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Informationen zum Dokument  BGE 77 I 112 - von Arx Finanzreferendum  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
Erwägung 2
2. Gemäss Art. 17 Ziff. 2 KV unterliegen der Volksabstimmung ...
Erwägung 3
3. Ausgaben für den Unterhalt von dem Staat gehörenden  ...
Bearbeitung, zuletzt am 02.02.2022, durch: Julian Marbach, A. Tschentscher  
 
BGE 77 I 112 (112)21. Auszug aus dem Urteil vom 21. März 1951 i. S. Constantin von Arx gegen Solothurn, Kantonsrat.
 
 
Regeste
 
Finanzreferendum. Art. 17 sol. KV.Auslagen für den Unterhalt von dem Staat gehörenden Gebäuden unterliegen nicht dem Finanzreferendum; Begriff des Unterhaltes (Erw. 3).  
Bewilligung derartiger Kredite durch Budgetbeschluss und Berechnung der Kompetenzgrenze bei Teilkrediten auf Grund eines Gesamtplanes (Erw. 2).  
 
Sachverhalt
 
Der Staat Solothurn ist Eigentümer des Palais Besenval und des ehemaligen Franziskanerklosters in Solothurn.BGE 77 I 112 (112)
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BGE 77 I 112 (113)Das erstere wird als Schülerinnenkosthaus, das zweite als Kosthaus für Schüler der Kantonsschule verwendet. Für das Palais Besenval bewilligte der Kantonsrat im Jahre 1949 für Instandstellungsarbeiten (Fundierung, Abbruch und Wiederaufbau der Terrasse und damit zusammenhängende Arbeiten) einen Kredit von Fr. 170,000.--. Bei der Ausführung der Arbeiten ergab sich, dass es im Hinblick auf den schlechten Zustand der Mauern und Decken nicht möglich sei, lediglich die Fundamente zu sichern und die eigentliche Restauration des Gebäudes auf einen spätern Zeitpunkt zu verschieben. Das kantonale Hochbaumt erstattete über diese Fragen einen Bericht, in dem die Gesamtkosten der Restauration mit etwa Fr. 800,000.-- angegeben wurden. Am 18. Oktober 1950 bewilligte der Kantonsrat einen weitern Kredit von Fr. 160,000.-- und genehmigte sodann am 13. Dezember 1950 den Voranschlag zur Staatsrechnung für das Jahr 1951, der unter der Rubrik I A II F (Baudepartement) einen Ausgabenposten von Fr. 150,000.-- für das Palais Besenval enthielt.
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Die für die Gesamtrenovation des Schülerkosthauses (ehemaligen Franziskanerklosters) errechneten Kosten wurden in einem Bericht des kantonalen Baudepartementes vom Jahre 1947 an die Staatswirtschaftskommission mit etwas über Fr. 808,000.-- angegeben, diejenigen für die Erneuerung des Mobiliars mit Fr. 116,900.--. Es handelte sich hier im wesentlichen darum, die vorhandenen Schlafsäle in kleinere für 1-2 Schüler unterzuteilen, die Zimmer zu renovieren und das alte Mobiliar zu ersetzen; ferner waren Fenster und -einfassungen zu ersetzen und gewisse Arbeiten an der Fassade auszuführen. Dafür bewilligte der Kantonsrat im Budgetwege für die Jahre 1948 und 1949 je Fr. 150,000.--; für 1950 bewilligte er einen weitern Kredit von Fr. 110,000.-- und für 1951 einen solchen von Fr. 100,000.--.
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Der Beschwerdeführer C. von Arx hat die Kreditbewilligung von 18. Oktober 1950 für das Palais Besenval und die Genehmigung des Voranschlages zur StaatsrechBGE 77 I 112 (113)BGE 77 I 112 (114)nung für das Jahr 1951, womit für das Schülerkosthaus Fr. 100,000.-- und für das Palais Besenval weitere Fr. 150,000.-- bewilligt wurden, mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 17 Ziff. 2 sol. KV angefochten. Diese Vorschrift bestimmt:
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    "Der Volksabstimmung unterliegen folgende Erlasse des Kantonsrates:
    1. .....
    2. Kantonsratsbeschlüsse, welche für den gleichen Gegenstand eine neue einmalige Gesamtausgabe von mehr als Fr. 100,000.-- oder eine neue wiederkehrende Ausgabe von mehr als Fr. 15,000.-- zur Folge haben."
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Das Bundesgericht hat die Beschwerde abgewiesen.
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Aus den Erwägungen:
 
