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Bearbeitung, zuletzt am 29.05.2020, durch: Johannes Sokoll, A. Tschentscher | |||
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vom 8. März 1940 i.S. A.________ gegen Basel-Stadt. | |
Regeste |
Den auf Art. 13 des Konkordates über die wohnörtliche Unterstützung gegründeten Beschluss des Wohnsitzkantons zur Heimschaffung des Angehörigen eines Konkordatskantons kann der Betroffene nur wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte anfechten (Erw. 1); |
Beschliesst die Vormundschaftsbehörde des Wohnsitzes gestützt auf Art. 284 ZGB die Versorgung von Kindern eines ausserkantonalen Niedergelassenen und kann dieser für die entstehenden Kosten nicht aufkommen, ohne der öffentlichen Wohltätigkeit zur Last zu fallen, so lieg in der Erklärung des Heimatkantons, dass er die Versorgung auf seine Kosten in einer dafür geeigneten Anstalt vornehmen wolle, ein genügendes Unterstützungsangebot im Sinne von Art. 45 Abs. 3 BV (Erw. 2). |
Lorsqu'un canton signataire du concordat relatif à l'assistance au domicile décide, en vertu de l'art. 13 dudit concordat, de rapatrier un confédéré établi sur son territoire et ressortissant d'un autre canton concordataire, l'intéressé ne peut attaquer cette décision que pour violation de ses droits constitutionnels (consid. 1). |
Lorsque l'autorité tutélaire du domicile décide de placer (art. 284 CC) les enfants d'un confédéré et que celui-ci ne peut payer le coût du placement sans tomber à la charge de l'assistance publique, le canton d'origine fait une offre d'assistance suffisante (art. 45 al. 3 CF) en déclarant qu'il placera les enfants à ses frais dans un établissement convenable (consid. 2). |
Se un cantone che ha aderito al concordato concernente l'assistenza nel luogo di domicilio decide, in virtù dell'art. 13 di questo concordato, il rimpatrio di un confederato domiciliato sul suo territorio e oriundo di un altro cantone concordatario, l'interessato può impugnare questa decisione soltanto per violazione dei suoi dritti costituzionali (consid. 1). |
Se l'autorità tutoria del domicilio decide di ricoverare i figli di spese di ricovero senza cadere a carico della pubblica assistenza, il cantone di origine fa un'offerta di proporzionato sostentamento (art. 45 cp. 3 CF) dichiarando che a sue spese ricovererà i figli in un istituto appropriato (consid. 2). | |
Sachverhalt | |
A. | |
Der Rekurrent A.________, Maurer, von Corticiasca (Kt. Tessin) ist seit 1929 in Basel niedergelassen. Im Jahr 1932 verheiratete er sich mit B.________ geb. C.________. Zur Zeit besteht die Familie aus den Ehe ![]() ![]() | 1 |
Die Leistungen der staatlichen Arbeitslosenkasse beruhten auf dem kantonalen Gesetz vom 11. Februar 1926 betreffend Versicherung gegen die Folgen der Arbeitslosigkeit, die "Notunterstützungen" auf den Grossratsbeschlüssen vom 12. März 1931 und vom 10. November 1932 betreffend Notunterstützung von Arbeitslosen und betreffend Weiterführung dieser Einrichtung. § 1 des letztgenannten Beschlusses lautet:
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"Bedürftige Bürger und Einwohner, die arbeitslos sind und sich deshalb in einer Notlage befinden, sollen nach Massgabe der folgenden Bestimmungen und der vom Regierungsrat zu erlassenden Ausführungsvorschriften unterstützt werden, ohne dass ihnen die gewährte Hilfe als Armenunterstützung anzurechnen ist."
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In den nämlichen Jahren ist der Rekurrent von der Allgemeinen Armenpflege Basel mit Fr. 599.15 (wovon auf 1939 Fr. 55.-- entfallen) und bis 1938 von der Heimatbehörde mit Fr. 1297.25 unterstützt worden.
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Am 29. Juni 1939 beschloss der Vormundschaftsrat des Kantons Basel-Stadt gestützt auf Art. 284 ZGB, die vier ältesten Kinder A.________ -- D.________, E.________, F.________ und G.________ -- den Eltern wegzunehmen und sie in Familien oder Anstalten zu versorgen, da sie sonst der leiblichen und geistigen Verwahrlosung ausgesetzt wären und verkommen würden. Einen Rekurs des Ehemannes A.________ gegen diese Verfügung hat der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt durch Entscheid vom 4. August 1939 abgewiesen.
