![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
![]() | ![]() |
31. Auszug aus dem Urteil der II. OerA |
vom 22. September 2000 |
i.S. A. und B. gegen Regierungsrat des Kantons Zürich |
(staatsrechtliche Beschwerde) | |
Regeste |
Zugang zu Hochschulen; Studiengebühren; Art. 13 Abs. 2 UNO-Pakt I. |
Einführung von Studiengebühren für das - in eine neugebildete kantonale Fachhochschule integrierte - Technikum Winterthur. Bestätigung der Rechtsprechung, wonach Art. 13 Abs. 2 lit. b und lit. c UNO-Pakt I nicht direkt anwendbar sind (E. 2 u. 3). | |
![]() | |
A. | |
Der Regierungsrat des Kantons Zürich erliess mit Beschluss vom 15. September 1999 eine Verordnung über die Studiengebühren an der Zürcher Fachhochschule, welche aus dem Zusammenschluss des Technikums Winterthur (Ingenieurschule; TWI) mit der Zürcher Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule Winterthur (HWV) und der Dolmetscherschule Zürich (DOZ) entstanden ist. Danach werden an den staatlichen Hochschulen der Zürcher Fachhochschule ab Wintersemester 1999/2000 eine Immatrikulationsgebühr von Fr. 25.-, eine Semestergebühr von Fr. 500.- sowie eine Gebühr für die Schlussdiplomprüfung von Fr. 200.- erhoben (§§ 1 und 3 der Verordnung).
| 1 |
B. | |
Die in Zürich wohnhafte A. und ihr 1987 geborener Sohn B. führen gegen diese Verordnung mit Eingabe vom 18. September 1999 beim Bundesgericht staatsrechtliche Beschwerde. Sie rügen eine Verletzung von Art. 13 Abs. 2 lit. b und lit. c des Internationalen Paktes vom 16. Dezember 1966 über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (UNO-Pakt I; SR 0.103.1) sowie der derogatorischen Kraft des Bundesrechtes (Art. 2 ÜbBest.aBV). Das Bundesgericht tritt auf die Beschwerde nicht ein aus folgenden
| 2 |
Auszug aus den Erwägungen: | |
Erwägungen:
| 3 |
Erwägung 2 | |
4 | |
Gemäss der unbestrittenen Darstellung der Beschwerdeführer bestand am Technikum Winterthur seit 1960 Schulgeldfreiheit. Beanstandet wird die nunmehrige (Wieder-)Einführung der Gebührenpflicht für den Besuch dieser (heute zur Zürcher Fachhochschule gehörenden) Bildungsanstalt. Die Beschwerdeführer stellen zwar nicht in Abrede, dass die angefochtene Gebührenverordnung über die erforderliche gesetzliche Grundlage verfügt. Sie erblicken in ![]() ![]() | 5 |
"Die Vertragsstaaten erkennen an, dass im Hinblick auf die volle
| 6 |
Verwirklichung dieses Rechts
| 7 |
a) ...
| 8 |
b) die verschiedenen Formen des höheren Schulwesens einschliesslich des
| 9 |
höheren Fach- und Berufsschulwesens auf jede geeignete Weise, insbesondere
| 10 |
durch allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, allgemein verfügbar
| 11 |
und jedermann zugänglich gemacht werden müssen;
| 12 |
c) der Hochschulunterricht auf jede geeignete Weise, insbesondere durch
| 13 |
allmähliche Einführung der Unentgeltlichkeit, jedermann gleichermassen
| 14 |
entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich gemacht werden muss;..."
| 15 |
b) Mit der staatsrechtlichen Beschwerde kann auch die Verletzung von Staatsverträgen gerügt werden, soweit es sich nicht um zivilrechtliche oder strafrechtliche Bestimmungen handelt (Art. 84 Abs. 1 lit. c OG). Der Beschwerdeführer kann sich dabei aber nur auf solche Normen berufen, welche unmittelbar anwendbar ("self-executing") sind; die Staatsvertragsbeschwerde dient lediglich der Durchsetzung jener Vertragsbestimmungen, welche die Rechtsstellung des Einzelnen direkt regeln (WALTER KÄLIN, Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde, 2. Auflage, Bern 1994, S. 90 ff.). Dies setzt voraus, dass die angerufene staatsvertragliche Norm inhaltlich hinreichend bestimmt und klar ist, um im Einzelfall Grundlage eines Entscheides bilden zu können. Die erforderliche Bestimmtheit geht vor allem blossen Programmartikeln ab. Sie fehlt auch Normen, die eine Materie nur in Umrissen regeln, dem Vertragsstaat einen beträchtlichen Ermessens- oder Entscheidungsspielraum lassen oder blosse Leitgedanken enthalten, sich also nicht an die Verwaltungs- und Justizbehörden, sondern an den Gesetzgeber richten (BGE 125 III 277 E. 2d/aa S. 281; 124 II 293 E. 4b S. 308; 124 III 90 E. 3a S. 91; 124 IV 23 E. 4a S. 31, je mit Hinweisen).
