BGE 39 II 753 - Büchel-Meier | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Géraldine Danuser, A. Tschentscher | |||
128. Urteil der I. Zivilabteilung |
vom 20. Dezember 1913 in Sachen Büchel-Meier, Kl. u. Ber.-Kl., gegen Heußi-Thommen, Bekl. u. Ber.-Bekl. | |
Regeste |
Klage auf teilweise Rückvergütung des Kaufpreises wegen Entziehung einer gekauften Liegenschaft durch einen betreibenden Hypothekargläubiger. Keine Entwehrung nach Art. 192 rev. OR, wenn nach den Verhältnissen der Käufer die Betreibung abzuwenden hatte und wenn die Unterlassung dessen den rechtlich wesentlichen Grund des Entzuges bildet. Der Käufer hat die Betreibung abzuwenden, wenn er hinsichtlich der Hypothek, für die betrieben wurde, nach Art. 832 ZGB die Schuldpflicht übernommen hatte. -- Ist die hypothekarische Mehrbelastung unbedeutend grösser, als der Kaufvertrag vorgesehen, so berechtigt das den Käufer nicht, seine Verpflichtung aus der Schuldübernahme auf die Gefahr eines Entzuges durch die Betreibung abzulehnen. Ebenso ist unerheblich, dass er die Liegenschaft in Unkenntnis der schon hängigen Betreibung gekauft hat, falls er nur die Fälligkeit der betriebenen Hypothekarforderung kannte. | |
Erwägungen | |
Erwägung 1 | |
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Mit Schreiben vom 9. Mai 1913 an die Beklagte wies der Kläger durch seinen Anwalt auf die vorhandene Mehrbelastung hin, wobei er sie unrichtigerweise zu hoch, auf 1600 Fr., bezifferte, und forderte die Beklagte auf, ihm diese Summe zu bezahlen, ansonst er die Aufhebung des Kaufes in die Wege leiten und die Beklagte für den Schaden haftbar machen werde. Zum Kaufabschluß sei er aus Grund wissentlich falscher Angaben bewogen worden. -- In ihrer Anwort vom 15. Mai bestritt die Beklagte durch ihren Anwalt, irgend welche falschen Angaben gemacht zu haben und zur Bezahlung der verlangten 1600 Fr. verpflichtet zu sein; der Kläger selbst habe die Kaufbedingungen festgesetzt. Daß die Hypothek der Aktienbrauerei (III. Ranges) nicht genau 13,000 Fr. betrage, habe die Beklagte angegeben und bezüglich der andern Hypothek der Brauerei von 1000 Fr. sei die Verrechnung laut Abmachung Sache der Beklagten; vom Kläger sei die "Regelung" nur von 28,000 Fr. verlangt worden.
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Laut seinem nunmehrigen Klagebegehren, das die Vorinstanz durch Entscheid vom 26. September 1913 abgewiesen hat und das vor Bundesgericht erneuert wird, will der Kläger die Beklagte verhalten wissen, ihm die geleistete Anzahlung von 3000 Fr. und die durch ihn bezahlten Fertigungskosten von 234 Fr. 50 Cts. zurückzuzahlen, nebst Zins zu 5% seit dem 7. Oktober 1912. Zur Begründung dieses Begehrens hat er geltend gemacht: Die Beklagte habe ihm als Verkäuferin die hypothekarische Belastung unrichtig zu niedrig angegeben und ihm auch verschwiegen, daß sie bereits auf Grundpfandverwertung betrieben sei. Sobald er diesen Sachverhalt entdeckt, habe er die Beklagte ersucht, für die Regelung der Differenz besorgt zu sein. Sie sei aber dieser Aufforderung nicht nachgekommen und infolgedessen sei die Liegenschaft dem Kläger durch Pfandverwertung entzogen worden. Die Geltendmachung seines weitern Schadens behalte sich der Kläger ausdrücklich vor.
