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Informationen zum Dokument  BGE 41 II 571 - Irrtum über den Wert  Materielle Begründung
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Auszug aus den Erwägungen:
Erwägung 1
1. Am 6. Mai 1914 beauftrage der Kläger Wydler die Schweizer ...
Erwägung 2
2. Die Beklagte bestreitet in erster Linie die Aktivlegitimation  ...
Erwägung 3
3. Abzuweisen ist die Klageforderung zum vornherein, soweit sie a ...
Erwägung 4
4. Was die Anfechtung des Kaufes wegen Willensmängeln anlang ...
Erwägung 5
5. Die Anfechtbarkeit aus Art. 24 OR ist deshalb zu verneinen, we ...
Erwägung 6
6. Für die Anfechtung nach Art. 28 OR genügt laut diese ...
Erwägung 7
7. Mit dem Gesagten erledigt sich von selbst auch die Berufung de ...
Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: A. Tschentscher, Amanda Wittwer  
 
BGE 41 I, 571 (571)Urteil der I. Zivilabteilung
 
vom 1. Oktober 1915  
i.S. Wydler, Kläger,  
gegen  
die Spar- und Leihkasse Bern, Beklagte.  
Die Bank, die für einen Privaten Wertpapiere kauft, handelt in der Regel als Kommissionärin. Der Irrtum über den Wert der (an der Börse gekauften) Papiere ist auch im Falle völliger Wertlosigkeit kein wesentlicher. Anfechtung eines solchen Vertrages wegen absichtlicher Täuschung, begangen durch den Direktor der Verkäuferin als deren Organ. Erfordernisse der Verleitung zum Vertragsabschlusse und der absichtlichen Täuschung. Entspricht die erfolgte Irrtumserregung nicht den Voraussetzungen des Art. 28 OR, so ist das Geschäft auch nicht in Hinsicht auf Art. 20 OR und Art. 2 ZGB ungültig. Ist der Kauf von Namenaktien durch die Zulassung ihrer Uebertragung im Aktienregister bedingt?  
 
Auszug aus den Erwägungen:
 
 
Erwägung 1
 
1. Am 6. Mai 1914 beauftrage der Kläger Wydler die Schweizerische Volksbank in Bern, ihm 13 (Namen-) Aktien der Berner Rückversicherungsgesellschaft zu kaufen. Die Volksbank entledigte sich dieses Auftrages, indem sie am 7. Mai durch ihren Direktor Cattani an der Berner Börse von der Beklagten, der Spar- und Leihkasse Bern, die daselbst durch ihren Direktor, Albert Lang, vertreten war, die Aktien zum Preise von 7475 Fr. (9% über pari) erwarb. Direktor Lang war zugleich Verwaltungsrat der Rückversicherungsgesellschaft. Diese wollte anfänglich die Eintragung der mit 20% liberierten Titel auf den Namen des Klägers von der Hinterlegung einer weitern Zahlungsquote von 20% abhängig machen; als dann aber der Kläger dies als unzulässig bestritt und Aufhebung des Kaufes unter Rückerstattung des bezahlten Preises verlangte, liess die Gesellschaft die gestellte Bedingung fallen, wovon der Kläger am 18. Juni von der Volksbank Kenntnis erhielt. Am 16. Juni hatte inzwischen der Verwaltungsrat der Rückversicherungsgesellschaft den Aktionären durch Zirkular mitBGE 41 I, 571 (571)BGE 41 I, 571 (572)geteilt, dass die Rechnung des Jahres 1913 einen erheblichen zahlenmässigen Verlust erzeige, hauptsächlich weil der frühere (im November 1913 verstorbene) Direktor, Eggenberger, ohne Wissen der andern Gesellschaftsorgane die versicherungstechnischen Reserven niedriger als behördlich vorgeschrieben dotiert habe. In der Folge wurde bekannt, dass die in diesem Zirkular angedeutete Misswirtschaft Eggenbergers zum Verlust des ganzen einbezahlten Aktienkapitals geführt hatte und dass sie bis in die ersten Geschäftsjahre der Gesellschaft zurückreicht, weshalb die in den Jahresberichten für 1910/12 ausgewiesenen Gewinne tatsächlich nicht oder nicht in vollem Umfange verdient waren.
1
Auf das Zirkular vom 16. Juni hin, mit Brief vom 19. d.M., erklärte der Kläger der Beklagten, dass er den Kauf nicht halten werde; der Direktor der Beklagten habe genau wissen müssen, dass die Bilanz der Rückversicherungsgesellschaft pro 1912 den Verhältnissen absolut nicht entspreche. Im vorliegenden Prozesse hat er demgemäss das Begehren gestellt, es sei die Beklagte zur Rückerstattung des bezahlten Preises von 7475 Fr. sowie zur Ersetzung eines Courtage- und Auslagenbetrages von 28 Fr. 50 Cts. zu verhalten, beides nebst Zins zu 4% seit dem 7. Mai 1914 und zu 5% seit der Vorladung zum Aussöhnungsversuche. Er behauptet zunächst unter Berufung auf jenes Verlangen der Rückversicherungsgesellschaft zur Hinterlegung einer weitern Liberationsquote, ein Vertrag sei überhaupt nicht zustande gekommen. Eventuell ficht er den Vertrag auf Grund des Art. 24 OR wegen wesentlichen Irrtums, des Art. 28 OR wegen absichtlicher Täuschung, des Art. 21 OR wegen Uebervorteilung und des Art. 20 OR, weil gegen die guten Sitten vorstossend, an. Schliesslich will er die Klageforderung auf Grund des Art. 2 ZGB zugesprochen wissen.
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Die Vorinstanz hat die Klage als unbegründet abgewiesen.BGE 41 I, 571 (572)
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BGE 41 I, 571 (573)Erwägung 2
 