| 16 |
c) Der UNO-Pakt I gilt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes, vorbehältlich gewisser Ausnahmen, nicht als direkt anwendbar. Er enthält, wie das Bundesgericht in seinem Grundsatzentscheid 120 Ia 1 E. 5c S. 11 f. ausführte, in Art. 6-15 einen Katalog wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte, zu deren voller Verwirklichung sich jeder Vertragsstaat unter Ausschöpfung ![]() ![]() | 17 |
Diese in BGE 120 Ia 1 E. 5 begründete Rechtsprechung, wonach der UNO-Pakt I grundsätzlich keine direkt anwendbaren Individualgarantien enthält, wurde in einer Reihe späterer Entscheide bestätigt (BGE 121 V 229 E. 3 S. 232 ff., 246 E. 2 S. 248 ff.; 122 I 101 E. 2a S. 103; 123 II 472 E. 4d S. 478). Die Möglichkeit, dass einzelne Bestimmungen des Paktes ausnahmsweise direkt anwendbar sein könnten, wurde aber - wie schon in BGE 120 Ia 1 E. 5c/d S. 12 f. - nicht ausgeschlossen, sondern, zum Teil unter beispielsweiser Nennung von Aspekten der in Art. 8 gewährleisteten Gewerkschaftsfreiheit, ausdrücklich vorbehalten (vgl. BGE 121 V 229 E. 3a S. 232, 246 E. 2c und 2e S. 249 f.; 123 II 472 E. 4d S. 478 sowie 125 III 277 E. 2d S. 281 f.). In der Doktrin werden - entgegen der dem seinerzeitigen Beitrittsbeschluss der eidgenössischen Räte zugrunde liegenden Betrachtungsweise - eine ganze Reihe von (Teil-)Garantien des UNO-Paktes I als unmittelbar anwendbar eingestuft (PIUS GEBERT, Das Recht auf Bildung nach Art. 13 des UNO-Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, Diss. Freiburg, St. Gallen 1996, S. 124 ff., mit Hinweisen; vgl. auch GIORGIO MALINVERNI, Les Pactes dans l'ordre juridique interne, in: Die Schweiz und die UNO-Menschenrechtspakte, 2. Auflage, Basel 1997, S. 76 f.). ![]() | 18 |
![]() | 19 |
Von dieser Aussage abzuweichen, besteht kein Anlass. Sie wird an sich auch von den Beschwerdeführern nicht in Frage gestellt. Es kann einzig darum gehen, ob Art. 13 Abs. 2 lit. c (bzw. lit. b) des Paktes allenfalls insofern einen justiziablen, unmittelbar anwendbaren Gehalt hat, als er dem nationalen Gesetzgeber eine Erhöhung oder Wiedereinführung von Gebühren verbietet, weil dies in Bezug auf das anerkannte Vertragsziel einen Rückschritt bedeuten würde (vgl. dazu GEBERT, a.a.O., S. 457 f.; JÖRG KÜNZLI/WALTER KÄLIN, Die Bedeutung des UNO-Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte für das schweizerische Recht, in: Die Schweiz und die UNO-Menschenrechtspakte, 2. Auflage, Basel 1997, S. 110 u. 147 f.). Dies wird insbesondere von GEBERT (a.a.O., S. 464) und KÜNZLI/KÄLIN (a.a.O., S. 148) bejaht, trotz der Tatsache, dass auch für die Beurteilung der Zulässigkeit von Gebührenerhöhungen eine umfassende Betrachtung der bildungspolitischen Verhältnisse notwendig wäre (vgl. dazu auch die Broschüre "Das völkerrechtliche Verbot der Erhöhung von Studiengebühren oder der Wiedereinführung von Schulgeldern", herausgegeben vom Aktionskomitee gegen Mittelschulgelder, mit Beiträgen von FONS COOMANS ["Klärung der Elemente des 'harten Kerns' des Rechtes auf Bildung"], BRUNO SIMMA und LUDWIG A. MINELLI, Zürich 1996). Zu einem anderen Schluss kommt hingegen STEFAN TRECHSEL in seinem Gutachten vom 25. Januar 2000 zuhanden des Rechtsdienstes der Universität Zürich.
