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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Johannes Sokoll, A. Tschentscher | |||
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vom 2. Juli 1945 i.S. Müller-Schuler gegen Zürich, Regierungsrat. | |
Regeste |
Art. 27, 29 SchKG. -- Eine kantonale Vorschrift, welche die Betätigung als Geschäftsagent, insbesondere als Gläubigervertreter vom Wohnsitz oder der Geschäftsniederlassung im Kanton abhängig macht, verletzt Art. 27 SchK. |
Zulässigkeit der staatsrechtlichen Beschwerde schon gegen ein vom Bundesrat im Sinne von Art. 102 Ziff. 13 BV genehmigtes Gesetz, nicht erst gegen eine Anwendungsverfügung. | |
Sachverhalt | |
A. | |
Das zürcherische Gesetz über die Geschäftsagenten, Liegenschaftsvermittler und Privatdetektive vom 16. Mai 1943 bestimmt in: ![]() | 1 |
![]() a) Dritte bei Rechtsgeschäften oder zur Wahrung rechtlicher Interessen berät oder vertritt; b) für Dritte Forderungen einzieht, für sie oder sich selber Forderungen aufkauft, verkauft oder derartige Geschäfte vermittelt; c) für Rechtsberater oder -vertreter Kunden wirbt. | 2 |
§ 3. Das Gesetz ist auch auf Organe, Angestellte oder Mitarbeiter von Vereinigungen mit oder ohne juristische Persönlichkeit anwendbar.
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§ 4. Als Geschäftsagenten, Liegenschaftsvermittler und Privatdetektive dürfen sich nur Schweizerbürger betätigen die a) im Kanton Wohnsitz oder Geschäftsniederlassung haben; b) nicht durch einen andern Kanton in der Ausübung dieser Tätigkeit ganz oder teilweise eingestellt sind; c) die bürgerlichen Ehren und Rechte besitzen und d) voll handlungsfähig sind. | 4 |
§ 5. Die zuständige Direktion des Regierungsrates kann die Betätigung als Geschäftsagent, Liegenschaftsvermittler oder Privatdetektiv Personen verbieten die a) wegen eines Verbrechens oder Vergehens, besonders wegen eines solchen gegen das Vermögen, verurteilt worden sind; b) wegen anderer wichtiger Gründe, wie wiederholt eingestellter Strafuntersuchungen, fruchtloser Pfändungen, Konkurses, das erforderliche Zutrauen nicht mehr geniessen. Diese Personen sind vorher anzuhören. | 5 |
§ 9. Wer diesem Gesetz oder dem Verbot der zuständigen Direktion des Regierungsrates zuwiderhandelt, wird mit Haft oder Busse bestraft. Die Strafverfolgung ist Sache der Statthalterämter. Zuwiderhandlungen gegen dieses Gesetz verjähren in sechs Monaten seit der Entdeckung, jedenfalls aber in zwei Jahren seit der Begehung. | 6 |
§ 10. Das Gesetz über den Rechtsanwaltsberuf (Anwaltsgesetz) vom 3. Juli 1938, das Bundesgesetz über die Banken und Sparkassen vom 8. November 1934, das Gesetz betreffend den gewerbsmässigen Verkehr mit Wertpapieren vom 22. Dezember 1912, das Einführungsgesetz zum schweizerischen Zivilgesetzbuch und alle übrigen Sondererlasse bleiben vorbehalten."
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Gegen dieses Gesetz hat Franz Müller-Schuler, Inhaber eines Inkasso- und Sachwalterbureaus in Luzern, staatsrechtliche Beschwerde erhoben mit dem Antrag, die §§ 2 lit. a und b, 3, 4 lit. a, 5 lit. b und 10 als verfassungswidrig aufzuheben.
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Das Bundesgericht hat den Meinungsaustausch mit dem Bundesrat eröffnet, damit er prüfe, ob das Gesetz, soweit es sich auf die Vertretung in Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz-Sachen beziehe, nicht nach Art. 29 SchKG der ![]() ![]() | 9 |
Der Bundesrat hat sich der Auffassung des Bundesgerichts angeschlossen, dass das Gesetz der Genehmigung nach Art. 27, 29 SchKG bedürfe und diese mit Beschluss vom 29. Juli 1944 ausgesprochen, soweit sie nach Art. 27 und 29 SchKG erforderlich war. Das Gesetz widerspreche den genannten Vorschriften nicht. Ob es die Art. 4 und 31 BV verletze, habe nicht der Bundesrat, sondern das Bundesgericht zu prüfen; Sache des Bundesrates wäre diese Prüfung nur, wenn der Erlass oder einzelne Vorschriften daraus sich von vornherein als offensichtlich unzulässig erweisen sollten, sodass es zu dieser Feststellung überhaupt keiner nähern Prüfung bedürfe. Das treffe hier nicht zu.
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Das Bundesgericht hat den § 4 lit. a des Gesetzes aufgehoben.
