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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Jana Schmid, A. Tschentscher | |||
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71. Auszug aus dem Urteil |
vom 1. November 1930 i.S. Zürich gegen Luzern. | |
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Kompetenz zu den zur Sicherung des Erbgangs nötigen Massregeln. Begriff des Aufenthaltsortes im Sinne des Art. 24 Abs. 2 ZGB. | |
Sachverhalt: | |
A. | |
Am 28. November 1929 starb im Kantonsspital in Zürich Rosa Hermine von dem Bussche-Haddenhausen, geb. Karsten. Sie war seit dem 4. November dort, nachdem sie vom Direktor der medizinischen Klinik der Universität Zürich schon vorher ärztlich behandelt worden war. Frau von dem Bussche ist in Berlin geboren und hat auch dort gewohnt. Am 4. April 1918 erhielt sie eine bis zum 1. April 1920 gültige Niederlassungsbewilligung für die Stadt Luzern und meldete sich dann am ![]() ![]() ![]() ![]() | 1 |
Nach dem Tode der Frau von dem Bussche stritten sich die Behörden der Kantone Zürich und Luzern über die Zuständigkeit zu den für die Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln. Die II. Kammer des Obergerichtes des Kantons Zürich wies infolge eines Gesuches der Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich am 14. Januar 1930 den Einzelrichter des Bezirkes Zürich für nichtstreitige Rechtsachen an, die von Frau von dem Bussche errichteten letztwilligen Verfügungen zu eröffnen, indem sie annahm, die Erblasserin habe in Zürich ihren letzten Aufenthalt und damit ihren Wohnsitz nach Art. 24 Abs. 2 ZGB gehabt. Die Teilungsbehörde der Stadt Luzern war hingegen der Auffassung, dass der letzte Wohnsitz hier gewesen sei, eröffnete deshalb die letztwilligen Verfügungen und schritt zu den übrigen zur Sicherung des Erbganges nötigen Massregeln. Eine von der Vormundschaftsbehörde der Stadt Zürich hierüber erhobene Beschwerde wies der Regierungsrat des Kantons Luzern am 14. April 1930 ab, indem er sich auf den Standpunkt stellte, dass die Erblasserin in der Zeit vom 4. April 1918 bis zum 13. Januar 1920 in Luzern ihren Wohnsitz im Sinne des Art. 23 Abs. 1 ZGB gehabt, nachher nirgends mehr einen solchen neu begründet habe und ihr letzter Aufenthaltsort im Sinne des Art. 24 Abs. 2 ZGB jedenfalls Luzern gewesen sei, weil sie zu diesem Ort engere Beziehungen gehabt habe, als zu Zürich (BGE 53 I S. 281; 46 I S. 414).
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B. | |
Am 5. Juni 1930 hat der Regierungsrat des Kantons Zürich beim Bundesgericht gegen den Kanton Luzern eine staatsrechtliche Klage erhoben mit dem Antrage, "es sei der Entscheid des Regierungsrates des Kantons Luzern vom 14. April 1930 [...] aufzuheben und der Regierungsrat des Kantons Luzern anzuweisen, die letztwilligen Verfügungen der Frau von dem Bussche an den Einzelrichter für nichtstreitige Rechtssachen des ![]() ![]() | 3 |
Zur Begründung wird geltend gemacht: [...] Bei Personen mit so unsteter Lebensweise spreche schon die Vermutung gegen einen Wohnsitz im Sinne des Art. 23 Abs. 1 ZGB und für die Anwendbarkeit der Bestimmung des Art. 24 Abs. 2. Zur Begründung dafür, dass Luzern der letzte Aufenthaltsort im Sinne dieser Bestimmung gewesen sei, berufe sich der Regierungsrat von Luzern auf die Praxis des Bundesgerichtes in Doppelbesteuerungssachen bei Personen ohne Wohnsitz. Allein der Begriff des Steuerdomizils sei an und für sich ein anderer als der zivilrechtliche und Erwägungen des öffentlichen Rechts könnten nicht ohne weiteres auf das Privatrecht übertragen werden. Sinngemäss sei unter Aufenthalt im zivilrechtlichen Sinne das tatsächliche momentane Verweilen zu verstehen (HAFTER, Komm. zu Art. 24 ZGB Anm. 8 b). Die Fiktion des Art. 24 Abs. 2 ZGB habe nur dann einen Sinn, wenn sie wirklich auf den augenblicklichen Aufenthaltsort angewendet werde. Dass in diesem Sinne Zürich der letzte Aufenthaltsort der Erblasserin war, sei unbestritten. Was die luzernischen Behörden für deren nähere Beziehungen zu Luzern angeführt hätten, sei zudem immer mehr zusammengeschrumpft. Der Verkehr mit den Banken in Luzern sei hiefür keineswegs schlüssig. Den Schlüssel zu einem Schrank ihres frühern Wohnzimmers im Schweizerhof habe die Erblasserin wohl nur aus Vergesslichkeit behalten. Während der Jahre 1926/29 habe sie sich vierzehn Monate, also nur kurze Zeit, in Luzern aufgehalten. Der Vergleich mit ihrem relativ sehr lange dauernden Aufenthalt in Weggis zeige, dass sie eigentlich nur wegen ihrer Krankheit den Aufenthalt in Luzern mehr als gewöhnlich ausgedehnt habe.