| 20 |
e) In BGE 120 Ia 1 E. 5d S. 13, wo es um die Zulässigkeit der Erhöhung von Universitätsgebühren ging, erachtete das Bundesgericht ![]() ![]() | 21 |
f) Unter Hinweis auf Äusserungen von JÖRG KÜNZLI (Soziale Menschenrechte: blosse Gesetzgebungsaufträge oder individuelle Rechtsansprüche? Überlegungen zur direkten Anwendbarkeit des UNO-Sozialpaktes in der Schweiz, in: AJP 1996 S. 527 ff., insb. S. 534), KÜNZLI/KÄLIN (a.a.O., S. 147) und GEBERT (a.a.O., S. 464) halten die Beschwerdeführer dieser in BGE 120 Ia 1 E. 5 vertretenen Auffassung entgegen, mit dem Inkrafttreten des UNO-Paktes I sei der damals gegebene Zustand im Bereich der Zugangsförderung zu höherer und Hochschulbildung als Minimalstatus zementiert worden, hinter welchen nicht zurückgegangen werden dürfe. Ein Ermessensspielraum der Vertragsstaaten könne nur bestehen bei den zu wählenden Mitteln sowie bezüglich des Umfanges der vorzunehmenden Verbesserungen, keinesfalls aber die Befugnis zu einer Verschlechterung des bestehenden Zustandes umfassen. Sei die Schulgeldfreiheit einmal erreicht, dürfe sie nicht mehr aufgehoben werden. Die Beschwerdeführer berufen sich ausserdem auf ein Schreiben von Philip Alston, Vorsitzender des UNO-Komitees für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, vom 21. Februar 1997 ![]() ![]() | 22 |
g) Dazu ist vorab zu bemerken, dass das Bundesgericht in BGE 120 Ia 1 E. 5 sich über die Paktkonformität der damals angefochtenen Gebührenerhöhung gar nicht ausgesprochen, sondern lediglich - mangels Justiziabilität der angerufenen Paktbestimmung - die Zulässigkeit einer Staatsvertragsbeschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. c OG verneint hatte. Der UNO-Pakt I enthält keine Vorschriften darüber, wie er innerstaatlich durchgesetzt werden soll (KÜNZLI, a.a.O., S. 532). Es ist daher allein eine Frage des jeweiligen nationalen Rechts, wie die eingegangenen staatsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen sind und ob bzw. wieweit die Normen dieses Paktes innerstaatlich als "selfexecuting" vom Einzelnen im Rahmen eines Individualbeschwerdeverfahrens direkt angerufen werden können (vgl. YVO HANGARTNER, Grundzüge des schweizerischen Staatsrechts, Bd.I: Organisation, Zürich 1980, S. 42 f.; ULRICH HÄFELIN/WALTER HALLER, Schweizerisches Bundesstaatsrecht, 4. Auflage, Zürich 1998, N. 1038; JEANINE DE VRIES REILINGH, L'application des Pactes des Nations Unies relatifs aux droits de l'homme de 1966, Diss. Neuenburg, Basel u. Genf 1998, N. 104 ff.; MANFRED NOWAK, Inhalt, Bedeutung und Durchsetzungsmechanismen der beiden UNO-Menschenrechtspakte, in: Die Schweiz und die UNO-Menschenrechtspakte, 2. Auflage, Basel 1997, S. 19; GEBERT, a.a.O., S. 122 f.; KÜNZLI, a.a.O., S. 532).
