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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Simone Jampen, Susan Emmenegger | |||
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vom 8. November 1938 |
i.S. Winterhalter |
gegen |
Gläubigergemeinschaft der Metalltextilwerk A.-G. |
Aktienrecht: Kauf eines Aktienmantels. |
Begriff des Aktienmantels: das formale Gebilde einer wirtschaftlich liquidierten, rechtlich aber noch nicht aufgelösten A.-G. |
Der Kauf eines solchen Aktienmantels ist widerrechtlich und daher nichtig, Art. 20 OR. |
Zulässig ist dagegen der Erwerb der Gesamtheit oder Mehrheit der Aktien einer bestehenden, wenn auch notleidenden A.-G. |
Der Nachlassvertrag mit Abtretung aller Aktiven bedeutet keine Auflösung und Beendigung der A.-G. | |
Aus dem Tatbestand: | |
Der Beklagte Winterhalter hatte von der notleidenden Metalltextilwerk A.-G. (Metex) die Reissverschlussabteilung zum Preis von Fr. 50,000. erworben. Gegenstand des Kaufvertrages waren a) die sämtlichen Maschinen, Werkzeuge und Einrichtungen, b) die für die Reiss ![]() ![]() | 1 |
Die Klage der Gläubigergemeinschaft Metex, auf die zufolge des Nachlassvertrages die Forderung gegen den Beklagten übergegangen war, wurde sowohl vom Handelsgericht St. Gallen, wie vom Bundesgericht geschützt.
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Aus den Erwägungen: | |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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Erwägung 1 | |
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Der Auffassung des Beklagten über die Nichtigkeit eines Kaufgeschäftes über einen Aktienmantel ist nun durchaus beizupflichten, sofern man unter einem Aktienmantel das rein formale Gebilde einer wirtschaftlich bereits liquidierten, juristisch aber noch nicht aufgelösten Gesellschaft versteht (Hauser, Der Mantel bei der A.-G. und G.m.b.H., § 3), so dass der Kauf eines solchen Mantels lediglich den Erwerb der äussern Rechtsform einer als juristische Person bestehenden Kapitalgesellschaft darstellt, die zufolge des Fehlens eines Unternehmens hohl, wirtschaftlich bedeutungslos geworden ist (Baumbach, ![]() ![]() | 5 |
Erwägung 2 | |
2. a) Mit einem Tatbestand dieser Art hat man es jedoch im vorliegenden Falle entgegen der Meinung des Beklagten nicht zu tun. Gegenstand des Vertrages vom 23. Mai 1936 bildete nicht der leere Aktienmantel im oben ![]() ![]() | 6 |
Gelegentlich wird allerdings auch der Verkauf aller Aktien -- oder der massgebenden Mehrheit derselben -- einer mindestens teilweise noch tätigen Gesellschaft als Mantelkauf bezeichnet. Da dieser Fall sich aber vom oben geschilderten Mantelkauf im eigentlichen Sinn wesentlich unterscheidet, spricht man hier zur Vermeidung von Missverständnissen besser von Kauf und Verkauf der Aktiengesamtheit oder Aktienmehrheit.