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Die Vormundschaftsbehörde ersuchte hierauf die Allg. Armenpflege Basel um Übernahme der Versorgungs ![]() ![]() | 6 |
Am 7. November 1939 beschloss jedoch der Regierungsrat von Basel-Stadt auf den Antrag der dortigen Armenpflege und des Polizeidepartements, der ganzen Familie (Ehegatten und Kinder) gestützt auf Art. 45 Abs. 3 und Abs. 5 BV und Art. 13 des vorerwähnten Konkordats die Niederlassung im Kanton zu entziehen und das Polizeidepartement mit der Heimschaffung zu beauftragen. Der Beschluss wurde dem Staatsrat des Kantons Tessin mit Schreiben vom 8. November 1939 angezeigt. Darin wurde ausgeführt: die Familie A.________ habe seit 1932 mit über Fr. 9000.-- unterstützt werden müssen. Im Haushalte der Familie herrschten wegen des Unverstandes und der Unbotmässigkeit des Mannes sowie wegen der Untüchtigkeit und Misswirtschaft der Frau unhaltbare Zustände. ![]() ![]() | 7 |
B. | |
Mit rechtzeitiger staatsrechtlicher Beschwerde haben die Ehegatten A.________-C.________ für sich und ihre Kinder die Aufhebung des vom Regierungsrat Basel-Stadt am 7. November 1939 beschlossenen Niderlassungsentzuges beantragt. Es wird angebracht: die Verfügung verstosse gegen Art. 45 BV, da der Ehemann A.________ und seine Familie nicht dauernd der öffentlichen Wohltätigkeit des Niederlassungskantons zur Last gefallen seien. Wollte man diese Voraussetzung noch als gegeben ansehen, so würden jedenfalls die besonderen Voraussetzungen des Konkordats (Art. 13) für die Ablehnung der wohnörtlichen Unterstützung und die Heimschaffung fehlen (was näher ausgeführt wird). Hier liege aber infolge Erfüllung der Karenzfrist des früheren Konkordats von 1923 an sich unbestrittenermassen ein konkordatsmässiger Unterstützungsfall vor.
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C. | |
Der Regierungsrat von Basel-Stadt hat auf Abweisung der Beschwerde geschlossen und zur Begründung auf die Akten und das Schreiben vom 8. November 1939 an den Staatsrat Tessin verwiesen. Ergänzend und berichtigend wird beigefügt, die Zahlungen der staatlichen Arbeitslosenkasse und die "Notunterstützungen" seien freilich als Versicherungsleistungen und nicht ![]() ![]() | 9 |
D. | |
Da die Beschlüsse des Vormundschaftsrats und Regierungsrats über die Versorgung der vier älteren Kinder, das daraufhin ergangene Schreiben der Allg. Armenpflege an das tessinische Departement des Innern vom 2. September und dessen Antwort vom 3. Oktober 1939 der Beschwerdeantwort nicht beigelegt waren, sind sie vom Instruktionsrichter eingefordert worden. Im Übermittlungsschreiben hat der Regierungsrat von Basel-Stadt den Antrag auf Abweisung der Beschwerde erneuert und auf eine beigelegte Vernehmlassung der Allg. Armenpflege vom 17. Januar 1940 verwiesen. Darin werden die schon früher geltend gemachten Gründe wiederholt, welche die Allg. Armenpflege bestimmt hätten, die von der Heimatbehörde angeregte Teilung der Familie abzulehnen; bei der Untüchtigkeit der Frau würden Schuldenmachen und Misswirtschaft fortgedauert haben, ebenso wäre eine Besserung der Beziehungen zwischen den Ehegatten nach den bisherigen Erfahrungen nicht zu erwarten gewesen. Rechtlich sei die Stellungnahme des Heimatkantons der Verweigerung der verlangten Unterstützung gleichgekommen und infolgedessen die Voraussetzung zum Niederlassungsentzug nach Art. 45 BV gegeben gewesen. Der Kanton Tessin habe sich denn auch dieser Massnahme nicht widersetzt, sondern im Schreiben des Departements des Innern vom 18. November 1939 nur die getrennte Heimschaffung von Eltern und Kindern vorgeschlagen, wenn dies wegen Widersetzlichkeit der ersteren nötig sein sollte. ![]() | 10 |
