BGE 60 I 139 - Weiterveräusserungsverbot Grundstücke | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Thomas Probst, A. Tschentscher | |||
21. Urteil der II. Zivilabteilung vom 15. März 1934 |
i.S. Schmidli, Staubli und Stierli gegen Regierungsrat des Kts. Aargau. | |
Regeste |
Legitimation zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde : Die Behandlung als Partei vor den kantonalen Instanzen gibt nur die formelle Beschwerdelegitimation. Zur Sache legitimiert ist, wer durch den angefochtenen Entscheid in seinen Rechten betroffen wird. Wegen der Ablehnung der Eintragung eines Kaufvertrages kann nur der verfügungsberechtigte Eigentümer Beschwerde führen. (Erw. 1.) Der Begriff des landwirtschaftlichen Gewerbes im Sinne von Art. 218 OR ist ein Begriff des Bundesrechtes. Das befristete Veräusserungsverbot darf nicht auf Grundstücke angewendet werden, die nicht mit einem landwirtschaftlichen Gewerbe erworben worden sind. (Erw. 3.) Kriterien (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
A. | |
Leonz Küng-Fischer war Eigentümer eines Heimwesens in Aristau und Muri, das er im April 1932 in zwei Teilen veräusserte : eine Parzelle mit Wohnhaus, Scheune, Garten und Baumgarten an Leo Küng, Wirt in Aristau, und die übrigen elf in Aristau und Muri verstreut, teilweise weit auseinander liegenden Grundstücke (Acker-, Wies- und Torfland) an Josef Staubli, Gemeindeschreiber in Aristau. Beide Verträge wurden durch Eintragung im Grundbuch vollzogen.
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Leo Küng verkaufte in der Folge das erwähnte Grundstück mit den Gebäuden weiter an Kaspar Stierli, Handelsmann in Besenbüren, und erwirkte mit einer Beschwerde gegenüber der Weigerung des Grundbuchamtes auch die Eintragung der Handänderung im Grundbuche.
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Staubli seinerseits verkaufte am 25. September 1933 demselben Kaspar Stierli zwei der elf Grundstücke, die er von Leonz Küng-Fischer erworben. Das Grundbuchamt verweigerte die Eintragung mit Berufung auf § 4 des aargauischen Einführungsgesetzes zum Obligationenrecht ; diese Bestimmung verbietet grundsätzlich die stückweise Weiterveräusserung eines durch Kauf oder Tausch erworbenen landwirtschaftlichen Gewerbes während einer vom Eigentumserwerb hinweg laufenden Frist von vier Jahren.
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B. | |
Eine gegen diese Verfügung des Grundbuchamtes bei der kantonalen Justizdirektion angehobene Beschwerde hatte keinen Erfolg, und der Regierungsrat des Kantons Aargau, an den die Sache weitergezogen wurde, wies die Beschwerde mit Entscheid vom 1. Dezember 1933 ebenfalls grundsätzlich ab. Er bewilligte nur für die eine Parzelle die Eigentumsübertragung unter der Bedingung, dass die beabsichtigte Güterregulierung durch Abtausch mit einem Grundstück eines Anstössers zugleich vorgenommen werde. Im übrigen hält der Regierungsrat dafür, die erwähnte Bestimmung des Einführungsgesetzes sei in der Tat anwendbar. Allerdings habe Staubli von Leonz Küng-Fischer nur die elf unzusammenhängenden Grundstücke ohne die landwirtschaftlichen Gebäulichkeiten erworben ; allein er besitze bereits genügend Gebäulichkeiten, und es bestehe auch die Möglichkeit, ein neues Gebäude auf einem der elf Grundstücke zu erstellen. Wollte man die vorliegende Weiterveräusserung gestatten, so wäre nach Auffassung des Regierungsrates der Güterspekulation und Güterzerstückelung Tür und Tor geöffnet. Bereits vor dem Erwerb der elf Grundstücke habe bei Staubli die Absicht obgewaltet, zu spekulieren und die gesetzlichen Beschränkungen der Weiterveräusserung zu umgehen. Das erhelle aus einem schon im Mai 1931 abgeschlossenen, wenn auch nicht zur Ausführung gelangten Vorvertrag. Und daraus, dass Staubli im September 1932 bei der kantonalen Justizdirektion die Bewilligung zur Weiterveräusserung der zwei hier in Frage stehenden Parzellen nachsuchte, ohne gegen den ablehnenden Bescheid etwas vorzukehren, gehe hervor, dass er selber damals der Ansicht war, diese Weiterveräusserung sei nur mit behördlicher Bewilligung zulässig.