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c) Der Prüfung dieser Frage vorgängig ist allgemein darauf hinzuweisen, dass zwei grundlegende Momente der schweizerischen Rechtsordnung nicht übersehen werden dürfen, nämlich einerseits die nach positivem Recht bestehende Möglichkeit einer Veräusserung aller Aktien, sowie die Möglichkeit der Vereinigung aller Aktien in einer Hand, und die daraus resultierende Zulässigkeit einer Einmann-Gesellschaft im Rahmen und mit den Beschränkungen von Art. 625 und 775 OR; anderseits die gesetzliche Möglichkeit, nach Massgabe von Art. 647 /9 und 784 OR den Zweck, die Firma, überhaupt die Statuten der Gesellschaft abzuändern, dabei auf den bisherigen Geschäftsgegenstand ganz oder zum Teil zu verzichten und unter Aufrechterhaltung der Identität der Gesellschaft eine neue wirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen, eine sog. wirtschaftliche Neugründung durchzuführen und zu diesem Zweck auch die Firma, die Organisation und die ![]() ![]() | 9 |
Erwägung 3 | |
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Der Beklagte behauptet in der Berufungsschrift weiter, dass die streitige Transaktion einer Umgehung von Art. 657 Abs. 2 aOR (Art. 725 OR) gleichkomme. Ob die Verwaltung der Metex gemäss Art. 657 Abs. 1 eine Generalversammlung einzuberufen hatte oder das unterliess, oder ob sie nach Art. 657 Abs. 2 eine Überschuldung hätte anzeigen müssen, sind indessen Fragen, welche die Existenz der Gesellschaft und die Gültigkeit der Veräusserung alle Aktien der Aktionäre der Metex, den Kauf einer Geschäftsabteilung zum Weiterbetrieb durch den Aktienerwerber in keiner Weise berühren. Wenn diese Bestimmungen verletzt und Dritte in die Meinung versetzt wurden, das alte Aktienkapital sei noch intakt, so mögen die davon Betroffenen oder Geschädigten ihre Rechte gegen die verantwortlichen Organe der Metex geltend machen. Der Beklagte aber kann auf keinen Fall im vorliegenden Prozess die Gültigkeit des von ihm geschlossenen Kaufvertrages unter Hinweis auf Art. 657 aOR bestreiten.
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Erwägung 4 | |
4. a) Im weitern ist zu prüfen, ob Vorschriften über die Auflösung der A.-G. verletzt worden seien. Die Gesell ![]() ![]() | 14 |
Ein Auflösungsbeschluss war zur Zeit des Vertragsabschlusses mit dem Beklagten (23. Mai 1936) nicht gefasst und wurde es auch in der Folge nicht. Wohl hatte die Metex A.-G. begonnen, einzelne Aktiven zu verkaufen, die kleinen Gläubiger abzufinden und mit den grösseren Warengläubigern und den Finanzgläubigern einen aussergerichtlichen Nachlassvertrag anzubahnen. Dem Beklagten wurden Maschinen und Geschäftsbeziehungen usw. der weiter zu betreibenden Reissverschlussabteilung verkauft und übergeben. Er sollte auch die Aktien erhalten, aber die Aktien einer A-.G., deren Schulden vor Übergabe dieser Aktien getilgt wurden. Es gingen mit andern Worten wesentliche und charakteristische Bestandteile des Unternehmens der Metex auf den Beklagten über, der auch die gesamten Aktien kaufte. Mit den Aktiven und dem noch betriebsfähigen Teil des Unternehmens (Reissverschlussabteilung) sollten auch die andern immateriellen Bestandteile des Unternehmens übergehen (Einfuhrkontingentberechtigungen, Ansprüche auf Leistungen der pro ![]() ![]() | 15 |
Man kann also nicht behaupten, dass der Beklagte Aktien einer nicht mehr bestehenden A.-G. gekauft hätte oder solche einer A.-G., deren rechtliche Auflösung und Liquidation im Zeitpunkt des Kaufes beschlossen gewesen wäre. Der Kauf war daher im Zeitpunkt seines Abschlusses, 23. Mai 1936, rechtlich gültig und nicht im Widerspruch mit dem Aktienrecht, insbesondere nicht im Widerspruch mit Vorschriften über die Auflösung und Liquidation einer A.-G.
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Das ist aus verschiedenen Erwägungen unzutreffend. Auch wenn man der Darstellung des Beklagten zunächst folgt, muss man immerhin sagen, dass die streitige Übertragung der Aktien höchstens den letzten Akt der Liquidation darstellen würde. Das ist aber etwas anderes als der Verkauf des Aktienmantels einer seit Jahr und Tag total liquidierten und aufgegebenen Gesellschaft. Das Bundesgericht selbst hat im zuletzt entschiedenen Fall BGE 55 I S. 346 ff. trotz nahezu vollendeter Liquidation und längerem Ruhen der Tätigkeit eine A.-G. als nicht tatsächlich aufgegeben und aufgelöst erklärt und ihre Weiterexistenz anerkannt. Diese Tendenz, nicht zu formalistisch zu sein, verbietet auch, den vorliegenden Fall dem Kauf eines Mantels einer längst aufgelösten A.-G. gleich zu stellen.