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1. Nach Art. 1 des Konkordats vom 16. Juni 1937 verzichtet der Wohnkanton in den dem Konkordat unterstellten Fällen darauf, dem Unterstützungsberechtigten wegen Inanspruchnahme der öffentlichen Wohltätigkeit die Wohnberechtigung zu entziehen; er unterstützt ihn vielmehr gleich einem eigenen Bürger und teilt sich in bestimmter Weise mit dem Heimatkanton in die Fürsorgekosten. Die Heimschaffung ist nur zulässig, wenn einer der in Art. 13 umschriebenen besonderen Tatbestände vorliegt, insbesondere (Art. 13 Abs. 1) wenn die Unterstützungsbedürftigkeit vorwiegend die Folge fortgesetzter schuldhafter Misswirtschaft, Verwahrlosung, Liederlichkeit oder Arbeitsscheu ist. Dem Inhalt, wenn nicht genau dem Wortlaut nach übereinstimmende Bestimmungen enthielt schon das frühere Konkordat vom 15. Juni 1923 (Art. 13). Wie das Bundesgericht im Falle Bähler-Troller (BGE 61 I 194) erkannt hat, liegt darin indessen nur eine interne Ordnung im Verhältnis zwischen den Konkordatskantonen selbst in dem Sinne, dass sie sich gegenseitig der Unterstützungslast, die sie als Wohnkanton konkordatsmässig trifft, nicht durch Ausweisung des Unterstützungsbedürftigen entledigen können, ausser in jenen Ausnahmefällen. Der von einem Heimschaffungsbeschluss betroffene Bürger kann diesen nach wie vor nur wegen Verletzung seiner verfassungsmässigen Rechte anfechten, also weil die Voraussetzungen von Art. 45 BV dafür mangeln oder wegen Verstosses gegen eine andere Verfassungsnorm (z.B. gegen Art. 4 BV, wenn gesetzliche Vorschriften des Niederlassungskantons selbst über die Materie willkürlich missachtet worden sein sollten). Nur diese Bedeutung hat insbesondere das Bundesgericht dem Art. 20 des früheren Konkordats beigemessen, der neben der schiedsrichterlichen Entscheidung des Bundesrats (eidg. Justiz- und Polizeidepartements) bei Streitigkeiten unter den Vertragskantonen selbst über Anwendung und ![]() ![]() | 11 |
Erwägung 2 | |
2. Zur Entziehung der Niederlassung auf Grund von Art. 45 genügt es nicht, dass die Person für sich oder ihre Familie in einem früheren, mehr oder minder zurückliegenden Zeitraum die öffentliche Wohltätigkeit des Niederlassungskantons in mehr als vorübergehender Weise in Anspruch genommen hatte (BGE 22 I 362; Bloch, Niederlassungsrecht ZSR N. F. 23 S. 393). Dieser Tatbestand muss entweder auch noch zur Zeit der Ausweisungsverfügung fortgedauert haben oder es müssen doch besondere Umstände eingetreten sein, aus denen sich mit Notwendigkeit oder Sicherheit ergibt, dass von nun an die Person der öffentlichen Armenunterstützung am Niederlassungsorte anheimfallen würde (BGE 56 I 14 mit Zitaten, Urteil vom 1. Dezember 1939 i.S. Clerc gegen Genf S. 10). Der Betrag von Fr. 55.--, den der Rekurrent A.________ im Jahre 1939 allein noch von der baselstädtischen Armenpflege bezogen hat, ist offenbar zu gering, um eine zur Zeit des Niederlassungsentzuges noch fortbestehende tatsächliche dauernde Belastung der öffentlichen Armenkassen des Niederlassungskantons anzunehmen; die Leistungen der staatlichen Arbeitslosenkasse und die als "Notunterstützung" ausgerichteten Beträge fallen in diesem Zusammenhang ausser Betracht, wie der Regierungsrat von Basel-Stadt heute anerkennt (s. auch ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | 12 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
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