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C. | |
Der Regierungsrat des Kantons Luzern hat Abweisung der Klage beantragt. ![]() | 5 |
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Erwägung 1 | |
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Erwägung 2 | |
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Erwägung 3 | |
3. Wenn man aber auch annimmt, es liege der Beweis für einen Wohnsitz in Berlin in den Jahren 1920 ff. vor, so wäre doch beim Tode der Wohnsitz im Sinne der Art. 23 ff. deshalb in Luzern gewesen, weil Frau von dem Bussche damals dort ihren Aufenthaltsort im Sinne des Art. 24 Abs. 2 hatte. Allerdings hielt sie sich zur Zeit des Todes in Zürich auf; allein unter dem Aufenthaltsort einer Person im Sinne des Art. 24 Abs. 2 kann nicht jeder Ort verstanden werden, wo sie sich in einem bestimmten Zeitpunkt gerade befindet. Der französische und der italienische Text des Art. 24 Abs. 2, die vom "lieu où elle réside", vom "luogo dove dimora" sprechen, zeigen, dass die Bestimmung einen Aufenthalt von gewisser Dauer, der nähere Beziehungen zum Orte begründet, im Auge hat. Ein ganz vorübergehender oder rein zufälliger Aufenthalt an einem Orte gilt nicht als "résidence", sondern höchstens als "séjour" (vgl. BGE 38 I S. 146 f.; 41 I S. 210). Danach ist es schon fraglich, ob Zürich zur Zeit des Todes der Frau von dem Bussche ihr Aufenthalts ![]() ![]() ![]() ![]() | 9 |
Der Aufenthaltsort der Frau von dem Bussche im erwähnten Sinne war zur Zeit ihres Todes Luzern. Sie gab dadurch, dass sie während der Zeit ihres Spitalaufenthaltes in Zürich ihr Gepäckzimmer im Schweizerhof in Luzern beibehalten und den Schlüssel zu einem Schrank in ihrem ehemaligen Wohnzimmer, wo sich noch ihr gehörende Sachen befanden, mit sich genommen hatte, deutlich zu erkennen, dass sie wieder, wie bisher, in den Schweizerhof nach Luzern zurückkehren wollte. Da sie hier schon 5 Monate des Jahres 1929 zugebracht und dem Postmeister des Hotels Schweizerhof wiederholt erklärt hatte, ihr ständiges Domizil befinde sich hier, so ist anzunehmen, dass ihre Beziehungen zu Luzern diejenigen zu Zürich überwogen. Demgemäss musste die Eröffnung des Erbgangs im Kanton Luzern erfolgen und war die zuständige Behörde dieses Kantons befugt, die zur Sicherung des Erbgangs nötigen Massregeln zu treffen. Zugleich ergibt sich daraus, dass die Erhebung der Erbschaftssteuer vom beweglichen Nachlass nur dem Kanton Luzern, nicht dem Kanton Zürich zusteht.
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Dispositiv: | |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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