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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
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Rechtsgeschäfte unter Ehegatten (Erw. 1): |
Abtretung oder Verpflichtung zukünftiger Abtretung seitens der Ehefrau an den Ehemann ? Ist gestützt auf eine solche Verpflichtung der Ehemann berechtigt, die Abtretung an sich selbst vorzunehmen ? |
ZGB Art. 177 Abs. 2 und 3 : Die der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde bedürftigen Rechtsgeschäfte werden erst durch die Zustimmung perfekt, wirken dann aber zurück. |
ZGB Art. 248: Eintragung von Rechtsgeschäften in das Güterrechtsregister und Veröffentlichung; Behauptungs- und Beweislast des Ehegatten, welcher aus einem solchen Rechtsgeschäft Rechte gegenüber Dritten herleitet. |
Verrechnung bei Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung; analoge Anwendung der Art. 213, 214 SchKG (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
A. | |
Der Beklagte war Mitglied des Verwaltungsrates der Zürcher Depositenbank, die im Juni 1921 in Zahlungsschwierigkeiten geriet. Während seine Frau ein Konto-korrentguthaben an der Bank hatte, das auf 30. Juni 1921 17,721 Fr. betrug, schuldete er selbst der Bank aus Kontokorrent eine höhere Summe... In der Sitzung des Verwaltungsrates vom 30. Juni 1921, an welcher der Beklagte teilnahm, wurde in Aussicht genommen, eine Notstundung, eventuell Nachlasstundung nachzusuchen und für den Fall, dass sie nicht bewilligt würde, den Konkurs zu erklären. Gleichen Tages stellte die Ehefrau des Beklagten folgende "Erklärungen" aus :
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"Zu Handen der Direktion der Zürcher Depositenbank erkläre ich, dass ich jederzeit mein Kontokorrentgut ![]() ![]() | 2 |
Die Bank antwortete am folgenden Tage, dass sie den Brief des Beklagten ihrem Rechtsbeistand vorlegen werde, um festzustellen, ob die Ausführung seiner Wünsche vor der gerichtlichen Bestellung des Sachwalters möglich sei. Gleichen Tages schloss sie ihre Schalter, und am 5. Juli ersuchte sie die Nachlassbehörde um eine Nachlasstundung, indem sie einen Nachlassvertrag mit Abtretung aller Aktiven an die Gläubiger vorschlug, in der Meinung, dass der nach Tilgung der Passiven sich ergebende Überschuss den Aktionären auszurichten sei ; die Nachlasstundung wurde am 9. Juli bewilligt. Am 19. Juli kündigte die Bank das Konto des Beklagten zur Rückzahlung auf 30. August. Auf der Richtigbefundsanzeige vom 20. Juli bezüglich des Rechnungsauszuges per 30. Juni wies der Beklagte handschriftlich auf sein Schreiben vom 30. Juni hin und zog das Kontokorrentguthaben seiner Frau mit 17,721 Fr. ab, während diese am gleichen Tage den Auszug betreffend ihre Rechnung per 30. Juni mit einem Saldo von 17,721 Fr. zu ihren Gunsten als richtig anerkannte und ihr Kontokorrentguthaben am 23. Juli beim Sachwalter anmeldete Am 28. Juli schrieb die Bank dem Beklagten unter Bezugnahme auf seine Befundsanzeige, dass sie "dem darauf vorgeschlagenen Kompensationsgesuch" laut Mitteilung des Sachwalters nicht entsprechen könne.
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"1. Die Zürcher Depositenbank überlässt ihre sämtlichen Aktiven ihren Gläubigern zur aussergerichtlichen Liquidation. Sie sichert den Gläubigern volle Befriedigung zu.....
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2. Die Liquidation wird durch eine fünfgliedrige Liquidationskommission, welcher der bisherige Sachwalter als Präsident angehört, durchgeführt. Die übrigen vier Mitglieder der Liquidationskommission werden durch die Gläubigerversammlung vom 31. Oktober 1921 gewählt....
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4. Für das Liquidationsverfahren finden im übrigen die Bestimmungen von Art. 208 und ff. Sch. und K.- Gesetz analoge Anwendung....."
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Am 10. Mai 1922 stellte die Ehefrau des Beklagten beim Waisenamt das Gesuch, " es sei ihr die Übertragung ihres Kontokorrentguthabens auf die Zürcher Depositenbank im ungefähren Betrage von 18,500 Fr..... auf ihren Gatten zu Eigentum zwecks Kompensation ihres Guthabens mit seiner Kontokorrentschuld..... zu gestatten." Daraufhin wurde am 19.Mai 1922 "der Schenkung der Frau Marie Kälin-Benziger an ihren Ehemann im Betrage von 18,500 Fr." "die waisenamtliche Genehmigung gemäss Art. 177 Abs. 2 und 3 ZGB erteilt".