2. Die Beklagte bestreitet in erster Linie die Aktivlegitimation des Klägers mit der Behauptung, nicht der Kläger, sondern die Schweizerische Volksbank sei ihr Gegenkontrahent beim Kauf von 7. Mai 1914 gewesen. In dieser Beziehung ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass die Schweizerische Volksbank das Geschäft nicht als Stellvertreterin sondern als Kommissionärin für Rechnung des Klägers abgeschlossen hat. Der berufsmässige Ankauf und Verkauf von Wertpapieren durch die Bank als Beauftragte Dritter vollzieht sich ordentlicher Weise nach den Regeln des Kommissionsvertrages und es schliesst alsdann die Bank das Geschäft in eigenem Namen ab. Um statt dessen ein gewöhnliches Stellvertretungsverhältnis als von den Parteien gewollt anzunehmen, bedürfte es besonderer Anhaltspunkte, woran es im gegebenen Falle fehlt (vgl. Oser, Kommentar zum OR S. 764; Staub, Kommentar zum deutschen HGB 9. Aufl. II S. 1055). Wenn nun aber auch die Volksbank gegenüber der Beklagten als Käuferin aufgetreten ist, so schliesst das die Legitimation des Klägers nicht aus, den Kauf im Sinne der Klagebegründung zu bemängeln, den Preis zurückzufordern und damit zusammenhängende Ersatzansprüche geltend zu machen. Denn mit der Abtretung des Geschäftes an den Kläger als Kommittenten sind von selbst auch alle Rechte, die der Volksbank aus dem Geschäfte gegenüber der Beklagten erwuchsen, besonders auch das Recht zur Anfechtung wegen Willensmängeln, auf den Kläger übergegangen (Art. 425 in Verbindung mit Art. 401 OR; Fick, Kommentar Art. 425 N0 141; Düringer-Hachenburg, Kommentar zum HGB Bd. III S. 612).
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Erwägung 3
 