| 23 |
Des Weitern gibt es für den UNO-Pakt I auf internationaler Ebene kein Vertragsorgan, welches die Kompetenz besässe, die aus diesem Pakt folgenden Verpflichtungen und allfälligen Individualansprüche im Einzelfall verbindlich zu konkretisieren. Der UNO-Pakt II über die bürgerlichen und politischen Rechte, sieht - neben dem obligatorischen Berichtssystem - sowohl ein fakultatives (für die Schweiz geltendes) Staatenbeschwerdeverfahren wie auch ein fakultatives (für die Schweiz nicht geltendes) Individualbeschwerdeverfahren vor. Im Gegensatz dazu kennt der UNO-Pakt I als ![]() ![]() | 24 |
Erwägung 3 | |
25 | |
26 | |
Für die Schüler der Höheren Wirtschafts- und Verwaltungsschule Winterthur, welche bisher eine Semestergebühr von Fr. 850.- sowie eine Immatrikulations- und Prüfungsgebühr von je Fr. 250.- zu entrichten hatten, bringt die neue Regelung eine deutliche finanzielle Verbesserung. Dasselbe gilt für die Schüler der Dolmetscherschule Zürich welche bisher - je nach Herkunftskanton - Semestergebühren zwischen Fr. 1'170.- und Fr. 4'395.- sowie (nebst weiteren Abgaben) Immatrikulationsgebühren von Fr. 100.- zu leisten hatten. Auch für die Schüler der Hochschule für Kunst und Gestaltung Zürich (bisher: Semestergebühr zwischen Fr. 600.- und Fr. 900.-; Immatrikulationsgebühr Fr. 100.-; keine Prüfungsgebühren) sind die neuen Gebühren gesamthaft gesehen wesentlich tiefer. Für die Schüler des ehemaligen Technikums Winterthur führt die angefochtene Verordnung dagegen zu einer Verschlechterung, indem sie künftig neu eine Semestergebühr von Fr. 500.- bezahlen müssen.
| 27 |
Der Kanton Zürich ist sodann der Interkantonalen Fachhochschulvereinbarung vom 4. Juni 1998 für die Jahre 1999-2005 beigetreten. Aufgrund dieser übernimmt er das Schulgeld von ![]() ![]() | 28 |
29 | |
Im Übrigen hängt das mit den genannten Paktbestimmungen verfolgte Ziel, den Unterricht an höheren Fachschulen und Hochschulen jedermann gleichermassen entsprechend seinen Fähigkeiten zugänglich zu machen, aufgrund der in der Schweiz bestehenden Verhältnisse nicht primär von der Höhe der Schulgelder ab, zumal diese in der Regel nur einen relativ geringen Teil der Lebenshaltungskosten der Studierenden ausmachen. Minderbemittelte können ![]() ![]() | 30 |
Ob die Einführung von Schulgebühren für Studierende des Technikums Winterthur einen gegen Art. 13 Abs. 2 lit. c (bzw. lit. b) des UNO-Paktes I verstossenden Rückschritt in der Verwirklichung der Paktziele darstellt oder ob der für diese Benützergruppe entstandene gebührenmässige Nachteil - was nach der Praxis zum Pakt nicht ausgeschlossen ist (KÜNZLI/KÄLIN, a.a.O., S. 110) - durch andere bildungspolitische Verbesserungen kompensiert wird, kann allenfalls Thema eines Berichtsverfahrens gemäss Art. 16 ff. des UNO-Paktes I bilden. Die Frage entbehrt jedoch - wegen der Unbestimmtheit des Prüfungsmassstabes und weil die Gesamtheit der im Fachhochschulbereich getroffenen Massnahmen (einschliesslich der Prognosen über deren tatsächliche Auswirkungen) in eine sachgerechte Würdigung einbezogen werden müsste - der erforderlichen Justiziabilität (vgl. E. 2b), um Gegenstand einer individualrechtlichen Staatsvertragsbeschwerde gemäss Art. 84 Abs. 2 lit. c OG bilden zu können. Eine Auseinandersetzung mit den von den Beschwerdeführern nachträglich eingereichten Unterlagen über den Bericht der Schweiz zur Umsetzung von Art. 13 Abs. 2 lit. c des UNO-Paktes I und die diesbezüglichen Stellungnahmen der zuständigen UNO-Organe erübrigt sich daher. Aus dem zusätzlich angerufenen Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechtes ergibt sich kein weitergehender Rechtsschutz (BGE 120 Ia 1 E. 5d</a> S. 13). Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten. ![]() | 31 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |