BGE 72 II 1 - Geschäftsbezeichnung Kinderheim | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Jana Schmid, A. Tschentscher | |||
1. Urteil der II. Zivilabteilung |
vom 8. Februar 1946 i.S. Guhl gegen Morath und Mazzoleni. | |
Regeste |
1. Klage gegen die Geschäftsnachfolger auf Unterlassung des Gebrauchs der bisherigen Geschäftsbezeichnung (enseigne). Unbefugter oder erlaubter Gebrauch? Schutzwürdiges Interesse des Klägers? (Art. 28, 29 Abs. 2 ZGB). |
2. Enthält die Berufungsschrift für einzelne Anträge keine Begründung, so wird auf diese Anträge nicht eingetreten (Art. 55 lit. c OG). | |
Sachverhalt: | |
A. | |
Mit Vertrag vom 16. Februar 1944 verkaufte der Kläger Hermann Guhl-Kläsi der Beklagten Clara Mazzoleni "das Anwesen Murggen: 'Kinderheim Chalet Guhl-Kläsi' in Amden" mit dem gesamten zum Kinderheim gehörenden Mobiliar. Der Kaufpreis wurde auf Fr. 101,000.-, der Antritt auf 1. April 1944 festgesetzt. Zur mitverkauften Fahrhabe gehörten u.a. 900 Prospekte und 1000 Pastellkarten je mit dem Aufdruck "Privat-Kinderheim Chalet Guhl-Kläsi".
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B. | |
Am 1. April 1944 zog sich der Kläger mit seiner Frau nach Thalwil ins Privatleben zurück. In der Folge liess er seine Firma "Hermann Heinrich Guhl, Kinderheim, Amden" im Handelsregister löschen.
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Die Beklagte Clara Mazzoleni und die Mitbeklagte Maria Morath, die das Kinderheim seit dem 1. April 1944 ohne Beteiligung des Klägers gemeinsam betrieben, versahen die gekauften Prospekte mit dem Stempelaufdruck "Kinderheim Solreal vorm. Kinderheim Guhl Amden" und verwendeten sie zur Reklame. Auf einem mit der gleichen Bezeichnung überschriebenen und mit der Unterschrift "Leitung: Schwestern M. Morath u. Cl. Mazzoleni" versehenen Einlageblatt zeigten sie an, dass ihnen die Familie Guhl-Kläsi ihr Kinderheim verkauft habe. Auf ihr Briefpapier und ihre Briefumschläge setzten sie die Aufschrift "Privatkinderheim Solreal vorm. Chalet Guhl, Amden".
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Unter der gleichen Bezeichnung empfahlen sie ihr Unternehmen in Zeitungsinseraten. Ins Verzeichnis der Telephonteilnehmer liessen sie die Bezeichnung "Kinderheim Guhl, Schwestern M. Morath u. Cl. Mazzoleni" aufnehmen.
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C. | |
Nachdem zwischen den Parteien wegen der Warenübernahme Streit entstanden war und der Anwalt des Klägers die Beklagten mit Schreiben vom 3. August 1944 vergeblich ersucht hatte, den Namen Guhl bezw. Guhl-Kläsi nicht weiter zur Kennzeichnung ihres Unternehmens zu verwenden, erhob der Kläger am 8. August 1944 gegen sie Klage mit den Begehren,
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2) es sei ihnen jeder weitere Gebrauch des Namens Guhl bezw. Guhl-Kläsi zur Reklame für ihr Kinderheim oder zu dessen Kennzeichnung zu untersagen,
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3) sie seien zur Tragung der "aus der Beseitigung dieses Namens entstehenden Kosten" zu verpflichten,
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4) es sei festzustellen, dass der Kläger allein berechtigt sei, Postsendungen in Empfang zu nehmen, die Adressen wie "Kinderheim Guhl", "Chalet Guhl" und dergleichen tragen und nicht mit dem Namen einer der Beklagten versehen sind.
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Beide kantonalen Instanzen haben die Klage abgewiesen, das Kantonsgericht des Kantons St. Gallen mit Urteil vom 8. Oktober 1945.
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Mit seiner Berufung an das Bundesgericht erneuert der Kläger seine Klageanträge. Eventuell beantragt er Rückweisung an die Vorinstanz.
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Erwägungen: | |
Erwägung 1 | |
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Erwägung 2 | |
2. Ob im unbefugten Gebrauch des Namens Guhl bezw. Guhl-Kläsi als Bestandteil der Bezeichnung für das Unternehmen der Beklagten eine Namensanmassung im Sinne von Art. 29 Abs. 2 ZGB läge, oder ob der Kläger dagegen nur auf Grund der allgemeinen Vorschrift von Art. 28 ZGB vorgehen könnte, kann dahingestellt bleiben; denn die Beklagten verwenden den Namen des Klägers nicht unbefugterweise, und hievon abgesehen erweist sich die vorliegende Unterlassungsklage nach Art. 28 wie nach Art. 29 Abs. 2 ZGB auch deswegen als unbegründet, weil dem Anspruch des Klägers kein schutzwürdiges Interesse zur Seite steht (BGE 44 II 87, 45 II 626 E. 3, 66 II 265).