3. Abzuweisen ist die Klageforderung zum vornherein, soweit sie als Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung begründet wird. Der Kläger macht hier geltend, es sei wegen der anfänglichen Weigerung der Rückversicherungsgesellschaft, die Aktien ohne vorherige Hinterlegung einer weitern LiberationsBGE 41 I, 571 (573)BGE 41 I, 571 (574)quote auf seinen Namen zu übertragen, entweder überhaupt kein Vertrag zustande gekommen, oder dann doch, wie besonders heute ausgeführt wurde, nur ein bedingter Vertrag, dessen Bedingung, die Uebertragung der Aktien, durch jene Weigerung der Rückversicherungsgesellschaft ausgefallen sei. In Wirklichkeit ist aber der streitige Kauf mit der Einigung über Preis und Ware perfekt geworden. An die Bedingung, dass die Aktiengesellschaft die Uebertragung der Aktien auf den Käufer vorbehaltlos gestatte, haben die Vertragsparteien sein Zustandekommen nicht geknüpft. Wenn hienach die Aktiengesellschaft eine Uebertragung in diesem Sinne ablehnte, so konnte das im Verhältnis zwischen den Kaufparteien nur allenfalls die Bedeutung einer (teilweisen) Unmöglichkeit der Erfüllung des Kaufvertrages (Art. 119 OR) oder eines Mangels der Kaufsache haben. Diese allfälligen Einwendungen gegen das Kaufgeschäft sind aber durch die nachträgliche Zustimmung der Aktiengesellschaft zur vorbehaltlosen Uebertragung gegenstandslos geworden.
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Erwägung 4
 
4. Was die Anfechtung des Kaufes wegen Willensmängeln anlangt, so kommt es, wie die Vorinstanz zutreffend annimmt, darauf an, ob und in welchem Umfange solche Mängel bei der Schweizerischen Volksbank, als der den Vertrag abschliessenden Kommissionärin, vorhanden gewesen seien, während ihr Vorhandensein in der Person des Klägers als des am Vertragsabschlusse unbeteiligten Kommittenten für die Anfechtbarkeit nicht hinreichen würde. Auch die Klagebegründung stellt denn nicht lediglich darauf ab, dass sich der Kläger selbst, sondern auch darauf, dass sich die Volksbank über den Wert der gekauften Aktien geirrt habe. Die letztere Behauptung hat sich in tatsächlicher Hinsicht als richtig herausgestellt: Nach der für das Bundesgericht massgebenden Beweiswürdigung der Vorinstanz hat nämlich Direktor Cattani, der als Organ der Volksbank das Geschäft abschloss, vor dem Zirkular vom 16. Juni 1914 die schlechte Lage der RückverBGE 41 I, 571 (574)BGE 41 I, 571 (575)sicherungsgesellschaft nicht gekannt, wie denn auch in der ersten Hälfte des Mai 1914 der Stand der Gesellschaft noch als ausgezeichnet galt und demgemäss der Kurs ihrer Aktien sich auf der bisherigen Höhe hielt.
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Erwägung 5
 
5. Die Anfechtbarkeit aus Art. 24 OR ist deshalb zu verneinen, weil der Irrtum Direktor Cattanis über den Wert der Aktien keinen wesentlichen Irrtum im gesetzlichen Sinne bildet. Es braucht hier nicht näher erörtert zu werden, ob und in welchen besondern Fällen das revOR den Irrtum über den Wert der verabredeten Leistung als wesentlich angesehen wissen will, nachdem die Bestimmung in Art. 21 aOR, die ihn schlechthin als Irrtum im Beweggrund erklärte, gestrichen worden ist. Hier handelt es sich im besondern um den Ankauf kursfähiger Wertpapiere auf der Börse. Bei solchen Geschäften aber muss der Erwerber mit der Möglichkeit rechnen, dass dem Papier der Wert, der ihm vorher im allgemeinen auf Grund bekannter Unterlagen (veröffentlichter Bilanzen und Geschäftsberichte usw.) beigelegt wurde, in Wirklichkeit aus gewissen, nicht in die Oeffentlichkeit gedrungenen Gründen abgeht oder dass es sogar ganz wertlos ist. Daher hat man hier ohne gegenteilige Abrede als Wille der Parteien anzunehmen, dass der Käufer das Papier insoweit auf seine Gefahr hin erwirbt. Bei dieser Sachlage kann aber sein Irrtum nicht als ein wesentlicher gelten. Und namentlich betrifft hier die irrtümliche Annahme eines bestimmten Wertes des Papiers "keine notwendige Grundlage des Vertrages" im Sinne der Ziffer 4 des Art. 24.
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Erwägung 6
 
