BGE 72 II 358 - Grundbuchberichtigungsklage | |||
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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: Thomas Probst, A. Tschentscher | |||
55. Urteil der II. Zivilabteilung |
vom 17. Oktober 1946 |
i.S. Konkursmasse der Verlassenschaft Bucher gegen Witwe Bucher. | |
Regeste |
Grundbuchberichtigungsklage (Art. 975 ZGB) im Konkurs des eingetragenen Eigentümers (Art. 242 SchKG) auf Grund einer beim Kaufe getroffenen Simulationsabrede. Abweisung der Klage wegen Rechtsmissbrauchs (Art. 2 ZGB). | |
Sachverhalt | |
A. | |
Die Klägerin Ida Bucher-Grünenfelder ist die Witwe des im November 1944 verstorbenen Möbelfabrikanten Walter Bucher. Sie hatte diesem schon vor der Eheschliessung, als damalige Witwe Gossweiler, laut Kaufvertrag vom 26. Dezember 1923 ihr pfandfreies Heimwesen in Nidfurn verkauft. Der Kaufpreis wurde auf Fr. 18,000.-- beziffert und war nach den Vertragsbestimmungen zum Teil mit Darlehensforderungen des Käufers zu verrechnen und im übrigen bar zu zahlen. Die Verkäuferin ermächtigte die Urkundsperson, Dr. David Hefti in Haslen, Glarus, zur Anmeldung des Kaufvertrages im Grundbuch. Dr. Hefti "beurkundete öffentlich" am Fuss des Kaufvertrages, "dass vorstehende Urkunde den dem Unterzeichneten mitgeteilten Parteiwillen enthält..." Die Eintragung erfolgte am 8. Januar 1924. Im gleichen Jahre errichtete der Käufer auf dem Grundstück drei Inhaberschuldbriefe von je Fr. 5000.--. Im folgenden Jahre ehelichte er die Verkäuferin. Im Jahre 1926 bezw. 1927 verpfändete er die Schuldbriefe der Obwaldner Kantonalbank. Diese ist Faustpfandgläubigerin geblieben.
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B. | |
Die Erbschaft des Walter Bucher gelangte zufolge allseitiger Ausschlagung zur konkursamtlichen Liquidation. Nun verlangte die Witwe die Aussonderung der seinerzeit auf den Namen des Erblassers übertragenen Liegenschaft und die Zuerkennung einer Frauengutsforderung von Fr. 15,000.--, entsprechend dem Betrag der beiden vom Erblasser für eigene Verbindlichkeiten verpfändeten Schuldbriefe, mit Privileg der 4. Klasse nach Art. 219 SchKG für den hälftigen Betrag von Fr. 7500.--. Sie stützte das Aussonderungsbegehren auf eine Simulationsvereinbarung. In der Tat liegt eine vom 26. Dezember 1923 datierte, von der Klägerin mitunterzeichnete Erklärung des Käufers folgenden Inhaltes vor: "Der Unterzeichnete erklärt hiermit, dass es sich beim Kaufvertrag Gossweiler/Bucher vom 26. Dezember 1923 um ein in seiner inneren Wirkung null und nichtiges Scheingeschäft handelt, speziell, dass Frau Gossweiler nie irgendwelche Darlehen von ihm bezogen hat." Dr. Hefti, der den Kaufvertrag beurkundet hatte, bekannte sich im Prozess auch als Verfasser dieser Erklärung. Er bezeugte, die Parteien des Kaufvertrages seien damals übereingekommen, diesen nur zum Schein abzuschliessen ; der Kauf solle intern keine Rechtswirkung haben.
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C. | |
Auf Grund dieses Urkunden- und Zeugenbeweises hiessen die kantonalen Gerichte das von der Konkursverwaltung abgewiesene Aussonderungsbegehren der Witwe gut. Sie schützten ferner deren Frauengutsersatzforderung mit Privileg für die Hälfte. (Eine ausserdem eingeklagte Lohnforderung ist rechtskräftig abgewiesen).