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Erwägung 2 | |
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Erwägung 3 | |
3. Der Art. 192 trifft auf den Fall insoweit zu, als dem Kläger die gekaufte Liegenschaft tatsächlich und zwar in vollem Umfange entzogen worden ist. Dagegen ist er aus einem andern Grunde unanwendbar: Eine Entwehrung im Sinne des Art. 192 liegt nämlich dann nicht vor, wenn es nach den gegebenen Verhältnissen Sache des Käufers war, die gegen den Kaufgegenstand gerichtete Zwangsvollstreckung abzuwenden und wenn die Unterlassung, dies zu tun, als der rechtlich wesentliche Grund der Entziehung des Gegenstandes gelten muß. So verhält es sich aber hier:
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Mit Unrecht wendet der Kläger hiegegen ein, die hypothekarische Gesamtbelastung sei um 1200 Fr. höher gewesen, als es der Kaufvertrag vorsehe. Diese Mehrbelastung konnte ihn nicht berechtigen, die Erfüllung der übernommenen Verpflichtung, für einen Hypothekarbetrag von 28,000 Fr. als Schuldner einzutreten, von sich abzulehnen, und zwar auf die Gefahr einer Entwehrung des Grundstückes hin. Es handelt sich um eine im Verhältnis zum Gesamtbetrag der Hypotheken ganz unbedeutende Mehrbelastung und in Wirklichkeit wurde durch sie die rechtliche Stellung des Klägers als Käufer gegenüber der Normierung im Kaufvertrag kaum erschwert. Die Folge war einfach, daß der Kläger einen etwas größern Teil des Kaufpreises durch Übernahme von Hypotheken Dritter und einen entsprechend kleineren Teil in Form der einzuräumenden Verkäuferhypothek bezahlen mußte. Zudem scheint die fragliche Mehrbelastung nicht etwa die I. und II. Hypothek, für die betrieben war und derentwegen die Liegenschaft dem Kläger entzogen wurde, zu betreffen, sondern die zwei nachgehenden Hypotheken; wenigstens hat die Beklagte dies in ihrem Schreiben vom 15. Mai 1912 dem Kläger besonders auseinandergesetzt und dieser ihre Ausführungen, soviel ersichtlich, niemals bestritten. Der Kläger erklärt auch ausdrücklich, eine Summe von 28,000 Fr. zur Hypothekenablösung in Bereitschaft gehabt zu haben. Er war also durchaus in der Lage, der Entwehrung durch rechtzeitige Bezahlung der zwei in Betreibung gesetzten Hypotheken von zusammen 15,000 Fr. zuvorzukommen.
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In der Berufungsschrift legt der Kläger besonders Gewicht noch darauf, daß die Beklagte keinen Beweis hinsichtlich der Frage anerboten habe, ob die Entwehrung auf sein Verschulden zurückzuführen sei, und daß daher die obere kantonale Instanz von einer Beweiserhebung hierüber hätte absehen sollen. In dieser Beziehung hat man es aber mit einer vom Bundesgericht nicht nachzuprüfenden Anwendung kantonalen Prozeßrechts zu tun. Das Gleiche gilt, soweit der Kläger geltend macht, seine Behauptung, daß er die übernommenen Hypotheken von 28,000 Fr. geregelt habe, sei von der Beklagten nicht bestritten worden und sie müsse daher als zugestanden gelten. Übrigens widerspricht diese Behauptung seiner andern Angabe, er habe das Geld zur Ablösung bloß "in Bereitschaft gehalten". Wäre sie aber richtig, so ließe sich alsdann nicht einsehen, wieso die Beklagte dafür einzustehen hätte, daß der Kläger trotz der behaupteten Befriedigung der betreibenden Gläubiger nicht hätte die Abstellung des Vollstreckungsverfahrens und im besonderen der Versteigerung erwirken können.
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b) Nach der Klage soll ferner die Beklagte für die Entziehung des Grundstückes auch deshalb haften, weil sie den Kläger beim Kaufabschlusse nicht von der bereits angehobenen Betreibung unterrichtet habe. Allein selbst wenn der Kläger die Liegenschaft in Unkenntnis dieser Betreibung gekauft hätte, so läge hierin doch kein für deren nachherige Entziehung kausales Moment. Entscheidend ist vielmehr, ob die Hypotheken fällig waren. Denn bejahendenfalls mußte der Kläger mit deren Rückzahlung auch dann rechnen, wenn noch keine Betreibung hängig war. Daß er aber über die Fälligkeit durch das Verschulden der Beklagten im Unklaren gewesen sei und deshalb die rechtzeitige Abstellung der Betreibung unterlassen habe, behauptet er selbst nicht. Es würde sich dies auch kaum mit seiner Angabe vertragen, er habe das für die Ablösung von 28,000 Fr. erforderliche Geld bereit gehabt. Im übrigen bestreitet er nicht, rechtzeitig genug von der bevorstehenden Versteigerung erfahren zu haben, um sie verhindern zu können, und letzteres muß auch nach den geltenden Vorschriften (Art. 139 SchKG) angenommen werden.
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Erwägung 4 | |
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Demnach hat das Bundesgericht erkannt: | |
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