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Damit dem so sei, muss vor allem Lang sich selbst in keinem Irrtum über den Wert der von ihm verkauften Papiere befunden haben, also über den wirklichen Sachverhalt so aufgeklärt gewesen sein, um durch Täuschung bei der Gegenpartei einen sie zum Vertragsabschluss bewegenden Irrtum hervorrufen zu können. Wie es sich nun mit dem Wissen Langs um die Wertlosigkeit der Aktien verhalten habe, ist zunächst eine Tatfrage. Die Vorinstanz hat diese auf Grund eines grössern Beweismaterials gelöst, namentlich zweier "Reiseberichte" des Direktors Zeerleder, -- der als Nachfolger Eggenbergers dessen schlechte Geschäftsführung und die dadurch verursachte schlimme Lage der Gesellschaft nach und nach aufdeckte --, der Zeugenaussagen des Direktors und zweier Verwaltungsräte, der Verwaltungsratsprotokolle usw. Gestützt auf eine eingehende Würdigung dieses Materials kommt die Vorinstanz zu folgendem für das Bundesgericht massgebenden Ergebnisse: Die Mitglieder des Verwaltungsrates -- also auch Lang -- hätten infolge der Enthüllungen und Aufklärungen, wie sie ihnen bis zum Zeitpunkte des streitigen Kaufsabschlusses zu Teil wurden, nicht im Zweifel darüber sein können, dass die Verhältnisse der Gesellschaft sich verschlechtert hätten und dass für das Jahr 1913 mit einem Verluste gerechnet werden müsse. Dagegen fehle es an genügenden Anhaltspunkten dafür, dass sie damals schon die prekäre Lage in ihrer ganzen Wirklichkeit erkannt hätten. Dass der Verlust derart gross sei, wie sich nach dem (spätern) Abschluss der Bilanzarbeiten herausgestellt habe, sei ihnen laut den Zeugenaussagen ganz unerwartet gekommen. Angesichts der vermeintlichen günstigen Entwicklung des Unternehmens, die gerade damals durch die vorgelegte Statistik pro 1913 wiederum bestätigt worden sei, habe Lang in seinem Vertrauen in das Gedeihen und die Zukunft des Geschäfts nicht erBGE 41 I, 571 (576)BGE 41 I, 571 (577)schüttert zu sein gebraucht und er habe die Verschlechterung der Situation nach erfolgter Einsetzung einer zuverlässigen Geschäftsleitung für eine durchaus vorübergehende ansehen können.
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Wenn nun auch demzufolge Lang die verkauften Aktien nicht als wertlos halten, sondern lediglich annehmen musste, ihr innerer Wert stehe, wenigstens zur Zeit, erheblich unter dem auf Grund der ordentlichen Börsenkurse geforderten Preise, so ist doch die Verschweigung dessen an sich geeignet gewesen, um Direktor Cattani zum Vertragsabschlusse zu "verleiten". Denn als Kommissionär hatte Cattani die Interessen des Klägers gewissenhaft zu wahren (Art. 398 und 425 OR) und er hätte es nicht als in seinem Auftrage liegend ansehen dürfen, die Titel auch dann zu kaufen, wenn er, in gleichem Masse wie Lang über die Sachlage aufgeklärt, gewusst hätte, dass der angebotene Preis auf solche für ihre Wertung ungünstige Momente keine Rücksicht nehme. Ebenso muss mangels gegenteiliger Anhaltspunkte davon ausgegangen werden, dass sich auch der Kläger unter solchen Umständen nicht zu ihrem Erwerbe entschlossen hätte.
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Ob sodann eine "absichtliche Täuschung" im gesetzlichen Sinne darin liege, dass Lang sich über die derzeitige ungünstige Lage der Rückversicherungsgesellschaft, soweit sie ihm bekannt war, ausschwieg, hängt davon ab, ob unter den obwaltenden Umständen nach Treu und Glauben im Verkehr für ihn eine Rechtspflicht zur Aufklärung des Vertragsgegners bestand. In dieser Beziehung verweist die Vorinstanz zutreffend zunächst darauf, dass Lang sich in Hinsicht auf die Bildung der vertraglichen Willensentschliessung des Käufers rein passiv verhalten, den Käufer nicht gesucht, sondern einfach sein Kaufsangebot entgegengenommen hat. Zu Unrecht ist heute diese Würdigung als aktenwidrig bemängelt worden, mit der Behauptung, nach den Zeugenaussagen Cattanis und Langs habe dieser die Titel zumBGE 41 I, 571 (577) BGE 41 I, 571 (578)Verkauf ausgeboten und erst daraufhin Cattani seine Kaufsofferte gemacht. Die Akten tun solches nicht dar. Jedenfalls aber enthält ein blosses Kaufausgebot an der Börse, ohne irgend welche Empfehlung zu kaufen, noch keine für die Bildung der vertraglichen Willensentschliessung des Käufers erhebliche Beeinflussung. Im weitern spricht gegen eine Anfechtbarkeit der Umstand, dass Lang seinen Käufer nicht über die völlige Wertlosigkeit der Aktien hätte aufklären, sondern ihm nur erhebliche Bedenken gegen deren derzeitigen inneren Wert, wie ihn der Käufer voraussetzte, hätte unterbreiten können, und auch dies nur mit der Beschränkung, dass sein Zutrauen in das Gedeihen und die Zukunft des Unternehmens nicht erschüttert sei. Eine solche Auskunft aber darf vernüftigerweise der Käufer nicht erwarten. Eine Rechtspflicht zur Mitteilung kann in Fällen wie dem vorliegenden umso weniger bestehen, als man es mit Verkäufen von Wertpapieren an der Börse zu tun hat, welche Verkäufe sich für das nämliche Papier innerhalb eines grössern Personenkreises regelmässig wiederholen, und zwar gewöhnlich kommissionsweise, zwischen Parteien, die einander persönlich nicht nahe treten. Hier den Verkäufer zur Klarlegung der Sachlage zu verhalten, würde den börsenmässigen Umsatz der Papiere in einer mit dem gerechfertigen Bedürfnisse des Verkehrs unverträglicher Weise hemmen. Endlich ist auch zu berücksichtigen, dass Direktor Lang der Rückversicherungsgesellschaft gegenüber als Verwaltungsrat verpflichtet war, über deren geschäftliche Lage, namentlich unter den eingetretenen schwierigen Verhältnissen, Verschwiegenheit zu beobachten, wobei er wohl freilich einer Kollision mit seiner Auskunftspflicht als Verkäufer durch die Unterlassung, als solcher aufzutreten, hätte entgegen können.
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Erwägung 7
 