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Gestützt auf das bisherige Ergebnis der Liquidation ist (nach den heutigen übereinstimmenden Parteivorbringen) vorauszusehen, dass die Aktiven der Bank rund 30 % der Passiven nicht zu decken vermögen.
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B. | |
Mit der vorliegenden Klage fordert die Liquidationsmasse der Zürcher Depositenbank in Liq. ihr Kontokorrentguthaben vom Beklagten.....
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C. | |
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D. | |
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die Berufung an das Bundesgericht eingelegt mit dem Antrag:
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"Der Beklagte sei verpflichtet, an die Klägerin ausser den der letzteren zugesprochenen 338 Fr. 90 Cts. nebst Zins zu 6 % seit 23. August 1921 und 1/8 % Kommission per Quartal weitere 17,721 Fr. nebst Zins zu 6 % seit 30. Juni 1921 und 1/8 % Kommission per Quartal zu bezahlen......"
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung : | |
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Das Bundesgericht ist an die tatsächliche Feststellung der Vorinstanz gebunden, dass die mit dem Datum des 30. Juni 1921 versehene Erklärung der Frau des Beklagten wirklich schon an diesem Tage und nicht etwa erst später abgegeben worden ist. Ihrer sofortigen Rechtswirksamkeit stand der Umstand nicht entgegen, dass sie nicht auch sofort der Zürcher Depositenbank vorgelegt wurde, sondern erst viel später. Dagegen ist das Bundesgericht in der Auslegung jener Erklärung frei. Im Gegensatz zu den Vorinstanzen vermag es ihr angesichts ihrer Formulierung nicht die Bedeutung einer den Forderungsübergang unmittelbar bewirkenden Abtretung beizumessen, sondern nur diejenige einer Verpflichtung zu künftiger Abtretung. Die Frau des Beklagten hat sich denn auch nach wie vor als Gläubigerin ihrer Kontokorrentforderung betrachtet, wie aus ihrer Richtigbefundsanzeige vom 20. Juli und besonders aus der Forderungsanmeldung im Nachlassvertrag vom 23. Juli 1921 zu schliessen ist. In welchem spätern Zeitpunkt die ![]() ![]() | 15 |
Selbst wenn aber die Erklärung der Frau des Beklagten vom 30. Juni 1921 als auf eine präsente Abtretung ihrer Kontokorrentforderung gerichtet angesehen werden wollte, so war sie doch nicht geeignet, sofort deren Übergang auf den Beklagten zu bewirken. Wie der Beklagte nie in Zweifel gezogen hat, bedurfte diese Abtretung als ein das eingebrachte Frauengut betreffendes Rechtsgeschäft zu ihrer Gültigkeit der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde (Art. 177 Abs. 2 ZGB), und diese wurde erst am 19. Mai 1922 erteilt. Freilich wirkt die nachträgliche Zustimmung der Vormundschaftsbehörde auf den Zeitpunkt des Geschäfts ![]() ![]() | 16 |
Wäre aber davon auszugehen, dass die Kontokorrentforderung der Frau des Beklagten erst am 19. Mai 1922 auf den Beklagten übergegangen ist, so würde die Unzulässigkeit der vom Beklagten erklärten Verrechnung seiner Kontokorrentschuld mit dieser Kontokorrentforderung aus der Vorschrift des Art. 213 Abs. 2 Ziff. 1 SchKG folgen, für deren analoge Anwendung auf Nachlassverträge mit Abtretung aller Aktiven an die Gläubiger sich das Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat (AS 40 III S. 304 f. Erw. 3 f.; 41 III S. 149 ff. Erw. 5). Danach ist nämlich die Verrechnung ausgeschlossen, wenn ein Schuldner des Gemeinschuldners erst nach der Konkurseröffnung Gläubiger desselben wird. Welcher Zeitpunkt bei solchen Nachlassverträgen ![]() ![]() | 17 |