 
Erwägung 2
 
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Dass auch durch die Aufnahme der Ausgabeposten Nr. 33 und 34 unter Rubrik lA ll F in den Voranschlag für 1951 dem Regierungsrat für die dort genannten Zwecke Kredite im Betrage von Fr. 100,000.-- bzw. Fr. 150,000.-- bewilligt worden sind, ist nicht streitig. Der Budgetbeschluss hat also nicht nur die Bedeutung einer Übersicht über die Einnahmen und Ausgaben, sondern stellt einen Kantonsratsbeschluss dar, der die entsprechenden Ausgaben zur Folge haben wird. Er unterliegt daher mit Bezug auf die genannten Beträge gemäss Art. 17 Ziff. 2 KV der Volksabstimmung, sofern er eine neue einmalige Gesamtausgabe von mehr als Fr. 100,000.-- für den gleichen Gegenstand bedeutet.
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Der Kredit für das Schülerkosthaus überschreitet diesen Betrag nicht. Doch bildet er unbestrittenermassen einen Teilbetrag der Ausgaben für die Renovation des Schülerkosthauses von mehr als Fr. 800,000.-- auf Grund eines von vornherein aufgestellten einheitlichen Planes. Trotz der Verteilung dieser Arbeiten auf mehrere Jahre undBGE 77 I 112 (114) BGE 77 I 112 (115)ihrer Finanzierung in verschiedenen Etappen bilden die Teilkredite zusammen "eine einmalige Gesamtausgabe für den gleichen Gegenstand" im Sinne von Art. 17 KV. Von den Krediten für das Palais Besenval gemäss den Kantonsratsbeschlüssen vom 18. Oktober und 13. Dezember 1950 übersteigt jeder einzelne die verfassungsmässige Grenze. Sowohl beim Schülerkosthaus wie beim Palais Besenval wird durch die angefochtenen Teilkredite die Kompetenzgrenze des Kantonsrates dem Betrage nach überschritten. Bei jedem der bewilligten Kredite stellt sich somit die Frage, ob es sich um "neue" Ausgaben im Sinne der zitierten Verfassungsvorschrift handelt, oder um "gebundene", die sich aus einem Gesetz, einem früheren Beschluss oder aus den allgemeinen Ausgaben der Verwaltung ergeben und dem Volke nicht mehr unterbreitet zu werden brauchen, weil sie auf einer von ihm bereits genehmigten Grundlage beruhen.
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Erwägung 3
 
3. Ausgaben für den Unterhalt von dem Staat gehörenden Gebäuden unterliegen grundsätzlich nicht dem Finanzreferendum, also auch dann nicht, wenn sie die Kompetenzgrenze des Kantonsrates überschreiten. Denn wenn durch Gesetz oder Volksbeschluss die Erstellung oder der Ankauf eines Gebäudes für staatliche Zwecke bewilligt wird, so hat auch die spätere Erhaltung und Instandhaltung des Gebäudes als gewollt zu gelten, auch wenn es dafür an einer ausdrücklichen Ermächtigung des betreffenden Staatsorgans fehlt. Die Ausgaben müssen sich allerdings auf den Unterhalt beschränken. Eigentliche Erweiterungs- oder Ergänzungsbauten fallen nicht darunter, Umbauten jedenfalls dann nicht, wenn die Arbeiten nicht der Erhaltung und dem Unterhalt dienen sollen, sondern dazu bestimmt sind, das Gebäude einem neuen Zweck dienstbar zu machen. Nach der vom Kantonsrat schon früher vertretenen Auslegung von Art. 17 Ziff. 2 KV (Verhandlungen des Kantonsrates 1926 S. 92, zitiert bei Escher, Das Finanzreferendum in den schweiz. Kantonen S. 124) wie nach der Auffassung, die in derBGE 77 I 112 (115) BGE 77 I 112 (116)Antwort zum Ausdruck kommt, gehört zum Begriff des Unterhaltes auch die Beseitigung unzulänglicher Verhältnisse für die im Gebäude betriebene Anstalt, d. h. es fallen darunter nicht bloss Massnahmen, die zur Instandstellung oder Erhaltung, sondern auch diejenigen, die zu einer zeitgemässen Erfüllung des dem Gebäude angewiesenen Zweckes nötig sind, veränderten Bedürfnissen Rechnung tragen. Danach umfasst der Unterhalt nicht bloss die ordentliche, laufende Instandhaltung, sondern unter Umständen auch einen einmaligen aussergewöhnlichen Aufwand für den Unterhalt oder eine Umbaute, mit der keine Zweckänderung des Gebäudes verbunden ist. Diese Auffassung ist durchaus vertretbar. Sie entspricht auch derjenigen in andern Kantonen (Botschaft des Kleinen Rates von Graubünden 1933 Heft 5 S. 304 ff. zitiert bei Escher a.a.O.) und findet sich in der Literatur (Escher am angeführten Orte; Rötheli, die Finanzkompetenzen des solothurnischen Kantonsrates, Diss. Basel 1948 S. 105). Von solcher Auslegung des kant. Verfassungsrechtes durch die zu dessen Anwendung berufene oberste kantonale Behörde könnte der Staatsgerichtshof nur abweichen, wenn sie unzweifelhaft unrichtig wäre. Wenn verschiedene Auffassungen möglich sind und richtig sein können, müsste er sie hinnehmen, selbst wenn eine andere als die gewählte Lösung als die bessere erscheinen würde (Urteil vom 8. Februar 1950 i. S. Stäger und Graf). Übrigens braucht hier zur Frage, was noch als Unterhalt anzusprechen sei, dann nicht abschliessend Stellung genommen zu werden, wenn sich ergibt, dass es sich bei den Arbeiten am Palais Besenval und im ehemaligen Franziskanerkloster um solche handelt, die im wesentlichen für die Erhaltung und den Unterhalt der beiden Gebäude notwendig waren.BGE 77 I 112 (116)
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