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Dazu kommt eine andere Überlegung: Es ist, wenn man den ganzen Kaufvertrag sich nochmals vor Augen hält, unzweifelhaft, dass der Beklagte den lebensfähigen Teil der Metex A.-G. zum Weiterbetrieb übernehmen wollte. Nur hat man zur Vermeidung gewisser Schwierigkeiten und Risiken und zur sofortigen Erlangung gewisser praktischer Vorteile für die Überleitung dieser Unternehmensteile die Rechtsform eines Kaufvertrages gewählt: die Maschinen, Fabrikationsvorräte und Goodwill (Kundschaft, Fabrikationserfahrungen, Bezugsquellen, Kontingente, laufende Fabrikationsaufträge und Geschäftsbeziehungen) wurden dem Beklagten verkauft. Er trat auch ![]() ![]() | 20 |
Einen solchen Fall der Aktienübertragung muss man richtigerweise gleich behandeln wie den Kauf aller Aktien vor Beginn einer Liquidation. Es ist nicht einzusehen, weshalb in solchen Fällen eine Löschung der bestehenden und tatsächlich fortbetriebenen Gesellschaft und dazu eine Neugründung erzwungen werden sollte. Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass der sog. Mantelkauf eine durchaus wünschenswerte wirtschaftliche Transaktion darstellen kann und keineswegs eine Gesetzesumgehung bezweckt, "z.B. wenn es sich um die Sanierung eines ins ![]() ![]() | 21 |
Auch wenn man also für die Beurteilung des streitigen Mantelkaufes nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses (23. Mai 1936) abstellt, sondern auf den Zeitpunkt des Vollzuges (beendigte Tilgung der Passiven der Gesellschaft), so kann man nicht sagen, dass er mit gesetzlichen Bestimmungen über die Auflösung und Liquidation der A.-G. in Widerspruch stände.
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Erwägung 5 | |
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Die Vorinstanz hat den steuerrechtlichen Gesichtspunkten grosse Beachtung geschenkt und erklärt, dass die Übertragung des Aktienmantels lediglich zur Ersparung von Steuern als Verstoss gegen die steuerrechtlichen Pflichten und daher als widerrechtlich anzusehen ist. Die Vorinstanz verneint aber im vorliegenden Fall eine Verletzung von Steuervorschriften deshalb, weil der Beklagte ja am 1. Juni 1937 eine neue A.-G. gegründet habe, mit neuen Statuten und anderem Namen, also tatsächlich die Übertragung des Mantels gar nicht zu ungunsten des Fiskus ausgenützt habe.
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Es braucht hier nicht erörtert zu werden, ob diese grundsätzliche Auffassung der Vorinstanz haltbar ist oder ob nicht vielmehr zutrifft, was das Bundesgericht in BGE 55 I S. 354/5 über die Erlaubtheit der Vermeidung staatlicher Abgaben ausgeführt hat. ![]() | 25 |
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Der streitige Mantelkauf hat aber bis heute eine solche Steuerpflicht nicht ausgelöst und war unter diesem Gesichtspunkt nicht widerrechtlich. Denn tatsächlich wurde der Mantel gar nicht im Sinne von Art. 21 II St.StG verwendet, was allein die Steuerpflicht auslösen würde. Überdies liegt gar kein Fall der Überlassung von Beteiligungsrechten an einer tatsächlich liquidierten Gesellschaft (Art. 53 lit. c) vor.
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Von all dem abgesehen, muss es abgelehnt werden, als Folge einer allfälligen Zuwiderhandlung gegen stempelsteuerrechtliche Bestimmungen die zivilrechtliche Ungültigkeit des betreffenden Rechtsgeschäftes anzunehmen. Man mag Geschäfte, welche mit dem Steuerrecht in Widerspruch stehen oder vielleicht einmal eine Steuerumgehung ermöglichen, für strafbar erklären. Davon die grundsätzliche zivilrechtliche Ungültigkeit des Geschäftes daraus abzuleiten, war auch nie die Rede, als man (nach Erlass des St.StG) anlässlich der Revision des OR, die Frage eines Verbotes von Mantelkauf und Mantelverwertung liquidierter Gesellschaften diskutierte. Auch unter diesem letzten Gesichtspunkt ist daher der streitige Mantelverkauf als gültig zu erklären. ![]() | 28 |
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