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Mit der vorliegenden Berufung hält die beklagte Konkursmasse am Antrag auf gänzliche Abweisung der Klage fest.
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Erwägungen | |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung :
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Erwägung 1 | |
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Erwägung 2 | |
2. Ungültigkeit des Rechtsgrundes macht die Eintragung des Erwerbers ungerechtfertigt und setzt sie der Grundbuchberichtigungsklage aus (Art. 975 ZGB), die hier als Aussonderungsklage gegenüber einer Konkursmasse erhoben wird. Der Kaufvertrag vom 26. Dezember 1923 war in der Tat simuliert und daher ungültig. Freilich war die Eintragung des Walter Bucher als Eigentümer gewollt, man hat es mit einer fiduziarischen Eigentumsübertragung zu tun, die sich aber eben nicht auf einen Ausweis über den wahren Rechtsgrund stützt. Geht man davon aus, dass ein wenn auch öffentlich beurkundeter Vertrag nur dann eine gültige Grundlage der Eigentumsübertragung darstellt, wenn er den Rechtsgrund enthält, so erweist sich der Erwerb des Walter Bucher als ungültig, weil der öffentlich beurkundete Rechtsgrund (Kauf) nicht gewollt, der gewollte aber (fiducia mit näheren Bedingungen) nicht beurkundet ist (vgl. BGE 45 II 27 und zahlreiche weitere Entscheidungen, neuestens 71 II 99, besonders 106 oben). Freilich findet sich die Ansicht vertreten, es genüge auch ein einfach den beidseitigen Willen zur Eigentumsübertragung beurkundender Vertrag, ohne Angabe eines Rechtsgrundes (EUGEN HUBER, Zum schweizerischen Sachenrecht 119). Dem stehen aber gewichtige Bedenken entgegen (GUHL in der Festgabe für das Bundesgericht 113). Zwar spricht Art. 657 ZGB allgemein vom "Vertrag auf Eigentumsübertragung". Aber das lässt sich zwanglos als zusammenfassende Umschreibung verstehen, so dass im einzelnen Falle der zutreffende Rechtsgrund anzugeben ist. Vollends spricht das Grundbuchrecht vom Ausweis über den Rechtsgrund, was nach landläufigem Sprachgebrauch die rechtsgeschäftliche Causa bedeutet. Dem Bestreben von Vertragschliessenden, den wahren Rechtsgrund zu verschweigen oder zu verschleiern, kommt also das Gesetz nicht entgegen. Übrigens ist "fiducia" kein selbständiger Rechtsgrund ; es handelt sich nur um Nebenabreden mit obligatorischer Wirkung über bestimmte Einschränkungen der Eigentumsausübung. Man kann daher von fiduziarischem Kauf oder Tausch, von fiduziarischer Schenkung sprechen, abgesehen vom besondern Fall einer Sicherstellung. Wollte man "Verträge auf Eigentumsübertragung" ohne Angabe eines Rechtsgrundes zulassen, so wäre einer missbräuchlichen Verwendung dieser Vertragsfigur nicht vorzubeugen, es wäre denn durch Aufstellung deutlicher Schranken, wofür aber dem Gesetze wiederum nichts zu entnehmen ist. Hier wurde übrigens kein derartiger "abstrakt" gefasster Vertrag abgeschlossen, sondern ein Kaufvertrag mit Angabe des Preises samt Zahlungsbedingungen, während Bucher in Wirklichkeit kein Entgelt zu leisten hatte. Der wahren Sachlage hätte eine (fiduziarische) Schenkung entsprochen.
