BGE 39 II 387 - Regamey & Bornand | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Philip Lengacher, A. Tschentscher | |||
67. Urteil der II. Zivilabteilung vom 17. Juni 1913 in Sachen Lacombe, Kl. u. Ber.-Kl., gegen Blum & Hayum, Bekl. u. Ber.-Bekl. | |
Regeste |
Bürgschaft. Der Bürge kann die vom Gläubiger aus dem Konkurse des Hauptschuldners bezogene Dividende an seiner Schuld abziehen. Die Dividende ist auf den verbürgten wie auf den unverbürgten Teil der Konkursforderung zu verteilen. | |
Sachverhalt | |
A. | |
Im Herbst 1909 geriet die Firma Regamey & Bornand in Lausanne, die den Beklagten in diesem Zeitpunkte für gelieferte Waren 12,610 Fr. 65 Cts. schuldete, in Zahlungsschwierigkeiten. Um Regamey & Bornand zu helfen, gingen der Kläger und dessen Vater am 8. Oktober 1909 folgende, "cautionnement solidaire" überschriebene Bürgschaftsverpflichtung ein: "Sur une somme de quatre mille francs de fournitures que s'engagent à livrer d'ici au 30 novembre 1909 MM. Blum & Hayum à Zurich à MM. Regamey & Bornand à Lausanne, les soussignés M. Jean Henri Lacombe à Lausanne et M. Henri Lacombe fils à Zurich, déclarent par le présent acte garantir solidairement aux prénommés le paiement d'une somme de Deux mille francs payable pour le 30 juin 1910." Gestützt auf diese Erklärung lieferten die Beklagten der Firma Regamey & Bornand vom 9. Oktober bis 20. November 1909 Waren für 3995 Fr. 25 Cts. Am 15. Oktober 1909 kam zwischen Regamey & Bornand und einer Anzahl von Gläubigern, zu denen auch die Beklagten gehörten, eine Abmachung zustande, wonach sich Regamey & Bornand verpflichteten, ihr Geschäft innert Jahresfrist zu liquidieren und einer der Hauptgläubiger beauftragt wurde, die Liquidation zu überwachen und die eingegangenen Gelder an die verschiedenen Gläubiger auszuzahlen. Von Ende November an lieferten die Beklagten an Regamey & Bornand noch Waren für 3453 Fr. 85 Cts., welcher Betrag bis auf einen Saldo von 110 Fr. 95 Cts. teils per Nachnahme erhoben, teils mit Wechseln auf 2--5 Monate bezahlt wurde. Diesen Leistungen gingen folgende Zahlungen der Firma Regamey & Bornand an die Beklagten voraus:
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Im Jahre 1910 brach, trotz der versuchten Liquidation, über Regamey & Bornand der Konkurs aus, wobei die Beklagten für ihre Forderung von 13,000 Fr. 15 Fr. eine Konkursdividende von 3130 Fr. 70 Cts. erhielten. Daraus leiteten sie gegen den Kläger als Solidarbürgen Betreibung für 2000 Fr. ein und erhielten am 20. Dezember 1910 provisorische Rechtsöffnung. Mit der vorliegenden Aberkennungsklage verlangt nun der Kläger, es sei die Forderung der Beklagten im Betrage von 2000 Fr. nebst Zins zu 5% seit 1. Juli 1910, sowie den Betreibungs- und Rechtsöffnungskosten als unbegründet abzuweisen.
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B. | |
Durch Urteil vom 13. Februar 1913 hat das Obergericht des Kantons Zürich "die Klage abgewiesen und dem Verklagten definitive Rechtsöffnung erteilt für den Betrag von 2000 Fr. nebst 5% Zins seit 30. Oktober 1910 sowie für die Betreibungs- und Rechtsöffnungskosten und für 15 Fr. Entschädigung für Umtriebe."
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C. | |
Gegen dieses den Parteien am 8. April 1913 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. April 1913 die Berufung an das Bundesgericht erklärt und seine Klagebegehren wiederholt.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
Erwägung 1 | |
1. Aus den von der Vorinstanz geltend gemachten Gründen ist in erster Linie die Behauptung des Klägers, es handle sich um eine befristete Bürgschaft, abzulehnen. Die Bürgschaftsurkunde enthält nur eine Zahlungsfrist, d.h. die Angabe, in welchem Zeitpunkt die verbürgte Schuld fällig sei, aber keine Erklärung, daß der Bürge nur bis zu diesem Augenblicke haften solle.
