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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Jana Schmid, A. Tschentscher | |||
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53. Auszug aus dem Urteil |
vom 22. November 1950 i.S. Brack & Müller und Hans Hörtig & Sohn gegen Regierungsrat des Kantons Zürich. | |
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Dienstvertrag. Derogatorische Kraft des Bundesrechtes. |
Eine kantonale Vorschrift, welche die Arbeitgeber verpflichtet, ihren Arbeitnehmern für die auf einen Werktag fallenden, schon bisher arbeitsfreien öffentlichen Ruhetage den Lohn zu bezahlen oder den Lohnausfall zu vergüten, ist zivilrechtlicher Natur und daher bundesrechtswidrig. | |
Sachverhalt: | |
A. | |
A. Im Kanton Zürich wurde durch Volksabstimmung vom 3. April 1949 ein Gesetz über die öffentlichen Ruhetage und über die Verkaufs- und Arbeitszeit im Detailhandel (nachstehend kurz "Ruhetagsgesetz" genannt) angenommen. Es enthält u.a. folgende Bestimmungen:
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"§ 1. Bezeichnung der öffentlichen Ruhetage. Als öffentliche Ruhetage gelten: a) die Sonntage; b) Neujahrstag, Karfreitag, Ostermontag, Auffahrtstag, Pfingstmontag, Weihnachtstag und Stephanstag (26. Dezember). Fällt der Weihnachtstag auf einen Freitag oder Montag, so gilt der Stephanstag als Werktag. | 2 |
§ 5. Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern an öffentlichen Ruhetagen. -- Ausnahmen. Soweit nicht eidgenössische oder kantonale Vorschriften etwas anderes bestimmen, ist die Beschäftigung von Arbeitnehmern an öffentlichen Ruhetagen nicht gestattet. Der Regierungsrat regelt durch Verordnung, inwieweit Ausnahmen zulässig sind. | 3 |
§ 6. Anspruch auf Lohnzahlung. Bei einem auf längere Dauer abgeschlossenen Dienstvertrag, oder sofern das Dienstverhältnis ununterbrochen mindestens sechs Monate gedauert hat, ist dem Arbeitnehmer der Lohnausfall an öffentlichen Ruhetagen, die nicht auf Sonntage fallen, zu vergüten. ![]() | 4 |
5 | |
B. | |
Viele der dem Verband der Möbelfabrikanten und Mech. Schreinereien Zürich angeschlossenen Firmen, darunter auch die heutigen Beschwerdeführerinnen, vergüteten ihren Arbeitern den Lohnausfall für den Auffahrtstag und den Pfingstmontag 1949 nicht voll, sondern richteten ihnen lediglich die im Gesamtarbeitsvertrag für das Schreiner- und Glasergewerbe vorgesehene Tagesentschädigung von Fr. 12.- bis Fr. 16.- aus. Die Direktion der Volkswirtschaft des Kantons Zürich setzte hierauf diesen Firmen mit Verfügung vom 15. Oktober 1949 eine Frist bis Ende Oktober zur Erfüllung der Pflicht zur vollen Lohnausfallvergütung für die genannten zwei Feiertage, unter Androhung der Verzeigung zur Bestrafung im Unterlassungsfalle.
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Die Beschwerdeführerinnen rekurrierten gegen diese Verfügung an den Regierungsrat unter Berufung auf den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts und auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung, insbesondere BGE 61 II 353 ff.
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Der Regierungsrat des Kantons Zürich wies den Rekurs am 17. November 1949 ab. In den Erwägungen dieses Entscheids wird ausgeführt: § 6 des Ruhetagsgesetzes sei eine Arbeiterschutzvorschrift, die öffentlich-rechtlicher Natur sei und denn auch unter der Strafsanktion des § 18 stehe. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung über das Verhältnis des kantonalen öffentlichen Rechtes zum Bundeszivilrecht seien die Kantone befugt, durch öffentlich-rechtliche Vorschriften von allgemeiner sozialer Bedeutung die Vertragsfreiheit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuschränken. Das Bundesgericht habe daher den Erlass kantonaler Vorschriften zugelassen, die zur Gewährung jährlicher Ferien und zur Lohnzahlung während derselben verpflichten. Da dies das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer stärker berühre ![]() ![]() | 8 |
C. | |
Mit der vorliegenden staatsrechtlichen Beschwerde stellen die Firmen Brack & Müller und Hans Hörtig & Sohn den Antrag, den Entscheid des Regierungsrates des Kantons Zürich vom 17. November 1947 wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben. Zur Begründung wird unter Berufung auf ein Gutachten von Prof. Hans Huber hauptsächlich geltend gemacht:
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§ 6 des zürch. Ruhetagsgesetzes verstosse gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts, ![]() ![]() | 10 |
D. | |
Der Regierungsrat des Kantons Zürich beantragt die Abweisung der Beschwerde und führt u.a. aus: Die angefochtene Bestimmung sei durch das Allgemeininteresse gerechtfertigt. Sie erstrebe die Erfüllung eines sozial-ethischen Postulates. Wenn die Entschädigung für die Feiertage schon bei der Festsetzung der Stunden-, Tag- und Akkordlöhne berücksichtigt wäre, würden nicht zahlreiche Gesamtarbeitsverträge eine Lohnausfallvergütung für Feiertage vorsehen. § 6 des Ruhetagsgesetzes bezwecke, das erwähnte Postulat auch für diejenigen Arbeitnehmer zu verwirklichen, die keiner solchen Abmachungen teilhaftig seien. Ob in dieser sozialen Notwendigkeit ein "haltbarer Grund des öffentlichen Rechts" im Sinne der bundesgerichtlichen Rechtsprechung liege, bilde eine Ermessens ![]() ![]() | 11 |
E. | |
In der Replik und Duplik halten beide Parteien an ihrem Standpunkt fest.