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Erwägung 3 | |
3. Aus Art. 212 SchKG folgt nichts gegen die Klage. Jene Vorschrift setzt einen gültigen Kauf voraus. Dagegen muss die Klage an den Grundsätzen von Treu und Glauben scheitern. Obwohl der Eigentumserwerb des Walter Bucher als ungültig anzusehen ist, braucht sich dessen Konkursmasse, d.h. die Gesamtheit seiner Gläubiger, die Grundbuchberichtigung zugunsten der Klägerin und damit die Aussonderung des Grundstückes aus dem Verlassenschaftsvermögen des Schuldners nicht gefallen zu lassen. Es kann dahingestellt bleiben, ob bereits Bucher selbst, falls die Ehefrau gegen ihn auf Grundbuchberichtigung geklagt hätte, solcher Geltendmachung der Simulation die Einrede der Arglist (Art. 2 ZGB) hätte entgegenhalten können (wozu vgl. BGE 71 II 106 Erw. 4, 72 II 39). Wie dem auch sei, verlangt es die gute Treue, dass das auf Grund eines simulierten Kaufvertrages auf den Namen des Schuldners eingetragene Grundstück in dessen Verlassenschaftskonkurs zur Verwertung gelange und der Erlös zur Befriedigung seiner Gläubiger diene (auch abgesehen vom Gläubiger mit Faustpfandrecht an den drei Schuldbriefen, dessen Vorzugsrecht natürlich zu berücksichtigen sein wird). Freilich kennt das schweizerische Konkursrecht keinen allgemeinen Grundsatz des Inhaltes, dass Sachen, die einem Andern gehören, sich aber mit dessen Einwilligung in solcher Weise im Besitz des Schuldners befinden, "dass Dritte zur Ansicht geführt werden, sie würden dem Schuldner gehören, und dass Dritte infolge dessen Schuldner Kredit schenken", unter Konkursbeschlag fallen, als ob sie Eigentum des Schuldners wären ("reputed ownership" des englischen Rechtes ; siehe JOSEF KOHLER, Konkursrecht 187). Dieser Rechtsgedanke kann jedoch, in einem so ausgeprägten Falle der Schaffung eines Rechtsscheines wie hier, nach Art. 2 ZGB Geltung kommen. Die Klägerin räumte dem Schuldner nicht nur Besitz ein. Sie machte ihn zum eingetragenen Grundeigentümer und liess es dabei bis zum Verlassenschaftskonkurs bewenden. Dabei handelte sie ohne Zwang oder Tatsachenirrtum. Der zum Schein abgeschlossene Kaufvertrag war eine Machenschaft zur Täuschung der gegenwärtigen und zukünftigen Gläubiger, unter missbräuchlicher Benutzung eines zur Begründung und Darstellung dinglicher Rechte an Grundstücken bestimmten öffentlichen Registers, des Grundbuches. Der als Grundbuchbeleg angefertigte Kaufvertrag war dazu angetan, jeden, der etwa nach den Grundlagen des Eigentumseintrages nachforschte, noch um so mehr in der Annahme des Eigentums des Schuldners zu bestärken. Die Klägerin traf diese Verfügung laut der Klageschrift im Hinblick auf den bevorstehenden Eheabschluss, um dem "notorisch in Geldmitteln immer etwas knappen" Schuldner finanziellen Beistand zu leisten. Sie erreichte denn auch, dass der Schuldner sich als Eigentümer des Grundstückes, abgesehen von der Errichtung und Verpfändung von Schuldbriefen, den Anstrich eines hablichen Mannes geben konnte. Es geht nicht an, dies nun im Verlassenschaftskonkurs des Mannes als eitel Trug zu erklären und das Grundstück dem Beschlagsrecht seiner Gläubiger zu entwinden. Vielmehr ist die Klägerin in diesem Konkurse bei dem seit 20 Jahren vorgespiegelten Grundbuchstande zu behaften und die Berufung auf die Simulationsabrede nicht zuzulassen. Nichts zu Gunsten der Klägerin folgt daraus, dass die Urkundsperson in Kenntnis des wahren Willens der Beteiligten sich zu dieser Verurkundung und sogar zur Abfassung der geheim zu haltenden Simulationsvereinbarung bereit fand.
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Erwägung 4 | |
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Dispositiv | |
Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
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