7. Mit dem Gesagten erledigt sich von selbst auch die Berufung des Klägers auf den Art. 2 ZGB. Hat Direktor Lang durch seine Verschweigung keine "abBGE 41 I, 571 (578)BGE 41 I, 571 (579)sichtliche Täuschung" im Sinne des Art. 28 OR begangen, also das Gebot zur Aufrichtigkeit, soweit es Rechts- und nicht lediglich sittliches Gebot ist, in Ansehung des Art. 28 nicht übertreten, so genügt sein Verhalten auch den Anforderungen an das "Handeln nach Treu und Glauben" im Sinne des Art. 2 ZGB. Denn wenn die Irrtumserregung nicht hinreicht, um den Vertrag nach Art. 28 OR anzufechten, so kann sie auch nicht dazu führen, ihm die Gültigkeit auf Grund einer andern Gesetzesbestimmung zu nehmen, die als solche dem Billigkeitsgefühl oder dem sittlichen Empfinden zum Durchbruch verhelfen will. Darnach beruft sich der Kläger auch mit Unrecht auf den Art. 20 OR. Der Art. 21 OR sodann trifft deshalb nicht zu, weil Direktor Cattani als Käufer zweifellos in keiner "Notlage" oder aus "Unerfahrenheit" oder "Leichtsinn" gehandelt hat und weil im besondern unter "Unerfahrenheit" nicht ein Mangel an Kenntnis der für die wirtschaftliche Würdigung des Vertrages in Betracht kommenden konkreten Verhältnisse, vielmehr die Unfähigkeit zur Beurteilung solcher Verhältnisse im allgemeinen zu verstehen ist...
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Demnach hat das Bundesgericht erkannt:
 
Die Berufung wird abgewiesen und das angefochtene Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern in allen Teilen bestätigt.BGE 41 I, 571 (579)
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