des Personenverkehrs betrügen.
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Die Duplikschriften der beteiligten Kantone enthalten keine neuen Argumente.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1.- Die früheren Entscheidungen des Bundesgerichts über die Steuerpflicht der Rekurrentin, insbesondere das gegenüber allen interessierten und vorliegend wieder ![]() ![]() | 23 |
2.- Nun hat sich diese Praxis in den letzten Jahren tatsächlich, wie übrigens die Rekurrentin selbst anerkennt, dahin entwickelt, dass ein Geschäft, dessen Betrieb sich als einheitlicher Organismus über das Gebiet mehrerer Kantone erstreckt, ein Steuerdomizil in jedem dieser Kantone hat, falls sich daselbst ständige körper ![]() ![]() ![]() | 24 |
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a) Mit Bezug auf das Vermögen kennen alle beteiligten Kantone die Reinvermögenssteuer, wenn auch für den Fall der Rekurrentin in verschiedener Ausgestaltung. Der Kanton Luzern hat nämlich für die Ausmittlung des steuerpflichtigen Vermögens der Aktiengesellschaften neben der allgemeinen Vorschrift des Schuldenabzugs noch die spezielle Bestimmung, dass das einbezahlte Aktienkapital in Abzug zu bringen sei (Steuergesetz vom 30. November 1892, §§ 20 und 24). Die vier Urkantone dagegen ziehen als steuerpflichtiges Vermögen der Aktiengesellschaften die sogenannten eigenen Gelder (einbezahltes Aktienkapital, Reserven und allfällige weitere "Vermögensteile") heran (Urner Steuergesetz vom 2. Mai 1886, Art. 5; schwyz. Spezialgesetz vom 19. Oktober 1890 betr. die Besteuerung von Transportanstalten etc., § 1 Abs. 1; Obwaldner Steuergesetz vom 26. April ![]() ![]() | 27 |
1. 23 Dampfschiffe und 6 Motorboote samt Ausrüstung ;
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2. 14 Schleppschiffe samt Ausrüstung;
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3. Schwimmdock;
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4. Landungsbrücken und Hafenanlagen;
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5. Liegenschaften in Luzern und Flüelen;
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6. Schiffswerfte samt Aufzugsvorrichtungen;
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7. Werkstätten und Magazine;
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8. Brennmaterial-Vorrat; ![]() | 35 |
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10. Maschinenspeise- und Betriebsmaterial-Vorrat;
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11. Kassakonto, Barbestand;
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12. Wertschriften;
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13. Guthaben bei verschiedenen Banken;
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14. Diverse Debitoren.
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Von diesen Aktiven sind zunächst diejenigen der Ziffern 3, 4, 5, 6, 7 und 9 ohne weiteres den Kantonen zuzuweisen, wo sie sich dauernd befinden und in diesem Sinne, auch soweit sie an sich bewegliches Vermögen darstellen, immobilisiert sind.
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Die Aktiven der Ziffern 11, 12, 13 und 14 sodann haben dadurch eine überwiegende wirtschaftliche Beziehung zum Kanton des Gesellschaftssitzes, dass sie als teils kapitalistisch angelegte, teils flüssige Geldmittel der Gesellschaft mit dem Betriebe nicht direkt, sondern nur durch ihre Verwertung zur Beschaffung der notwendigen Betriebsmaterialien im Zusammenhang stehen und im übrigen ausschliesslich der am Gesellschaftssitze in Luzern zentralisierten Finanz- und Kassaverwaltung unterstellt sind. Sie sind deshalb, als angemessener Voraus-Anteil der Vermögensbesteuerung für den Gesellschafts- und Verwaltungssitz, dem Kanton Luzern zuzuerkennen.
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Die übrigen Aktiven endlich, diejenigen der Ziffern 1, 2, 8 und 10, stellen die eigentlichen Betriebs- und Produktionsfaktoren der Gesellschaft dar, die als solche unmittelbar mit dem ganzen Betriebsbereiche ihres Unternehmens zusammenhängen. Es rechtfertigt sich daher ihre Verlegung auf alle mit ihren Stationen diesem Betriebsbereiche angehörigen Uferkantone, und zwar im Verhältnis der auf sie entfallenden Verkehrsanteile, entsprechend dem hiernach für die Besteuerung des Erwerbes der Gesellschaft anerkannten Teilungsgrundsatze.
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Die Vermögenstaxation hat somit in der Weise zu erfolgen, dass jeder beteiligte Kanton in erster Linie das Wert Verhältnis der seiner Steuerhoheit zugewiesenen ![]() ![]() | 45 |
b) Der als steuerpflichtiger Erwerb in Betracht fallende Reingewinn ist nach der verhältnismässigen Bedeutung jedes beteiligten Kantonsgebietes für den Gesamtbetrieb zu verteilen, wobei jeder Kanton, der die Erwerbsbesteuerung kennt, die auf ihn entfallende Quote wiederum nach Massgabe seiner einschlägigen Gesetzesvorschriften ziffermässig zu bestimmen berechtigt ist. Diese Bedeutung des einzelnen Kantonsgebietes aber entspricht nicht den im angefochtenen Entscheide der Urkantone berücksichtigten Anteilen der Seeoberfläche und auch nicht den Gesamtlängen der darauf befahrenen Strecken, sondern vielmehr dem auf jeden Kanton entfallenden Verkehr, wie er durch die Personenfrequenz und den Gepäck- und Güterumsatz der sämtlichen Stationen jedes Kantonsgebietes dargestellt wird. Indessen dürfte nach den Replikangaben der Rekurrentin jedenfalls vorläufig, d.h. für die bereits abgelaufenen Geschäftsjahre, in denen der Gepäck- und Güterumsatz nicht nach Stationen ausgemittelt worden ist, die im Rekurse angerufene Statistik des Personenverkehrs allein als Vergleichsfaktor genügen. Dabei aber ist der Tatsache, dass sich Sitz und Verwaltung der Rekurrentin in Luzern befinden, wiederum in dem Sinne Rechnung zu tragen, dass dem Kanton Luzern auch hier ein der besonderen Bedeutung dieser Momente für den Gesamtbetrieb angemessener Voraus-Anteil zugeschieden wird. Und zwar dürfte dies ![]() ![]() | 46 |
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Demnach hat das Bundesgericht erkannt: | |
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2. Die Steuertaxationen der Kantone Uri, Schwyz, Ob- und Nidwalden, die der Rekurrentin mit Schreiben der Finanzdirektion Uri vom 4. Mai 1914 zur Kenntnis gebracht worden sind, werden im Sinne der Erwägungen ![]() ![]() | 49 |
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