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Erwägung 2 | |
2. Ebenso ist auch die Frage, auf welche Schuld sich die Zahlungen vom 6. und 25. November und 17. Dezember 1909 beziehen, durchaus klargestellt. Nach Art. 101 aOR ist (andere Abmachung vorbehalten) der Schuldner berechtigt, zu erklären, welche von mehreren Schulden er bei einer Zahlung tilgen will. In concreto geht nun sowohl aus den Bucheinträgen Regameys & Bornands, als aus den jeweiligen Briefen, mit denen sie die Leistungen an die Beklagten begleiteten, hervor, daß die Zahlungen "répartitions" unter die der Liquidationsvereinbarung beigetretenen Gläubiger waren, d.h. Verteilungen auf Rechnung der alten Schuld von 12,610 Fr. 65 Cts. Daß der Übereinkunft vom 15. Oktober 1909 nicht alle in Aussicht genommenen oder überhaupt nicht alle Gläubiger beigetreten sind, macht sie nicht ungiltig. Ersteres war nicht Bedingung der Abmachung und ob allfällig eine Anfechtung aus paulianischen Gründen möglich gewesen wäre, ist nicht zu prüfen, da der Aberkennungskläger sich darauf nicht berufen könnte und eine Klage überdies längst verjährt wäre. Ebenso ist nicht ersichtlich, inwiefern die Beklagten durch ihr Verhalten gegen Treu und Glauben verstoßen haben sollten. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die verbürgten und in der Zeit vom 9. Oktober bis 20. November 1909 gelieferten Waren bar, also vor der alten Schuld von 12,610 Fr. 65 Cts. hätten bezahlt werden sollen, was, nach den für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz, nicht zutrifft. Was sodann die weitere Behauptung des Klägers anbelangt, es seien eventuell die Zahlungen ab Dezember 1909 auf die Bürgschaftsschuld zu beziehen, so ist darauf, weil dieses Anbringen erst vor Bundesgericht, also verspätet geltend gemacht wurde, nicht einzutreten. Diese Behauptung wäre aber auch materiell abzulehnen, indem nach der maßgebenden Erklärung der Beklagten die nach dem 30. November 1909 gelieferten Waren sofort zu bezahlen waren, was mit Rücksicht auf die Lage, in der sich Regamey & Bornand damals befanden, ohne weiteres glaubhaft erscheint.
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Erwägung 3 | |
3. Mit Bezug auf die Anrechenbarkeit der Konkursdividende stellt sich die Vorinstanz auf den Standpunkt, daß nach Art. 217 SchKG dem Bürgen der Zugriff auf die Masse überhaupt nicht zustehe, solange er den Gläubiger nicht teilweise befriedigt habe. Deshalb könne (das ist der darin liegende Schluß) der Bürge auch nicht verlangen, daß die Konkursdividende auf die Bürgschaftsforderung angerechnet werde. Dieser Auffassung ist nicht beizupflichten. Art. 217 SchKG enthält nur eine Regel für die aus der Konkursdividende erfolgende Deckung des Gläubigers bei Teilzahlungen von Solidarschuldnern, wenn einer derselben in Konkurs fällt. Diese Regel kann aber nicht Platz greifen, wenn es sich um die Frage handelt, wie weit der Anspruch des Gläubigers im Verhältnis zu einem Mitverpflichteten gedeckt wurde und welche Forderung der Gläubiger nun noch gegen diesen zu erheben hat. Wenn der Kläger die ganze von den Beklagten im Konkurs eingegebene Forderung von 13,000 Fr. verbürgt hätte, so würde er ein Recht haben, sich von diesem Betrage die von den Beklagten erhaltene Konkursdividende abziehen zu lassen. Es ist daher dem Kläger auch diejenige Konkursdividende anzurechnen, die auf den verbürgten Teil von 2000 Fr. entfällt. Da die Konkursdividende für die ganze Forderung rund 3130 Fr. beträgt, ergibt sich für 2000 Fr. eine solche von rund 482 Fr. Dieser Betrag, für den die Klage gutzuheißen ist, ist daher von den 2000 Fr. als getilgt in Abzug zu bringen, so daß der Kläger dem Beklagten aus Bürgschaft nur noch 1518 Fr. schuldet. Der Berechnungsweise im bezirksgerichtlichen Urteil gegenüber ist insbesondere hervorzuheben, daß nach dem Konkursausbruch über den Hauptschuldner von der Gesamtforderung der Beklagten 2000 Fr. durch Bürgschaft gedeckt waren. Auf diese Gesamtschuld haben Regamey & Bornand in der Folge in Form einer Konkursdividende eine Abzahlung gemacht. Diese Zahlung ist, da jetzt eine Gesamtliquidation des Vermögens der Schuldner stattgefunden hat und alle Kurrentschulden gleichen Anspruch auf Deckung haben, aus den verbürgten wie auf den unverbürgten Teil der Schuld zu beziehen. Tatsächlich liegt die Sache nicht anders, als wenn der Kläger den Beklagten vor dem Konkurs die 2000 Fr. bezahlt hätte. In diesem Fall würde sich der Anspruch der Beklagten auf 11,000 Fr. vermindert und der Kläger, bei einer Eingabe im Konkurs, 482 Fr. erhalten haben, die ihm auch jetzt zukommen sollen.
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Demnach hat das Bundesgericht erkannt: | |
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