Nun kann sich aber der Beklagte überhaupt nicht auf diese Abtretung stützen, um seine Schuld an die Klägerin zu verrechnen. Rechtsgeschäfte unter Ehegatten, die das eingebrachte Gut der Ehefrau betreffen, bedürfen nämlich zu ihrer Gültigkeit nicht nur der Zustimmung der Vormundschaftsbehörde, sondern nach Art. 248 ZGB zur Rechtskraft gegenüber Dritten ausserdem der Eintragung in das Güterrechtsregister und der Veröffentlichung. Dass diese Eintragung und Veröffentlichung stattgefunden haben, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Freilich hat die Klägerin nicht eingewendet, dass sie fehlen ; doch kommt hierauf nichts an, weil das Vorliegen dieser Erfordernisse der Rechtskraft der Abtretung gegenüber Dritten vom Beklagten zu behaupten und zu beweisen war, welcher die Verrechnung seiner Schuld an die Klägerin aus dieser Abtretung herleitete. Von diesen Erfordernissen kann vorliegend nicht etwa mit Rücksicht darauf abgesehen werden, dass die Abtretung für die Frau des Beklagten nichts weiteres als eine Änderung in der Vermögensanlage bedeutet habe, weil die Begründung eines neuen Guthabens zu ihren Gunsten bei einer andern Bank aus Mitteln des Beklagten vorgesehen gewesen sei. Nicht nur steht nämlich nichts über eine Abrede der Ehegatten fest, wonach der Beklagte seiner Frau in dieser oder jener Form eine gleichwertige Gegenleistung zu machen habe, sondern dem Waisenamt gegenüber scheint die Abtretung ausdrücklich als schenkungshalber erfolgt ausgegeben worden zu sein. Ebensowenig könnte das Fehlen der Eintragung und Veröffentlichung vorliegend als belanglos bezeichnet werden mit dem Hinweis ![]() ![]() | 18 |
2. Wäre aber die Abtretung auch als schon am 30. Juni 1921 perfekt geworden anzusehen, so würde sich weiter fragen, ob sie nicht der Anfechtung unterliege. Zu Unrecht hat freilich die Klägerin der analogen Anwendung der Art. 287 und 288 SchKG gerufen, weil keinerlei Rechtshandlung der Gemeinschuldnerin, der Zürcher Depositenbank, sondern nur eine solche ihres Schuldners, des Beklagten, in Frage steht; infolgedessen kann dahingestellt bleiben, ob diese Vorschriften über die sog. paulianische Anfechtung beim Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung an die Gläubiger analog anzuwenden sind. Vielmehr kann nur die analoge Anwendung von Art. 214 SchKG in Betracht fallen, wonach die Verrechnung anfechtbar ist, wenn ein Schuldner des Gemeinschuldners vor der Konkurseröffnung, aber in Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Gemeinschuldners, eine Forderung an denselben erworben hat, um sich oder einem andern durch die Verrechnung unter Beeinträchtigung der Konkursmasse einen Vorteil zuzuwenden. Für die Anwendung dieser Vorschrift auf den vorliegenden Fall genügt es nun nicht, dass sie unter Billigung der Nachlassbehörde im Nachlassvertrag selbst ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() ![]() | 19 |
Übrigens müsste die Anwendbarkeit der Vorschrift des Art. 214 SchKG auf den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung an die Gläubiger auch ganz abgesehen von den vorstehenden Erörterungen über die besondere Rechtsnatur dieser Vorschrift ausgesprochen werden, und zwar gestützt auf Art. 1 ZGB. Ein dringendes Bedürfnis erheischt, dass auch beim Naehlassvertrag mit Vermögensabtretung an die Gläubiger die Ausplünderung der Aktivmasse, soweit sie in Guthaben besteht, durch Schiebungen der erwähnten Art verhindert und die Gleichbehandlung der Gläubiger gesichert wird. Dieses Ziel lässt sich nur durch die Anwendung des Art. 214 SchKG erreichen (in letzterer Beziehung insofern, als den Gläubigern des Gemeinschuldners die Gelegenheit zu vorteilhafter Abstossung ihrer Forderungen an dessen Schuldner abgeschnitten wird). Es kann denn auch keinem ernstlichen Zweifel unterliegen, dass, wenn beim Erlass des SchKG das Institut des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung an die Gläubiger bereits bekannt und praktisch bedeutsam gewesen wäre wie heute, die Anwendung des Art. 214 auf den Nachlassvertrag mit Vermögensabtretung an die Gläubiger angeordnet worden wäre.
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Ob nun die tatsächlichen Voraussetzungen der Anfechtung der Verrechnung vorliegend zutreffen, insbesondere ob die subjektiven Momente auf Seite des Beklagten vorhanden waren, braucht nicht untersucht zu werden, nachdem sich die Klage, soweit sie noch strei ![]() ![]() | 21 |
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Demnach erkennt das Bandesgericht: | |
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