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F. | |
Bei der Behandlung der die gleiche Rechtsfrage betreffenden Beschwerde der Fédération des Syndicats patronaux gegen die Genfer "Loi sur l'indemnisation des jours fériés" vom 11. Dezember 1949 hat die staatsrechtliche Kammer die I. Zivilabteilung um die Ermächtigung ersucht, von deren Urteil i.S. Ateliers des Charmillles S.A. (BGE 61 II 353 ff.) abweichen zu dürfen. Nachdem die I. Zivilabteilung beschlossen hatte, an ihrer Rechtsprechung festzuhalten, vereinigten sich die beiden Abteilungen zu gemeinsamer Beratung. Bei dieser wurde die von der staatsrechtlichen Kammer verlangte Zustimmung zur Änderung der Rechtsprechung verweigert.
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Erwägungen: | |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Erwägungen 1 und 2 | |
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Erwägung 3 | |
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Da die Gesetzgebungskompetenz auf dem Gebiete des Zivilrechts dem Bunde zusteht, dürfen die Kantone zivilrechtliche Normen nur aufstellen, sofern sie hiezu vom Bund ausdrücklich ermächtigt sind. Dagegen werden die Kantone in ihren öffentlich-rechtlichen Befugnissen durch das Bundeszivilrecht grundsätzlich nicht beschränkt (Art. 6 Abs. 1 ZGB). Sie dürfen daher an sich öffentlich-rechtlich über die gleichen Verhältnisse wie der Bundeszivilgesetzgeber legiferieren und auf diese Weise das Anwendungsgebiet des Bundeszivilrechts zugunsten des kantonalen öffentlichen Rechtes beschränken. Diese Befugnis der ![]() ![]() | 17 |
Nach der Rechtsprechung gehört eine Vorschrift dem öffentlichen Recht an, wenn sie wesentlich und in erster Linie im öffentlichen Interesse erlassen ist, die Förderung der Interessen der Gesamtheit bezweckt (BGE 73 I 52, 58 I 30). Die Erfüllung der durch eine solche Vorschrift begründeten Pflichten des Einzelnen gegenüber dem Staate wird in der Regel durch Verwaltungszwang und Strafe durchgesetzt. Die Verwendung dieser Mittel genügt indessen nicht, um einer ausschliesslich oder vorwiegend dem Schutz von Privatinteressen dienenden Vorschrift öffentlich-rechtlichen Charakter zu verleihen. Anderseits ist es dem kantonalen Gesetzgeber nicht verwehrt, im Rahmen einer aus haltbaren Gründen des öffentlichen Rechts in das Bundeszivilrecht eingreifenden öffentlich-rechtlichen Ordnung zivilrechtliche Mittel zu verwenden, wenn dies zur Erreichung des öffentlich-rechtlichen Zweckes unerlässlich ist (BGE 73 I 229).
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Erwägung 4 | |
4. Die im zürch. Ruhetagsgesetz enthaltene Festsetzung der öffentlichen Ruhetage (§ 1) und das an diesen geltende Verbot der Beschäftigung von Arbeitnehmern (§ 5) gehören, obwohl auch damit mittelbar in die privatrechtliche Vertragsfreiheit eingegriffen wird, dem öffentlichen Rechte an. Es handelt sich um gewerbepolizeiliche Vorschriften, die im Interesse der öffentlichen Ordnung und Gesundheit aufgestellt sind wie alle Vorschriften, die für gewisse Tage und Stunden die Einstellung der Arbeit anordnen (BGE 49 I 229, 58 I 30, 70 I 3). Die weitere Vorschrift, dass den Arbeitnehmern der Lohnausfall an den nicht auf Sonntage fallenden öffentlichen Ruhetagen zu vergüten ist (§ 6), greift unmittelbar in das im allgemeinen ![]() ![]() ![]() ![]() | 19 |
Dispositiv | |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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