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C. | |
Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtsbeschwerde, die beim Bundesrat eingereicht und von Amtes wegen dem Bundesgericht überwiesen wurde, das nun zur Beurteilung von Beschwerden gegen Entscheide der kantonalen Aufsichtsbehörden in Grundbuchsachen zuständig ist (Art. 4 lit. c des Bundesgesetzes über die Verwaltungs- und Disziplinarrechtspflege und Anhang Ziffer I dazu ; für die Überweisung: Art. 194 Abs. 3 OG, neu gemäss Art. 49 lit. f. VDG). In dieser Beschwerde wird daran festgehalten, dass keine Weiterveräusserung von Stücken eines durch Kauf erworbenen landwirtschaftlichen Gewerbes in Frage stehe ; denn die elf im April 1932 erworbenen Grundstücke stellten kein landwirtschaftliches Gewerbe dar. § 4 des kantonalen Einführungsgesetzes werde im angefochtenen Entscheid in ganz willkürlicher Weise ausgelegt.
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Erwägungen | |
Erwägung 1 | |
1. Als Beschwerdeführer tritt Notar Schmidli, der den Kaufvertrag vom 25. September 1933 beurkundet hat, sowohl in eigenem Namen wie auch im Namen der Parteien des Kaufvertrages auf. Nach § 142 des aargauischen Einführungsgesetzes zum ZGB ist der Notar allerdings zur Anmeldung der von ihm beurkundeten Verträge (im Sinne von Art. 963 Abs. 3 ZGB) befugt und verpflichtet. Aus einer derartigen Vorschrift lässt sich jedoch kein Recht des Notars, gegen die abweisende Verfügung des Grundbuchamtes Beschwerde zu führen, herleiten, es wäre denn, das die Abweisung wegen einer Bemängelung der gesetzlichen Handlungsbefugnisse des Notars erfolgt Wäre, was hier nicht zutrifft (BGE 55 I 341 ff.). Der Umstand, dass die kantonalen Instanzen (mit Unrecht) auf seine Beschwerde eingetreten sind, gibt ihm nur die formelle Legitimation zur Anrufung des Bundesgerichts (Art. 9 VDG ; vgl. dazu KIRCHHOFER, Die Verwaltungsrechtspflege beim Bundesgericht, S. 35) ; die Beschwerde ist aber nach dem Gesagten ohne nähere Prüfung wegen Fehlens der Legitimation zur Sache abzuweisen.
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Zur Vertretung der Kaufvertragsparteien im Beschwerdeverfahren bedarf der Notar einer rechtsgeschäftlichen Ermächtigung. Diesem Erfordernis ist hier genügt durch die im bundesgerichtlichen Verfahren beigebrachten Vollmachten beider Parteien, worin erklärt wird, der Notar habe von Anfang an auf Grund einer mündlichen Ermächtigung der Beteiligten gehandelt.
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Indessen ist nur der Verkäufer und nicht auch der Käufer zur Sache legitimiert, denn die grundbuchliche Verfügung hat von jenem als dem derzeitigen Eigentümer der Grundstücke auszugehen.
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Erwägung 2 | |
2. Der Beschwerde des Verkäufers steht nicht entgegen, dass er schon im September 1932 die Bewilligung zur Veräusserung der beiden Grundstücke bei der kantonalen Justizdirektion nachgesucht hatte und mit dem Gesuch abgewiesen worden war; denn abgesehen davon, dass jenes Gesuch keine Beschwerde gegen eine grundbuchamtliche Verfügung darstellte, betrifft die vorliegend streitige Anmeldung ein seither abgeschlossenes Geschäft, wegen dessen grundbuchlicher Vollziehbarkeit die Beschwerdeinstanzen hier erstmals angerufen werden.