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Dass es grundsätzlich zulässig ist, mit den wichtigsten Geschäftsaktiven die Geschäftsbezeichnung zu übertragen, steht ausser Zweifel (BGE 52 II 276 ff.). Enthält die Geschäftsbezeichnung den Namen des bisherigen Inhabers, so muss (analog zu der gemäss Art. 953 OR für die Geschäftsfirma geltenden Regelung) allerdings dafür gesorgt werden, dass die Übertragung nicht zu Täuschungen oder Verwechslungen Anlass gibt. Hiezu genügt das Wort "vormals", das die Beklagten vor die übernommene Geschäftsbezeichnung setzten. Ist beim Abschluss des Vertrages vom 16. Februar 1944 über die Bezeichnung des zu verkaufenden Anwesens nicht gesprochen worden, wie der Kläger behauptet, so ändert dies nichts an der Bedeutung des unterzeichneten Vertrages. Die Vorinstanz durfte daher von der Einvernahme des Urkundsbeamten absehen.
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Der Kläger hat im übrigen sein Einverständnis damit, dass die Beklagten die bisherige Geschäftsbezeichnung mit dem Zusatze "vormals" weiterverwendeten, auch dadurch kundgetan, dass er auf Ersuchen der Beklagten selber eine Anzahl von Prospekten mit dem erwähnten Einlageblatt an Verkehrsbüros und an den Schweiz. Kinderheimverband sandte. Er behauptet zwar, er habe das nicht ohne Protest und nur im Sinne eines einmaligen Entgegenkommens im Hinblick auf die bevorstehende Betriebsübernahme getan. Er beanstandete jedoch nach seiner eigenen Darstellung nicht die Verwendung seiner Prospekte, sondern nur die Fassung des Einlageblattes, und zwar bemängelte er diese nicht wegen der als Überschrift verwendeten neuen Geschäftsbezeichnung, die auf das Nachfolgeverhältnis hinwies, sondern nur deswegen, weil die Unterschrift die neuen Inhaberinnen bloss als "Leitung" bezeichnete. Er befürchtete angeblich, dass dies den Anschein erwecken könnte, er sei am Unternehmen noch beteiligt -- eine Befürchtung, die nach dem ganzen Inhalt des Einlageblattes unbegründet war. Die angeblichen Vorbehalte des Klägers ändern also nichts daran, dass die Versendung der Prospekte mit dem Einlageblatt für sein Einverständnis mit der Übernahme der Geschäftsbezeichnung spricht.
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Wenn sich der Kläger später, nachdem die Beziehungen der Parteien sich getrübt hatten, gegen die weitere Verwendung seines Namens in der Geschäftsbezeichnung verwahrte, so konnte er dadurch die vertraglich erteilte Zustimmung nicht wieder rückgängig machen. Auch über diese spätern Proteste brauchte die Vorinstanz also keine Beweise zu erheben.
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b) Da der Kaufvertrag das zu verkaufende Anwesen als Kinderheim bezeichnete und als Kaufgegenstand auch das gesamte zum Kinderheim gehörende Mobiliar aufführte, und da ausserdem auch alle Warenvorräte, Prospekte und Ansichtskarten mitverkauft wurden, handelte es sich beim Kaufgeschäfte der Parteien nicht um einen blossen Liegenschaftskauf, sondern um den Kauf eines Unternehmens. Abgesehen von dem laut Feststellung der Vorinstanz ziemlich hohen Kaufpreis spricht hiefür auch die Tatsache, dass der Kläger der Beklagten Mazzoleni in seinem Schreiben vom 19. Februar 1944 zusicherte, er werde Anfragen von Kunden dahin beantworten, dass sie seine Nachfolgerin sein werde. Wenn die Beklagten in der von ihnen gewählten Geschäftsbezeichnung darauf hinweisen, dass ihr Unternehmen das früher vom Kläger geführte Kinderheim sei, so entspricht dies also der Wahrheit. Diese wahre Angabe berührt den Kläger weder in seinen vermögensrechtlichen noch in seinen sonstigen, vom Recht geschützten Interessen. Ein wirtschaftlicher Schaden kann ihm daraus schon deswegen nicht entstehen, weil er sich ins Privatleben zurückgezogen hat. Aber auch in seiner Ehre, seinem guten Rufe, dem ihm gebührenden Ansehen (BGE 45 II 627) wird er dadurch nicht getroffen. Er hat keine Tatsachen vorgebracht, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten. Wer die Bezeichnung "Kinderheim Solreal vorm. Kinderheim Guhl" oder "vorm. Chalet Guhl" liest, schliesst daraus nur, dass das Kinderheim Solreal die Betriebseinrichtung, namentlich das Gebäude des Kinderheims Guhl übernommen habe. Auf das "Lebenswerk" des Klägers fällt kein Schatten, auch wenn die neuen Inhaberinnen das Kinderheim unter der erwähnten Bezeichnung nach andern Grundsätzen betreiben als er. Dass sie es unseriös führen, sodass schon die blosse Nennung als früherer Besitzer für ihn unangenehm wäre, behauptet er selber nicht.
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Die drei ersten Klagebegehren (von denen das dritte nur eine selbstverständliche Folgerung aus dem ersten darstellt) sind daher unbegründet. Unstatthaft war einzig die Bezeichnung, die die Beklagten zunächst im Verzeichnis der Telephonteilnehmer eintragen liessen, da sie nicht auf das Nachfolgeverhältnis hinwies. Soweit mit der Klage die Beseitigung dieser Bezeichnung verlangt war, ist sie jedoch gegenstandslos geworden, da sich die Beklagten auf erstes Verlangen hin bereit fanden, den beanstandeten Eintrag ändern zu lassen.
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Erwägung 3 | |
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Dispositiv | |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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