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Aus den Erwägungen: | |
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Erwägung 3 | |
3. Soweit das kantonale Gesetz die Tätigkeit der Geschäftsagenten ordnet, die sich aus dem SchKG ergibt (Vertretung der Gläubiger), bedurfte es der Genehmigung des Bundesrates. Sie schliesst die Überprüfung des Erlasses durch das Bundesgericht auf die Übereinstimmung mit dem Bundesrecht nicht aus, insbesondere nicht die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte, auch nicht was die Rüge der Verletzung von Art. 27 SchKG, d.h. die Behauptung betrifft, der Erlass verstosse gegen Art. 2 Üb. Best. z. BV. Die Rechtsprechung des Bundesgerichts hat das stets anerkannt, soweit eine Anwendungsverfügung, Einzelanwendung des genehmigten Erlasses in Frage stand (BGE 38 I 471 Erw. 3; 42 I 348 Erw. 2; 50 I 342 Erw. 3; 51 II 336 Erw. 4; 52 I 161; ![]() ![]() | 13 |
Dass diese Auffassung auch diejenige des Bundesrates ist, ergibt sich aus dessen Entscheid (Erw. 4), wo er ausführt, dass die behauptete Verletzung der Art. 4 und 31 BV zu prüfen nicht Sache des Bundesrates, sondern des Bundes ![]() ![]() | 14 |
Erwägung 4 | |
4. Das zürcherische Gesetz unterscheidet nicht, ob die Tätigkeit des Geschäftsagenten das SchKG betrifft oder ob sie einen andern Zweig der Berufsausübung berührt, sondern unterstellt die gesamte in § 2 umschriebene Tätigkeit einer einheitlichen Ordnung. Die Schranken, die das Bundesrecht den Kantonen auferlegt, sind jedoch für die beiden Tätigkeitsgebiete verschieden. Während die kantonale Gesetzgebungshoheit für das letztere Gebiet ihre Schranke lediglich in den verfassungsmässigen Rechten der Bürger findet, hat sie, soweit die gewerbsmässige Vertretung der Gläubiger in Frage steht, die Vorschrift des Art. 27 SchKG zu beachten. Soweit dieser bestimmt, dass die Kantone bei der Ordnung der gewerbsmässigen Gläubigervertretung befugt sind, die Ausübung des Berufes vom Nachweis persönlicher Tauglichkeit und Ehrenhaftigkeit sowie von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen, und die Gebühren für die einschlägigen Verrichtungen festzusetzen, schränkt er allenfalls die verfassungsmässigen Freiheitsrechte ein. Dem Bundesgericht steht darüber keine Überprüfung auf die Verfassungsmässigkeit zu (Art. 113 Abs. 3 BV, Art. 178 Ziff. 1 aOG). Da die in Art. 27 SchKG aufgezählten Massnahmen nicht abschliessend sind, wie aus dem Gesetzeswortlaut ("insbesondere können sie...") hervorgeht, sind die Kantone befugt, im Rahmen der Vorschrift weitere Bestimmungen zu erlassen. Ob dafür bezüglich der Frage nach der Wahrung verfas ![]() ![]() | 15 |
Erwägung 5 | |
5. Mit dieser Rechtsprechung ist § 4 lit. a des zür ![]() ![]() | 16 |
Er hat übrigens vor der Verfassung (Art. 4 und 31 BV) auch keinen Bestand, soweit er sich auf die übrige Tätigkeit der Geschäftsagenten bezieht. Entweder wird damit nur die Eintragung im Handelsregister und im übrigen ein blosses Briefkastendomizil verlangt, wie sich aus der Vernehmlassung des Regierungsrates zu ergeben scheint, wenn darin vom Beschwerdeführer lediglich eine Anerkennung des Inhalts verlangt wird, dass ihm rechtswirksam Verbote im Sinne von § 5 des Gesetzes auferlegt werden können. Dann erfüllt dieses "Domizil" den mit dem Erfordernis der Wohnsitznahme angestrebten Zweck nicht und ist wertlos. Oder es wird -- und das ist offenbar der Sinn der Vorschrift -- eine eigentliche Geschäftsniederlassung mit den dafür nötigen Räumlichkeiten und der Eintragung im Handelsregister gefordert, und dann verstösst die Vorschrift gegen Art. 31 BV. Für den Agenten, insbesondere denjenigen, dessen Tätigkeit nur gelegentlich die zürcherische Gebietshoheit berührt, sind mit einem Ge ![]() ![]() ![]() ![]() | 17 |
Erwägung 6 | |
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§ 5 des Gesetzes wird vielmehr nur deswegen angefochten, weil er extensiver Auslegung Raum lassen könnte. Doch besteht auf Grund des Gesetzestextes zu solcher Annahme kein Anlass. Als wichtige Gründe, die zu einem Tätigkeitsverbot führen können, fallen darnach solche in Betracht, die bewirken, dass der Geschäftsagent nicht mehr auf das nötige Zutrauen Anspruch erheben kann. Der Regierungsrat betont denn auch, dass der Nachdruck hierauf liege, nicht auf den beispielsweise aufgezählten Gründen und dass ein Verbot im Sinne des § 5 nicht ausgesprochen werde gegen denjenigen, der etwa einen Automobilunfall verursacht oder sich eine Ehrverletzung hat zuschulden kommen lassen. Dem Beschwerdeführer ist jedoch unbenommen, sich über eine allfällig extensive ![]() ![]() ![]() | 19 |
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