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Erwägung 3 | |
3. Auch handelt es sich entgegen der Ansicht des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartementes nicht oder doch nicht nur um die Anwendung kantonalen Rechtes. Allerdings sind die Kantone nach Art. 616 und 702 ZGB befugt, für die Zerstückelung von Grundstücken bestimmte Schranken aufzustellen, was der Kanton Aargau in seinem Einführungsgesetze zum ZGB (§ 94) getan hat. Allein eine Verletzung dieser Bestimmung steht hier nicht in Frage, indem nach dem Kaufvertrage vom 25. September 1933 kein Grundstück aufgeteilt werden soll. Dieser Kaufvertrag wird nur unter dem Gesichtspunkte des § 4 des Einführungsgesetzes zum OR beanstandet, der eine Sperrfrist von vier Jahren für die stückweise Weiterveräusserung eines durch Kauf oder Tausch erworbenen landwirtschaftlichen Gewerbes vorsieht, ohne Rücksicht darauf, wie gross die Stücke sind und ob sie bereits selbständige Grundstücke (Parzellen) darstellen. Beschränkungen solcher Art sind aber nur im Rahmen von Art. 218 OR zulässig, der den Kantonen eine bezügliche Gesetzgebungsbefugnis ausdrücklich nur betreffend die Weiterveräusserung eines in der erwähnten Art erworbenen landwirtschaftlichen Gewerbes einräumt. Daher bestimmt sich der Begriff des landwirtschaftlichen Gewerbes nach Bundesrecht, und Bundesrecht ist verletzt, wenn die kantonale Schutzbestimmung auf eine Veräusserung von Grundstücken angewendet wird, die vom Veräusserer nicht mit einem landwirtschaftlichen Gewerbe (als Teil davon) im Sinne von Art. 218 OR erworben worden sind. Denn dann liegt ein Eingriff in die bundesrechtlich geschützte, der Beschränkung durch kantonale Vorschriften nicht vorbehaltene Sphäre der Verfügungsfreiheit vor. Eine Rechtsverletzung dieser Art wird mit der vorliegenden Beschwerde gerügt.
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Erwägung 4 | |
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Es kann auch nicht von einer Umgehung des Gesetzes gesprochen werden. Da die ursprüngliche Meinung des Beschwerdeführers, er bedürfe zur Veräusserung einzelner der elf Grundstücke einer Bewilligung, rechtsirrtümlich war, hat es nichts auf sich, was zur Umgehung der vermeintlichen Verfügungsbeschränkung geplant, übrigens nicht ausgeführt wurde. Dass aber etwa Leo Küng die Gebäudeliegenschaft nur als Strohmann für den Beschwerdeführer erworben und weiterveräussert hätte -- in welchem Falle übrigens schon jene Weiterveräusserung hätte verhindert werden sollen --, ist weder behauptet noch dargetan; aus der vom Grundbuchamt angerufenen Erklärung des Leonz Küng-Fischer vom 27. Oktober 1932 ist das Gegenteil zu schliessen.
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Leonz Küng-Fischer war im April 1932 frei, sein Heimwesen dergestalt in Stücken weiterzuveräussern, dass jedes der Verkaufsobjekte nicht wiederum eine landwirtschaftliche Betriebseinheit darstellte, womit auch die Beschränkung gemäss Art. 218 OR wegfiel. Anders kann das Gesetz nicht ausgelegt werden. Damit erweist sich die Beschwerde des Weiterverkäufers Staubli als begründet. Ob es angebracht wäre, der "Güterschlächterei" mit weitergehenden Beschränkungen entgegenzutreten, ist eine Frage der Gesetzgebung, die bei der Anwendung des geltenden Rechtes nicht zu erörtern ist.
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Dispositiv | |
Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
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